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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 6 U 55/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313
BGB § 125 Satz 1
BGB § 313 Satz 1
BGB § 326 Abs. 1 Satz 2
Die Verlängerung der Annahmefrist für das Veräußerungsangebot des Grundstücksverkäufers in einer notariell beurkundeten Verpflichtung zum "Abschluss von Kaufverträgen über ein Grundstück" bedarf der Form des § 313 BGB, so dass die Versäumung der Annahmefrist aufgrund einer mündlichen Fristverlängerungszusage des Verkäufers noch nicht zu dessen Schadensersatzverpflichtung führt.
Tatbestand:

Der Kläger trat 1995 an die Beklagte heran und regte verschiedene Bauten auf dem Grundstück "Am Gottesackertor" in B. an. Nach detaillierter Vorstellung des Projekts des Klägers befürwortete der Gemeinderat der Beklagten das Projekt und beschloss am 27.06.95, dem Kläger einen Grundstücksteil zum Kauf anzubieten. Am 23.04.96 ermächtigte der Gemeinderat den Oberbürgermeister zum Abschluss eines Kaufvertrags. Am 26.04.96 beurkundeten der Kläger und der Oberbürgermeister der Beklagten vor dem Notariat ein "Kaufangebot für den Abschluss von Kaufverträgen" (Anlage K 2). Im Teil I. der Urkunde ist die wirtschaftliche Zielsetzung der Parteien niedergelegt und der betroffene Grundbesitz beschrieben worden. Im Teil II verpflichtete sich die Beklagte diesen Grundbesitz an den Kläger oder von ihm zu benennende Dritte zu veräußern und Kaufverträge mit im Teil III der Urkunde im einzelnen festgelegtem Inhalt zu schließen. Abschließend heißt es im mit "Veräußerungsverpflichtung" überschriebenen Teil der notariellen Urkunde:

An die vorstehende Veräußerungsverpflichtung mit dem nachstehenden Inhalt ist die Stadt B. (Beklagte) bis zum 30. Juni 1996 gebunden.

Nach Ablauf dieser Frist steht es der Stadt B. (Beklagte) frei, ob sie mit den von Herrn M. (Kläger) benannten Dritten Veräußerungsverträge mit dem nachstehenden oder einem anderen Inhalt abschließen will. (Klammerzusätze hinzugefügt).

Der Erwerber sollte nach dem vereinbarten Inhalt der Kaufverträge (§ 9 Abs. 3 und § 16 Abs. 3 in Teil III. der notariellen Urkunde) verpflichtet sein, zur Sicherung der Fertigstellung der geplanten Bauvorhaben "unverzüglich nach Abschluss dieses Vertrages" Fertigstellungsbürgschaften zu beschaffen. Am 19.06.96 fand zwischen dem Kläger und dem Oberbürgermeister der Beklagten eine Unterredung statt, in deren Verlauf der Kläger wegen aufgetretener Schwierigkeiten um die Verlängerung der Annahmefrist bat. Wie der Oberbürgermeister auf diese Bitte reagiert hat, ist streitig. Unter dem 21.06.96 übersandte der Kläger dem Amt für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften der Beklagten zu dem Betreff "Besprechungstermin vom 19.06.1996 - 'Gottesackertor' in B." einen Brief in dessen letztem Absatz es heißt bei der Schilderung des Ablaufs der Besprechung:

... bittet er (der Kläger), den Annahmetermin des Kaufvertrages bis zum 30.07.1996 zu prolongieren. Herr M. (der Oberbürgermeister) und Herr R. (der Leiter des Liegenschaftsamtes) stimmten diesem nach kurzer Erörterung, spontan zu. Herr M. (der Kläger) bat hierfür um eine schriftliche Bestätigung, die Herr OB M. dahingehend verneinte, dass er als OB im Wort stehe. Herr R. fügte dem hinzu, dass das Wort eines OB besser als jedes Schriftstück ist. (Klammerzusätze hinzugefügt).

Am 27.06.96 übergaben die Stadtwerke B. GmbH, deren Geschäftsanteile ausschließlich von der Beklagten gehalten werden, dem Kläger eine Finanzierungszusage über 5,52 Mio. DM. Hintergrund war, dass die vom Kläger nach den angebotenen Verträgen zu errichtenden Stellplätze in der zu errichtenden Tiefgarage an die Stadtwerke veräußert werden sollten. Am 24.07.96 erklärte der Kläger zu notariellem Protokoll (Anlage K 4) die Annahme des Angebots der Beklagten und übergab eine Fertigstellungsbürgschaft der W. Bau GmbH, die als Generalunternehmerin tätig werden sollte, zugunsten der Stadtwerke B. GmbH über 1,38 Mio. DM. Die Beklagte wies die Annahmeerklärung des Klägers mit Schreiben vom 25.07.96 als verspätet zurück und begründete ihr Verhalten u.a. damit, dass die Fertigstellungsbürgschaft zu niedrig bemessen gewesen sei (Anlage K 5).

Der Kläger hat vorgetragen,

der Oberbürgermeister habe am 19.06.96 die Annahmefrist mündlich bis zum 30.07.96 verlängert. Die Annahmeerklärung sei daher rechtzeitig erfolgt. Die Beklagte sei mit der Erfüllung des Kaufvertrags in Verzug. Hierdurch sei ihm ein Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden. Selbst wenn ein Vertrag nicht zustande gekommen sein sollte, habe der Oberbürgermeister Vertrauen für seine absolut verbindliche mündliche Zusage in Anspruch genommen und dieses schuldhaft enttäuscht.

Der Kläger hat Schadensersatzklage in Höhe von DM 409.875,12 erhoben.

Die Beklagte hat zur Begründung des Klageabweisungsbegehrens vorgetragen, der Kläger habe nur vorgetäuscht, zur Durchführung des Projekts in der Lage zu sein. Dies sei schon bald durch Verzögerungen der Planung und Durchführung bemerkt und dem Kläger wiederholt mitgeteilt worden. Der Erörterung dieser Schwierigkeiten habe auch die Unterredung am 19.06.96 gedient. Der Oberbürgermeister habe dem Wunsch des Klägers nach einer Verlängerung der Annahmefrist nicht entsprochen. Die Annahmeerklärung des Klägers sei daher zu spät erfolgt. Der Oberbürgermeister habe lediglich erklärt, er werde bei Erfüllung der vertraglich festgesetzten Anforderungen, insbesondere der Stellung der Fertigstellungsbürgschaft, dem Gemeinderat in der bereits anberaumten Sitzung vom 23.07.96 vorschlagen, dem Vorhaben erneut zuzustimmen und den Oberbürgermeister zu einem erneuten Vertragsabschluss zu ermächtigen. Da die beigebrachte Fertigstellungsbürgschaft unzureichend gewesen sei und die Annahmeerklärung auch erst nach der Sitzung vom 23.07.96 protokolliert worden sei, habe der Oberbürgermeister diesen Beschlussvorschlag nicht unterbreitet. Für einen eventuellen Schaden des Klägers sei die Beklagte nicht verantwortlich. Vielmehr sei der Beklagten durch das Verhalten des Klägers ein Schaden von DM 1.933.774,80 entstanden, mit dem sie hilfsweise aufrechne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Ersatzanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm für das Projekt "Am Gottesackertor" getätigten Aufwendungen.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung, § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB (a.F. gem. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Die Beklagte ist weder mit ihrer Verpflichtung zum Abschluss von Kaufverträgen über die für das Projekt "Am Gottesackertor" in Aussicht genommenen Grundstücke noch gar mit der Erfüllung von Pflichten aus Veräußerungsverträgen über diese Grundstücke in Verzug geraten, da der Kläger die vertraglich zum 30.06.96 vereinbarte Frist für die Benennung von Dritten als Grundstückserwerber oder den Selbsteintritt nicht gewahrt hat. Diese Frist ist nicht wirksam verlängert worden, weil sowohl die behauptete mündliche Vereinbarung als auch deren Bestätigung durch das Schreiben des Klägers vom 21.06.96 die erforderliche Form nicht gewahrt haben und daher nichtig sind, § 125 Satz 1 BGB. Die behauptete und brieflich bestätigte Änderung der Vereinbarungen aus der notariellen Urkunde vom 26.04.96 bedurfte gem. § 313 Satz 1 BGB (a.F. gem. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) der notariellen Beurkundung. Nicht nur die Begründung der Verpflichtung der Beklagten zur Veräußerung der Grundstücke, sondern auch die Änderung dieses Grundstücksvertrags unterfällt dem gesetzlichen Formzwang (st. Rspr. vgl. nur BGHZ 66, 270; 82, 434). Keiner der anerkannten Ausnahmefälle für eine formfrei mögliche Abänderung liegt vor:

Die vom Kläger behauptete Verlängerung der Bindungsfrist der Beklagten ist keine Abänderung; die die Veräußerungspflicht weder unmittelbar noch mittelbar verschärft hätte. Anders als die Verlängerung der Frist für die Ausübung eines Rücktrittsrechts (BGHZ 66, 270) würde die Verlängerung der Frist für die Entscheidung des Klägers eine Verschärfung der Pflicht der Beklagten zur Veräußerung zur Folge haben, weil diese dann in weitergehendem Umfange gebunden wäre und nicht - wie vertraglich vorgesehen - nach dem 30.06.96 wieder frei darüber hätte entscheiden können, ob und zu welchen Bedingungen sie die Grundstücke veräußern wollte.

Die behauptete Verlängerung der Frist für die Erklärung des Klägers diente auch nicht der bloßen Beseitigung von Abwicklungsschwierigkeiten (vgl. zu dieser Fallgruppe zuletzt BGH NJW 2001, 1932 m.w.N.) und hätte insbesondere auch den Inhalt der Leistungspflicht der Beklagten nicht unberührt gelassen, weil deren Bindung zum Abschluss von einzelnen Veräußerungsverträgen erweitert worden wäre. Hier geht es nicht um bloße Vertragsabwicklung, sondern um eine Voraussetzung für das Zustandekommen der Veräußerungsverträge selbst. In diesem Fall gebietet es der Zweck der gesetzlichen Formvorschrift auch die Verlängerung der Annahmefrist dem Formerfordernis zu unterwerfen (vgl. BGH DNotZ 1966, 665; WM 1963, 407).

II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen treuwidrigen Verhaltens der Beklagten oder wegen Verschuldens bei Vertragsschluss.

1. Der Kläger hat nicht zu beweisen vermocht, dass der Oberbürgermeister der Beklagten ihn bei der Besprechung durch eine mündliche Zusage der Verlängerung der Annahmefrist bis Ende Juli 1996 davon abgehalten hätte, den am 24.07.96 zu notarieller Niederschrift erklärten Selbsteintritt des Klägers schon vor Ablauf des 30.06.96 protokollieren zu lassen. Der Senat hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht die persönliche Überzeugung gewinnen können, dass die vom Kläger behauptete Reaktion des Oberbürgermeisters für wahr zu erachten sei (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die mangelnde richterliche Überzeugungsbildung waren folgende Gründe leitend (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO): ....

Bei dieser Sachlage verbleiben an der Richtigkeit der Behauptung des Klägers für die Mitglieder des Senats so erhebliche Zweifel, dass diese eine persönliche Überzeugung ausschließen. Da die Beweislast für ein Abhalten von der Wahrung der Frist den Kläger trifft, weil er sich damit auf Tatsachen beruft, deren Vorliegen seiner rechtlichen Position günstig wäre, war zu seinem Nachteil zu entscheiden.

2. Allein der Umstand, dass die Beklagte die Bestätigung des Klägers über die angebliche Reaktion des Oberbürgermeisters nicht unverzüglich zurückgewiesen hat, begründet kein schützenswertes Vertrauen des Klägers darauf, die Beklagte werde auch nach dem Verstreichen des 30.06.96 bei einer Annahme bis zum 30.07.96 das Geschäft zu denselben Bedingungen durchführen und keine nicht vorab weitere Planungsleistungen und Sicherheiten fordern.

Ende der Entscheidung

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