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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 09.10.2008
Aktenzeichen: 9 U 147/08
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 168 Abs. 2, 2. Alt
1. Erhält der Insolvenzverwalter nach einem Hinweis des absonderungsberechtigten Gläubigers auf eine günstigere Verwertung eine noch bessere Verwertungsmöglichkeit, bedarf es grundsätzlich keiner erneuten Mitteilung an den Gläubiger. Das Mitwirkungsrecht des Gläubigers ist durch einen einmaligen Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder ein einmaliges Selbsteintrittsangebot in der Regel hinreichend gesichert.

2. Aber auch im Falle einer Verletzung der nochmaligen Hinweispflicht hat der absonderungsberechtigte Gläubiger nur einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte der Beklagte zu dem von ihr angegebenen Höchstgebot - sei es an die Klägerin oder an einen Dritten - veräußert.

3. Geht der Insolvenzverwalter auf den Gläubigervorschlag nicht ein, sondern veräußert das Sicherungsgut anderweitig, ist die Verwertung im Rahmen der Insolvenzverordnung mit der Auskehrung des Erlöses sowie des Differenzbetrages zu der aufgezeigten günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder des Selbsteintrittsangebotes an den absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 168 Abs. 2, 2. Alt. InsO abgeschlossen.

5. Die Gewinninteressen durch Weiterveräußerung sind hingegen vom Schutzzweck des § 168 InsO nicht umfasst.


Oberlandesgericht Karlsruhe 9. Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 147/08

Verkündet am 09. Oktober 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Lauven Richterin am Oberlandesgericht Wahle Richterin am Landgericht Schüle

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 30.01.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Schadensersatz von dem Beklagten, der als Insolvenzverwalter im Sicherungseigentum der Klägerin stehendes Gaststätteninventar verwertet hat.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 30.01.2008 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe im Rahmen der Verwertung der mit Absonderungsrechten der Klägerin belasteten Gegenstände keine insolvenzspezifischen Pflichten verletzt. Der Beklagte habe die Rechte der Klägerin durch Hinweis auf den beabsichtigten freihändigen Verkauf mit Schreiben vom 24.11.2008 ausreichend gewahrt. Zwar habe die Klägerin den im Schreiben des Insolvenzverwalters in Aussicht gestellten Kaufpreis überboten. Der Beklagte sei in der Folge jedoch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin davon zu unterrichten, dass der erzielbare Kaufpreis gestiegen sei, um ihr Gelegenheit zur Nachbesserung ihres Selbsteintrittsgebots zu geben.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Klägerin stimmt zunächst den Feststellungen des Landgerichts, dass der Beklagte mit Schreiben vom 24.11.2005 einen Verwertungspreis von 13.100,00 € netto in Aussicht gestellt hat und die Klägerin daraufhin einen Selbsteintrittspreis von 13.150,00 € netto erklärt hat, zu. (Dass er dann ohne erneute Benachrichtigung der Klägerin auf das danach eingegangene Angebot von 14.300 € eingegangen sei, begründe ihren Anspruch) Sie ist jedoch der Auffassung, dass ein Insolvenzverwalter verpflichtet sei, dem gesicherten Gläubiger die Möglichkeit zu geben, auf ein neues besseres Angebot innerhalb einer neu zu setzenden Wochenfrist zu reagieren. Jedenfalls lägen nach Auffassung der Klägerin hier besondere Umstände vor, die eine erneute Mitteilungspflicht begründeten. So habe der Justitiar der Klägerin dem Beklagten in einem zwischen dem 25.11. und 26.11.2005 geführten Telefonat mitgeteilt, dass der vom Beklagten in Aussicht gestellte Verwertungserlös für deutlich zu niedrig gehalten werde und die Klägerin entschlossen sei, bei einem Erlös dieser Größenordnung das Inventar auszubauen und selbst die Verwertung zu übernehmen. Ihr Justitiar habe außerdem am Telefon erklärt, dass er von einem deutlich höheren Zeitwert des Inventars auf der Basis des Gutachtens M. ausgehe. Die Klägerin sei in jedem Fall bereit gewesen, das Inventar zu einem Preis von 14.300,00 € - dem Angebot des Konkurrenten - zu übernehmen. Diesen Preis hätte die Klägerin im Falle einer erneuten Mitteilung geboten. Da der Beklagte das Gutachten M. mit einem Verkehrswert von 100.000,00 € im Januar 2005 kannte und gewusst habe, dass die Klägerin von dessen Richtigkeit ausgehe, hätte der Beklagte dringende Anhaltspunkte dafür gehabt, dass das Inventar deutlich mehr wert sei. Deshalb sei der Beklagte hier angesichts des beabsichtigten Verkaufs zu einem nur unwesentlich höheren Preis zur erneuten Mitteilung verpflichtet gewesen.

Für den Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe reicht es nach Auffassung der Klägerin aus, dass der Gläubiger einerseits den Selbsteintritt erklärt und andererseits eine Möglichkeit zur Realisierung eines höheren tatsächlichem Marktwertes des Sicherungsgutes hat. Der Verwalter mache sich dann schadensersatzpflichtig, wenn er zu dem von ihm mitgeteilten Preis, aus dem der Gläubiger den Selbsteintritt gewählt hat, an einen Dritten veräußere.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 30.01.2008, 8 O 212/07, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 67.999,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klageerhebung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, stellt allerdings in Frage, ob das Selbsteintrittgebot der Klägerin in Höhe von 13.500,00 € tatsächlich, wie vom Landgericht festgestellt, als Nettobetrag zu verstehen gewesen sei. Der Beklagte bestreitet die Existenz und den behaupteten Inhalt des Telefonats. Er trägt vor, dass über den Betrag von 14.300,00 € während des Telefonats nicht gesprochen worden sei, und rügt insofern Verspätung. Ferner wird vorgetragen, dass dem Beklagten zum Zeitpunkt des behaupteten Telefonats selbst noch nicht bekannt war, dass der Interessent einen Nettoverkaufspreis von 14.300,00 € bezahlen würde. Die Werte aus dem Gutachten M. habe er für nicht realisierbar gehalten. Das Vorliegen eines Schadens werde bestritten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Klägerin stehen im Zusammenhang mit der Verwertung des Sicherungsgutes gegenüber dem Beklagten keine Schadensersatzansprüche zu.

I.

Ein Anspruch der Klägerin aus § 60 Abs. 1 InsO auf Schadensersatz wegen Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht im Zusammenhang mit der Verwertung des im Sicherungseigentum der Klägerin stehenden Gaststätteninventars ist vom Landgericht zu Recht verneint worden. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 168 Abs. 1 InsO scheitert jedenfalls daran, dass ein durch die behauptete Pflichtverletzung hervorgerufener ersatzfähiger Schaden nicht dargetan ist.

1.

Der Beklagte hat seiner Mitteilungspflicht aus § 168 Abs. 1 InsO jedenfalls zunächst genügt und der Klägerin Gelegenheit zum Hinweis auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit gegeben.

Mit Schreiben vom 24.11.2005 hat der Beklagte der Klägerin ordnungsgemäß Mitteilung von der beabsichtigten Verwertung gemäß § 168 Abs. 1 InsO gemacht. Das Schreiben enthielt alle wesentlichen Informationen, die der Gläubiger benötigt, um selber eine günstigere Verwertungsart vorschlagen zu können. Aus dem Schreiben ging klar hervor, dass dem Beklagten ein Kaufangebot von 14.000,00 € netto insgesamt und von 13.100,00 € netto bezogen auf das Sicherungseigentum der Klägerin vorlag. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.11.2005 reagiert und dadurch ihre Rechte aus § 168 InsO wahrgenommen.

Das Selbsteintrittsgebot der Klägerin lag um 50,00 € über dem in Aussicht gestellten Verwertungserlös und stellte damit eine günstigere Verwertungsmöglichkeit im Sinne von § 168 Abs. 1 S. 2 InsO dar.

Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei dem in dem Schreiben der Klägerin genannten Selbsteintrittsgebot von 13.150,00 € um den Nettokaufpreis handelt. Denn es ist das konkrete Antwortschreiben auf das Schreiben des Beklagten, das nur Nettobeträge enthält. Der Einwand des Beklagten, es könne sich auch um einen Bruttobetrag gehandelt haben, da das von der Klägerin immer wieder herangezogene Gutachten M. Bruttopreise ausweise, greift nicht, denn aus dem Schreiben selbst ergibt sich keinerlei Bezug zu dem Gutachten M.

2.

Ob der Beklagte aus § 168 Abs. 1 InsO verpflichtet war, der Klägerin nochmals Mitteilung unter Setzung einer neuen Wochenfrist zu machen, nachdem das ihm vorliegende Kaufangebot des Konkurrenten geringfügig um 300,00 € auf 13.400,00 € erhöht worden war, kann im Ergebnis dahinstehen.

a.

Erhält der Insolvenzverwalter nach einem Hinweis des absonderungsberechtigten Gläubigers auf eine günstigere Verwertung eine noch bessere Verwertungsmöglichkeit, bedarf es grundsätzlich keiner erneuten Mitteilung an den Gläubiger. Das Mitwirkungsrecht des Gläubigers ist durch einen einmaligen Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder ein einmaliges Selbsteintrittsangebot in der Regel hinreichend gesichert (LG Neubrandenburg ZIP 2006,1143; MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, InsO, 2. Aufl. 2008, § 168 Rdn. 36; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 168 Rdn. 7; Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 168 Rdn. 17,46; Braun-Dithmar, InsO, 3. Aufl. 2007, § 168 Rdn. 7; a.A. Kübler/Prütting/Kemper, InsO, § 168 Rdn. 12; FK-Wegener, InsO, 4. Aufl., § 168 Rdn. 10). Der Senat schließt sich insofern den ausführlichen und zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils an.

b.

Die Klägerin hätte im Falle einer Verletzung der nochmaligen Hinweispflicht jedenfalls nur einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte der Beklagte zu dem von ihr angegebenen Höchstgebot - sei es an die Klägerin oder an einen Dritten - veräußert. Dann aber hätte die Klägerin nur einen Ersatzanspruch aus § 168 Abs. 2 InsO in Höhe des Differenzbetrages, in der ihr durch die Verwalterverwertung ein Nachteil entstanden ist. Ein solcher Nachteil ist ihr hier nicht entstanden.

Der nach § 60 InsO zu ersetzende Schaden ist gemäß §§ 249 ff BGB zu ermitteln. Für die Frage, welchen Schaden der Insolvenzverwalter adäquat kausal verschuldet hat, kommt es darauf an, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Verwalters genommen hätten (MünchKomm-Brandes, InsO, 2. Aufl. 2007, § 60 Rdn. 106). Die Rechte und Pflichten der Beteiligten werden im Insolvenzverfahren durch die Verwertungsvorschriften der §§ 165 ff InsO abschließend geregelt (BGH ZIP 2005, 2214). Bei der Übernahme des Sicherungsgutes durch den Gläubiger nach § 168 Abs. 3 S. 1 InsO handelt es sich um eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter, und zwar um eine Verwertungsmöglichkeit, die der Verwalter nach Maßgabe des § 168 Abs. 2 InsO wahrnehmen kann, aber nicht wahrnehmen muss; nimmt er sie nicht wahr, ist er gemäß § 168 Abs. 2, 2. Alt. InsO zum Nachteilsausgleich verpflichtet (BGH ZIP 2005, 2214; OLG Celle ZIP 2004,725; MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, InsO 2. Aufl. 2008, § 168, Rdn. 38; Uhlenbruck, § 168 InsO, Rdn. 10; Kübler/Prütting/Kemper, § 168 InsO, Rdn.15). Der Insolvenzverwalter wäre deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet gewesen, das Selbsteintrittsangebot anzunehmen und an die Klägerin zu veräußern. Geht der Insolvenzverwalter auf den Gläubigervorschlag nicht ein, sondern veräußert das Sicherungsgut anderweitig, ist die Verwertung im Rahmen der Insolvenzordnung mit der Auskehrung des Erlöses sowie des Differenzbetrages zu der aufgezeigten günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder des Selbsteintrittsangebotes an den absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 168 Abs. 2, 2. Alt. InsO abgeschlossen. Bei einer Verletzung der Mitteilungspflicht können demnach nur Schäden ersetzt werden, die im Rahmen der insolvenzrechtlichen Verwertung entstanden sind und bei wertender Betrachtung in den Schutzbereich der insolvenzspezifischen Pflicht gehören (MünchKomm-Brandes, § 60 InsO, Rdn. 107). Die insolvenzspezifische Pflicht aus § 168 Abs. 1 InsO schützt die Verwertungsinteressen des absonderungsberechtigten Gläubigers nur insoweit, als er durch die gemäß § 166 InsO dem Verwalter übertragene Verwertungsbefugnis keine Nachteile hinnehmen soll, weil eine für ihn günstigere Verwertungsmöglichkeit vom Insolvenzverwalter nicht wahrgenommen worden ist (MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, InsO, 2. Aufl. 2008, § 168 Rdn. 1). Die Gewinninteressen durch Weiterveräußerung sind hingegen vom Schutzzweck des § 168 InsO nicht umfasst. Die Risiken und Chancen bei einem Weiterverkauf des nach Übernahme im Rahmen des § 168 Abs. 3 InsO erlangten Sicherungsgutes liegen allein beim Gläubiger (BGH ZIP 2005, 2214). Den von der Klägerin angestrebten Gewinn bis zur Höhe von 80.000,00 € (abzüglich des ausgeschütteten Verwertungserlöses), den sie im Falle der Weiterveräußerung nach Selbsteintritt zu erzielen hoffte, kann die Klägerin deshalb nicht beanspruchen.

II. Eine Haftung des Beklagten außerhalb des Bereichs der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten nach den Grundsätzen über die Haftung wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens kommt nicht in Betracht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwertung des Sicherungsgutes ihr gegenüber ausdrücklich eigene Pflichten übernommen oder in besonderem Maß persönliches Vertrauen, an dem er sich festhalten lassen müsste, in Anspruch genommen hat.

III.

Die Kostentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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