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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: 9 U 173/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
BGB § 607
Zur Aufklärungspflicht einer Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds finanziert.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am: 31. Mai 2001

In Sachen

wegen Darlehensrückzahlung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 10.5.2001 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23.08.2000 werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 9/10, die Beklagten 1/10 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Sicherheitsleistungen können durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaften als Zoll- und Steuerbürge allgemein zugelassener Kreditinstitute erbracht werden.

4. Der Wert der Beschwer wird für die Klägerin auf 80.601,08 DM, für die Beklagten auf 9.363,66 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens gemäß Vertrag vom 04.12.1991. Das Darlehen wurde für den im Darlehensvertrag genannten Zweck der vollen Finanzierung des Erwerbs von BGB-Gesellschaftsanteilen am Objekt S. D., dem geschlossenen Immobilienfonds Nr. gewährt. Unter anderem waren zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs Abtretungen anlässlich des Vertragsabschlusses abgeschlossener Lebensversicherungen und der Lohn- und Gehaltsansprüche sowie eine Verpfändung der Anteile an der BGB-Gesellschaft vorgesehen.

Der Fonds Nr. GbR (Geschäftsführer W.) wurde von einer Firma D. und deren Geschäftsführer W. als Gründungsgesellschaftern ins Leben gerufen. Die D. vertrieb die Gesellschaftsanteile an dem geschlossenen Immobilienfonds, zum Teil durch freie Vermittler. Die Beklagten wurden durch eine Versicherungsvermittlerin L. aus R. geworben, die im Auftrag der D. handelte. Der Darlehensvertrag wurde ebenfalls von Frau L.vermittelt, die die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der A., ihr überlassenen, nach ihren Angaben von dieser vorbereiteten Formulare den Beklagten zur Unterschrift vorlegte. Frau L. hatte den Beklagten, beides Aussiedler, schon zuvor verschiedene Lebensversicherungen und Bausparverträge vermittelt. Eine Belehrung über die besonderen Gefahren einer Vollfinanzierung des Fondserwerbs mit Darlehensdisagio und Lebensversicherungsabschluss statt fortlaufender Darlehenstilgung wurde den Beklagten im Rahmen der Darlehensvermittlung nicht erteilt.

Zwischen den Gründungsgesellschaftern des Fonds Nr. und der Rechtsvorgängerin der Klägerin wurde am 26.01.1990 eine Sicherungsvereinbarung geschlossen, nach der die Gründungsgesellschafter G. und D. die Mithaftung für die Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Anleger übernahmen in Höhe von 3 % des zwischen den Parteien der Sicherungsvereinbarung vereinbarten Volumens der von der Vorgängerin der Klägerin zu erbringenden Finanzierung des Erwerbs von Fondsanteilen.

Von dem gesamten Zeichnungskapital von 14.070.000,00 DM war ein Teil von 10.556.196,00 DM als Kaufpreis für das Grundstück inklusive aller Nebenkosten und die schlüsselfertige Erstellung des Gebäudes vorgesehen. Dies ergibt sich aus den Angaben in dem Hauptprospekt. Der Rest des gesamten Zeichnungskapitals setzt sich aus Zwischenfinanzierungszinsen, Vermittlungsgebühren, Treuhänder- und Steuerberatergebühren, Notarkosten sowie Beurkundungs- und Vertriebskosten und Ähnlichem zusammen.

Der Geschäftsführer der D. und Mitinitiator G ist wegen Untreue und Kreditanlagebetrugs in vier Fällen, darunter auch dem vorliegenden Fonds Nr. , rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden, wobei die diesem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen zwischen den Parteien unstreitig sind. Danach hat er für den hier in Rede stehende Fonds Nr. in vorgefasster Absicht entgegen den Angaben im Prospekt und im Kaufvertrag über die Grundstücke nicht 10.556.196,00 DM sondern nur 6.142.142,40 DM für den Kauf und die schlüsselfertige Erstellung der Fondsgrundstücke aufgewandt. Der Rest bis 10,5 Mio. war von vornherein nicht zur Zahlung vorgesehen, was ihm schon bei Prospekterstellung bekannt war. Der Treuhänder überwies die ca. 4 Mio. von den bei ihm eingegangenen Einzahlungen der geworbenen Gesellschafter an die D. als sogenanntem Bauträgeranteil, für den es in dem gesamten Vertragswerk und dem Treuhandvertrag keine Rechtsgrundlage gibt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Konstanz vom 23.08.2000 Bezug genommen, durch das die Klage auf Zahlung von 70.601,08 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz bzw. Basiszinssatz abgewiesen wurde und die Klägerin entsprechend der Widerklage verurteilt wurde, die Rechte und Ansprüche aus der vom Erstbeklagten abgeschlossenen Kapitallebensversicherung an diesen zurück abzutreten, während die weitere Widerklage auf Rückzahlung der auf das Darlehen von ihnen gezahlten Zinsen in Höhe von 9.363,66 DM abgewiesen wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23.08.2000 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin DM 70.601,08 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 und ab dem 01.01.1999 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23.8.2000 abzuändern, soweit in diesem die Widerklage abgewiesen wurde, und die Klägerin zur Zahlung von 9.363,66 DM nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Widerklage zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung ihrer Anträge beziehen sich die Beklagten / Widerkläger auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertiefen dieses.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten sind unbegründet.

Die Klägerin kann die Rückzahlung des Darlehens nicht verlangen, weil sie sich die Einwendungen der Beklagten aus dem Verhältnis zur Fondsgesellschaft und ihrer Initiatoren gemäß § 9 Abs. 4 und 3 Verbraucherkreditgesetz entgegenhalten lassen muss. Insofern wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, denen der Senat folgt. Auch aus dem Verhalten der Fondsgesellschafter nach Bekanntwerden der betrügerischen Handlungen des Herrn G. kann nicht eine Verwirkung der Ansprüche aus culpa in contrahendo auf Kündigung abgeleitet werden. Der Gesellschaft und den Initiatoren war bekannt, dass die Beklagten nicht weiter an den Gesellschaftsanteilen interessiert waren. Die Beklagten haben nach ihrer damaligen Rechtskenntnis alles zur Schadensbegrenzung Notwendige getan, indem sie gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Darlehensvertrages erklärt und dieser ihren Gesellschaftsanteil zur Verfügung gestellt haben.

Die Ansprüche aus culpa in contrahendo unterliegen der dreißigjährigen Verjährung. Im Übrigen haben die Fondsträger die Einrede der Verjährung ausdrücklich nicht erhoben. Die Ansprüche sind auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Jahresfrist des § 124 BGB verstrichen ist (BGH NJW 1998, 302, 303 f). Der Fondsgesellschaft und ihren Initiatoren war durch die Geschäftsführerstellung des Herrn Grubmüller bekannt, dass durch dessen betrügerisches Verhalten nur 60 % des beurkundeten Kaufpreises tatsächlich geschuldet waren und daher die Gesellschaftsanteile der Beklagten erheblich weniger wert waren, als diese annehmen durften. Dann konnte bei der Fondsgesellschaft und ihren Initiatoren durch die Rettungsbemühungen der Fondsgesellschafter im Jahre 1996 nicht der Eindruck erweckt werden, die Beklagten wollten ihre Rechte auf Beendigung ihrer Gesellschaftszugehörigkeit nicht mehr geltend machen. Daher war die unmittelbar nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.06.2000 erklärte Kündigung der Beklagten aufgrund des Anspruchs aus culpa in contrahendo berechtigt.

Zu dem Verbundcharakter der Verträge nach § 9 Verbraucherkreditgesetz ist ergänzend zum Landgericht noch darauf hinzuweisen, dass der Verwendungszweck des Darlehens im Darlehensvertrag ausdrücklich genannt worden war und dass entsprechend der Sicherungsvereinbarung vom 26.01.1990 der Klägerin mit den Initiatoren ein Finanzierungsvolumen vereinbart worden war, innerhalb dessen die Klägerin den von der D. oder deren Vermittlern geworbenen Erwerbern die Kosten des Beitritts entsprechend den im Prospekt genannten Bedingungen zu 100 % zu finanzieren hatte. Die Beklagten haben Mitarbeiter der Klägerin nicht kennengelernt. Ihnen wurde von der Vermittlerin L. als Finanzierungsbank auch keine andere Bank als die Klägerin vorgeschlagen. Für die Beklagten stellten sich nach den gesamten Umständen und den Angaben im Darlehensvertrag die beiden Verträge als Einheit dar.

Die Beklagten brauchen das Darlehen auch deswegen nicht zurückzuzahlen, weil sie gegen die Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo haben, so gestellt zu werden, wie sie stehen würden, wenn sie über die Risiken einer Vollfinanzierung mit Disagio und Ersatz der regelmäßigen Tilgung durch Abschluss von Lebensversicherungsverträgen informiert worden wären und darüber, dass die Zinsen im Darlehensvertrag über denen in der Beispielsrechnung der Finanzierung im Prospekt lagen. Dann hätten sie den Kreditvertrag mit der Klägerin nicht abgeschlossen.

Die Klägerin wusste aus dem ihr vorliegenden Prospekt, dass die von ihr verlangten Zinsen von denen in den Rentabilitätsberechnungen des Prospekts abwichen. Die Klägerin hat vor allem nicht dafür Sorge getragen, dass die Beklagten über die besonderen Gefahren einer vollständigen Finanzierung des Erwerbspreises durch ein Darlehen mit Disagio-Vereinbarung und Ersetzung der regelmäßigen Tilgung durch Abschluss von Lebensversicherungen belehrt wurden. Denn dabei bestand die konkrete Gefahr, dass die ohnehin teuere Finanzierung bei Ablauf der Zinsbindungsfrist völlig unwirtschaftlich wurde, wobei eine anderweitige Finanzierung wegen des großen Verlustes bei der Kündigung der Lebensversicherung in den Anfangsjahren und des Disagios nicht möglich gewesen wäre.

Der Klägerin war bekannt, dass die laufenden Renditen von Immobilienfonds unter den von den Beklagten aufzubringenden Zinsen lagen. Sie hatte sich von den Initiatoren besondere Sicherheiten geben lassen, weil ihr offenbar die Sicherheiten der Darlehensnehmer nicht ausreichend erschienen.

Die Klägerin wusste aus der Besichtigung ihrer Mitarbeiter, dass die Häuser des Fonds Nr. 11 nicht, wie auf den Zeichnungen der Prospekte angegeben, direkt an der Elbe lagen.

Die Klägerin war daher aus eigenem Wissensvorsprung gehalten, die Beklagten über alle diese für ihre Finanzierungsentscheidung wesentlichen Umstände aufzuklären.

Die Widerklage bezüglich der Zinsen war dennoch unbegründet, weil die Beklagten ihren Schaden nicht substantiiert dargetan haben. Sie haben die ihnen durch Steuer und sonstige Vergünstigungen entstandenen Vorteile nicht gemäß der ihnen obliegenden Substantiierungspflicht vorgetragen, so dass der Senat keine genügenden Anhaltspunkte hat, um nach § 287 ZPO zu schätzen, in welcher Höhe den Beklagten letztlich ein Aufwandsschaden verblieben ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 1 und 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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