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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 08.07.2009
Aktenzeichen: 6 U 61/09
Rechtsgebiete: ZPO, UWG


Vorschriften:

ZPO § 533
ZPO § 935
ZPO § 940
UWG § 12 Abs. 2
1. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Patentverletzungsverfahren ist, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage im Einzelfall keine Schwierigkeiten macht und dass sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klageschutzrechts aufdrängen. Mit Schwierigkeiten ist die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht erst dann verbunden, wenn sie im Hauptsacheverfahren nicht ohne Heranziehung eines Sachverständigen beantwortet werden könnte. Ergänzend ist eine Bewertung und Abwägung der Interessen der Parteien vorzunehmen.

2. Gesichtspunkte, die gegen das Vorliegen eines Verfügungsgrundes sprechen, können sich aus Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrags ergeben sowie daraus, dass im parallel geführten Hauptsacheverfahren demnächst ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattfinden wird.


Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 6 U 61/09

Verkündet am 08. Juli 2009

Im Rechtsstreit

wegen Patentverletzung, hier: einstweilige Verfügung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 08. Juli 2009 unter Mitwirkung von

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Februar 2009 - 7 O 29/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung.

Die Verfügungsklägerin ist weltweit im Bereich der Unterhaltungselektronik tätig. Sie ist Inhaberin des Europäischen Patents xxx (im Folgenden: Klagepatent). Zu den benannten Vertragsstaaten gehört Deutschland. Das Schutzrecht ist in Kraft. Die Verfügungsbeklagte hat am 15.06.2009 gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt.

Das Klagepatent betrifft eine Anzeigevorrichtung mit vertikal ausgerichtetem Flüssigkristall. Die Ansprüche 1 und 3 lauten wie folgt:

1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:

erste und zweite Substrate (16, 17); und eine Flüssigkristallschicht, die zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) platziert ist; wobei das erste Substrat (16) zumindest eine erste Struktur (20A-1) und eine zweite Struktur (20A-2) aufweist, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; und das zweite Substrat (17) weist zumindest eine dritte Struktur (20B-3) und eine vierte Struktur (20B-4) auf, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; dadurch gekennzeichnet, dass

(a) sich in einem Pixel die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) linear in unterschiedliche Richtungen zueinander erstrecken;

(b) sich in dem Pixel die dritte Struktur (20B-3) im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1) erstreckt und sich in dem Pixel die vierte Struktur (20B-4) im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2) erstreckt;

(c) sich die erste Struktur (20A-1), die zweite Struktur (20A-2), die dritte Struktur (20B-3) und die vierte Struktur (20B-4) in Richtungen erstrecken, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt; und

(d) das erste Substrat (16) ferner mindestens eine Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen aufweist, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft.

2. ...

3. Die Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus nach Anspruch 1 oder 2, worin die Struktur (52), die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft, in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist.

Wegen des weiteren Inhalts der Patentschrift wird auf die deutsche Übersetzung in Anlage ASt 1a und die englische Originalfassung in Anlage ASt 1 Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagte importiert und vertreibt in Deutschland unter anderem folgende Typen von LCD-Fernsehern:

1. bereits in erster Instanz angegriffene Ausführungsformen:

a)xxx

b) xxx

2. in zweiter Instanz zusätzlich angegriffene Ausführungsform: xxx

Die Ausführungsform 1a wird seit Mitte März 2009, die Ausführungsform 1b seit Ende Januar 2009 nicht mehr von der Verfügungsbeklagten ausgeliefert. Beide Ausführungsformen sind noch als Auslaufmodell im Handel erhältlich. Die Ausführungsform 2 wird von der Verfügungsbeklagten seit Ende März 2009 vertrieben.

Die Parteien sowie die Muttergesellschaft der Verfügungsbeklagten führen in mehreren Staaten patentrechtliche Auseinandersetzungen um die Verletzung von mehreren Patenten für Flüssigkristallanzeigen. Unter anderem ist eine Klage beim Landgericht Mannheim anhängig, mit der sich die Verfügungsklägerin unter anderem auf der Grundlage des Klagepatents gegen die Ausführungsformen 1a und 1b wendet. Vorgerichtlich und parallel zu den Verfahren wurden und werden Verhandlungen über eine Kreuzlizenzvereinbarung geführt.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der sie ihr Begehren auf die Kombination der Ansprüche 1 und 3 stützt und ergänzend die Ausführungsform 2 angreift.

Gründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Aus diesem Grund ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch insoweit zurückzuweisen, als sich die Verfügungsklägerin gegen die Ausführungsform 2 wendet.

1. Die Einbeziehung der Ausführungsform 2 in das bereits anhängige Verfahren ist sachdienlich und auch im Übrigen gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Ausführungsform 2 unterscheidet sich, soweit es um die Form der Schlitzstrukturen geht, zwar in Details von den Ausführungsformen 1a und 1b. Aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Unterschiede für die patentgemäße Wirkung der Strukturen von Bedeutung sind. Die Verletzungsfrage lässt sich für die Ausführungsform 2 deshalb anhand des Sach- und Streitstandes beurteilen, den der Senat für die Prüfung der Ausführungsformen 1a und 1b ohnehin zu berücksichtigen hat. Der mit der Zulassung der Antragserweiterung verbundene Verlust einer Instanz erscheint vor diesem Hintergrund für die Verfügungsbeklagte zumutbar.

2. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verfügungsgrund vorliegt. Der Begriff "Verfügungsgrund" bezeichnet das besondere Rechtschutzbedürfnis der klagenden Partei an der Erlangung eines Vollstreckungstitels im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird im Patentverletzungsprozess nicht vermutet; § 12 Abs. 2 UWG ist nicht anwendbar. Die besonderen Umstände, die eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung rechtfertigen, sind deshalb im Einzelfall festzustellen. Aus der Durchsetzungsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Diese verlangt zwar, dass grundsätzlich die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes durch einstweilige Maßnahmen bestehen muss. Das ändert aber nichts daran, dass im Einzelfall eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung nur unter den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO ergehen darf. Entscheidend ist dabei, ob sich bei Berücksichtigung aller Umstände und der Interessen der Parteien ergibt, dass der klagenden Partei die mit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil immer verbundene Verzögerung nicht zugemutet werden kann.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Patentverletzungsverfahren ist danach, wie das Landgericht im Einzelnen näher ausgeführt hat, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage im Einzelfall keine Schwierigkeiten macht und dass sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klageschutzrechts aufdrängen (Senat GRUR 1988, 900 - Dutralene und GRUR-RR 2002, 278, 279 - DVD-Player). Mit Schwierigkeiten ist die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht erst dann verbunden, wenn sie im Hauptsacheverfahren nicht ohne Heranziehung eines Sachverständigen beantwortet werden könnte. Ergänzend ist eine Bewertung und Abwägung der Interessen der Parteien vorzunehmen. Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Fall nicht vor. Der Antrag der Verfügungsklägerin erweist sich als unzulässig und ist vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden.

a) Die Beurteilung der Verletzungsfragen ist als schwierig zu bezeichnen.

Allerdings spricht auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes im Verfügungsverfahren nach Auffassung des Senats viel für die Annahme, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale der Ansprüche 1 und 3 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklichen.

aa) Das Klagepatent betrifft eine Flüssigkeitskristallanzeige (LCD) des vertikalen Ausrichtungsmodus (VA). In der Beschreibung wird dargelegt, dass im Stand der Technik zahlreiche Typen von Flüssigkristallanzeigen bekannt waren. Als besonders geeignet werden Anzeigen mit Dünnschichttransistoren (TFT) hervorgehoben. Als am weitesten verbreiteter Typ von TFT-LCD werden Geräte nach dem TN-Modus (Twisted Nematic) bezeichnet. Diese zeichnen sich durch hohen Kontrast und hohe Farbreproduzierbarkeit aus, weisen aber den Nachteil auf, dass die Qualität der Darstellung stark vom Betrachtungswinkel abhängt. Als Alternative wurden Geräte nach dem IPS-Modus (In Plane Switching) vorgeschlagen. Diese haben eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik, aber längere Schaltzeiten, was vor allem bei der Anzeige von schnellen Bewegungen nachteilig ist.

Das Klagepatent befasst sich vor diesem Hintergrund mit LCD nach dem VA-Modus (Vertically Aligned). VA-LCD unterscheiden sich von TN-LCD unter anderem durch die Anordnung der Flüssigkristallmoleküle zwischen den zur Ansteuerung dienenden Elektroden. Beim TN-Modus sind die Flüssigkristalle im spannungsfreien Zustand im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene angeordnet. Dies entspricht dem Anzeigezustand "hell". Beim Anlegen einer Spannung ordnen sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene an. Dies entspricht dem Anzeigezustand "dunkel". Durch Variation der Spannung können Zwischenzustände erreicht werden. Beim VA-Modus sind die Flüssigkristallmoleküle in spannungsfreiem Zustand im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene angeordnet, was auch hier dem Anzeigezustand "dunkel" entspricht. Bei Anlegen einer Spannung richten sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene aus, was dem Anzeigezustand "hell" entspricht. Der VA-Modus bietet nach den Angaben in der Klagepatentschrift einen höheren Kontrast und eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik als der TN-Modus, ist dem IPS-Modus jedoch hinsichtlich der Betrachtungswinkelcharakteristik unterlegen.

Zur Verbesserung dieser Eigenschaft waren im Stand der Technik Vorschläge bekannt, die Orientierungsrichtung der Flüssigkristallmoleküle innerhalb eines Pixels auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Richtungen einzustellen. Beim TN-Modus führt dies nach den Angaben in der Klagepatentschrift jedoch dazu, dass die Oberfläche des Ausrichtungsfilms beim Herstellungsvorgang beschädigt wird. Entsprechende Lösungsvorschläge waren auch für den VA-Modus bekannt. Die unterschiedliche Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle wurde hierbei durch Öffnungen in einer der Elektroden oder durch Ausbildung von geneigten Flächen auf denselben erreicht. Die zuerst genannte Lösung bietet nach den Darlegungen in der Klagepatentschrift keine ausreichende Schaltgeschwindigkeit, die zweite führt zum gleichen Problem wie der Vorschlag für den TN-Modus.

Vor diesem Hintergrund betrifft das Klagepatent das technische Problem, eine VA-Flüssigkristallanzeige zu realisieren, die eine mindestens ebenso gute Betrachtungswinkelcharakteristik aufweist wie eine Anzeige nach dem IPS-Modus und denselben Kontrast und dieselbe Operationsgeschwindigkeit zulässt wie eine Anzeige nach dem TN-Modus. Zur Lösung dieses Problems wird in den Ansprüchen 1 und 3 eine Vorrichtung vorgeschlagen, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:

1.1. ein erstes Substrat (16)

1.1.1 mit zumindest einer ersten Struktur (20A-1) und einer zweiten Struktur (20A-2), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;

1.1.2 die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) erstrecken sich in einem Pixel linear in unterschiedliche Richtungen zueinander;

1.1.3 mit mindestens einer Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft

1.1.4. und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist

1.2. ein zweites Substrat (17)

1.2.1 mit zumindest einer dritten Struktur (20B-3) und einer vierten Struktur (20B-4), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;

1.2.2 die dritte Struktur (20B-3) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1);

1.2.3. die vierte Struktur (20B-4) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2);

1.3. die vier Strukturen (20A-1, 20A-2, 20B-3 und 20B-4) erstrecken sich in Richtungen, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt.

1.4. zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) ist eine Flüssigkristallschicht platziert.

Diese Gliederung weicht von der seitens der Verfügungsklägerin erstellten Gliederung nur insoweit ab, als das zusätzliche Merkmal nach Anspruch 3 des Klagepatents, das die Verfügungsklägerin in zweiter Instanz in den Gliederungspunkt 1.1.3 mit aufgenommen hat, der besseren Übersicht halber in einen eigenen Gliederungspunkt 1.1.4 ausgelagert wurde. Sachliche Änderungen sind damit nicht verbunden.

Ein Ausführungsbeispiel für ein Pixel, das die Merkmale des Anspruchs 1 aufweist, ist in Figur 43 der Klagepatentschrift wie folgt dargestellt:

In der Beschreibung wird die zusätzliche Struktur (52) als Erhebung bezeichnet, die in der Nähe des Bereichs gebildet ist, in dem eine Schlierenstruktur ("schlieren structure") beobachtet wird. Die Erhebung ist mit einer Erhebung 20A verbunden und einstückig ausgebildet (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 107). Als Ursache für die ohne die Erhebung (52) beobachtete Schlierenstruktur wird ein als "Reverse Tilt" bezeichnetes Phänomen genannt, das entsteht, weil das elektrische Feld am Rand eine schräge Ausrichtung aufweist, was dazu führt, dass die Flüssigkristallmoleküle in diesem Bereich nicht die gewünschte Richtung einnehmen (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 99 und 100).

Die Anordnung der Erhebung (52) ist nochmals in Figur 44 dargestellt:

In Figur 62 ist eine modifizierte Anordnung dargestellt, bei der die Erhebung (52) so angeordnet ist, dass sie dem Rand der Pixelelektrode (13) zugewandt ist (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 108):

bb) Vor diesem Hintergrund dürften die angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b nach derzeitiger Einschätzung des Senats, die auf dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Verfügungsverfahrens beruht, von allen Merkmalen der Ansprüche 1 und 3 wortsinngemäß Gebrauch machen.

(1) Die genannten Ausführungsformen stellen unstreitig Flüssigkristallanzeigevorrichtungen des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln dar und verwirklichen damit Merkmal 1.

(2) Die Pixel weisen folgende Struktur auf:

Ausführungsform 1a:

Ausführungsform 1b:

Aus den Abbildungen geht hervor, dass die Vorrichtungen ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) aufweisen, wie dies die Merkmale 1.1 und 1.2 vorsehen. Zwischen den Substraten ist unstreitig die in Merkmal 1.4 vorgesehene Flüssigkristallschicht platziert. Die Substrate weisen auch schräg verlaufende Strukturen - Schlitze - auf und verwirklichen damit die Merkmale 1.1.1 und 1.2.1. Diese Strukturen verlaufen ferner in einer Richtung, die verschieden ist von der Richtung, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt, so dass auch Merkmal 1.3 verwirklicht ist.

(3) Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands im Verfügungsverfahren spricht nach Auffassung des Senats auch viel für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3.

Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen geht hervor, dass die Strukturen im oberen Bereich jeweils von rechts oben nach links unten und im unteren Bereich jeweils von links oben nach rechts unten verlaufen, mithin zwei unterschiedliche Richtungen aufweisen, wie dies die genannten Merkmale vorsehen. Die Strukturen verlaufen auch zumindest über bestimmte Teilstrecken linear. Hierbei kann offen bleiben, ob der Verlauf der Strukturen jeweils vom linken bis zum rechten Rand als linear im Sinne des Klagepatents angesehen werden kann. Selbst wenn dies aufgrund der vorhandenen Einkerbungen zu verneinen wäre, wiesen die Strukturen jedenfalls zwischen zwei Einkerbungen jeweils einen linearen Verlauf auf.

Die Lehre des Klagepatents legt sich weder auf die Anzahl noch auf die Länge der Strukturen fest. Schon der Anspruchswortlaut, der von "zumindest" einer ersten und einer dritten Struktur die Rede ist, lässt ausdrücklich die Möglichkeit offen, dass die Substrate weitere Strukturen aufweisen. Darauf wird auch in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich hingewiesen (Anlage ASt 1 Seite 6 Zeile 20 f.; Anlage ASt 1a Seite 10 Zeile 46 bis 48). Dort wird auch klargestellt, dass jede Struktur ein oder mehrere Schlitze, Erhebungen, Vertiefungen oder Rillen umfassen und ein unterbrochenes Muster ausbilden kann (Anlage ASt 1 Seite 5 Zeile 17 und 39; Anlage ASt 1a Seite 8 Zeile 36 f. und Seite 9 Zeile 23 f.). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass es ausreicht, wenn sich die linearen Strukturen zumindest über einen Teil der Pixelfläche erstrecken, ohne dass sie vom einen Rand bis zum anderen reichen.

(4) Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen und noch deutlicher aus den farbigen Abbildungen in Anlage ASt 5 geht auch hervor, dass das Gegensubstrat am rechten Rand jeweils Strukturen aufweist, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen, wie dies in Merkmal 1.1.3 vorgesehen ist, und entsprechend Merkmal 1.1.4 auch in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind.

Dass diese Strukturen eine leichte Keilform aufweisen, schließt die Verwirklichung dieses Merkmals nach derzeitiger Einschätzung des Senats nicht aus. Durch die in Anspruch 1 verwendete Formulierung "im Wesentlichen parallel" kommt zum Ausdruck, dass leichte Abweichungen von einem parallelen Verlauf unschädlich sind. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass ein leicht keilförmiger Verlauf nicht mehr von der Lehre des Klagepatents umfasst ist, ergeben sich weder aus dem Anspruch noch aus dem sonstigen zur Auslegung heranzuziehenden Inhalt der Klagepatentschrift.

Auf der Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes hat der Senat Zweifel daran, dass die durch das Patent unter Schutz gestellte Lösung auf den Fall beschränkt ist, dass jede der Strukturen 52 sowie 20A-1 bis 20B-4 während des Betriebs der Vorrichtung in der Weise wirksam sein muss, dass die Flüssigkristallmoleküle ohne ihr Vorhandensein eine andere Ausrichtung aufweisen würden. Dass die genannten Strukturen ausweislich des Patentanspruchs der Kontrolle der Ausrichtung der (bzw. von) Flüssigkristallen dienen, ist eine Zweckangabe, die der mittelbaren Umschreibung der räumlich-körperlichen Merkmale der Strukturen dient. Sowohl aus dem Anspruchswortlaut als auch aus der Beschreibung ergibt sich somit, dass die Strukturen aufgrund ihrer Bauart und ihrer Anordnung geeignet sein müssen, die Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle zu beeinflussen. Der Senat hält aber für zweifelhaft, ob sich hieraus entnehmen lässt, dass von jeder einzelnen Struktur während des Betriebs der Vorrichtung eine bestimmte Wirkung ausgehen muss. Vielmehr kommt durchaus in Betracht, dass es ausreicht, wenn die Strukturen die erwähnte Eignung zur Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle aufweisen und in ihrer Gesamtheit zu der gewünschten Ausrichtung führen. Der Wortlaut des Anspruchs stellt nicht darauf ab, welche Struktur während des Betriebs hierzu welchen Beitrag leistet. Dass der Erhebung (52) in der Beschreibung des in den Figuren 43 und 44 abgebildeten Ausführungsbeispiels bestimmte Wirkungen beigemessen werden, führt nach derzeitiger Einschätzung des Senats zu keiner anderen Bewertung. Die Erzielung dieser Wirkungen hat in den Ansprüchen 1 und 3 keinen Niederschlag gefunden. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass die beanspruchte Lehre über den Wortlaut des Anspruchs hinaus weitere, nur im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel erwähnte Merkmale umfassen soll.

Auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien im Verfügungsverfahren geht der Senat davon aus, dass die bei den angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufenden, leicht keilförmig ausgebildeten Strukturen ihrer Beschaffenheit nach geeignet sind, die Ausrichtung der Flüssigkeitskristalle zu beeinflussen. Dies reicht für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 aus. Ob die von diesen Strukturen ausgehenden Kräfte beim Betrieb der Fernsehgeräte wirksam werden oder ob sie von anderen Kräften überlagert und deshalb ohne sichtbaren Effekt bleiben, dürfte aus den genannten Gründen unerheblich sein.

Unerheblich ist ferner, dass die Struktur (52) bei dem in der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel als Erhebung, bei den angegriffenen Ausführungsformen hingegen als Schlitz ausgebildet ist. In der Beschreibung der Klagepatentschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach der beanspruchten Lehre jede Struktur auch als Schlitz ausgebildet sein kann (Anlage ASt 1 Seite 7 Zeile 13; Anlage ASt 1a Seite 12 Zeile 26).

cc) Für die angegriffene Ausführungsform 2 gilt nach derzeitiger Einschätzung des Senats im Ergebnis nichts anderes.

(1) Auch diese Ausführungsform betrifft unstreitig eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln im Sinne von Merkmal 1.

(2) Die Pixel sind wie folgt ausgebildet: Auch bei dieser Ausführungsform ist ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) vorhanden, zwischen denen eine Flüssigkristallschicht platziert ist. Die Substrate weisen schräg verlaufende Schlitze auf, die in einer Richtung verlaufen, die sich von der Richtung unterscheidet, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt. Damit sind die Merkmale 1.1, 1.1.1, 1.2, 1.2.1, 1.3 und 1.4 erfüllt.

(3) Auch bei dieser Ausführungsform weisen die schräg verlaufenden Schlitze zwei unterschiedliche Richtungen auf, die über bestimmte Teilstrecken linear verlaufen. Zwar wird der lineare Verlauf wiederholt unterbrochen, weil einzelne Teilstücke der Schlitze immer wieder um ein gewisses Maß nach links oder rechts versetzt sind, so dass insgesamt ein leicht mäanderförmiger Verlauf entsteht. Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungsformen 1a und 1b im Einzelnen dargelegt wurde, reicht es für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3 jedoch aus, wenn die Schlitze zumindest über eine Teilstrecke linear verlaufen. Letzteres ist auch bei der angegriffenen Ausführungsform 2 der Fall.

(4) Auch bei der Ausführungsform 2 weist das Gegensubstrat am rechten Rand Strukturen auf, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind. Diese Strukturen sind im Wesentlichen gleich ausgestaltet wie die entsprechenden Strukturen bei den Ausführungsformen 1a und 1b. Die Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 sind deshalb auch bei dieser Ausführungsform verwirklicht.

Aus den wiedergegebenen Überlegungen geht nach Auffassung des Senats hervor, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage sowohl in technischer als auch in patentrechtlicher Hinsicht erhebliche Probleme aufwirft. Es kann keine Rede davon sein, dass sich das Vorliegen einer Patentverletzung ohne weiteres und mit deutlich geringeren Schwierigkeiten feststellen lässt, als in anderen Fällen behaupteter Patentverletzung. Eine abschließende Beurteilung aller angesprochenen Fragen ist im Rahmen eines Verfügungsverfahrens, das auf eine besonders schnelle Entscheidung zur Schaffung einer vorläufigen Regelung ausgerichtet ist, zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber allenfalls unter erheblichen Schwierigkeiten möglich. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Klagepatentschrift in der englischen Originalfassung 92 Seiten umfasst, von denen 23 auf die Beschreibung entfallen. In der Beschreibung wird eine Vielzahl von Ausführungsbeispielen erläutert, von denen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, welche davon alle Merkmale der beanspruchten Lehre aufweisen und welche nur Zwischenstufen auf dem Weg zur patentgemäßen Lösung darstellen. Ob und ggfs. mit welchem Ergebnis dies Auswirkungen auf die Auslegung des Klagepatents hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht abschließend zu klären.

b) Zutreffend hat das Landgericht seine Entscheidung, dass kein Verfügungsgrund vorliegt, auch auf den Umstand gestützt, dass die vorliegende Streitigkeit Teil einer umfassenden Auseinandersetzung ist, in deren Rahmen die Parteien Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrages geführt haben. Ob auch das Klagepatent (vor seiner Erteilung) ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen war, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Aus dem Umstand, dass die Verfügungsklägerin Verhandlungen über den Abschluss einer Lizenzvereinbarung geführt hat, kann zwar für sich genommen nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass ihr die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unwichtig ist. Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung zeigt aber, dass eine sofortige Unterbindung von Vertriebshandlungen der Verfügungsbeklagten auch aus Sicht der Verfügungsklägerin nicht dringend geboten war. Diese Ausgangslage ist nach Auffassung des Senats durch die Erteilung des Klagepatents nicht wesentlich verändert worden. Das Klagepatent ist nur eines unter mehreren Rechten, auf die die Parteien ihre gegenseitigen Ansprüche stützen. Auch der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte nach der Darstellung der Verfügungsklägerin ihre Produkte schnell ändert, lässt sich eine besondere Dringlichkeit nach Auffassung des Senats nicht herleiten. Es ist schon unklar, ob sich solche Änderungen auf Teile beziehen, die für das Vorliegen einer Verletzung des Klagepatents von Bedeutung sein können. Zudem würden durch derartige Änderungen Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung des Klagepatents nicht vereitelt. Es ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die von der Klägerin behaupteten Markteinbußen auf die (geltend gemachte) Verletzung des Klagepatents zurückführen lassen. Von erheblicher Bedeutung ist bei der Abwägung schließlich der Umstand, dass das vorliegende Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren parallel betrieben werden. Angesichts des bereits angesetzten Termins zur mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren bleibt die Verfügungsklägerin, sofern sich ihr Begehren als begründet erweist, nur wenige Wochen ohne Vollstreckungsmöglichkeit. Angesichts der zeitlichen Dauer der Gesamtauseinandersetzung und auch angesichts der Dauer des Verfahrens von der ursprünglichen Anmeldung bis zur Erteilung des Klagepatents erscheint es vor dem aufgezeigten Hintergrund zumutbar, die Verfügungsklägerin auf diesen Weg zu verweisen. Hierdurch wird sie aus den genannten Gründen nicht rechtlos gestellt.

3. Im Ergebnis erscheint das Bedürfnis der Verfügungsklägerin an einer vorläufigen Durchsetzung ihrer Rechte gerade aus diesem Patent nicht derart stark, dass dies die mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung verbundenen Nachteile für die Verfügungsbeklagte rechtfertigen würde. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Gründe, auf die die Verfügungsbeklagte ihren Einspruch gegen das Klagepatent stützt, konkrete Zweifel an dessen Schutzfähigkeit zu begründen vermögen.

4. Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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