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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 09.04.2003
Aktenzeichen: 6 U 80/02
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14 Abs. 2

Entscheidung wurde am 10.11.2003 korrigiert: Fehler im Kopfaufbau bei Verfahrensgang und Rechtskraft korrigiert
Die für alkoholische Getränke - ausgenommen Bier - eingetragene deutsche Wortmarke " Biovin" der Klägerin und die im Zusammenhang mit dem Versandhandel von Wein von der Beklagten benutzten Second - Level - Domain " biovino " weisen jeweils eine offene Anlehnung an eine rein beschreibende Bezeichnung der Warengattung auf, so dass eine Verwechslungsgefahr fern liegt.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

6 U 80/02

Verkündet am: 09.04.2003

In Sachen

wegen Unterlassung (MarkenG)

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2003 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Lippok Richter am Oberlandesgericht Naegelsbach Richter am Oberlandesgericht Voß

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 10. Mai 2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung fallen der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 4.000 abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt als Inhaberin der für alkoholische Getränke ausgenommen Bier eingetragenen deutschen Wortmarke "Biovin" vom Beklagten Unterlassung der Benutzung der Second-Level-Domain "biovino" - insbesondere in der Form www.biovino.de - im Zusammenhang mit dem Versandhandel von Wein sowie Zustimmung zur Löschung der Domain biovino.de. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Die Klägerin trägt vor,

das Landgericht habe zu Unrecht eine geringe statt einer normalen Kennzeichnungskraft der Klagemarke angenommen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts könne sich der Beklagte nicht auf § 23 Nr. 2 MarkenG berufen. "Biovino" sei im Zusammenhang mit Wein keine Beschaffenheitsangabe. Der Verkehr zergliedere oder analysiere diesen Begriff nicht. Fremdsprachige Begriffe dürften nicht ihrer deutschen Übersetzung gleichgestellt werden. Es fehle auch Beleg dafür, dass die inländischen Verkehrskreise "Biovino" mit "Biowein" gleichsetzen würden. "Biovino" sei auch kein Wort der italienischen Sprache; dort heiße Biowein "vino ecologico". Die angegriffene Domain werde schließlich auch nicht beschreibend, sondern im Gegenteil als Name des Geschäfts des Beklagten verwendet. Die Domain sei nicht nur Adresse, sondern würden in der Regel kennzeichenmäßig gebraucht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren in erster Instanz gestellten Sachanträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,

das Landgericht habe zu Unrecht Verwechselungsgefahr bejaht. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung eines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts trifft im Ergebnis zu. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung oder Einwilligung in die Löschung der Domain. Das Urteil des Landgerichts hält der berufungsgerichtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Allerdings kann dahinstehen, ob sich der Beklagte auf § 23 Ziffer 2 MarkenG berufen kann. Denn zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Bezeichnung besteht keine Verwechselungsgefahr. Das Landgericht hat die rechtlichen Grundlagen der Beurteilung der Verwechselungsgefahr zutreffend herausgearbeitet und anhand der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes dargestellt, dass es auf eine Gesamtbeurteilung von drei Kriterien in ihrer Wechselwirkung ankommt. Hierauf verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen. Auch die Feststellungen des Landgerichts zu den einzelnen Kriterien dieser Gesamtbetrachtung treffen im Ergebnis zu. Der Senat vermag aber die aus der Gesamtschau der einzelnen Kriterien in ihrer Wechselwirkung gewonnene Überzeugung des Landgerichts von einer bestehenden Verwechselungsgefahr nicht zu teilen.

1. Die von der Klägerin mit der Klagemarke gekennzeichneten Waren, nämlich Weine aus ökologischem Anbau, sind identisch mit den Waren, für deren Kennzeichnung der Beklagte die angegriffene Bezeichnung einsetzt. Die Berufung nimmt diese Auffassung des Landgerichts als ihr günstig hin. Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar.

2. Die einander gegenüberstehenden Zeichen sind sehr ähnlich. Der Unterschied zwischen beiden Zeichen besteht nur darin, dass der allein prägende Teil der angegriffene Bezeichnung am Wortende gegenüber der Klagemarke zusätzlich den Buchstaben "o" aufweist. Das Landgericht legt richtig dar, dass der Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen - bei einer, so ist zu ergänzen, von der Kennzeichnungskraft isolierten Betrachtung - klanglich, schriftbildlich und begrifflich sehr ähnlich ist. Auch diese Darlegungen des Landgerichts greift die Berufung als ihr günstig nicht an. Rechtsfehler sind nicht zu erkennen. Anzumerken bleibt lediglich, dass es für diese Beurteilung des Rückgriffs auf die Bedeutung des Worts "vin" in der französischen Sprache und des Worts "vino" in der italienischen Sprache nach Auffassung des Senats nicht bedarf. Auch ohne jede Kenntnisse dieser fremden Sprachen wird der angesprochene Verbraucher, der die Zeichen nicht nebeneinander (klanglich, schriftbildlich oder in ihrer Bedeutung) wahrnimmt, sondern nur mit dem einen Zeichen konfrontiert wird und das andere aus seiner Erinnerung abrufen muss, dazu neigen, die sehr starken Gemeinsamkeiten zu betonen, während der einzige Unterschied zurücktreten wird.

3. Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke "biovin" ist für Wein aus biologischem Anbau schwach. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, bei Übersetzung der Bestandteile "bio" und "vin" aus der französischen Sprache in die deutsche Sprache komme man auf den rein beschreibenden Begriff "Biowein". Dies hält den Angriffen der Berufung im Ergebnis stand. Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass dem Verkehr eine zergliedernde Betrachtung in der Regel fern liegt, so dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Verkehr werde in der Klagemarke die Bestandteile "bio" und "vin" erkennen. Ebenso teilt der Senat die Bedenken der Berufung gegen die Überlegungen des Landgerichts zur Übersetzung des Zeichenteils "vin". Zutreffend ist aber der Ausgangspunkt, dass nämlich die Bezeichnung "Biowein" eine im Inland eingeführte und dem Verkehr bekannte Beschreibung von Weinen ist, die in einer bestimmten An- und Ausbauweise erzeugt worden sind. Die Unterschiede der Klagemarke zu dieser rein beschreibenden Bezeichnung sind nach Überzeugung des Senats für den Verkehr marginal. Die erste Silbe des Klagezeichens stimmt mit der beschreibenden Bezeichnung vollkommen überein. Bei der Zweiten Silbe tritt an die Stelle des Buchstabens "w" der Buchstabe "v", die aber beide in der deutschen Sprache denselben Laut bezeichnen. Auch die Klägerin ist der Auffassung, dass nach deutschen Sprachgebrauch das Zeichen "biovin" phonetisch wie "biowin" wahrgenommen werde. Die zu einer Eintragungsfähigkeit führende Abwandlung der Klagemarke gegenüber der rein beschreibenden Bezeichnung der Warengattung besteht daher darin, dass der aus zwei Vokalen bestehende, einsilbig ausgesprochene Doppellauts "ei" durch den Vokal "i" ersetzt worden ist. Dieser Unterschied ist für die angesprochenen Verkehrskreise, die sich zudem bei der Wahrnehmung und Artikulation deutschsprachiger Worte nicht ausschließlich der Hochsprache bedienen, sondern diese zumindest durch Dialekte mehr oder weniger stark einfärben, nur noch bei gesteigerter Aufmerksamkeit überhaupt wahrnehmbar und tritt nach Überzeugung des Senats in der tatsächlichen alltäglichen Situation der Wahrnehmung des Klagezeichens vollkommen zurück. Damit ist die Klagemarke aber klanglich, schriftbildlich und begrifflich zu der beschreibenden Angabe nahezu identisch. Die Eintragungsfähigkeit der Klagemarke wird allein durch diese geringfügigen Abwandlungen zur freizuhaltenden Gattungsbezeichnung begründet.

4. Bei einer Gesamtbeurteilung der Warenidentität, der hohen Übereinstimmung der einander gegenüberstehenden Zeichen und der sehr schwachen Kennzeichnungskraft des Klagezeichens, ergibt sich für den Senat - entgegen der Ansicht des Landgerichts - keine Gefahr, der Verkehr werde Waren, die mit der Klagemarke oder der angegriffenen Bezeichnung gekennzeichnet sind, miteinander verwechseln oder diese auch nur gedanklich in Verbindung bringen. Das Landgericht hat der äußerst geringen Kennzeichnungskraft der Klagemarke nach Meinung des Senats nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen. Angesichts der offenen und für jeden angesprochenen Verbraucher leicht zu erkennenden Anlehnung der Klagemarke und der angegriffenen Bezeichnung an eine rein beschreibende Bezeichnung der Warengattung "Biowein" liegt eine Verwechslungsgefahr fern. Der Verbraucher wird bei Konfrontation mit der Klagemarke oder mit der angegriffenen Bezeichnung in aller Regel keine gedankliche Beziehung zu der anderen Bezeichnung herstellen, sondern seine ganze Aufmerksamkeit darauf richten, dass lediglich marginale, die Semantik der deutschen Sprache letztlich nicht erheblich in Frage stellende Abwandlungen einzelner Laute zur beschreibenden Bezeichnung vorliegen. Deshalb wird der Verkehr die Klagemarke und die angegriffene Bezeichnung nicht miteinander, sondern beide gleichermaßen nahezu ausschließlich mit der beschreibenden Angabe verwechseln oder zumindest gedanklich in Verbindung bringen. Deshalb ist im vorliegenden Fall der Schutzbereich der Klagemarke nahezu auf die identische Benutzung beschränkt und erstreckt sich nicht auf andere sprachliche Abwandlungen der beschreibenden Angabe, an die sich auch die Klagemarke in erheblichem Umfang anlehnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 543 Abs. 2

ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Ende der Entscheidung

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