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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 6 U 98/01
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
ZPO § 287
ZPO § 543 Abs. 1 Halbs. 2
1. Vom Wesen der Lockvogelwerbung wird nicht der Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens umfasst, der auf eine Irreführung der Kunden über Eigenschaften des Produkts und nicht auf eine Verleitung zum Kauf überteuerter Waren zielt.

2. Vom Schutzzweck des § 3 UWG werden nicht die finanziellen Nachteile eines Mitbewerbers umfasst, die dadurch entstehen, dass der Verkehr die an sich irreführenden Äußerungen durchschaut und sich zu nutze macht.


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen irreführender Werbung.

Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber, beide geben in K. und Umgebung die einzigen Sonntagsblätter heraus. Beide Zeitungen werden ausschließlich über Anzeigen finanziert und kostenlos verteilt. Der Senat hat der Beklagten unter Abänderung des klagabweisenden Urteils des Landgerichts mit Urteil vom 24.01.01 (6 U 42/00) im Hauptsacheverfahren verboten, für die Sonntagszeitung "B. B." mit unterschiedlichen Anzeigenpreisen für verschiedene Ausgaben, nämlich die Gesamtausgabe, die Ausgabe K., die Ausgabe D. und die Ausgabe E. zu werben und unterschiedliche Anzeigenpreise den Kunden zu berechnen, solange "B. B." nicht auch in den vorgenannten vier Ausgaben herausgegeben und vertrieben wird. Die Beklagte hatte zuvor Inserate in Teilausgaben beworben, solche Teilausgaben aber in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht vertrieben, sondern die für Teilausgaben bestellten Inserate ohne lokale Differenzierung in der Gesamtausgabe veröffentlicht.

Die Klägerin hat vorgetragen,

während der Zeit der einstweilen verbotenen Werbung durch die Beklagte seien 25 Ausgaben ihrer Zeitung "Der S." erschienen. Deren Anzeigenaufkommen betrage durchschnittlich DM 50.000. Ohne die wettbewerbswidrige Werbung habe sie mindestens 10% mehr einnehmen können. Denn das Anzeigenaufkommen der Beklagten habe sich durch die Einführung der umstrittenen Preisliste wesentlich - um mindestens 15% - erhöht. Abzüglich ersparter Mehraufwendungen von DM 25.000 errechne sich daraus ein Mindestschaden von (25 x DM 5.000 - DM 25.000 =) DM 100.000.

Die Klägerin hat Zahlung dieses Betrages begehrt. Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung vorgetragen,

der Senat habe im Vorprozess zu Unrecht einen Wettbewerbsverstoß angenommen. Die Beklagte habe die Inserenten nicht irregeführt. Die Kunden hätten auch bei der Schaltung von Anzeigen in Lokalausgaben nicht erwartet, die Anzeigen würden tatsächlich auch in Lokalausgaben erscheinen. Ein eventueller Wettbewerbsverstoß sei auch nahezu irrelevant, da sich kaum Kunden für Inserate in Lokalausgaben interessiert hätten. Gerade wegen dieses nur geringen Aufkommens an lokalen Inseraten habe sich die Herausgabe von Lokalausgaben nicht gelohnt und seien die Aufträge in die Gesamtausgabe "durchgeschaltet" worden. Da die Klägerin selbst keine Lokalanzeigen anbiete, sei unwahrscheinlich, dass eventuell irregeführte, an einem Inserat mit lokalem Bezug interessierte Kunden bei Kenntnis der wahren Sachlage ihr Inserat bei der Klägerin geschaltet hätten. Es fehle auch an einer Kausalität der beanstandeten Werbung für einen eventuellen Schaden der Klägerin. Schließlich treffe die Beklagte kein Verschulden. Die Angaben zur Schadenshöhe seien gänzlich unsubstantiiert und auch für eine Schätzung ungeeignet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Sie trägt vor, es könne nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte durch ihre Werbung die einschlägigen Verkehrskreise schuldhaft irregeführt habe. Da die Beklagte ihr Verhalten trotz Abmahnung fortgesetzt habe, habe sie schuldhaft gehandelt. Sie könne sich nicht dadurch exkulpieren, dass sie auf eine rechtlich nicht haltbare Entscheidung eines erstinstanzlichen Gerichts verweise, die durch das Berufungsgericht aufgehoben worden sei. Auch seien die Mindestvoraussetzungen für eine Schätzung eines Schadens dargetan. Dass die Klägerin keine Lokalausgaben anbiete und dass nur wenige Kunden sich bei der Beklagten für Lokalinserate interessiert hätten, stelle einen Schaden nicht in Frage. Das Landgericht habe das Wesen einer Lockvogelwerbung gründlich verkannt. Durch die Praxis, billigere Anzeigen in Lokalausgaben anzubieten, diese aber regelmäßig in die Gesamtausgabe "durchzuschalten", sei ein sehr erheblicher Teil der Kunden, die überhaupt nicht an Lokalanzeigen interessiert gewesen sei, dazu übergangen, solche zu ordern, um zu deren günstigeren Preisen eine eigentlich teurere Anzeige in der Gesamtausgabe zu erlangen. Da das Gesamtanzeigenaufkommen eine feste Größe darstelle, gehe das Mehraufkommen der Beklagten zwangsläufig zu Lasten des Anzeigenaufkommens der Klägerin. Seit dem die Beklagte die umstrittene Werbung unterlasse sei der Umsatz der Klägerin um 38,22% gestiegen, obwohl sich das Anzeigenaufkommen bei Printmedien allgemein im Jahre 2001 um 20% vermindert habe. Im übrigen ergänzt und vertieft die Klägerin ihren vor dem Landgericht gehaltenen Vortrag.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz wegen der Bewerbung und Entgegennahme von Aufträgen für gegenüber der Gesamtausgabe preiswertere Inserate in den Lokalausgaben K., D. und E. des "B. B.". Es kann dahinstehen, ob die Beklagte wettbewerbswidrig gehandelt hat, ob das rechtskräftige Unterlassungsurteil des Senats für die Beurteilung des Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach bindend ist und ob der Beklagten Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt. Selbst wenn alle diese Fragen zu bejahen wären - was hier keiner Entscheidung bedarf - erweist sich die Klage als unbegründet. Die Klägerin hat nicht dargetan, dass ihr durch das beanstandete Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden wäre. Das Landgericht hat dies unter Ziffer 3. der Entscheidungsgründe mit eingehender und zutreffender Begründung dargelegt. Der Senat folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und verweist auf sie, § 543 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO. Der Vortrag im Berufungsverfahren rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht:

Der Senat ist wie die Kammer für Handelssachen nicht davon überzeugt, dass auch nur ein Kunde der Beklagten, der zu einem günstigen Preis eine Anzeige in einer Lokalausgabe schalten wollte, sich im Fall der Aufklärung seines Irrtums, einen lokalen Rahmen für seine Präsentation erlangen zu können, entschlossen hätte, ein Inserat in der Zeitung der Klägerin aufzugeben. Denn bei der Klägerin hätte er unstreitig mit seinem Inserat ebenfalls keinen lokalen Bezug erreichen, sondern nur in einer Gesamtausgabe inserieren können und ebenfalls unstreitig für eine Anzeige in der Gesamtausgabe sogar noch mehr bezahlt, als für ein Inserat in der Gesamtausgabe der Zeitung der Beklagten. Bei dieser Sachlage erscheint ein ersatzfähiger Schaden so unwahrscheinlich, dass auch eine Schätzung nach § 287 ZPO nicht in Betracht kommt.

Das hiergegen von der Berufung vorgebrachte Argument, das Wesen der Lockvogelwerbung werde damit grob verkannt, greift nicht durch. Unter einem Lockvogelangebot versteht man das Anlocken des Publikums durch das Angebot nicht oder nicht ausreichend vorrätiger Ware, um den Kunden, der nun schon mal das Geschäft des Werbenden aufgesucht hat, zum Kauf teurerer Waren zu verleiten. Darum geht es hier nicht, weil den Inserenten der Beklagten gerade nicht gesagt worden ist, es gebe keine Lokalinserate (mehr), sie müssten die teureren Anzeigen in der Gesamtausgabe ordern. Vielmehr ist ihnen nach der Behauptung der Klägerin vorgespiegelt worden, sie könnten sich in einem lokalen Rahmen Lesern darstellen, die gerade an in E., D. oder K. (und nicht in ganz Mittelbaden) tätigen Gewerbetreibenden interessiert seien. Der Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerin an die Beklagte zielt daher auf eine Irreführung der Kunden über Eigenschaften des Produkts und nicht auf eine Verleitung zum Kauf überteuerter Waren.

Es kommt auch nicht darauf an, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, weite Teile der angesprochenen Kunden hätten mit der Zeit erkannt, auch bei Schaltung einer Lokalanzeige zu deren niedrigerem Preis in der Regel eine Anzeige in der Gesamtausgabe zu erhalten, und sich deshalb entschlossen, stets auch bei Interesse am Erscheinen in der Gesamtausgabe nur das billigere Inserat in einer Lokalausgabe zu bestellen und zu hoffen, es würde wieder keine Lokalausgabe erscheinen. Selbst wenn dies so gewesen sein sollte, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der ihr dadurch eventuell entstandenen finanziellen Nachteile. Denn diese Nachteile wären ihr nicht durch eine Irreführung des Publikums entstanden, sondern dadurch, das der Verkehr die irreführenden Äußerungen durchschaut und sich zu nutze gemacht hat. Diese Fälle sind aber vom Schutzzweck des § 3 UWG nicht umfasst, der sich nur gegen die Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise wendet und kein Verbot niedrigerer Preise enthält.

Soweit die Klägerin nun auch geltend macht, der von der Beklagten geforderte Preis für ein Lokalinserat sei als Preis für eine Anzeige in der Gesamtausgabe ruinös gewesen, ist der Tatsachenvortrag der Klägerin unsubstantiiert. Denn grundsätzlich hat jeder Gewerbetreibende das Recht, den Preis seiner Waren und Dienstleistungen selbst zu bestimmen. Die Klägerin behauptet lediglich schlagwortartig eine ruinöse Preisgestaltung, ohne die für eine Abweichung von dem Grundsatz der freien Preisgestaltung erforderlichen unlauteren Begleitumstände für eine Verdrängungs- oder Vernichtungsunterbietung auch nur ansatzweise darzutun.

Ende der Entscheidung

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