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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 22.03.2001
Aktenzeichen: 9 U 110/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 554 a a. F.
BGB § 626
Zur fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses aus wichtigem Grund wegen rechtswidrigen Verhaltens des Mieters gegenüber einem Dritten - gewaltsames Eindringen des Mieters in Räumlichkeiten eines anderen Mieters in einem anderen Objekt des Vermieters.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

9 U 110/00

Verkündet am: 22. März 2001

wegen Feststellung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2001 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts K vom 10.05.2000 abgeändert und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen aufgrund Nichterfüllung des Mietvertrages vom 27.09./15.10.1996 in der Zeit vom 01.01.1999 bis 05.11.2000 entstandenen Schaden zu ersetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Beklagte zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahren werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 DM abwenden, es sei denn die Klägerin leistet vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit. Beide Parteien können die ihnen obliegende Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines allgemein als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbringen

4. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM, die des Beklagten beträgt 40.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Mietvertrages sowie auf Erfüllung in Anspruch. Der Beklagte bestreitet das Zustandekommen eines Mietvertrages.

Die Klägerin unterhält ein bundesweites Filialnetz zur Herstellung von Autoschildern. Der Beklagte, Rechtsnachfolger des .......... (künftig ..........), beabsichtigte, in K ein Gebäude für eine neue Prüfanlage und für eine Zulassungsstelle des Landratsamtes zu errichten. Am 27.09.1996 schlossen die Klägerin und der .......... einen Rahmenvertrag, der den .......... verpflichtete, der Klägerin an Orten, an denen eine Zweitprägestelle für Kraftfahrzeugkennzeichen erforderlich ist, einen Raum von 30 m² bis 40 m² in nächstmöglicher Lage zum Ausgang der Zulassungsstelle zu vermieten. Die Einzelheiten des jeweiligen Objekts sollte dem Abschluss von Standortverträgen vorbehalten bleiben.

Am 27.09./15.10.1996 schlossen die Klägerin und der .......... für das Objekt K einen "Mietvertrag" unter Bezugnahme auf den "Rahmenvertrag vom 27.09.1996, in dem alle wesentlichen Vertragsbestimmungen vereinbart" seien. "Für alle in diesem Mietvertrag nicht ausgeführten Punkte hat der Rahmenvertrag Gültigkeit". Nach § 1 des Vertrages wird die Klägerin als Zweitpräger eingesetzt. Bezüglich der Räumlichkeiten heißt es: "Der gemietete Raum befindet sich gemäß Lageplan in unmittelbarer Nähe der Räumlichkeiten der Kfz-Zulassungsstelle." Als Mietzins wurde eine Umsatzbeteiligung gemäß Rahmenvertrag vereinbart. In § 4 heißt es: "Dieser Mietvertrag läuft entsprechend den mietvertraglichen Vereinbarungen mit der Kfz-Zulassungsstelle K." Die vorgesehene Mietdauer für die Kfz-Zulassungsstelle wurde ebenso wenig ausgefüllt wie die Laufzeit einer Option. Insoweit ist vermerkt "wird noch festgelegt".

Das Gebäude wurde bis Ende 1998 fertiggestellt; die Kfz-Zulassungsstelle eröffnete Ende Dezember 1998. Mit Schreiben vom 18.11.1998 teilte die Klägerin unter Bezugnahme auf die in Kürze erfolgende Betriebsaufnahme mit, dass sie trotz fehlender Nachricht davon ausgehe, dass sie ihren Raum beziehen könne. Mit Antwortschreiben vom 18.11.1998 zeigte sich die T GmbH erstaunt, da der Klägerin zumindest mündlich mitgeteilt worden sei, dass in Konstanz lediglich eine Prägestelle zur Ausführung komme, die entsprechend dem Rahmenvertrag an die Firma .......... vergeben worden sei. Nach weiterer Korrespondenz hat die .......... mit Schreiben vom 15.04.1999 den Standortmietvertrag gemäß § 4 Ziff. 5 des Rahmenvertrages aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 31.10.1999 gekündigt.

Die Klägerin hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Mietvertrag sei wirksam, sein Inhalt auch hinreichend bestimmt, die ausgesprochene Kündigung des Beklagten hingegen unwirksam, da der behauptete Kündigungsgrund nicht bestehe.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen aufgrund Nichterfüllung des Mietvertrages vom 27.09./15.10.1996 entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, zu einem Mietvertrag sei es nicht gekommen, da die Parteien sich nicht über alle Punkte des Vertrages geeinigt hätten (§ 154 BGB). Für die Zulassungsstelle K sei kein Zweitpräger erforderlich. Im Übrigen habe die Klägerin einen angebotenen anderen Standort entgegen der Vereinbarung im Rahmenvertrag nicht angenommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat das Zustandekommen eines Mietvertrages verneint. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch zum Sachverhalt, wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Mit Schriftsatz vom 02.11.2000 hat der Beklagte fürsorglich den Mietvertrag mit der Klägerin fristlos gekündigt. Diese Kündigung wird darauf gestützt, dass zwischen der Klägerin und der .......... ein Konkurrenzkampf entbrannt sei, in dessen Verlauf der Geschäftsführer der Klägerin in einen von einem Dritten angemieteten Prägeraum der .......... durch gewaltsames Öffnen, Zerstören des Türschlosses und Inbesitznahme des Generalschlüssels eingedrungen sei und die Gegenstände ausgeräumt habe. Diesen auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 05.10.1999 gestützten Sachverhalt hat die Klägerin nicht bestritten.

Die Klägerin ergänzt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und beantragt,

auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts K vom 10.05.2000 abzuändern und

1.) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen aufgrund Nichterfüllung des Mietvertrages vom 27.09/15.10.1996 entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen;

2.) den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin den Raum mit ca. 25 m² in dem derzeit an die .......... vermieteten Gebäude unmittelbar neben der Kfz-Zulassungsstelle in der .......... in K mit sämtlichen Schlüsseln zu übergeben;

3.) hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, mit der Klägerin einen Gewerberaummietvertrag über das im Klagantrag Ziff. 2 genannte Objekt zu einer Umsatzbeteiligung gemäß § 3 Ziff. 2 des Rahmenvertrages zwischen den Parteien vom 27.09.1996 mit der Mietlaufzeit zuzüglich Option wie im Mietvertrag der Beklagten mit der Kfz-Zulassungsstelle K und im Übrigen zu den Bedingungen nach Maßgabe des Mietvertrages vom 27.09/15.10.1996 in Verbindung mit dem vorgenannten Rahmenvertrag abzuschließen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ergänzt sein Vorbringen erster Instanz und nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das er für richtig hält.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Der Beklagte ist der Klägerin wegen Nichterfüllung des Mietvertrages zum Schadensersatz verpflichtet, jedoch nur bis zum Zugang der fristlosen Kündigung gemäß Schriftsatz vom 02.11.2000. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und deshalb die weitergehende Berufung zurückzuweisen.

Die Feststellungsklage ist zulässig, im Berufungsverfahren ist dies auch nicht mehr streitig. Sie ist begründet, soweit die Klägerin die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten für die Zeit von Anfang 1999 bis 05.11.2000 begehrt. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Parteien haben am 27.09./15.10.1996 einen wirksamen Mietvertrag geschlossen. Soweit regelungsbedürftige Punkte in diesem Vertrag nicht geregelt sind, nimmt er auf den Rahmenvertrag vom 27.09.1996 Bezug, dessen Wirksamkeit nicht streitig ist. Als Miete wurde eine Umsatzbeteiligung gemäß Rahmenvertrag vereinbart. Auch die Mietzeit ist bestimmt. Nach § 4 gilt insoweit die mietvertragliche Vereinbarung mit der Kfz-Zulassungsstelle K. Das bedeutet, dass automatisch die von dem Beklagten mit der Zulassungsstelle K getroffene mietvertragliche Vereinbarung bezüglich der Mietzeit auch für den Vertrag der Parteien gilt. Die Räumlichkeiten sind, auch im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag hinreichend bestimmt. Nach dem Mietvertrag in Verbindung mit dem Rahmenvertrag befindet sich der der Klägerin zur Verfügung zu stellende Raum in unmittelbarer Nähe der Räumlichkeiten der Kfz-Zulassungsstelle. Er muss eine Größe von 30 m² bis 40 m² haben. Im Übrigen konnte der Beklagte die vermietete Räumlichkeit, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vorhanden war, gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen näher bestimmen.

Es ist unerheblich, dass der Beklagte nicht zwei Räume für jeweils eine Prägestelle, sondern nur einen großen Raum für eine Prägestelle hergestellt hat, da er sich nach dem Mietvertrag verpflichtet hat, der Klägerin einen solchen Raum, wie näher beschrieben, zur Verfügung zu stellen. Durch den Mietvertrag mit dem Landratsamt am 31.03./29.04.1998 wurde die Mietzeit festgelegt.

Durch die Kündigung vom 15.04.1999 wurde der Mietvertrag nicht beendet. Wegen § 174 BGB ist es zwar unschädlich, dass nicht der Beklagte selbst sondern eine Tochtergesellschaft für den Beklagten die Kündigung ausgesprochen hat, die Kündigung konnte das Mietverhältnis aber deshalb nicht beenden, weil kein Kündigungsgrund vorlag. Nach § 4 Nr. 5 des Rahmenvertrages, auf den der Mietvertrag Bezug nimmt, setzt eine vorzeitige Kündigung voraus, dass diese aus dringenden betrieblichen Erfordernissen notwendig wird. Hierfür hat der Beklagte nichts vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Verhältnisse vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zur Kündigung geändert haben. Der Umstand, dass der Beklagte sich entschlossen hat, nur eine Prägestelle einzurichten, berechtigte ihn nicht zur Kündigung. Ebenso ist nichts dafür vorgetragen, dass im Sinne von § 2 Nr. 1 des Rahmenvertrages wesentliche Belange des .......... es erforderten, einen Standort zu wechseln. Auch dies würde die Veränderung von Verhältnissen voraussetzen, die nicht dargetan ist.

Hingegen wurde das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten mit Schriftsatz vom 02.11.2000 mit Zugang dieser Kündigung am 05.11.2000 beendet. Diese fristlose Kündigung war berechtigt, da der Beklagte einen wichtigen Grund zur Kündigung hatte. In K musste die Klägerin die Prägestelle neben der Prägestelle der .......... betreiben. Gerade in Bezug auf die Konkurrenzsituation der Klägerin und der .......... setzt dies ein korrektes Verhalten der beiden zueinander voraus. Dieses erforderliche Verhältnis hat die Klägerin schwerwiegend dadurch zerstört, dass ihr Geschäftsführer unstreitig an einem anderen Ort gewaltsam in einen der .......... vermieteten Prägeraum eingedrungen ist, das Türschloss zerstört, den Generalschlüssel in Besitz genommen und Gegenstände ausgeräumt hat. Dieses Verhalten ihres Geschäftsführers muss sich die Klägerin gemäß §§ 35, 43 GmbHG, 31 BGB zurechnen lassen. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin hiermit auch ihr aus dem Mietverhältnis obliegende Verpflichtungen verletzt hat und deshalb § 554 a BGB anwendbar ist, denn unabhängig hiervon besteht der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass ein Dauerschuldverhältnis entsprechend § 626 BGB und aufgrund des § 242 BGB aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden kann. Die Verfehlung der Klägerin gegenüber dem anderen Mieter des Beklagten ist so schwerwiegend, dass dem Beklagten unter Berücksichtigung seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber der .......... als seiner Mieterin nicht zugemutet werden kann, das Mietverhältnis mit der Klägerin fortzuführen. Da somit der Beklagte nach dem 05.11.2000 nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung an die Klägerin verpflichtet war, kann das Vorenthalten der Mietsache nach diesem Zeitraum keinen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 326 BGB begründen.

Aus den gleichen Gründen sind die im Berufungsverfahren neu gestellten Anträge einen Raum zur Verfügung zu stellen, hilfsweise einen Mietvertrag abzuschließen, nicht begründet.

Das neue Vorbringen der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 16.03.2001 und 20.03.2001 ist nicht zu berücksichtigen ( §§ 523, 296 a ZPO ). Es gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§§ 523,156 ZPO). Insbesondere ist das neue Vorbringen zur verspäteten Kündigung nicht schlüssig, da es nicht erkennen lässt, wann und unter welchen Umständen der Beklagte Kenntnis von dem Kündigungsgrund erlangt haben soll. Es kann deshalb offen bleiben, ob das neue Vorbringen zur behaupteten Verfristung der fristlosen Kündigung und den weiteren Umständen nach Verhandlung gem. §§ 523, 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen wäre.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108, 546 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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