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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 6 W 29/07
Rechtsgebiete: GKG, ZPO
Vorschriften:
GKG § 71 | |
GKG § 72 | |
GKG § 72 Nr. 1 n. F. | |
ZPO § 303 | |
ZPO § 313 a Abs. 2 | |
ZPO § 331 Abs. 3 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 6 W 29/07
20. Juni 2007
Tatbestand:
Die Klägerin hatte Klage wegen Patent- und Gebrauchsmusterverletzung erhoben. Das Landgericht hatte im Wege des Zwischenurteils über die Prozesskostensicherheit entschieden. Die Klägerin nahm später die Klage zurück. Das Gericht stellte ihr drei Gerichtsgebühren in Rechnung. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr komme aufgrund der Rücknahme die Ermäßigung auf eine Gerichtsgebühr zugute, das Zwischenurteil über die Leistung von Prozesskostensicherheit stehe dem nicht entgegen. Ihre Erinnerung gegen den Kostenansatz blieb beim Landgericht erfolglos. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Erlass des Zwischenurteils der Kammer über die Prozesskostensicherheit einer Ermäßigung der Verfahrensgebühr von 3,0 auf 1,0 Gebühren entgegensteht.
1. Gemäß § 72 Nr. 1 GKG n. F. ist auf den am 07. August 2000 anhängig gewordenen Rechtsstreit das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 anzuwenden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Übergangsbestimmung des § 72 GKG um eine abschließende Sonderregelung handelt mit der Folge, dass der Beurteilung des Falles das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004, zugrunde zu legen ist, oder ob neben der Übergangsbestimmung des § 72 GKG auch die Übergangsvorschrift des § 71 GKG zur Anwendung kommt, mit der Folge, dass auf das am Tag der Anhängigmachung des Rechtsstreits am 07. August 2000 geltende Recht abzustellen ist, d.h. das Gerichtskostengesetz in der Änderungsfassung, die es durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 erhalten hat. Denn in jedem Fall steht der Erlass des Zwischenurteils der Kammer über die Prozesskostensicherheit einer Gebührenermäßigung entgegen.
2. Nach dem Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004, ermäßigte sich die Verfahrensgebühr im Falle der Beendigung des gesamten Verfahrens durch Klagerücknahme vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß Nr. 1211 KV nur dann, wenn nicht bereits ein "sonstiges Urteil" vorausgegangen war. Nach dem am 07. August 2000 geltenden Recht ermäßigte sich die Verfahrensgebühr im Falle der Beendigung des gesamten Verfahrens durch Rücknahme der Klage vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß Nr. 1202 KV dann, wenn nicht bereits "ein Urteil" vorausgegangen war. Das von der Kammer erlassene Zwischenurteil über die Prozesskostensicherheit fällt sowohl unter den Begriff des sonstigen Urteils im Sinne der Nr. 1211 als auch des Urteils im Sinne der Nr. 1202 KV.
a) Bei der Auslegung des Begriffs "sonstiges Urteil" bzw. "Urteil" ist vom Wortlaut der jeweiligen Bestimmung auszugehen. Dieser bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass Zwischenurteile nicht von diesen Begriffen erfasst wären. Die Bestimmung in Nr. 1202 KV differenziert in keiner Weise nach Gegenstand und Art des Urteils. Die Bestimmung in Nr. 1211 KV betrachtet nur die vor dem Begriff "sonstiges Urteil" aufgeführten Urteile - Anerkenntnis-, Verzichts- und Urteile, die nach § 313 a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthalten müssen -, als einer Gebührenermäßigung nicht entgegenstehend.
b) Bei der Auslegung der Begriffe "sonstiges Urteil" bzw. "Urteil" ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1202 bzw. 1211 KV Ausnahmen vom Grundsatz der Nr. 1201 bzw. 1210 KV vorsehen, und deshalb grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. OLG Nürnberg MDR 1997, 400; OLG Oldenburg, NJW RR 1999, 942; OLG Koblenz, MDR 2005, 119; Hartmann, Kostengesetze, 29. Auflage, KV 1202 Rn. 2; derselbe, Kostengesetze, 31. Auflage, KV 1211 Rn. 2; derselbe, Kostengesetze, 37. Auflage, KV 1211 Rn. 2; a.A. OLG München, MDR 2003, 115). Die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1202 bzw. 1211 KV stellen auf einfach fassbare Voraussetzungen ab und dienen insofern der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. OLG Koblenz a. a. O; Hartmann a. a. O). Diese Gesichtspunkte erfordern eine praktisch handhabbare Auslegung und stehen einer in den Bestimmungen nicht geregelten Differenzierung nach Gegenstand und Art des Urteils entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1999, 764; a.A. OLG München, MDR 2003, 115).
c) Auch der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 (BT Drucks. 12/6962, Seiten 69 ff.) sind keine Hinweise dafür zu entnehmen, dass unter dem Begriff des Urteils nur bestimmte Urteile zu verstehen sind und andere Urteile wie beispielsweise solche, die eine Prüfung in der Sache selbst nicht erfordern oder die nicht selbstständig anfechtbar sind, nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmung fallen sollen. So ist auf S. 70 der Gesetzesbegründung ausgeführt: "Voraussetzung für eine gebührenermäßigende Beendigung des Verfahrens soll in jedem Fall sein, dass nicht bereits ein Urteil vorausgegangen ist." Das anschließend angeführte Versäumnisurteil gem. § 331 Abs. 3 ZPO, das eine Schlüssigkeitsprüfung voraussetzt, ist lediglich beispielhaft angeführt. Hinweise darauf, dass der umfassende Begriff des Urteils auf das beispielhaft angeführte Versäumnisurteil oder vergleichbare, eine Schlüssigkeitsprüfung erfordernde Sachentscheidungen reduziert werden sollte, finden sich in der Gesetzesbegründung nicht. Dieser ist vielmehr zu entnehmen, dass auch die Bestimmung in Nr. 1202 KV, wie das gesamte Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, eine spürbare Vereinfachung in der Kostenberechnung bewirken sollen (vgl. BT - Drucks. 12/6962, S. 1 und S. 70). Diesem Ziel liefe eine nach dem Wortlaut nicht vorgesehene Differenzierung nach Gegenstand und Art des Urteils jedoch - wie bereits unter b ausgeführt - zuwider.
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte das Landgericht die im Zwischenurteil enthaltene Entscheidung auch nicht durch Beschluss treffen können. Die Entscheidungsform stand nicht in seinem Ermessen. Denn nach der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur und Rechtsprechung ist die Anordnung einer Prozesskostensicherheit im Wege eines Beschlusses nur dann zulässig, wenn die Sicherungspflicht und die Höhe unstreitig sind. Besteht zwischen den Parteien dagegen - wie im Streitfall - über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung oder deren Höhe Streit, so muss das Gericht den Zwischenstreit zwischen den Parteien durch Zwischenurteil im Sinne des § 303 ZPO entscheiden (vgl. BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148; BGHZ 102, 232; RGZ 104, 189, 190; OLG Frankfurt, OLGR 2005, 415; Zöller-Herget, ZPO, 26. Auflage, 112 Rn. 1; Musielak-Foerste, ZPO, 5. Auflage, § 110 Rn. 9; Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Auflage, § 113 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 65. Auflage, § 112 Rn. 4; Hüßtege/Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, § 113 Rn. 2; a. M. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage, § 112 Rn. 2).
3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (vgl. § 5 Abs. 6 GKG a. F.). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da sowohl gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG in der vom 1. Juli 1994 bis 31. Juli 2001 geltenden Fassung als auch nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG in der vom 01. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt findet (vgl. Hartmann, a.a.O., 31. Auflage, § 5 Rdn. 35).
Ende der Entscheidung
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