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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 04.07.2001
Aktenzeichen: 7 U 68/98
Rechtsgebiete: WpHG
Vorschriften:
WpHG § 31 Abs. 2 |
2. Wer zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung wusste, dass die eine Anleihe herausgebende Firma (hier die Firma Fokker) von der Pleite bedroht ist, dem ist bewusst, dass das investierte Kapital im Insolvenzfall verloren ist, auch wenn er die genaue Höhe der Verluste der Firma nicht kennt.
3. Hängt das wirtschaftliche Überleben einer Firma maßgeblich davon ab, ob deren bisherige Kapitalgeber ihr Engagement fortsetzen, und gibt die Bank die allgemeine Einschätzung wieder, mit einem Rückzug der Kapitalgeber sei nicht zu rechnen, informiert sie den Anleger nicht falsch.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 04.07.2001
In Sachen
wegen Schadensersatzes aus Anlageberatung
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 13.06.2001 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 26.01.1998 - 10 0 168/97 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheit darf jeweils durch schriftliche, selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zugelassenen Bank- oder Kreditinstituts geleistet werden.
Tatbestand:
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung beim Erwerb einer Fokker-Anleihe geltend.
Der in Frankreich wohnende Kläger war Kunde bei der beklagten Bank. Er hatte seinen Schwager, den Zeugen I. , 1994 bevollmächtigt, alle Rechtsgeschäfte gegenüber der Bank vorzunehmen. In der Folge hatte Herr I. für den Kläger von der Beklagten eine BHW-Anleihe zu einem Zinssatz von 5 % zu einem Nennwert von DM 200.000,00 aus dem Handelsbestand der Beklagten erworben. Der als Leiter des Anlagebereichs für die Beklagte tätige Zeuge D. hatte die BHW-Anleihe empfohlen, weil die Beklagte die günstigen Konditionen, zu denen sie die Anleihe an der Börse erworben hatte, weitergeben konnte.
Am 24.07.1995 erschien Herr I. wieder bei der Beklagten und wollte für den Kläger weitere DM 200.000,00 für ein Jahr und wie die ersten 200.000,00 DM anlegen. Der Erwerb von BHW - Anleihen war zu den früheren Konditionen nicht möglich, sondern nur noch mit einer Rendite von unter 4 %, weil die Beklagte die Anleihe nicht mehr im Handelsbestand hatte.
Herr D. bot u.a. den Erwerb einer Fokker-Anleihe mit einer Rendite von 6,3 % an, für die Herr I. Interesse zeigte. Die Einzelheiten des Gesprächs sind streitig. Herr I. wusste, dass die Firma Fokker in der zurückliegenden Zeit Verluste gemacht hatte. In der Folge kaufte er für den Kläger aus dem Handelsbestand der Beklagten die mit 6,5 % jährlich verzinsliche DM-Anleihe 93/96 des niederländischen Flugzeugproduzenten Fokker (Wertpapierkenn-Nummer 411470) zum Nennwert von DM 200.000,00, fällig am 26.08.1996. Der Kläger bezahlte hierfür einschließlich der Stückzinsen DM 212.416,67. Ihm wurden per 26.08.1995 DM 13.000,00 Zinsen, davon DM 11.916,67 für die Zeit vor dem Erwerb der Anleihe durch den Kläger, gutgeschrieben.
Die Firma Fokker hatte im Jahre 1993 einen Verlust von 460.000.000 Gulden gemacht. Der Umsatz war um 9 % zurückgegangen. Obwohl die Hauptaktionäre DASA und die Niederlande 1994 zusätzliche Finanzierungsmittel zur Verfügung stellten, betrug der Verlust im Jahre 1994 wiederum rund 460.000.000 Gulden. Der Kurs der Aktie fiel kontinuierlich. Eine Geldanlage in Fokker-Aktien wurde Anfang 1994 in der FAZ und Ende 1994 im Handelsblatt (Anlagen K 9 und K 11) als spekulativ bzw. hochspekulativ bezeichnet. Am 15.08.1995 wurde bekannt, dass die Firma Fokker in der ersten Jahreshälfte 1995 wiederum Verluste gemacht hatte. Eine Bürgschaft oder Patronatserklärung der DASA, für die Schulden der Fa. Fokker aufzukommen, gab es nicht. Ein offizielles Rating der Fokker-Anleihe existierte ebenso wenig wie ein internes Rating der Genossenschaftsbanken und eine interne Bewertung der Beklagten. Im März 1996 wurde über das Vermögen der Firma Fokker das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger hat behauptet, der Zeuge D. habe dem Zeugen I. erklärt, die Anleihe sei völlig unbedenklich. Sie sei absolut sicher, Daimler Benz und der holländische Staat stünden dahinter. Die Anleihe sei durch Bürgschaften beider gesichert. Herr I. habe nur allgemein aus den Medien gewusst, dass Fokker in Schwierigkeiten sei. Genaues sei ihm nicht bekannt gewesen. Bei richtiger Beratung hätte der Kläger die Anleihe nicht erworben. Er habe hauptsächlich eine sichere Anlage gewollt. Stattdessen habe die Beklagte ihm eine hochspekulative Anlage verkauft. Der Kläger ist deshalb der Auffassung, dass die Beratung der Beklagten weder anleger- noch objektgerecht gewesen sei.
Nachdem die Anleihe für DM 55.659,00 während des Rechtsstreits verkauft worden ist, haben die Parteien insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 200.500,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 26.11.1995 zu bezahlen abzüglich am 12.12.1997 gezahlter DM 55.659,00.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, Herr I. sei ihr als äußerst erfolgreicher Geschäftsmann bekannt gewesen. Bei dem Geld habe es sich nach seinen Angaben nur um einen Teilbetrag von DM 800.000,00 gehandelt, die der Kläger insgesamt aus Grundstücksverkäufen erwartet habe. Der Kläger sei begrenzt risikobereit gewesen, Herr I. habe nämlich um die bestmögliche Anlage gefeilscht. Herr D. habe Herrn I. einen Sparbrief der Beklagten mit 4,7 % Rendite angeboten, den der Zeuge abgelehnt habe, weil er keine feste Laufzeit gewollt habe. Eine Anleihe der Girozentrale Kiel habe dem Vertreter der Klägers wegen des mit 4,3 % zu geringen Zinssatzes nicht zugesagt. D. habe I. wie folgt über die Fokker-Anleihe aufgeklärt: Seit dem Einstieg von Daimler Benz/DASA habe Fokker nur Verluste in Millionenhöhe geschrieben. Bisher seien die Verluste immer von Daimler Benz/DASA und dem holländischen Staat getragen worden. In der Fachpresse gehe man davon aus, dass sich dies auch in der Zukunft nicht ändern werde. Voraussichtlich würden Daimler Benz/DASA und der holländische Staat auch weiter zu Fokker stehen. Ein Risiko bestehe dann, wenn Fokker "bankrott" gehen würde. Dann könne es sogar zum Totalausfall der Anleihe kommen. Dies glaube man in Fachkreisen aber nicht. Ein Rating für die Fokker-Anleihe sei nicht bekannt. Herr I. habe für den Kläger die Anlage in Kenntnis des Risikos erworben.
Hilfsweise hat die Beklagte geltend gemacht, der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Sie habe ihm nämlich Anfang August 1996 mitgeteilt, die Anleihe könne noch zu einem Kurst von 20 % verkauft werden. Im März 1996 sei die Anleihe sogar noch mit 43 % gehandelt worden. Der Kläger habe sie, um den Schaden zu mindern, zu dieser Zeit verkaufen müssen.
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 26.01.1998, auf das wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz Bezug genommen wird, stattgegeben und im Umfang der Erledigung der Beklagten die Kosten auferlegt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie macht insbesondere geltend, Herr D. habe auf eine Streuung der Anlage hingewiesen, Herr I. habe dies aber nicht gewollt. Der Kläger habe eine möglichst hohe Rendite erzielen wollen. Die Beklagte habe Herrn I. dagegen eine konservative und sichere Anlage vermitteln wollen. Die Beklagte habe auf die Verlustsituation bei der Firma Fokker, den Hintergrund der Beteiligungsverhältnisse und das Insolvenzrisiko hingewiesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 26.01.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und behauptet, er habe nur eine bestmögliche Verzinsung auf seinem Anlegerniveau, also mit Bausparkassenanleihen und Bundesschatzbriefen erzielen wollen. Der Zeuge I. habe keine Kenntnisse über die finanzielle Lage von Fokker gehabt. und auch im übrigen nur die Finanzkenntnisse eines Bausparers.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I. und D. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 13.06.2001 (II 115) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger kann von der Beklagten den durch den Verlust der Fokker-Anleihe entstandenen Schaden weder aus positiver Vertragsverletzung des Anlageberatungsvertrages noch wegen Verletzung der in § 31 WpHG festgelegten Pflichten verlangen.
1. Zwischen dem wirksam durch den Zeugen I. vertretenen Kläger und der Beklagten ist - wovon die Parteien zu recht ausgehen - ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen (vgl. dazu BGHZ 123, 126, 128).
Die Beklagte hat ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten aus diesem Vertrag nicht verletzt. Unter Berücksichtigung der Kenntnisse des Zeugen I. und dem vom Kläger mit der Anlage verfolgten Anlageziel war die Information, die der Zeuge D. für die Beklagte erteilt hat, nach den im Juli 1995 zugänglichen Erkenntnisquellen ausreichend.
Inhalt und Umfang der Beratungspflicht hängen von den Umständen des Einzelfalls ab, die sich sowohl auf den Kunden als auch auf das Anlageobjekt beziehen. Die Beratung muß anlegergerecht sein, der Berater muß insbesondere den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft kennen. Zu berücksichtigen ist danach vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigen Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt.
Diese Kenntnis kann die Bank aus langjährigen Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden gewonnen haben; verfügt sie nicht über entsprechendes Wissen, muß sie den Informationsstand und das Anlageziel des Kunden erfragen (BGHZ 123, 126, 129). Adressat der Beratung ist grundsätzlich der Kontoinhaber als Anleger. Dessen Vermögenssphäre ist durch die Anlageentscheidung betroffen, so dass er infolge der Beratung in der Lage sein muß, die Konsequenzen seiner Anlageentscheidung zu überblicken (Schimansky, Bankrechtshandbuch, 2. Aufl. 2001, § 110 Rdz. 17). Deshalb kommt es für die Beurteilung des Anlageziels auf die Person des Anlegers, also des Vertretenen, an. Etwas anderes gilt aber für die Frage der Berücksichtigung des Kenntnisstandes. Der Umfang der Beratungspflicht richtet sich entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Landgerichts danach, welche Sachkunde der Vertreter hat (BGH WM 95, 658; Schimansky, a.a.O. § 110 Rdz. 17). Ihm gegenüber ist die Aufklärung vorzunehmen, seine Kenntnisse entscheiden deshalb darüber, in welchem Maß er der Aufklärung bedarf.
In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts (Kurs-, Zins- und Währungsrisiko) ergeben. Die Beratung der Bank muß richtig, sorgfältig und vollständig sein. Fehlen der Bank entsprechende Kenntnisse, so hat sie das dem Kunden mitzuteilen und offenzulegen, dass sie zu einer Beratung z.B. über das konkrete Risiko eines Geschäfts mangels eigener Informationen nicht in der Lage ist (BGHZ 123, 126, 129). Eine Bank, die für ihre Anlageempfehlung das Vertrauen ihres Kunden in Anspruch nimmt und in bezug auf eine konkrete Anlageentscheidung sich als kompetent geriert, muß sich selbst aktuelle Informationen über das Anlageobjekt verschaffen. Dazu gehört bei privaten Anleihen die Eigenunterrichtung über die für die Beurteilung des Risikos wesentliche Bonität des Emittenten, und zwar unter Auswertung der dazu vorhandenen Veröffentlichung in der Wirtschaftspresse (BGH a.a.O. Seite 131).
Der Kläger wollte 200.000,00 DM im Juli 1995 mit einer Laufzeit von einem Jahr anlegen. Die Anlage sollte zusammen mit der 1994 erworbenen BHW-Anleihe fällig werden. Dies ist unstreitig und haben beide Zeugen sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht bestätigt. Der Zeuge D. hat glaubhaft und zur Überzeugung des Senats gesagt, er habe dem Vertreter des Klägers neben der Fokker-Anleihe noch andere Papiere angeboten, nämlich eigene der Beklagten und - wie sich in Verbindung mit der Aussage im ersten Rechtszug - I 197 - ergibt - solche der Girozentrale Kiel. Die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit dieser Aussage gründet sich auf den Eindruck, den der Zeuge bei seiner Vernehmung gemacht hat und dessen sichtliches Bemühen, die Wahrheit zu sagen. Der entgegenstehenden Aussage des Zeugen I. , der Anlageberater habe, nachdem der (Zu-)Erwerb der BHW-Anleihen nicht gegangen sei, ohne Nennung anderer Alternativen lediglich die Anleihen der Fa. Fokker vorgeschlagen, glaubt der Senat nicht; der Zeuge hat nicht nur auf Vorhalt diese Aussage abschwächen müssen (Prot. S. 4, II 121), sondern hat ein in der Verhandlung auch klar zum Ausdruck gekommenes großes Interesse an einem seiner und des Klägers Auffassung entsprechenden "gerechten" Ausgang des Prozesses.
Die beiden vom Zeugen D. vorgeschlagenen Papiere rentierten mit weniger als 5 % (Sparbrief der Beklagten mit allenfalls 4,7% - vgl. Aussage D. I 197 und II 127; Girozentrale Kiel mit 4,3%) Die Renditen lagen damit unter derjenigen der zuvor erworbenen BHW-Anleihe von 5% und diese Papiere wollte der Zeuge I. nicht. Andererseits wollte er auch keine spekulative Anlage. Die im Beratungsgespräch erwähnten Fremdwährungsanleihen mit einem hohen Währungsrisiko hat er trotz der höheren Rendite deshalb abgelehnt. Einen besonderen Verwendungszweck hat der Kläger mit der Anlage nicht verfolgt. Der Zeuge I. hat auf die konkrete Frage des Senats nur angegeben, das Geld habe nach einem Jahr der Familie wieder zur Verfügung stehen sollen. Da es keinen besonderen Verwendungszweck gab, konnte die Beklagte auch daraus nichts für eine evtl. verlangte besondere Sicherheit der Anlage schließen. Die Beklagte musste auch nicht aus der Herkunft des Geldes auf einen bestimmten Verwendungszweck oder auf bestimmte Anlagewünsche des Klägers schließen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Zeuge D. bezüglich Verwendungszweck und Herkunft des Geldes noch näher hätte nachfragen müssen. Dem Senat ist es nämlich trotz beharrlicher Nachfrage nicht gelungen, von dem Zeugen I. genaues über die Herkunft des Geldes zu erfahren. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass der Zeuge I. eine Frage nach der Herkunft des Geldes dem Zeugen D. ebenso wenig beantwortet hätte wie dem Senat.
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass es dem Kläger nicht allein auf die Sicherheit der Anlage ankam, sondern dass er um einer besseren Rendite willen auch bereit war, ein gewisses Risiko einzugehen. Der Zeuge D. (II 125) hat das so ausgedrückt, dass der Kläger eine Anlage mit möglichst hoher Rendite zu möglichst sicheren Bedingungen gewollt habe. Zwar hat der Zeuge I. ausgesagt (II 121), er habe deutlich gemacht, es gehe nicht in erster Linie um den Zins, sondern um die Sicherheit der Anlage; wenn dies in dieser Form richtig gewesen wäre, hätte er sich aber für die Anleihe der Girozentrale Kiel oder den Sparbrief der Beklagten entscheiden müssen. Den Kauf dieser Papiere hat er letztlich abgelehnt, weil sie im Verhältnis zu der Fokker-Anleihe einen zu niedrigen Ertrag hatten.
Diese hat er in Kenntnis des damit und der höheren Rendite verbundenen Risikos getan. Der Zeuge I. wußte von dem Spannungsfeld zwischen höheren Zinsen und geringerer Sicherheit der Anlage. Aus diesem Grund hat er nämlich Fremdwährungsanleihen mit hohem Währungsrisiko und hoher Renditemöglichkeit nicht erwerben wollen. Der Zeuge I. wusste auch um das mit dem Erwerb der Fokker-Anleihen verbundene mindestens geringfügig höhere Risiko, weil er nach seinen eigenen Angaben wusste, dass Fokker von der Pleite bedroht war (II 121) bzw. in der Krise war (II 121). Wenn er dies im Zusammenhang mit der Sicherheit der Anlage erwähnte, bedeutet das, dass er die Gefahr des Verlustes der Anlage im Insolvenzfall der Firma Fokker kannte. Dagegen gab es solche Bedenken bei der BHW-Anleihe oder den vom Zeugen D. weiter vorgeschlagenen Papieren nicht. Wenn der Zeuge I. sich unter diesen Umständen für die Fokker-Anleihe entschied, war er bereit, um einer höheren Rendite willen ein höheres Risiko einzugehen. Dies entspricht dem Eindruck des Zeugen D. , daß Herr I. durchaus wußte, was er wollte, nämlich eine möglichst hohe Rendite bei relativ geringem Risiko.
Im Hinblick auf das Anlageziel musste die Beklagte nicht auf das Ausfallrisiko bei Insolvenz der Firma Fokker hinweisen und auch nicht mitteilen, dass die Firma Fokker immer noch ein Sanierungsfall war. Denn beides war dem Zeugen I. bekannt. Er wusste, dass die Firma Fokker "von der Pleite bedroht" und "in der Krise" war. Deutlicher kann es auch das Wort "Sanierungsfall" nicht machen. Dies hat ihm der Zeuge D. auch mit den Worten bestätigt, es sei richtig, daß die Firma Fokker in Schwierigkeiten sei. Wenn der Zeuge I. diese Bedenken im Zusammenhang mit der Sicherheit der Anlage erwähnte, dann wusste er, dass das Geld im wesentlichen verloren sein würde, wenn Fokker in Konkurs fiel.
Die Beratung war auch objektgerecht. Der Zeuge D. hat zutreffend auf die Krise bei Fokker (wegen des niedrigen Dollarkurses) hingewiesen. Der Zeuge I. hat diese Äußerungen zwar nicht bestätigt. Der Senat glaubt auch insoweit dem Zeugen D. , der diese Äußerung als Antwort auf den Vorhalt, Fokker mache Verluste, schildert. Demgegenüber überzeugt die Aussage I. nicht, D. habe lediglich gesagt, die Anlage sei sicher, im Falle, dass die Firma Fokker pleite gehe, seien der Staat und Daimler Benz verpflichtet, zu zahlen (II 129), im Moment gebe es nichts besseres als die Fokker-Sache. Der Zeuge I. hätte sich von einer solch pauschalen, inhaltsleeren Äußerung nicht überzeugen lassen. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gezeigt, dass er sehr genau weiß, was er will. Daß im übrigen der Zeuge D. durchaus inhaltliche Angaben zum Zustand der Firma Fokker gemacht hat, hat der Zeuge I. bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht (I 237) angegeben. Darüber hinaus füllen die Angaben des Zeugen D. , die dieser bei dem Gespräch nach Aussage des Zeugen I. gemacht haben soll, kaum den Zeitraum von ungefähr einer halben Stunde, die das Gespräch nach Aussage des Zeugen I. gedauert haben soll (II 121).
Die genaue Höhe der Verluste der Firma Fokker in den Jahren zuvor musste die Beklagte nicht nennen. Denn maßgeblich für den Fortbestand der Firma Fokker - und das war der für die Sicherheit der Anlage wesentliche Umstand - war das weitere Engagement der Niederlande und der DASA. Für die Einschätzung des Risikos war entscheidend, ob beide sich weiter engagieren würden. Wenn der Zeuge D. Herrn I. in diesem Zusammenhang gesagt hat, keiner rechne damit, dass beide Fokker fallen lassen würden (I 201) oder, sie stünden hinter Fokker und es sei nicht anzunehmen, dass die DASA sich zurückziehen werde (II 129), dann war dies aus der damaligen Sicht zutreffend und nicht vorwerfbar falsch. Der Kurs der Anleihe hatte in der Vergangenheit zwischen 99 und 101 % gelegen, die Rendite lag bei 6,25 % bei einem Zinssatz von 6,5 %. Die DASA hatte erklärt, sie stehe zu Fokker und diese Erklärung trotz der seit Jahren bestehenden Verlustsituation abgegeben. Die in der FAZ vom 12.03.1994 (Anl. K 8; AH I 15) zitierte Äußerung des damaligen niederländischen Wirtschaftsministers, er sehe keine Möglichkeit für eine Verlustkompensation und habe dazu auch "keine Lust", ist zum einen im Zusammenhang damit zu sehen, dass er dennoch bereit war, Fokker unter strengen Bedingungen "Entwicklungskredite" zu gewähren. Darüber hinaus sagt dies auch nichts über das weitere Engagement von DASA aus. In dem Artikel im Handelsblatt vom 16.03.1995 (Anl. K 14, AH I 31) wird zwar eine Meldung zitiert, es werde Fokker Ende 1996 möglicherweise nicht mehr geben. Es wird aber gleichzeitig klargestellt, dass der so zitierte Amsterdamer Analyst P. S. das anders gesagt haben will. Er denke, dass Fokker überlebe, aber nicht in der heutigen Form. Fokker müsste knallhart sanieren. Anhaltspunkte, dass die DASA Fokker nicht weiterstützen würde, lassen sich dem Artikel nicht entnehmen, im Gegenteil: angesichts der schon jetzt in Fokker hineingesteckten Summen könne es sich die DASA sowieso nicht mehr erlauben, Fokker zu schließen.
Die Kursentwicklung der Fokker-Aktien sagt zwar etwas über die wirtschaftliche Situation der Firma aus. Diese war Herrn I. aber bekannt. Für die Frage der Sicherheit der Anleihe kam es allein darauf an, ob die Gesellschafter weiter bereit sein würden, in das Unternehmen Geld zu investieren. Es gab keine Anhaltspunkte, dass dies vor Fälligkeit der Anleihe nicht mehr der Fall sein würde.
Unstreitig gab es weder eine interne Bewertung der Anleihe bei der Beklagten noch ein Rating der Genossenschaftsbanken noch ein offizielles Rating, so dass die Beklagte Zweifel an der Sicherheit der Anleihe auch nicht aus einer entsprechenden (schlechten) Bewertung haben musste. Gab es kein Rating, konnte und musste die Beklagte eine eigene Einschätzung aufgrund der zugänglichen Informationsquellen vornehmen.
Mit seiner auf die zutreffende Kenntnis der finanziellen Situation der Fokker AG und das Fehlen jeglicher warnenden Hinweis der Gesellschafterin DASA, bei vereinzelten solchen Hinweisen von Außenseitern, gestützten Erklärung, die Situation bei Fokker sei schwierig, es gebe aber keinen Anhalt für einen Schiffbruch, hat der Zeuge nach alledem den Kläger zutreffend beraten, der deshalb in Kenntnis der dafür maßgebenden Umstände (Rendite; schlechte wirtschaftliche Lage des Schuldners Fokker; ganz erhebliche Unwahrscheinlichkeit eines Rückzuges der Gesellschafter) seine Anlageentscheidung treffen konnte und getroffen hat.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers folgt auch nicht aus dem unterbliebenen Hinweis auf eine Streuung der Anlage. Denn der Kläger behauptet selbst nicht, dass er die 200.000,00 DM anders angelegt hätte, wenn er daraus hingewiesen worden wäre, es sei sicherer, den Betrag auf verschiedene Anlagen zu verteilen. Der Kläger trägt weder vor, dass, noch wie noch zu welchem Teil er das Geld anders angelegt hätte. Abgesehen davon wäre auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger dann ganz von dem Erwerb einer Fokker-Anleihe Abstand genommen hätte.
2. Die Beklagte hat auch nicht gegen ihre Pflichten aus § 31 Abs. 2 WpHG verstoßen. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 WPHG verpflichtet, von seinen Kunden Angaben über Erfahrungen oder Kenntnisse in Geschäften, die Gegenstand von Wertpapierdienstleistung sein sollen, über ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen. Die Ziele des Kunden umfassen insbesondere den von ihm verfolgten Anlagezweck und seine Risikobereitschaft (Schimansky, a.a.O., § 110 Rdzf. 36). Wie oben ausgeführt, hat Herr D. beides, soweit möglich, ermittelt. Ob die Beklagte verpflichtet war, die finanziellen Verhältnisse des Klägers und die Herkunft des Geldes zu erfragen, kann offen bleiben. Denn der Senat ist, wie ausgeführt, der Überzeugung, dass der Zeuge I. Herrn D. auch bei entsprechender Nachfrage nicht zutreffend und genau über die Herkunft des Geldes, woher es stammte und wem es zustand, informiert hätte. Wie bereits dargelegt, hat die Beklagte den Vertreter des Klägers auch ausreichend über die Fokker-Anleihe informiert (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 WPHG).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts gibt eine ggf. unzulängliche Dokumentation des Beratungsgesprächs (die allein im Interesse der Bankenaufsicht zu erfolgen hat) keine eigenständige Anspruchsgrundlage (Koller in Assmann/Schneider, WpHG, 2. Aufl., § 31 Rdnr. 94a).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen, dem Kläger insoweit die Kosten aufzuerlegen, da die Klage vor der Teilerledigung mangels Schadensersatzanspruch des Klägers nicht begründet war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM (§ 546 ZPO).
Ende der Entscheidung
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