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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 11.11.2002
Aktenzeichen: 6 U 93/02
Rechtsgebiete: UWG, BW SchulG


Vorschriften:

UWG § 1
BW SchulG § 1
Unentgeltliche Zuwendungen (in Form von Provisionsangeboten) gegenüber Schulen im Zusammenhang mit der Aufstellung und Anmietung von Schließfächern durch den Schulträger stellen eine unlautere Absatzförderung durch Gewährung sachfremder Sondervorteile dar.
Gründe:

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch im Zusammenhang mit dem Versprechen einer Provisionszahlung an die Schule bei Abschluss eines Vertrages mit dem Schulträger zur Aufstellung von Schließfächern für Schüler.

Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen das Unterlassungsurteil.

Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 1 UWG. Danach kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen. Diese Voraussetzungen erfüllt der Beklagte, indem er beim Vertrieb seiner Schließfachanlagen gegenüber Schulen eine Provision von derzeit € 3,00 anbietet, um im Gegenzug die Unterstützung der Schule beim späteren Abschluss eines sog. "Aufstellungsgestattungsvertrags" mit dem jeweiligen Schulträger zu gewinnen.

Der Senat sieht in diesem Provisionsangebot des Beklagten gegenüber den von ihm angesprochenen Schulen eine unlautere Absatzförderung durch Gewährung sachfremder Sondervorteile. Zwar ist die Gewährung von Sondervorteilen an Endabnehmer oder an einen in die Handelskette zwischengeschalteten Dritten - wie im vorliegenden Fall die Schule - alleine nicht geeignet, einen Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb zu begründen. Bereits vor Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung war auch im Anwendungsbereich des § 1 UWG allgemein anerkannt, dass beispielsweise ein Hersteller grundsätzlich berechtigt ist, einem Zwischenhändler Vorteile einzuräumen, um dadurch den Absatz gegenüber dem Endabnehmer zu fördern (BGH GRUR 1967, 256, 257 - "Stern"; KG NJWE-WettbewR 2000, 5, 6). Etwas anderes gilt jedoch, wenn zur bloßen Vorteilsgewährung ein weiteres Kriterium hinzutritt, das geeignet ist, im Einzelfall einen Unlauterkeitsvorwurf zu begründen. Solche unlauterkeitsbegründenden Kriterien hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit beispielsweise darin gesehen, dass ein Einzelhändler trotz Schutzwürdigkeit seiner Endverbraucher durch den gewährten Vorteil von einer eigentlich gebotenen kritischen Prüfung der Hauptware abgehalten wurde (BGH GRUR 1961, 588 - "Einpfennig-Süßwaren") oder dass ein Reisebüro aufgrund eines vom Reiseveranstalter gewährten Warengutscheins veranlasst wurde, die Kunden nicht mehr ausschließlich unter den Gesichtspunkten Qualität und Preiswürdigkeit zu beraten (OLG Düsseldorf WRP 1999, 1197, 1198; ähnlich die Fälle OLG Hamburg WRP 1987, 482, 483 und OLG Düsseldorf WRP 1979, 37, 38).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich nun dadurch von den durch die Rechtsprechung bislang entschiedenen Fällen, dass nicht ein privates Unternehmen, wie z.B. ein Zwischenhändler, sondern eine Schule und somit eine öffentliche Behörde in die Absatzkette zwischengeschaltet ist. Für diesen Fall gelten jedoch die bislang von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erst recht. Während nämlich private Unternehmen lediglich durch die Erwartungshaltung ihrer Kundschaft zu einer sachlichen Prüfung der ihnen angebotenen Produkte veranlasst werden, ergibt sich für staatliche Behörden diese Verpflichtung zur Sachlichkeit und Unparteilichkeit bereits aus deren gesetzlichem Auftrag. Behörden müssen sich bei der Ausübung eines ihnen eingeräumten Ermessens bereits kraft Gesetzes ausschließlich an den jeweils sachlich gebotenen Gesichtspunkten orientieren und daher sachwidrige Gesichtspunkte bei ihren Entscheidungen von vornherein ausscheiden. Lässt sich eine Behörde dennoch im Einzelfall bei ihrer Ermessensausübung von sachwidrigen Gesichtspunkten leiten, so ist ihr Handeln rechtswidrig.

Angesichts dieser allgemeinen Grundsätze kann im vorliegenden Fall kein Zweifel daran bestehen, dass das Provisionsangebot des Beklagten gegenüber den jeweiligen Schulen als unlauter einzustufen ist. Schulen und deren Leitungen haben sich bei ihrem gesamten Handeln ausschließlich am gesetzlichen Schulauftrag zu orientieren, wie er beispielsweise in § 1 des Baden-Württembergischen Schulgesetzes zum Ausdruck kommt. Dieser Schulauftrag hat auch bei Entscheidungen außerhalb des eigentlichen Lehrbetriebs Bedeutung, so z.B. auch bei der im vorliegenden Fall erforderlichen Entscheidung der Schulleitung, ob ein - und wenn ja welches - Angebot eines Schließfachvermieters gegenüber dem Schulträger empfohlen werden soll. Solche Entscheidungen gehören zu den durch das Amtsgehalt bereits abgegoltenen originären Verwaltungsaufgaben eines Schulleiters ( vgl. z.B. § 41 BW SchulG ), so dass sich die Frage eines gesondert honorierungsfähigen Verwaltungsmehraufwands des Schulleiters hier nicht stellt. Inhaltlich muss bei dieser Entscheidung für die Schulleitung ein maßgeblicher Gesichtspunkt neben der Qualität des Angebots vor allem auch dessen Preis sein, um jedem Schüler ohne Rücksicht auf dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine Teilhabe an der schulischen Einrichtung zu ermöglichen, wie dies der in § 1 BW SchulG formulierte Schulauftrag fordert. Aufgrund der vom Beklagten angebotenen Provision besteht jedoch die Gefahr, dass die von der Schulleitung eigentlich zu berücksichtigenden sachlichen Gesichtspunkte in den Hintergrund treten, um in den Genuss der für sonstige schulische Zwecke einsetzbaren Zuwendung des Beklagten zu gelangen (so auch BGH GRUR 1979, 157, 159 - "Kindergarten-Malwettbewerb" - für den vergleichbaren Fall, dass einem Kindergarten Zuwendungen in Aussicht gestellt wurden; vgl. außerdem BGH GRUR 1984, 665, 667 - "Werbung in Schulen"). Diese Gefahr einer durch sachfremde Erwägungen bedingten und damit rechtswidrigen Entscheidung der Schulleitung nimmt der Beklagte mindestens billigend in Kauf. Dieses Verhalten begründet den Vorwurf der Unlauterkeit (BGH GRUR 2001, 255, 256 - "Augenarztanschreiben"), so dass der Beklagte gemäß § 1 UWG zur Unterlassung dieser Vertriebsmethode zu verurteilen war. ...

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