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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 8 U 143/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 213 Satz 2
BGB a.F. § 212a Satz 2
BGB a.F. § 211 Abs. 2 Satz 2
An der Voraussetzung des Weiterbetreibens des Verfahrens fehlt es, wenn ein Schreiben der Parteien an das Gericht objektiv nicht geeignet ist, den Fortgang des Rechtsstreits zu fördern.
Oberlandesgericht Karlsruhe

8. Zivilsenat

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 8 U 143/05

Verkündet am 23. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2006 unter Mitwirkung von

Vors. Richterin am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim - 3 O 269/04 - vom 17.05.2005 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen:

II. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Berufungsstreitwert wird auf 5.624,21 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Ohne Tatbestand gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Der Beklagte rügt mit der Berufung, dass das Landgericht der Klage in erkannter Höhe stattgegeben hat, obwohl er durch Schriftsatz vom 07.11.02 (I 29) die Einrede der Verjährung erhoben hat.

Das Urteil des Landgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 546, 513 Abs. 1 ZPO).

Die zuerkannte Forderung ist verjährt und deshalb nicht mehr durchsetzbar.

Auf die Entscheidung sind die bis 31.12.2001 geltenden materiellen Gesetze anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

1. Der Kläger macht gegen den Beklagten gewerbliche Mietzinsansprüche aus dem November 1994 und dem Zeitraum von August 1995 bis einschließlich April 1996 geltend, von denen das Landgericht in dem angefochtenen Urteil einen Teilbetrag von 5.624,21 EUR nebst Zinsen zuerkannt hat.

a) Die Mietzinsansprüche unterliegen gemäß § 197 BGB a. F. der 4-jährigen Verjährungsfrist, so dass gemäß § 201 BGB a. F. mit Ablauf des 31.12.98 (Miete November 94) sowie 31.12.99 (Mieten August bis Dezember 95) bzw. 31.12.2000 (Mieten Januar bis April 96) Verjährung eingetreten wäre.

Der Kläger hat durch am 09.01.97 erlassenen und dem Beklagten am 20.02.97 zugestellten Mahnbescheid "Miete für Geschäftsraum (einschließlich Nebenkosten) gemäß Vertrag vom 01.11.94 bis 28.04.96" in Höhe von 20.000,-- DM geltend gemacht.

Es kann dahinstehen, ob die bezeichnete Angabe der Hauptschuld im Mahnbescheid dem auf den Einzelfall abgestellten Bestimmtheitserfordernis der ständigen Rechtsprechung des BGH (z. B. BGH NJW 93, 862 m.w.N.) genügt, weil der Anspruch auch bei Unterstellung dieser Voraussetzung zu Gunsten des Klägers verjährt ist.

b) Durch die Zustellung des Mahnbescheids am 20.02.97 wurde der Lauf der Verjährung unterbrochen (§ 209 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F.).

Da nach Unterbrechung der Verjährung nicht die Vorschrift des § 201 BGB maßgebend ist, sondern die Verjährung sofort wieder zu laufen beginnt (vgl. z. B. BGHZ 86, 103; BGHZ 93, 294), ist die Verjährung frühestens am 21.02.2001 eingetreten.

Nachdem der Beklagte am 28.02.97 durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen den Mahnbescheid hatte einlegen lassen, wurde das Mahnverfahren wegen Nichteinzahlung der restlichen Kosten vom Amtsgericht Mayen nicht weiter betrieben.

Der das Mahnverfahren für den Kläger betreibende Rechtsanwalt teilte mit Schriftsatz vom 05.05.97 an das AG Mayen mit, dass er das Mandant niedergelegt habe. Doppel des Schreibens ging dem Kläger zu, so dass das Mahnverfahren spätestens am 27.05.97 (vgl. I 8 R) zum Stillstand kam (§ 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F.).

c) In dem Schreiben des Klägers persönlich vom 07.12.2000 (I 44/45) an das Amtsgericht Mannheim liegt aus den nachfolgend dargelegten Gründen entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts kein Weiterbetreiben des Prozesses i. S. der §§ 213 S. 2; 212a S.2, 211 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. .

Dabei kann dahinstehen, dass das Schreiben bereits an das falsche Gericht gerichtet war, nachdem das AG Mayen wegen Nichteinzahlung des restlichen Vorschusses und fehlenden Antrags auf Abgabe des Verfahrens den Vorgang nicht an das im Mahnbescheid bezeichnete AG Mannheim abgegeben hatte.

Aus diesem Grund teilte das AG Mannheim dem Kläger durch Schreiben vom 12.12.00 (I 43) mit, dass der Vorgang trotz intensiven Suchens nicht habe aufgefunden werden können, weshalb um Überprüfung gebeten werde.

Mit Schreiben vom 19.11.03 (I 10) an das AG Mayen beantragte der Beklagte die Abgabe der Sache an das Streitgericht, die durch Verfügung des AG Mayen vom 24.11.03 (eingegangen beim AG Mannheim am 09.12.03) erfolgte. Nach Aufforderung zur Begründung des Anspruchs vom 15.12.03 (I 13) erhob der Kläger am 03.02.04 bei der Rechtsantragstelle persönlich (I 19) Klage gegen den Beklagten auf Zahlung eines Teilbetrages von 5.000,-- EUR, die dem Beklagten am 09.02.04 zugestellt wurde (I 28) und gegen die der Beklagte durch Rechtsanwaltsschriftsatz vom 11.02.04 (I 29) die Einrede der Verjährung erhob.

In der mündlichen Verhandlung des AG Mannheim vom 28.07.04 (I 38) war der Kläger anwaltlich vertreten. Nach Erweiterung der Klage durch Schriftsatz vom 04.08.04 (I 46) auf 10.225,84 EUR wurde das Verfahren am 18.08.04 (I 51) an das Landgericht Mannheim verwiesen.

d) Das Schreiben des Klägers vom 07.12.2000 war nicht geeignet, das im Mai 1997 zum Stillstand gekommene Mahnverfahren weiter zu betreiben und damit i. S. des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. den Lauf der Verjährung erneut zu unterbrechen.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. BGHZ 52, 47, 51; BGHZ 55, 212, 216; BGHZ 73, 8, 11; BGH NJW-RR 88, 297; BGH NJW-RR 94, 514, 516) fällt unter den Begriff des Weiterbetreibens i. S. des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. jede Prozesshandlung, die dazu bestimmt und geeignet ist, den stillstehenden Prozess wieder in Gang zu setzen, ohne dass es darauf ankommt, ob sie eine Förderung des Prozesses tatsächlich demnächst bewirkt. Dabei darf kein zu enger Maßstab angelegt werden. Insbesondere braucht die zur Weiterbetreibung führende Handlung nicht das prozessuale Gewicht einer Klageerhebung oder eines prozessleitenden Schriftsatzes zu haben.

Als "Weiterbetreiben" wird i. d. Rechtsprechung des BGH z. B. angesehen: Ein nach Abgabe vom Amtsgericht an das Landgericht gemäß § 696 Abs. 1 ZPO gestellter Terminsantrag; der Antrag, den Rechtsstreit ohne vorherige mündliche Verhandlung an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht zu verweisen; ein Aussetzungsantrag; die Zahlung der Prozessgebühr; unter Umständen ein Prozesskostenhilfeantrag; das Erwirken eines Grundurteils; das Einlegen einer Anschlussberufung oder ein Zustellungsversuch, es sei denn, dass er von vorneherein ungeeignet war (BGH a.a.O.; vgl. auch Münchener Kommentar/Grothe, BGB, 4. Auflage, Band I, § 211 BGB a. F. Rdn. 13).

bb) Erforderlich ist demgemäß eine als objektiv zur Förderung des Prozesses geeignet erscheinende Handlung der Partei (BGHZ 55, 212, 216; BGHZ 73, 8, 11 m.w.N.).

Dabei genügt nicht eine Parteihandlung, die nur lose mit dem Rechtsstreit verknüpft ist, ihn z. B. nur vorbereiten oder ermöglichen soll, ohne auf ihn unmittelbar einzuwirken (Münchener Kommentar / Grothe a.a.O. § 211 BGB a. F. Rdn. 13 m.w.N.).

Selbst das Stellen eines Antrages auf Terminsbestimmung nach Abschluss des Mahnverfahrens und Verweisung an das Streitgericht ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 55, 212, 216; BGHZ 73, 8, 11) für sich allein nicht objektiv zur Förderung des Rechtsstreits geeignet, wenn nicht gleichzeitig die fällige weitere Prozessgebühr einbezahlt wird, weil der Prozess ohne diese Zahlung im Stillstand verbleibt.

cc) Das Schreiben des Klägers vom 07.12.2000 war objektiv nicht geeignet, den Fortgang des Rechtsstreits zu fördern.

Der Kläger hat in diesem Schreiben unter Vorlage von vier - im vorliegenden Prozess nicht vorgelegter und deshalb dem Senat unbekannter - Unterlagen um Mitteilung des Aktenzeichens der Klage gegen "Guduzu" gebeten sowie um eine "Anweisung" ersucht, was zu tun sei, da zu befürchten sei, dass "in diesem Monat eine Verjährung eintreten könnte", was unbedingt zu vermeiden sei.

Hintergrund des Schreibens war offenbar, dass der vorherige Anwalt des Klägers im Mai 1997 und damit mehr als drei Jahre zuvor das Mandat niedergelegt hatte und - nach Darstellung des Klägers - Anrufe und Schreiben hierzu nicht beantwortet haben soll.

Nach der bereits oben dargestellten Antwort des AG Mannheim vom 12.12.2000 hat der Kläger bis zu seiner persönlichen Klageerhebung vom 03.02.2004 nichts weiter unternommen.

Das allein um eine Auskunft nachsuchende Schreiben des Klägers vom 07.02. 2000 konnte unter diesen Umständen ohne Einzahlung der weiteren Gebühr von vorneherein eine Förderung des Rechtsstreits nicht bewirken. Es wirkte auch auf das beim AG Mayen "hängen gebliebene" Mahnverfahren in keiner Weise unmittelbar ein.

Eine prozessrelevante Antragstellung ist dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Auch unter Berücksichtigung, dass die Erfüllung der Voraussetzungen des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. nicht mit einem engen Maßstab gemessen werden dürfen (BGHZ 73, 8,11; BGH NJW-RR 88, 279) wie unter Beachtung, dass der Kläger das Schreiben im Jahre 2000 selbst und ohne anwaltliche Unterstützung verfasste, kann dem Schreiben unter Abwägung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles eine Eignung zur Förderung des Prozesses i. S. der BGH-Rechtsprechung nicht zuerkannt werden.

dd) Hiernach ist Verjährung der vom Landgericht zuerkannten Teilforderung mit Ablauf des 27.05.2001 eingetreten.

Die 2003 vom Beklagten und 2004 vom Kläger vorgenommenen Prozesshandlungen waren nicht mehr geeignet, die Verjährung rechtzeitig zu unterbrechen.

Angesichts der eigenen Untätigkeit des Klägers "ohne triftigen Grund" (vgl. hierzu BGH NJW-RR 88, 279f. m.w.N.) verstößt die Einrede der Verjährung durch den Beklagten auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

2. Hiernach war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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