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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 7 U 158/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 421
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 840
BGB § 847 a.F.
1. Die Beweislastumkehr für die Ursächlichkeit eines groben Behandlungsfehlers für die geltend gemachten Folgen ergreift nur die sog. Primärschäden. Darunter ist allerdings nicht nur der "erste Verletzungserfolg" im Sinne der Schädigung der körperlichen Integrität und damit die von den Symptomen abstrahierte Schädigung eines Körperteils oder Organs zu verstehen, sondern die Gesundheitsschädigung in ihrer konkreten Ausprägung; hier: Infektion in Form einer Meningitis mit Liquorabflussstörung (im Anschluss an BGH NJW 1998, 3417; NJW 2008, 1304).

2. Die Pfändung eines Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruchs durch einen Gläubiger des Geschädigten erfasst auch den Feststellungsanspruch, entfaltet ihre Wirkung aber im Rahmen einer Gesamtschuld nur gegenüber dem Schuldner, gegenüber dem der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergangen ist.


Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 7 U 158/07

Verkündet am 21. Mai 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Arzthaftung

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Richterin am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14. Juni 2007 - 3 O 74/01 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner einen Betrag von 10.000 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. März 2001 zu zahlen.

Eine Zahlung durch die Beklagte zu 1 hat an die Sparkasse Neckartal-Odenwald, Hauptstr. 5, 74821 Mosbach zu erfolgen, eine Zahlung des Beklagten zu 2 an den Kläger.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner - die Beklagte zu 1 unter Berücksichtigung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Mosbach vom 17.05.2006 (3 M 6590/06) zugunsten der Sparkasse N. verpflichtet sind, dem Kläger allen zukünftigen Schaden zu ersetzen, der auf die durch die fehlerhafte stationären Behandlung bei der Beklagten zu 1 in der Zeit vom 27. November 1998 bis 18. Januar 1999 erlittene Meningitis zurückzuführen ist, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder noch übergehen werden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 92 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 8 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger erlitt bei einem Sturz von einem Gerüst am 27.11.1998 ein Schädel- Hirn-Trauma, das u. a. in der Klinik der Beklagten zu 1 durch den Beklagten zu 2 behandelt wurde. In der Folgezeit entwickelte sich eine Meningitis. Zur Regulierung des Hirndrucks trägt der Kläger seitdem ein sog. Shunt-Anlage. Er leidet heute an neurologischen Ausfallerscheinungen, insbesondere einem eingeschränkten Gang- bild und einer Geruchsstörung, psychomotorischer Verlangsamung und psychischen Auffälligkeiten sowie intellektuellen Einbußen, die er auf eine fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten zu 2 in der Klinik der Beklagten zu 1 und auf die Shunt-Anlage zurückführt. Er begehrt deshalb Schmerzensgeld und beantragt fest zustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch für sämtliche künftige Schäden einzustehen haben.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 8.000 EUR zugesprochen, die weitergehende Klage, mit der der Kläger ein Schmerzensgeld von ca. 153.000,00 EUR begehrt hatte, und den Feststellungsantrag abgewiesen. Es ist dabei davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2 mangels näherer Untersuchung grob fehlerhaft den Rest eines Ventrikelkatheters, den der Kläger sich in einem Verwirrtheitszustand selbst herausgezogen hatte, im Schädel belassen habe, was zu der anschließend für mehrere Wochen anhaltenden Meningitis geführt habe. Für dieses mehrwöchige, lebensbedrohliche Leiden sei ein Schmerzensgeld von 8.000,00 EUR angemessen. Dagegen seien die weiteren Beschwerden des Klägers, die nunmehr seine Lebensführung erheblich beeinträchtigen, nicht auf diesen Behandlungsfehler und die Meningitis zurückzuführen. Sie beruhten vielmehr auf dem Schädel-Hirn-Traum selbst, das der Beklagte sich bei dem Sturz zugezogen hat. Da die Meningitis insoweit folgenlos ausgeheilt sei, sei auch der Feststellungsantrag nicht begründet.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagbegehren (mit der Einschränkung teilweiser Zahlung an eine Gläubigerin) weiter verfolgt. Er trägt dazu vor, aus dem nur beschränkt beurteilbaren CT lasse sich nicht herauslesen, dass die nunmehr zu beklagenden Folgen ausschließlich auf dem Schädel- Hirn-Trauma beruhen. Darüber hinaus sei in jedem Fall die von ihm nunmehr benötigte Shunt-Anlage zur Regulierung des Hirndrucks auf die Meningitis zurückzuführen und daher bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, ebenso wie bei der Feststellung. Gleiches gelte für Defekte am Einstichkanal für die Drainage, die ebenfalls ungeklärte Folgen hätten.

Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung und rügen die Aktivlegitimation des Klägers, da die angebliche Forderung gegen sie wegen einer Forderung in Höhe von 40.000 EUR von der Sparkasse M. durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17.05.2006 gepfändet worden sei. Darüber hinaus liege kein grober Behandlungsfehler vor, sondern lediglich ein einfacher. Der Feststellung der Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler bzw. dem deshalb 6 Tage länger im Kopf verbliebenen Rest des Katheters fehle es an einer Grundlage.

Wegen des Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, wegen der genauen Antragstellung auf das Protokoll vom 23.04.2008 (II 109).

B.

Die Berufung des Klägers hat teilweise, diejenige der Beklagten keinen Erfolg.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nur zum geringen Teil begründet. Das Urteil des Landgerichts beruht bzgl. des Umfangs der Haftung der Beklagten auf einem Rechtsfehler ( 546 ZPO) und die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen rechtfertigen eine andere Entscheidung zur Höhe des Schmerzensgeldes und die (beschränkte) Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden, § 513 ZPO.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR gem. § 823 Abs. 1, 831, 847 BGB a.F.. Das ist eine angemessene Entschädigung für die beim Kläger wegen des Behandlungsfehlers aufgetretene Meningitis sowie den Hydrocephalus, der sich in der Folge eingestellt hat und die Shunt-Anlage notwendig werden ließ.

a) Die Beklagten stellen nicht mehr in Abrede, dass dem Beklagten zu 2 ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, als er es unterließ, mittels einer Computertomographie zu überprüfen, ob sich der Kläger den gesamten Katheter herausgezogen hatte und kein Rest im Schädel verblieben war. Das Landgericht hat diesen Fehler zu Recht als groben Behandlungsfehler angesehen. Die Einwendungen der Beklagten dagegen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt, ist eine auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhende juristische Wertung (vgl. nur BGHZ 132, 47, 53 = VersR 1996, 633 m. w. N.). Sie ergibt sich in der Regel aus der medizinischen Bewertung des Sachverständigen (BGHZ 138,1,6 = NJW 1998, 1780, 1781 = VersR 1998, 457; VersR 1999, 231, 232) und muss von den mitgeteilten medizinischen Fakten in vollem Umfang getragen werden (VersR 2000, 1146, 1147 = NJW 2000, 2737; VersR 2002, 1026; VersR 2007, 541, 542).

Nach diesen Grundsätzen ist das Unterlassen einer Kontrolle mittels Computertomographie aufgrund der durch den Sachverständigenbeweis feststehenden medizinischen Bewertung, gegen deren Richtigkeit und Vollständigkeit keine Bedenken bestehen ( 529 ZPO), als grober Behandlungsfehler zu beurteilen. Der neurochirurgische Sachverständige Prof. S. hat dazu bereits in seinem Gutachten vom 22.10.2002 (dort Seiten 24, 27) ausgeführt, die Anfertigung eines CTs müsse erfolgen, wenn nicht anderweitig überprüft werden könne, ob bei einer Selbstentfernung der Katheter vollständig gezogen worden ist; es hätte "in jedem Fall" ein CT erstellt werden müssen (Anhörung vom 26.06.2003, S. 2, 1173). Es liege ein Verstoß gegen medizinische "Grundstandards" vor, wenn dies unterlassen werde. Da es sich um einen Katheter gehandelt hat, der nach extern abgeleitet hatte, habe von einer potenziellen Kontaminierung ausgegangen werden müssen (Gutachten vom 13.03.2003, S. 6). Darüber hinaus sei ein CT bereits deshalb "unabdingbar" gewesen, weil die Verlegung in ein allgemein chirurgisches auswärtiges Krankenhaus erfolgen solle und der Patient nicht stabil war und neurologisch auffällig (Gutachten vom 22.10.2002 Seite 27). All diese Äußerungen des Gutachters und insbesondere seine Anhörung, bei der er nach den absoluten Grundstandards im Krankenhaus und insbesondere auch auf der lntensivstation gefragt worden ist, lassen den vom Gericht zu ziehenden rechtlichen Schluss, dass hier ein grober Behandlungsfehler, also ein solcher Fehler, der einem Facharzt der entsprechenden Fachrichtung nicht unterlaufen darf und der nicht verständlich ist, nicht nur zu, sondern mit dem Landgericht geboten erscheinen.

Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat ebenfalls überzeugend ausgeführt, dass bei einer Computertomographie der Katheterrest entdeckt worden wäre (Gutachten vom 22.10.2002, S. 28), was die Beklagten auch nicht bestreiten.

b) Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, so tritt zugunsten des Patienten eine Beweislastumkehr für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden ein, wenn der Fehler geeignet war, die Gesundheitsbeschädigung zu verursachen (vgl. nur BGH VersR 2005, 228, 229 = NJW 2005, 427, 428 m.w.N.). Dies führt hier dazu, dass die Beklagten für die beim Kläger eingetretene Meningitis und die dadurch auf Dauer eingetretene shuntpflichtige Erhöhung des Hirndrucks haften, da ihnen der Beweis nicht gelungen ist, dass der Fehler nicht für diese Folgen ursächlich war.

aa) Die Eignung des Fehlers, die Meningitis sowie die eingetretene Liquor-abflussstörung mit der damit verbundenen Erhöhung des Hirndrucks herbeizuführen, die der Regulierung durch den Shunt bedarf, ist nach den überzeugenden Ausführungen beider Sachverständiger zu bejahen. Insoweit übereinstimmend haben sie ausgeführt, der Katherterrest sei als Teil einer externen Ableitung insbesondere bei längerer Verweildauer geeignet, eine bakterielle Infektion, hier die Meningitis hervorzurufen (Prof. Dr. S. , Gutachten vom 22.10.2002, 5. 25 f.; vom 13.03.2003, 5. 5 ff.; Anhörung vom 26.06.2003 5. 1 f.; Prof. B. , Gutachten vom 04.02.2005, 5. 33; vom 16.12.2005 5. 2 f.; Anhörung vom 19.04.2007, 5. 2, 4).

bb) Die Beweiserleichterung wegen eines groben Behandlungsfehlers betrifft allerdings nur sogenannte Primärschäden (vgl. nur BGH VersR 1994, 52, 54 = NJW 1994, 801; NJW 2005, 427, 429 = VersR 2005, 228, 230) und darüber hinaus sekundäre Schäden, soweit sie typische Folge des Primärschadens sind (BGH NJW 1978, 1683, 1684 Textziff. 14 = VersR 1978, 916; NJW 1989, 2948 = VersR 1989, 145; VersR 05, 228, 229 = NJW 05, 427; VersR 2008, 644, 645 Textziff. 13).

Primärschäden sind die unmittelbar verursachten haftungsbegründenden Gesundheitsbeschädigungen, während Sekundärschäden die Folgeschäden sind, die erst durch die infolge des Behandlungsfehlers ein getretenen Gesundheitsschaden entstanden sein sollen (BGH NJW 1988, 2948, Textziff. 8 = VersR 1989, 145; NJW 1998, 3417 Textziff. 10 = VersR 1998, 1153 Primärschaden = "erster Verletzungserfolg"; VersR 2008, 644, 645, wonach es wohl auf die entsprechende Geltendmachung durch die Partei ankommen soll). Zwar wird der erste Verletzungserfolg in der Schädigung des nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsguts der körperlichen Integrität gesehen (BGH NJW 1998, 3417 Textziff. 10). Dabei ist jedoch nicht auf die von den Symptomen abstrahierte Schädigung eines Körperteils oder Organs abzustellen, sondern auf die Gesundheitsschädigung in ihrer konkreten Ausprägung, d. h. mit den vom Kläger als Auswirkung geltend gemachten Beeinträchtigungen seines gesundheitlichen Befindens (BGH a. a. 0. Textziff. 11 für einen Hirnschaden nach fehlerhafter Geburtsleitung; VersR 2008, 490, Textziff. 15 = NJW 2008, 1304 für einen Knieschaden). Entsprechend hat der Bundesgerichtshof zur Hirnschädigung sämtliche Verhaltensstörungen des Klägers nicht als Folge des Hirnschadens, sondern als den Hirnschaden selbst angesehen. (BGH a. a. 0.; vgl. auch zur Hodenverkümmerung als Primärschaden durch Ausstreuung von Tuberkelbakterien bei grob fehlerhaft zu spät erkannter Lungentuberkolose BGH VersR 1989, 145, Tziff. 9).

Davon ausgehend ist hier auf der Grundlage der überzeugenden Sachverständigengutachten (s. unter aa) zum Infektionsweg) als Primär- schaden die Meningitis als Infektion in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen, und zwar mit der beim Kläger aufgetretenen Liquorabflussstörung samt Erhöhung des Hirndrucks, der durch die Shunt-Anlage reguliert werden muss. Denn das ist die vom Kläger geltend gemachte "gesundheitliche Befindlichkeit", wie sie sich nach dem groben Behandlungsfehler darstellt (vgl. BGH VersR 2008, 644, 645). Danach hätten die Beklagten beweisen müssen, dass diese Befindlichkeit nicht durch den Behandlungsfehler verursacht worden ist, was ihnen nicht gelungen ist.

Für die Entstehung der Meningitis (auch) durch den verbliebenen Katheterrest kann zunächst auf die Ausführungen unter aa) verwiesen werden. Dass die Infektion beim Kläger nicht auf den Katheterrest zu rückzuführen ist, ist nicht bewiesen (s. Gutachten Prof. Dr. S. vom 22.10.2002, 5. 25; Anhörung Prof. Dr. B. vom 19.04.2007, 5. 4). Auch die Behauptung des Klägers, die Meningitis mit Liquorabflussstörung habe zum shuntpflichtigen Hydrocephalus geführt, ist nicht widerlegt. Prof. Dr. B. hat dazu, den Senat überzeugend, ausgeführt, er könne zwar nicht ausschließen, dass allein die durch den Unfall verursachte subarachnoidale Blutung und die durch das Schädel-Hirn-Trauma verursachte axonale Schädigung die Liquorabflussstörung verursacht hat, weil es dadurch zu Verklebungen den basalen Liquorabflüssen kommen könne, andererseits sei es - mit einem nicht näher zu ermittelnden Grad - wahrscheinlich, dass die Meningitis mitursächlich dafür sei, da auch diese Entzündung begleitend zu abflussbehindernden Verklebungen führe (Anhörung vom 19.04.2007, 5. 2). Da der Sachverständige eine der Ursprungsverletzung und dem Behandlungsfehler der Beklagten gesondert abzugrenzende Anteile der Schädigung nicht zuordnen kann, reicht die Mitursächlichkeit aus, um die Haftung der Beklagten für den feststehenden Gesamtschaden und damit auch für die Folgen der Shunt-Anlage zu begründen.

Selbst wenn entgegen der obigen Darlegungen der shuntpflichtige Hydrocephalus nicht Primärschaden wäre, so wäre er jedenfalls als typischer Sekundärschaden der Meningitis anzusehen und damit ebenfalls von der Beweislastumkehr erfasst. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. (Anhörung vom 19.04.2007, 5. 2) führt eine Meningitis als Entzündung zu Verklebungen, die dann auch den Liquorabfluss be- oder verhindern können. Damit liegt eine typischerweise mit der Meningitis verbundene Schädigung vor.

cc) Dagegen ist für die neurologischen und psychischen Folgen sowie die Verminderung der intellektuellen Leistungsfähigkeit, die beim Kläger zu beklagen sind, nach dem auch den Senat überzeugenden Gutachten von Prof. B. (vgl. Gutachten vom 04.02.2005 Seite 27 f., insbesondere 28 und 29, 31 f. in Verbindung mit dem neuropsychologischen Ergänzungsgutachten; Anhörung vom 19.04.2007 5. 4) nicht die Meningitis verantwortlich, sondern das durch den Unfall erlittene Schädel- Hirn-Trauma. Unabhängig davon, ob diese Folgen als Sekundärschaden oder im Sinne der weiten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch als Primärschaden angesehen werden könnten und die Beklagten auch insoweit die Beweislast für die fehlende Ursächlichkeit träfe, scheidet ihre Haftung für diese Folgen aus. Denn es steht fest, dass es an der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers fehlt.

Das neurologische Gutachten bezieht die neuropsychologischen Zusatzbegutachtung vom 04.01 .2005 in die Beurteilung ein. Diese konnte durch zahlreiche Tests die Schädigung sehr genau den Gehirnregionen zuordnen, die infolge des beim Sturz erlittenen Schädel-Hirn-Traumas geschädigt wurden (neuropsychologisches Zusatzgutachten vom 04.01.2005 Seite 8 f.; Anhörung Prof. Dr. B. vom 19.04.2007 S. 4: "kristallklare Ergebnisse"). Die entsprechenden Ausführungen sind sehr detailliert und überzeugen auch den Senat. Dass der Neurochirurg Prof. Dr. S. hierzu eine andere Auffassung vertreten hat (Gutachten vom 22.10.2002 Seite 39 f.), hindert diese Beurteilung nicht. Zum Einen ist der Sachverständige Prof. Dr. S. aufgrund seiner fachlichen Kompetenz als Neurochirurg nicht in dem Maße geeignet, die Folgen einer Schädigung zu beurteilen, wie der für dieses Schadensbild besonders qualifizierte Neurologe, der sich zu Recht ergänzend auf das neuropsychologische Zusatzgutachten und ein neuroradiologisches Gutachten stützt. Zum Anderen setzt sich die neurologische / neuropsychologische Beurteilung ausführlich mit den einzelnen Leistungsdefiziten auseinander, während das neurochirurgische Gutachten allgemeiner ist und auf der Annahme von Wahrscheinlichkeiten beruht.

Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es keiner weiteren Klärung, ob Schäden dadurch verursacht wurden, dass eine zweite Drainage gelegt werden musste. Prof. B. hat in seinem Gutachten vom 04.02.2005 (Seite 36) auch unter Auswertung des neuroradiologischen Zusatzgutachtens ausgeführt, die Beeinträchtigungen des Klägers seien genau mit den durch das Trauma geschädigten Hirnregionen in Einklang zu bringen. Weitere nicht zugeordnete Folgen finden sich nicht. Darüber hinaus hat der Sachverständige (Gutachten vom 04.02.2005 Seite 31) eine Gehirnminderleistung oder sonstige Folgen bewirkende Defekte von maßgeblicher Größe in der Nähe des Einstichkanals ausgeschlossen, die auf eine Ventrikulitis und damit einem entzündlichen Prozess beruhen. Schließlich hat er überzeugend betont, die sehr unterschiedlich ausgeprägten Leistungsdefizite seien auch nicht auf die Meningitis zurückzuführen, weil sich dann ein wesentlich diffuseres Beeinträchtigungsbild gezeigt hätte. (Anhörung vom 19.04.2007, 5. 4).

c) Zum Ausgleich für die Folgen, für die die Beklagten einzustehen haben, ist ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR angemessen.

Dabei ist zunächst das ca. einen Monat andauernde, lebensbedrohende Leiden des Klägers zu berücksichtigen, der auf der lntensivstation mit starken Kopfschmerzen, Verwirrtheitszuständen, hohem Fieber, teilweise Erbrechen, etc. lag und behandelt werden musste. Auch wenn allein aufgrund des Unfalls eine schwerwiegende Verletzung vorlag, die ihrerseits Schmerzen verursachte, wurde in dieser Zeit das Leiden des Klägers durch die Meningitis in erheblichem Maße mitgeprägt (Anhörung Prof. Dr. B. vom 19.04.2007 S. 2, 3). Andererseits hat sie nicht zu solchen Spätfolgen geführt wie etwa einem Abszess oder einer Eiteransammlung in den Gehirnhäuten, einer Gefäßentzündung oder neurokognitiven Schäden (Anhörung vom 19.04.2007 5. 2, 4). Allerdings haften die Beklagten wie oben dargelegt auch für die Liquorabflussstörungen, den damit verbundenen Hydrocephalus und die deshalb erforderliche Shunt-Anlage. Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat dazu ausgeführt, die Shunt-Anlage selbst stelle kein Problem dar. Mit einer solchen würden Kinder, die mit einem Hydrocephalus geboren werden, zeitlebens leben. Allenfalls bestehe das Risiko, dass der Shunt einmal nicht funktioniert. Dann müsse eine Revision durchgeführt werden, die heute in der Regel ambulant ohne Einwirkung auf die Lebensqualität erfolge, wenn es nicht zu Komplikationen komme (vgl. im Einzelnen Anhörung vom 19.04.2007 5. 3). Danach ist vor allem die Sorge vor solchen Revisionen und die Kontrolle des Shunts bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Auch ist nachvollziehbar, dass bei einem elektronisch geregelten Shunt Einschränkungen im Hinblick auf elektromagnetische Felder bestehen, wie es sie heute in der technisierten Welt immer mehr gibt (Handy, etc.).

Dagegen sind die von dem Kläger in der Aufstellung zum Schriftsatz vom 08.05.2006 (1 316) behaupteten Folgen nicht zu berücksichtigen. Diese sind von den Beklagten bestritten und nicht unter Beweis gestellt. Der Kläger und seine Ehefrau, seine Betreuerin, haben auch gegenüber den Sachverständigen bei den Untersuchungen nur einen Teil davon geschildert, als wesentliche Beschwerden Kopfschmerzen, Schmerzen im linken Bein, Gleichgewichtsstörungen, körperliche Schwäche und Vergesslichkeit, Wesensänderungen und Geräuschempfindlichkeit (Gutachten Prof. Dr. S. vom 22.10.2002, 5. 19; Gutachten Prof. Dr. B. vom 04.02.2005, 5. 20 f. dort zusätzlich Erektionsstörungen). Prof. Dr. B. hat aber auch diese Beschwerden eindeutig der Grunderkrankung des Klägers, nämlich dem Schädel-Hirn-Trauma zugeordnet, so dass eine Haftung für diese Folgen ausscheidet. Die Notwendigkeit einer Auswechslung des Shunts hat er nicht bestätigt (vgl. bereits oben b) dd) und Gutachten vom 04.02.2005, 5. 34 ff.). Die unter "häufig" und "selten" geschilderte Beschwerden sind im Übrigen bereits nicht substantiiert dargelegt (wann, wie oft), zum anderen nicht unter Beweis gestellt. Auch die behaupteten operativen Shuntrevisionen sind nicht näher dargelegt und unter Beweis gestellt. Der Sachverständige hat zwar die Möglichkeit bestätigt, das ersetzt aber nicht einen substantiierten Vortrag zu den tatsächlichen Beeinträchtigungen des Klägers, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Nach alldem ist ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR als Entschädigung für die durch den Behandlungsfehler verursachten Beeinträchtigungen angemessen.

d) Die Beklagten haften dem Kläger gem. § 823, 847 a.F., 831, 840 BGB und wegen einer Verletzung vertraglicher Pflichten (pVV i. V. m. § 278, 421 BGB, das neue Schuldrecht ist auf den Fall nicht anwendbar) als Gesamtschuldner auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Da die Forderungen des Klägers gegen die Beklagte zu 1 wegen einer Forderung in Höhe von 40.000 EUR bis zu dieser Höhe durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 17.05.2006 von der Sparkasse N. gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurden, darf eine Zahlung durch die Beklagte zu 1 nur an den Gläubiger erfolgen. Die Pfändung erfasst dagegen nicht die Forderung des Klägers gegen den Beklagten zu 2. Nach den Grundsätzen des § 426 BGB beeinflusst die Pfändung die Gesamtschuld insgesamt nicht, sondern wirkt nur gegen den Gesamtschuldner, gegenüber dem die Pfändung ausgesprochen wurde (BGH NJW 1998, 2904). Der Beklagte zu 2 darf und muss daher an den Kläger zahlen, wenn er die Gesamtschuld erfüllt.

2. Die Berufung des Klägers hat darüber hinaus teilweise Erfolg, soweit er die Abweisung des Feststellungsantrags angreift.

Das Landgericht hat den Feststellungsantrag abgewiesen, weil es als bewiesene Folge des Behandlungsfehlers lediglich die nach seinen Feststellungen folgenlos ausgeheilte Meningitis angesehen hat, so dass eine Haftung der Beklagten für weitere Folgeschäden nicht in Betracht komme. Da diese Feststellung nach den obigen Ausführungen nicht zutreffend ist, sondern die Beklagten auch für den eingetretenen Hydrocephalus und der dadurch erforderlichen Shunt-Anlage verantwortlich sind, sind darauf beruhende Folgeschäden nicht nur möglich, sondern angesichts des bisherigen Verlaufs in gewissem Maße wahrscheinlich. Die Feststellung war daher insoweit auszusprechen, ohne dass es darauf ankommt, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Begründetheit des Feststellungsantrags Voraussetzung ist (offen gelassen in BGH VersR 2007, 708).

Bei der auszusprechenden Feststellung war allerdings bzgl. der Beklagten zu 1 ebenfalls der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 17.05.2006 zu berücksichtigen, da auch hinsichtlich der vom Feststellungsantrag umfassten Schäden die Pfändung und Überweisung der Forderungen in Höhe weiterer 30.000 EUR (gesamter Pfändungsbetrag von 40.000 EUR abzüglich zugesprochenen Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 EUR) Wirkung entfaltet.

Dagegen ist der Feststellungsantrag unbegründet, soweit er vom Kläger darauf gestützt wird, ihm entgehe erheblicher Gewinn aus seinem Installationsunternehmen, das er wegen seiner verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit sowie der neurologischen und psychischen Veränderungen nicht mehr führen könne. Denn für diese Folgen haften die Beklagten wie oben dargelegt nicht. Der Feststellungsantrag ist daher nur in beschränktem Umfang begründet.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten, mit der sie ihre Haftung dem Grunde nach wegen des fehlenden Beweises der Ursächlichkeit des angeblich nicht als grob anzusehenden Behandlungsfehlers für die Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers in Abrede stellen und sich gegen die Höhe des Schmerzensgeldes wenden, ist unbegründet, wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt.

C.

Die Kostentscheidung beruht auf § 97, 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Senat von einem ganz überwiegenden Unterliegen des Klägers mit seinem Feststellungsantrag ausgegangen ist, der im wesentlichen auf den Ersatz des entgangenen Gewinns aus seinem Unternehmen gerichtet war. Dafür haben die Beklagten aber nicht einzustehen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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