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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 04.03.2002
Aktenzeichen: 6 W 4/02
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 27 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 91
Legt der Rechtsanwalt in einen Rechtsstreit (hier: einem Patentverletzungsprozess) dem Gericht Kopien von Unterlagen vor, die zur Verdeutlichung und Untermauerung des Parteivortrags erforderlich sind, so verdient er die Pauschale gem. § 27 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Solche Kosten sind gem. § 91 ZPO vom Gegner zu erstatten.
Tatbestand:

Das Landgericht hat in einem Patentverletzungsprozess den Antrag auf Festsetzung der Kosten für 271 Fotokopien in Höhe von DM 116,30 (= € 59,46) abgelehnt und sich dabei in Abkehr von der bisherigen Praxis der Ansicht des OLG Stuttgart (MDR 2000, 1398) angeschlossen, wonach solche Kosten mit der Prozessgebühr abgegolten seien.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Klägerin hat auch DM 116,30 Kosten für 271 Fotokopien zu erstatten. Die Kosten sind gem. § 27 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO angefallen und gem. § 91 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen. Insbesondere in Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes sind vollständige Kopien über die zugrundeliegenden tatsächlichen Vorgänge, insbesondere die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen oder der Werbung, und vorangegangenen Entscheidungen im Erteilungs-, Einspruchs-, Löschungs oder Nichtigkeitsverfahren für eine sachgerechte richterliche Beurteilung unerlässlich (vgl. Senat OLGR Karlsruhe 1998, 304 = AnwBl 1998, 541 = JurBüro 1998, 596 = NJW-RR 1999, 437; OLG Düsseldorf MittdtschPatAnw 2001, 138). Solche Kopiekosten sind daher vom unterlegenen Gegner zu erstatten. Der in Kostensachen des gewerblichen Rechtsschutzes zuständige 6. Senat des Oberlandesgerichts Karlsruhe befindet sich mit dieser Rechtsansicht in Übereinstimmung zur Rechtssprechung der allgemeinen Kostensenate des Oberlandesgerichts Karlsruhe (vgl. AnwBl 2000, 264; Justiz 2001, 102). Die von der Rechtspflegerin zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart (MDR 2000, 1398 - dort unzutreffend dem OLG Karlsruhe zugeschrieben) gibt keinen Anlass von der im diesem Oberlandesgerichtsbezirk gefestigten Praxis abzuweichen. Über die gesetzlichen Regelung der Fotokopiekosten in der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung darf sich der Richter nicht mit dem Argument hinwegsetzen, die gesonderte Erfassung und Berechnung sei aufgrund der technischen und sozialen Entwicklung nicht mehr zeitgemäß. Die vom Gesetz nach Grund und Höhe besonders geregelten Kosten können auch beim Streben nach einer an Effektivität orientierten Rechtspflege nicht außen vor gelassen werden. Ob sich die Rechtspflege eine solche Regelung leisten kann, haben nicht die Gerichte zu entscheiden. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart, die von der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vorgesehenen Kosten überstiegen die wahren Kosten deutlich und eröffneten dem Anwalt eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit, überzeugt nicht. Der Rechtsanwalt erhält nur, was die Justizverwaltung in gleicher Höhe selbst an Auslagen vom Bürger für Kopien fordert. Mit der Herstellung von Fotokopien sind regelmäßig nicht nur Sachkosten für Kopiergerät und Papier, sondern auch Personal-, Energie- und Raumkosten verbunden. Dass sich bei "massenhafter" Herstellung von Kopien ein unangemessen hoher Betrag ergeben könnte, hat der Gesetzgeber durch die Herabsetzung des Betrags von 1 DM auf 0,30 DM ab der fünfzigsten Kopie gem. §§ 27 Abs. 2 BRAGO, Nr. 9000 Kostenverzeichnis GKG geregelt. Die Gefahr, die gesetzliche Regelung verleite die Rechtsanwälte zur Vorlage großer Mengen von Kopien, so dass das Gericht mit weniger notwendigen und auch ersichtlich überflüssigen Kopien "zugedeckt" werde, sieht der Senat für seinen Zuständigkeitsbereich nicht. Eher wäre zu befürchten, dass die Parteien bei fehlender Möglichkeit der Kostenerstattung in Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes wegen der Unterlagen auf Behördenakten und wegen der Werbung auf allgemein zugängliche Quellen, insbesondere das Internet verweisen würden, so dass Kammer und Senat gezwungen wären, sich die relevanten Quelle selbst zu erschließen, statt die Aufbereitung des Sachverhalts den Parteivertretern überlassen zu können. Insbesondere im vorliegenden Fall ist ein solcher vom Oberlandesgericht Stuttgart befürchteter Missbrauch weder behauptet noch auch nur ansatzweise sonst erkennbar.

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