Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 06.07.2000
Aktenzeichen: 9 U 159/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 816 Abs. 1
Leitsatz:

Zur Entstehung eines besitzlosen Pfandrechtes an einem Kraftfahrzeug nach dem Recht der Vereinigten Staaten und dessen Übergang in Sicherungseigentum nach deutschem Recht durch Ortswechsel.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

9 U 159/99 5 O 88/99

Verkündet am: 06. Juli 2000

Salb als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Kondiktionsanspruch

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 08. Juni 2000 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Nökel

Richter am Oberlandesgericht Müller-Bütow

Richterin am Oberlandesgericht Hailbronner-Gabel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgericht Konstanz vom 28.07.1999 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 125.000,00 DM abwenden, es sei denn die Klägerin leistet vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit. Beide Parteien können die ihnen obliegende Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines allgemein als Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbringen.

4. Die Beschwer der Beklagten beträgt 100.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein US-amerikanisches Kreditinstitut, nimmt die mit exklusiven Gebrauchtwagen handelnde Beklagte unter Berufung auf ein Sicherungsrecht auf Zahlung des Verkaufserlöses für einen Pkw in Anspruch.

Am 10.05.1997 kaufte bei dem Autohaus in Kansas als Neuwagen einen Sportwagen des Typs Dodge Viper. Ausweislich der Kaufvertragsurkunde wurde ein Kaufpreisteil von 48.400 US-Dollar von der Klägerin finanziert. Im Kraftfahrzeugbrief (Certificate of origin for a vehicle) ist Herr als Erwerber eingetragen. Unter der Rubrik für künftige Erwerber ist in dem Fahrzeugbrief als "Lienholder" die Klägerin eingetragen.

Mit Vermittlungsauftrag vom 03.09.1997 nahm die Beklagte von den Sportwagen zum Weiterverkauf herein. Aufgrund der "verbindlichen Bestellung" vom 29.12.1997 und der "Kaufbestätigung" vom 13.01.1998 verkaufte die Beklagte das Fahrzeug an M B, nachdem sie zuvor anstelle des ihr vorliegenden amerikanischen Kraftfahrzeugbriefes einen deutschen Kraftfahrzeugbrief hatte ausstellen lassen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das "Lien" als besitzloses Pfandrecht nach amerikanischem Recht sei nach der auf Dauer angelegten Ausführung des Fahrzeugs nach Deutschland in Sicherungseigentum übergegangen. Dieses Sicherungseigentum sei durch den Verkauf an den - gutgläubigen - M erloschen. Da die Beklagte als Nichtberechtigte verfügt habe, könne die Klägerin von ihr den Veräußerungserlös von 100.000,00 DM beanspruchen. Verrechenbare Gegenansprüche stünden der Beklagten nicht zu.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit 01.02.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin habe weder den Kaufpreis finanziert noch sei ein wirksames Pfandrecht bestellt worden. Die Beklagte habe nicht im eigenen Namen sondern in Stellvertretung für gehandelt, weshalb nur dieser in Anspruch genommen werden könne. Die Beklagte habe nicht wissen können, dass das Fahrzeug mit einem besitzlosen Pfandrecht belastet gewesen sei. Ihr stünden Ansprüche gegenüber dem Vorbesitzers in Höhe von 82.500,00 DM aus dem gescheiterten Verkauf eines Sportwagens der Marke Bugatti zum Preis von 550.000,00 DM zu.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und sie nur wegen der Höhe beanspruchter Zinsen teilweise abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch zum Sachverhalt, wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung unter Ergänzung ihres Vorbringens erster Instanz. Beim Kauf in Amerika sei kein besitzloses Lien, das nur ausnahmsweise möglich sei, sondern nur ein security interest vereinbart worden. Ein solches müsse im Fall eines besitzlosen Pfandrechtes, wie hier, durch Eintragung in ein öffentliches Register perfektioniert werden, was hier nicht geschehen sei. In vielen Bundesstaaten der USA sei darüber hinaus zusätzlich zur Registereintragung die Eintragung im Kraftfahrzeugbrief erforderlich. Als unperfektioniertes Sicherungsrecht entfalte das Lien gegenüber Dritten nur sehr beschränkte Wirkung. Da die Beklagte als Vertreterin des Avar Amiri gehandelt habe, sei sie nicht im Sinne von § 816 BGB bereichert. Selbst wenn ein security interest vereinbart worden wäre, könne die Klägerin nicht den erzielten Gewinn in Höhe von 100.000,00 DM sondern nur den von ihr mit 48.427,45 US-Dollar bezifferten Restkaufpreis aus dem Kaufvertrag beanspruchen. Die Geltendmachung einer höheren Forderung verstoße auch gegen § 242 BGB. Jedenfalls müssten von der Beklagten getätigte Aufwendungen für Zoll TÜV u.a. in Höhe von insgesamt 11.220,30 DM abgesetzt werden, da insoweit die Beklagte entreichert sei.

Die Beklagte beantragt,

auf ihre Berufung das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 28.07.199 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ergänzt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das sie für richtig hält.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 816 Abs. 1 BGB den erzielten Kauferlös in Höhe von 100.000,00 DM beanspruchen.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die später umfirmierte Klägerin habe als Kreditgeberin für den Autokauf in den Vereinigten Staaten kein besitzloses Pfandrecht an dem Fahrzeug erlangt, das nach der Überführung auf Dauer nach Deutschland in Sicherungseigentum habe übergehen können. Die Klägerin hat hier ein durch Perfektionierung auch gegenüber Dritten wirksam gewordenes security interest gemäß Artikel 9 UCC erlangt. Für dieses security interest ist allein relevant, ob die Parteien durch Rechtsgeschäft einen Anspruch dinglich sichern wollten (Bierle, Pfandrechte an beweglichen Sachen im internationalen Privatrecht S. 58 f., Dissertation 1993). Zu dessen Begründung ist eine schriftliche vom Sicherungsgeber unterzeichnete und eine Beschreibung des Sicherungsgutes enthaltende Sicherungsvereinbarung zu schließen. Der Sicherungsnehmer muss dem Sicherungsgeber eine Gegenleistung, wie hier einen Kredit, geben und schließlich muss der Sicherungsgeber Rechte an dem Sicherungsgut haben (Bierle, a.a.O. S. 60). Zur Drittwirksamkeit bedarf es grundsätzlich der Perfektionierung durch Eintragung in ein öffentliches Register, nach bundesstaatlichen Spezialgesetzen beispielsweise in vielen Bundesstaaten bei Kraftfahrzeugen der Eintragung in den Kraftfahrzeugbrief (Bierle a.a.O. S. 61). Auch diese Voraussetzung ist hier gegeben. Es besteht kein Anhalt dafür, dass neben der Eintragung in den zum Kraftfahrzeug gehörenden und dessen Rechtsverhältnisse dokumentierenden Kraftfahrzeugbrief die Eintragung in ein weiteres Register erforderlich ist.

Dieses wirksame besitzlose Pfandrecht ist, nachdem das Fahrzeug zum endgültigen Verbleib in die Bundesrepublik Deutschland verbracht worden ist, durch den dadurch eingetretenen Statutenwechsel unter Anwendung deutschen Rechts aufgrund des Orts, wo sich die Sache auf Dauer befand, da das deutsche Recht kein besitzloses Pfandrecht kennt, in Sicherungseigentum nach deutschem Recht übergegangen (vgl. BGH NJW 1991, 1415). Entsprechend erlangt nach amerikanischem Recht auch der Eigentumsvorbehalt die Wirkung eines security interest (Bierle a.a.O.).

Gemäß § 816 Abs. 1 BGB ist die Beklagte verpflichtet, den erlangten Verkaufserlös an die Klägerin herauszugeben. Die Beklagte war im Sinne des § 816 Abs. 1 BGB Verfügende, da sie, auch wenn sie als Kommissionär handelte, im eigenen Namen verfügte (Palandt-Thomas, BGB, 59. Aufl., § 816, Rdn. 11 m.w.N.; offengelassen in BGH NJW 1957, 1022).

Im Berufungsverfahren ist nicht streitig, dass, so ein Sicherungseigentum der Klägerin bestand, dieses durch den Verkauf des Fahrzeugs seitens der Beklagten an, der gutgläubig war, untergegangen ist. Der Anspruch der Klägerin gemäß § 816 Abs. 1 BGB mindert sich nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB um die Aufwendungen der Beklagten in Höhe von 11.220,30 DM. Die Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin diese Leistungen gegenüber Dritten nicht entgegenhalten, da sie sie aufgewendet hat, um die Sache zu erlangen (BGH a.a.O.).

Die Beklagte hat kein gesetzliches Pfandrecht gemäß §§ 397, 366 Abs. 3 HGB, 1207, 1932 BGB erworben. Dessen Erwerb steht die fehlende Gutgläubigkeit der Beklagten entgegenstehen. Aufgrund des der Beklagten vorliegenden amerikanischen Kraftfahrzeugbriefes, in dem das Recht der Klägerin eingetragen war, war für sie erkennbar, dass das Fahrzeug mit einem Recht der Klägerin belastet war. So sie der englischen Sprache nicht ausreichend mächtig war, hätte sie sich unter Einschaltung eines sprachkundigen Fachmannes darüber vergewissern müssen, ob nach dem Inhalt der ausländischen Papiere unbelastetes Eigentum vorlag und Avar Amiri verfügungsberechtigt war (vgl. BGH NJW 1991, 1415).

Wegen der Bösgläubigkeit der Beklagten ist für eine Anwendung des § 242 BGB (vgl. BGH NJW 1959, 669) kein Raum.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück