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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 27.09.2000
Aktenzeichen: 7 U 93/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
OLG Karlsruhe 7 U 93/99

Vorschriften: §§ 823 Abs. 1, 847 BGB

Leitsatz:

Einem Arzt, der wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht in Anspruch genommen wird, kann kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, wenn ein vom Patienten unterschriebener Aufklärungsbogen vorliegt, aus dem sich ergibt, daß der Patient von einem anderen Arzt vollständig und ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, solange keine Umstände bekannt sind oder hätten bekannt sein müssen, die die Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit der Aufklärung in Frage zu stellen geeignet sind.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

7 U 93/99 8 O 448/98 LG Mannheim

Verkündet am: 27.09.2000

Herb, AI als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

- Klägerin I Berufungsklägerin -

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

- Beklagte / Berufungsbeklagte -

2.

- Beklagter -

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Schmerzensgeld

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2000 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

Richter am Oberlandesgericht

Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 30.04.1999, Az. 8 O 448/98, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO abgesehen).

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Aufklärungsversäumnisse, auf die die Klägerin ihr Begehren im Berufungsrechtszug ausschließlich stützt, liegen nicht vor. Es kann weder davon ausgegangen werden, daß die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung, die nach ihrer Behauptung fehlen soll, nicht in den durchgeführten Eingriff eingewilligt hätte, noch daß die nach den Behauptungen der Klägerin vorliegenden Aufklärungsversäumnisse der beklagten Anästhesistin anzulasten sind.

Die Klägerin hat, nachdem sich die Beklagte dahin eingelassen hat, daß diese auch bei vollständiger und ordnungsgemäßer Aufklärung dem Eingriff zugestimmt hätte, einen Entscheidungskonflikt nicht in der erforderlichen substantiierten Art und Weise dargelegt (vgl. BGHZ 90, 103, 111/112 = VersR 84, 456; BGH VersR 1991, 315, 316; VersR 1994, 1302). Die Klägerin vermochte bei ihrer Anhörung vor dem Senat nicht plausibel zu machen, daß sie bei einem ausdrücklichen Hinweis auf die Möglichkeit einer Punktion der arteria carotis bei dem Anlegen eines zentralen Venenkatheters (dieser war bei der Operation zweifelsfrei indiziert, wie sich aus dem fachanästhesiologischen Gutachten des Prof. Dr. Str vom 24.07.1998 ergibt, dessen Richtigkeit die Klägerin nicht in Abrede stellt und dessen Bewertung der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung teilt) dem Eingriff nicht zugestimmt hätte. Die Klägerin war am 27.08.1997 gestürzt und zur operativen Versorgung der medialen Schenkelhalsfraktur, die sie sich dabei zugezogen hatte, in das Kreiskrankenhaus Schwetzingen eingeliefert worden. Diese Operation war aufgrund der erlittenen Verletzungen zwingend notwendig und mußte angesichts der vom Sachverständigen bejahten Indikation zur sachgerechten Kontrolle des intravasalen Volumenhaushalts unter Anlegung eines zentralvenösen Katheders durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, daß die Klägerin bei einem Hinweis auf das Risiko einer Verletzung der arteria carotis comunis (das nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Str bei ca. 0,61 % liegt) von der sofortigen Durchführung Operation Abstand genommen, sich das Für und Wider des vorgesehenen Eingriffs noch einmal überlegt und die mit den zugezogenen Verletzungen verbundenen Schmerzen und Beeinträchtigungen noch einige Zeit auf sich genommen hätte. Angesichts dieser Umstände spricht alles dafür, daß die Klägerin auch in Kenntnis des auch bei äußerster Sorgfalt nicht vermeidbaren Risikos die Zustimmung zur Operation erteilt hätte. Die Einlassung der Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Senat, sie hätte (bei Aufklärung über das Risiko) wahrscheinlich nicht unterschrieben, sie hätte gefragt, ob es nicht am Arm gehe, gibt zu einer anderen Beurteilung keine Veranlassung, denn daraus wird ersichtlich, daß auch sie von der Notwendigkeit der sofortigen Durchführung der Operation ausging. Nicht glaubhaft ist, daß die Klägerin sich eventuell in ein anderes Krankenhaus hätte verlegen lassen. So hat sich die Klägerin erst eingelassen, als ihr Prozeßbevollmächtigter sie auf diese Möglichkeit hingewiesen und ihr diese Einlassung suggeriert hatte, was zeigt, daß dies für sie keine ernsthafte Alternative war. Angesichts der Mühe und Erschwernisse, die mit einem solchen Vorhaben verbunden gewesen wären, ist es einleuchtend, daß die Klägerin dies nicht auf sich genommen hätte.

Darüberhinaus hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß der beklagten Anästhesistin ein Verschuldensvorwurf zu machen ist. Die Beweislast der Klägerin folgt aus der Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die Verteilung der Beweislast im Deliktsrecht, die auch für Ansprüche aus §§ 823, 847 BGB gelten, die auf Aufklärungsversäumnisse gestützt werden (vgl. BGH NJW 1984, 1807, 1808). Nach dem unstreitigen Geschehensablauf kann von einem Verschulden der Beklagten nicht ausgegangen werden. Diese durfte aufgrund des sich nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag zum Zeitpunkt der Operation in den Krankenakten befindlichen Aufklärungsbogens (I 39 und 40) ohne Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten davon ausgehen, daß die Klägerin durch den Zeugen Dr. K. vollständig und umfänglich aufgeklärt wurde. Anhaltspunkte für eine unzureichende Aufklärung ergaben sich daraus nicht, die handschriftlichen Eintragungen über den Verlauf des Aufklärungsgesprächs enthielten die Begriffe "ZVK" und "Arterie", was den Hinweis auf eine mögliche Verletzung der Arterie im Rahmen des Aufklärungsgesprächs hinreichend deutlich belegt. Zudem war der Aufklärungsbogen von der Klägerin eigenhändig unterschrieben. Allein der Umstand, daß der aufklärende Arzt zum damaligen Zeitpunkt erst Arzt im Praktikum war, macht eine Aufklärung, die im übrigen den an diese zu stellenden Anforderungen genügt, nicht unwirksam (vgl. OLG Düsseldorf NJWE-VHR 1996, 193). Die Beklagte war nicht dazu verpflichtet, die Aufklärung persönlich vorzunehmen (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1997, 241; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl., Rdn. 424 ff. mit weiteren Nachweisen).

Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagten die von der Klägerin behaupteten Umstände kannte oder hätte kennen müssen, aus denen diese die Unwirksamkeit der Aufklärung trotz der Eintragungen in der Urkunde herleitet, zeigt die Klägerin nicht auf. Damit kann der Beklagten kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, sie ist entlastet (vgl. BGH NJW 1979, 1933, 1934; NJW 1980, 633, 634 = VersR 1980, 68 f.), so daß eine Haftung der Beklagten ausscheidet, denn die im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten allein heranzuziehenden Haftungsnormen der §§ 823, 847 BGB setzen zwingend ein Verschulden voraus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer der Klägerin übersteigt DM 60.000,00 nicht (§ 546 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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