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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 7 U 173/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 254 |
2. Ein Mitverschulden des Patienten an einer durch eine zu lange Bestrahlungsdauer verursachten Schädigung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, denn es ist Teil der Behandlungsaufgabe, den Patienten vor einer solchen Schädigung zu bewahren.
Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat
Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 7 U 173/01
Verkündet am 26. Februar 2003
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatz und Feststellung
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2003 unter Mitwirkung von
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29.08.2001, 9 O 33/01, wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a. F. in Verbindung mit § 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.)
Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Angriffe gegen das angefochtene Urteil, die darauf gestützt werden, dass der Geschädigte vollständig und richtig in die Bedienung des Bestrahlungsgerätes eingewiesen worden, dass der Bestrahlungsvorgang als solcher für den Beklagten nicht beherrschbar und dass die Schädigung allein auf das weisungswidrige Verhalten des Geschädigten zurückzuführen sei, überzeugen nicht:
1. In der Schädigung des Versicherten, des Zeugen F. , hat sich ein Risiko aus einem Gefahrenbereich verwirklicht, den der Beklagte in Zusammenwirkung mit seinem Personal voll beherrschen konnte und musste. Hier stehen gerade nicht Vorgänge im lebenden Organismus in Frage, die auch bei größter Sorgfalt nicht immer beherrscht werden können. Es geht allein um den Einsatz eines medizinischen Gerätes zur Erreichung eines bestimmten Behandlungserfolgs, das von dem Beklagten und seinem Personal uneingeschränkt gesteuert und damit voll beherrscht werden konnte. Dies rechtfertigt es, dem Beklagten den Entlastungsbeweis aufzubürden, der damit nachzuweisen hat, dass der Vorfall nicht auf einem eigenem Fehlverhalten oder einem Fehlverhalten seines Personals beruht (BGHZ 89, 263, 266; VersR 1991, 310, 311; OLG Hamm VersR 1980, 1030). Diese aus der Art und Weise der Erfüllung der Behandlungsaufgabe folgende Beweislastverteilung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte (und sein Personal) nach seiner Schilderung aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Räumlichkeiten, in denen die Bestrahlung mit UV-Licht stattfand, sich außer Stande setzte, den Vorgang tatsächlich zu kontrollieren, denn die Sorgfaltsanforderungen während der Durchführung einer Behandlung bestimmen sich nicht nach der konkreten Handhabung durch den behandelnden Arzt, sie sind allein nach objektiven Maßstäben zu bestimmen (BGH, BGHReport 2001, 374 = VersR 2001, 646). Gerade im Hinblick auf das hohe Schadensrisiko einer zu langen Bestrahlungsdauer für den Patienten war es geboten, sicher zu stellen, dass die korrekte Durchführung des Bestrahlungsvorgangs vom Personal überwacht wurde, insbesondere wenn wie hier Fehlverhalten eines Patienten zu einer Überschreitung der Bestrahlungsdauer und damit zu einer Schädigung führen kann (vgl. auch BGHZ 89, 263, 265; in diesem Fall hat es der BGH abgelehnt, einen voll beherrschbaren Gefahrenbereich deshalb nicht anzunehmen, weil die Entkopplung eines Infusionsschlauchs auf Eigenbewegung des Patienten zurückzuführen war.). Der Beklagte hätte deshalb in irgendeiner Form gewährleisten müssen, dass es zu einer Überschreitung der Bestrahlungszeiten mit dem Risiko einer Schädigung nicht kommen kann.
2. Den ihm obliegenden Beweis für das Fehlen eines Pflichtenverstoßes und für fehlendes Verschulden (BGH VersR 1991, 310) hat der Beklagte nicht geführt. Das Landgericht hat sich zu Recht nicht davon zu überzeugen vermocht, dass eine die Schädigung des Patienten ausschließende Einweisung (und Überwachung) des Geschädigten durch die Zeugin C. erfolgt ist. Zwar hat die Zeugin C. angegeben, sie habe den Zeugen F. auf die Bedeutung der beiden Knöpfe an der Uhr hingewiesen und ihm gezeigt, wie er diese Uhr auf eine Minute einstellen und dass er nach dem Ertönen eines Pieptones die Kabine verlassen solle (I 46). Die nach der Auffassung des Beklagten daraus abzuleitende eingehende Belehrung wird jedoch durch die Darstellung des Zeugen F. in Frage gestellt, denn danach wurde ihm lediglich die Zeitschaltuhr und ein Knopf, an dem man die Bestrahlungszeit durch Drücken einstellen könne, gezeigt, dann habe die Zeugin C. den Raum wieder verlassen, ohne etwas von einem Piepton zu erzählen (I 49). Eine solche eher flüchtige Einweisung in die technische Handhabung des Bestrahlungsgerätes ist nicht ausreichend, um das aus dem Geräteeinsatz folgende Risiko für den Patienten auszuschließen. Es besteht entgegen der Meinung des Beklagten keine Veranlassung, der Aussage der Zeugin C. den Vorzug vor der des Zeugen F. zu geben, denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Aussage der Zeugin glaubhafter oder glaubwürdiger wäre. Beide Angaben sind in sich stimmig und glaubhaft und bei beiden Zeugen ist ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits in Betracht zu ziehen (gegen die Zeugin war ein Strafverfahren anhängig und die Einräumung eines Fehlverhaltens könnte arbeitsrechtliche Konsequenzen für sie nach sich ziehen). Selbst wenn aber von der Schilderung der Zeugin C. ausgegangen würde, ergäbe sich nichts anderes. Die danach dem Geschädigten erteilte Belehrung beschränkte sich auf die Erläuterung, wie das Gerät zu bedienen ist und wann die Behandlung beendet ist (I 46). Dies war jedoch zur Abwendung der von der Behandlung ausgehenden Gefahren des Patienten nicht ausreichend, denn es fehlte ein Hinweis darauf, dass das Gerät auch nach dem Ertönen des Pieptones mit geminderter Leistung in Betrieb bleibt und dass dann innerhalb kurzer Zeit Schädigungen der Haut drohen. Darüber ist der Geschädigte auch nach den Behauptungen des Beklagten nicht belehrt worden, was deshalb erforderlich war, weil diese Gefährlichkeit des Gerätes (Hautverbrennung bereits nach wenigen Minuten Bestrahlungsdauer) für einen Laien nicht erkennbar war und dieses Wissen auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Darüber hinaus war es zur Vermeidung von naheliegenden Missverständnissen notwendig, den Geschädigten darüber zu belehren, dass die Lampen bereits im halber Kraft arbeiteten, damit bei diesem nicht der Eindruck entsteht, das Gerät sei schon eingeschaltet, und er sich deshalb der Bestrahlung in der Erwartung aussetzt, der Piepton werde nach dem Ende der Bestrahlungszeit ertönen. Dass dies nicht geschieht, führt dann geradezu zwangsläufig dazu, dass der Patient im Warten auf den Piepton die Behandlungszeit überschreitet. So war es nach der Schilderung des Zeugen F. gewesen, der danach (da die Lampen geleuchtet haben) davon ausging, die Sprechstundenhilfe habe die Zeituhr schon bedient gehabt, und der sich deshalb in die Bestrahlungskabine begeben und dort drei bis vier Minuten auf den Piepton gewartet hat (I 48). Von diesem Schadenshergang geht auch der Beklagte aus (Schriftsatz vom 21.02.2002, S. 3, II 71). Daraus kann allerdings entgegen seiner Ansicht kein weisungswidriges Verhalten des Zeugen F. abgeleitet werden, denn darüber war er nicht belehrt worden. Es wäre Aufgabe des Personals des Beklagten gewesen, dieses aufgrund der Funktionsweise des Gerätes naheliegende Missverständnis gar nicht erst aufkommen zu lassen und entsprechend klare und zweifelsfreie Anweisungen zu geben, die einer Fehlinterpretation nicht zugänglich sind, und es wäre die Aufgabe des Beklagten gewesen, sein Personal entsprechend zu instruieren. Im Hinblick auf die unvollständige Belehrung und Einweisung des Zeugen F. in die Funktionsweise des Gerätes kann deshalb nicht vom einem weisungswidrigen Verhalten des Geschädigten unter Verstoß gegen ärztliche Anordnungen ausgegangen werden.
Aufgrund dieser Erwägungen ist eine Wiederholung der (verfahrensfehlerfrei durchgeführten, Rügen werden insoweit nicht erhoben) Beweisaufnahme nicht notwendig, zumal auch die nach der Schilderung der Zeugin C. erfolgte Belehrung des Geschädigten nicht ausreichend ist und eine darüber hinausgehende ggf. ausreichende Belehrung nicht behauptet wird.
Eine Beweisaufnahme zur Frage der Notwendigkeit einer Überwachung ist ebenfalls nicht geboten, denn die Bestimmung der Sorgfaltspflichten des behandelnden Arztes im Rahmen eines voll beherrschbaren Risikos ist eine Rechtsfrage und deshalb der Beweisführung durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich. Im Hinblick auf die objektive Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs (BGH, BGHReport 2001, 374 = VersR 2001, 646) ist es ohne Bedeutung, ob eine (unzureichende) Überwachung üblich ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich dem im Strafverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P. nicht entnehmen, dass eine Überwachung nicht erforderlich war. Dort ist vielmehr dezidiert ausgeführt, dass die Überwachung durch geschultes ärztliches Hilfspersonal ausreichend ist, was bedeutet, dass eine solche Überwachung aber auch durchgeführt werden muss.
Eine Haftung des Beklagten für die Zeugin C. ist nicht zweifelhaft. Sie folgt im vertraglichen Bereich aus § 278 BGB und im deliktischen aus § 831 BGB. Der Entlastungsbeweis hinsichtlich der Zeugin C. ist weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug angetreten, Vortrag zu Schulung und Überwachung der Zeugin fehlt vollständig.
3. Dem geschädigten Zeugen F. fällt auch kein Mitverschulden zur Last. Die übermäßig lange Verweildauer zwischen vier Minuten (so der Zeuge, I 48) oder zehn Minuten ist auf eine unzureichende Belehrung des Zeugen über die Funktionsweise des Geräts zurückzuführen und kann aus dem bereits dargelegten Gründen nicht als Verstoß gegen eindeutige Weisungen des ärztlichen Hilfspersonals gedeutet werden. Es war Bestandteil der Behandlungsaufgabe, den Patienten gerade auch vor solchen Schädigungen zu bewahren. Wegen dieses Schutzzwecks der Behandlungspflichten ist es nicht möglich, bei einer Verwirklichung dieses Risikos dem Patienten die Verantwortung für seine Schädigung aufzubürden.
Damit hat das Landgericht zu Recht den auf § 116 SGB X i. V. m. Verletzung des Behandlungsvertrages und § 823 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch der Klägerin in der geltend gemachten Höhe zuerkannt. Gegen die Berechnung des Anspruchs und dessen Höhe erhebt der Beklagte keine Einwendungen.
4. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch das Feststellungsbegehren begründet. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die konkrete Gefahr einer Erkrankung an Hautkrebs besteht und ob das vom Geschädigten behauptete Schwitzen eine Folge des Behandlungsfehlers des Beklagten ist. Das Feststellungsbegehren ist bereits dann begründet, wenn weitere Folgen aus der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsguts zu befürchten sind, bei verständiger Würdigung des Sachverhalts also kein Grund besteht, mit weiteren Verletzungsfolgen nicht rechnen zu müssen (BGH, BGH-Report 2001, 234, 235 = VersR 2001, 874, 875; BGH-Report 2001, 480 = VersR 2001, 876). Bei dem demnach anzulegenden großzügigen Maßstab (BGH, BGH-Report 2001, 656, 657) ist das Feststellungsbegehren nur dann unbegründet, wenn die Möglichkeit von Folgeschäden ernsthaft nicht mehr in Betracht kommt. Diese behauptet der Beklagte selbst nicht. Ein konkreter Ursachenzusammenhang zwischen der Schädigung und der Wahrscheinlichkeit von Spätfolgen muss zur Begründetheit des Feststellungsbegehrens nicht festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen. Der Beweiswürdigung und der Bestimmung der Sorgfaltspflichten im Einzelfall kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch wird die Zulassung aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts gefordert.
Ende der Entscheidung
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