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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 9 U 38/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
BGB § 254
1. Zur Frage, ob ein Kraftfahrzeughändler verpflichtet ist, den Käufer eines Neuwagens auf die Möglichkeit der Aktivierung einer automatischen Zentralverriegelung hinzuweisen

2. Zum Ausschluss eines möglichen Schadensersatzanspruches gegen den Kraftfahrzeughändler wegen eines Beraubungsschadens des Käufers wegen überwiegenden Mitverschuldens, wenn der Käufer die geraubten Sachen (Schmuck und weitere Gegenstände im Werte von über 80.000 DM) in zwei Rucksäcken hinter den Vordersitzen befördert hat, ohne bei Antritt der Fahrt die vorhandene Taste zur zentralen Verriegelung aller Türen zu betätigen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

9 U 38/01

Verkündet am: 09. August 2001

In Sachen

wegen Schadensersatzes

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2001 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 09.02.2001 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaften als Zoll- und Steuerbürge allgemein zugelassener Kreditinstitute erbracht werden.

4. Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf 82.721,86 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem beklagten Autohaus Ersatz des Schadens, den er in Antibes/Frankreich dadurch erlitten habe, dass er und seine Ehefrau am 13.05.1999 dort Opfer eines Raubüberfalls durch Motorradgangster geworden sind.

Dabei wurde der Kläger bei einem Wendemanöver auf einem Parkplatz durch einen Motorradfahrer gestoppt. Anschließend öffnete ein anderer Motorradfahrer die hintere Seitentür des BMW des Klägers und entriss der Ehefrau des Klägers zwei Rucksäcke, die hinter dem Beifahrersitz eingeklemmt auf dem Boden des Wagens lagen, obwohl die Ehefrau noch versuchte, diese festzuhalten. Der Kläger ist der Ansicht, die beklagte Autohandelsfirma sei zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet, weil sie ihn in den Jahren vor dem Raubüberfall nicht darauf hingewiesen hat, dass eine automatische Zentralverriegelung an seinem Wagen ohne nennenswerten Aufwand hätte aktiviert werden können. Da er als Sonderausstattung besonders gegen Einschlagen gesicherte Wagenfenster installieren hatte lassen, hätte der Räuber bei Funktionieren der automatischen Schließanlage die Autotür nicht öffnen können.

Der Kläger hatte am 05.12.1996 bei dem Autohaus ... in Konstanz einen BMW 540 i A mit diversen Sonderausstattungen für 138.579,00 DM bestellt. Das Auto wurde ihm am 27.02.1997 ausgeliefert. Am 01.09.1997 übernahm die Beklagte den Betrieb des Autohauses .... Sie führte diesen unter eigenem Namen weiter. Das Geschäftsgrundstück erwarb der Geschäftsführer der Beklagten persönlich. Der Kläger blieb dort weiterhin Kunde und ließ in der Folgezeit Wartungen und Reparaturen bei der Beklagten durchführen.

Der Kläger war mit seiner Ehefrau auf einer mehrwöchigen Urlaubsreise unterwegs. Zum Zeitpunkt des Überfalls war die gesamte Rückbank mit Gepäck belegt. Er hatte die vorhandene Taste für die Zentralverriegelung der Autotüren nicht betätigt.

Der Kläger behauptete vor dem Landgericht, schon zum Zeitpunkt des Kaufs des Wagens habe die Möglichkeit bestanden, die automatische Zentralverriegelung in seinem Fahrzeug zu aktivieren. Darauf sei er von dem Verkäufer des Autohauses ... nicht hingewiesen worden. Wegen der Betriebsübernahme hafte die Beklagte sowohl für dieses Versäumnis des Autohauses ... als auch für die eigene Unterlassung, ihn während der Folgezeit nicht auf die Möglichkeit der Aktivierung der automatischen Zentralverriegelung hinzuweisen. Spätestens im Herbst 1998 sei die Beklagte von der BMW AG angewiesen worden, die Kunden mit einem Fahrzeug seines Modells und Alters auf die Möglichkeit der Aktivierung der automatischen Zentralverriegelung hinzuweisen. Da es sich dabei um eine Sicherheits- und nicht eine bloße Komfort-Einrichtung handele, sei die Beklagte bzw. das Autohaus ... zur Aufklärung verpflichtet gewesen, zumal für die Klasse seines Wagens schon zur Zeit des Kaufs Stand der Technik gewesen sei, dass die Fahrzeuge mit einer automatischen Zentralverriegelung ausgestattet waren. In die Vereinigten Staaten hätten sie damals schon nicht ohne die Aktivierung der automatischen Zentralverriegelung eingeführt werden dürfen. Die zunächst im selben Verfahren mitbeklagte ... hafte aus dem Gesichtspunkt der Produkthaftung auf Schadensersatz. Der Prozess wurde insoweit durch das Landgericht an das Landgericht ... zuständigkeitshalber verwiesen.

Die Beklagte hafte auf Grund der Übernahme der Verpflichtungen des Autohauses ... wegen Nichtbefolgung der Weisung der BMW AG, den Kläger über die Option einer automatischen Zentralverriegelung zu informieren, und wegen Nichtinformierung des Klägers über die Option zur Aktivierung der automatischen Zentralverriegelung, da sie zu einem solchen Hinweis verpflichtet gewesen sei, die Bedienungsanleitung unvollständig gewesen sei und eine automatische Zentralverriegelung in dieser Autoklasse schon seit 1995 nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zum Sicherheitsstandard gehört habe.

Der Kläger hat weiter behauptet, dass einer der Rucksäcke, der schwarze, ihm gehört habe. Durch dessen Raub mit Inhalt sei ihm ein Schaden von 9.324,00 DM entstanden. Durch den Raub des weißen Rucksacks, der samt Inhalt seiner Frau gehört habe, sei ein Schaden von 6.472,00 DM zuzüglich darin befindlichem Schmuck seiner Frau im Wert von 64.140,00 DM entstanden. Weiter sei noch ca. 5.000,00 DM Bargeld geraubt worden. Schließlich macht er noch die Kosten für Ersatzbeschaffung der mitgeraubten Personalausweise, Führerscheine etc., sowohl seiner Ehefrau als auch ihm gehörend, die Kosten des Auswechselns der Fahrzeugschlösser und der Haustürschlösser im Haus seiner Frau geltend. Insgesamt errechnet sich der Kläger einen Schaden von 90.721,86 DM, auf den er die Ersatzleistung seiner Reisegepäckversicherung in Höhe von 8.000,00 DM anrechnet.

Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldnerin mit der BMW AG an den Kläger DM 82.721,86 nebst 11 % Zinsen seit dem 20.08.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sie nicht Rechtsnachfolgerin der Autohaus ... geworden ist und daher nicht für deren Versäumnisse hafte. Eine eigene Verpflichtung zur Aufklärung des Klägers habe schon deswegen nicht bestanden, weil zwischen den Parteien kein Rechtsverhältnis bestanden habe, aufgrund dessen sie zur Aufklärung verpflichtet gewesen sein könnte.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 09.02.2001 als unbegründet abgewiesen. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der ersten Instanz und der Begründung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen. Zur Begründung seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 09.02.2001 abzuändern und die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der BMW AG München zu verurteilen, an den Kläger DM 82.721,86 nebst 11 % Zinsen seit dem 20.08.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie ihren erstinstanzlichen Vortrag und bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung von dem Senat darauf hingewiesen, dass seine Klage insoweit unschlüssig sei, als er Schadensersatz im eigenen Namen für Sachen verlange, die im Eigentum seiner Ehefrau standen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Ihm steht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu.

Da der Kläger in der Berufungsinstanz die Beklagte nur noch aus Eigenversäumnissen und nicht wegen der Versäumnisse des Autohauses ... in Anspruch nimmt, kann die Frage einer Rechtsnachfolge der Beklagten dahingestellt bleiben.

Die Klage ist nur wegen der 9.324,00 DM für den Verlust des Rucksacks des Klägers mit Inhalt, 5.000,00 DM Bargeld, 250,00 DM hälftige Kosten für die Ersatzbeschaffung der Personalausweise etc. und 644,96 DM für das Auswechseln der Fahrzeugschlösser schlüssig gewesen. Die restlichen Schäden betreffen nicht den Kläger sondern nur seine Ehefrau, der auch das Haus gehört, an dem die Schlösser ausgewechselt worden sind.

Auch ist fraglich, ob die vom Kläger behaupteten Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung zu Gunsten der nicht Vertragspartei der Wartungs- und Reparaturverträge gewordenen Ehefrau des Klägers wirken. Eine Schutzwirkung zugunsten Dritter kann nach Ansicht des Senats bei der Verletzung der hier behaupteten Aufklärungspflichten nicht angenommen werden.

Letztendlich kommt es darauf jedoch nicht an, weil auch dem Kläger nach Ansicht des Senats keine Ansprüche aus Vertragsbeziehungen gegenüber der Beklagten zustehen, daher auch die Ehefrau des Klägers keine Ansprüche haben kann.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger auf die Möglichkeit der Aktivierung der automatischen Zentralverriegelung hinzuweisen.

Dabei unterstellt der Senat zu Gunsten des Klägers die Richtigkeit seiner Behauptungen, dass bei seinem Fahrzeug von Anfang an die Aktivierung möglich war und die Beklagte von der BMW AG im Herbst 1998 angewiesen worden sei, die Eigentümer von Wagen seines Modells auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Selbst eine solche Anweisung seitens der BMW AG hätte keinen Anspruch des Klägers auf Aufklärung durch die Beklagte begründet. Die Beklagte hätte sich dann allenfalls der BMW AG gegenüber einer Vertragsverletzung schuldig gemacht, durch die die BMW AG berechtigt worden wäre, wegen möglicher Schadensersatzleistungen gegenüber dem Kläger bei der Beklagten Regress zu nehmen. Eine Drittwirkung der Anweisung in der Weise, dass die BMW AG dadurch dem Kläger eigene Ansprüche gegenüber der Beklagten entstehen lassen wollte, kann nicht angenommen werden.

Auch wenn der Einrichtung einer automatischen Zentralverriegelung zu einem gewissen Maße außer dem Komfort auch eine Sicherheitskomponente innewohnt, stellt dies gegenüber dem vorhandenen und bekannten Zustand des Fahrzeugs des Klägers mit der Möglichkeit, durch Betätigung einer Taste alle Türen zentral zu verriegeln, keine so wesentliche Sicherheitsverbesserung dar, dass darüber aufgeklärt hätte werden müssen. Dies gilt auch, wenn unterstellt wird, dass es zumindest im Herbst 1998 Stand der Technik war, dass in Fahrzeugen der Klasse des klägerischen Fahrzeugs eine automatische Zentralverriegelung eingebaut war. Durch die Möglichkeit, selbst durch einfaches Betätigen einer Taste die Verriegelung herzustellen, war dem berechtigten Sicherheitsanliegen der Autobesitzer genüge getan. Nach Ansicht des Senats stellt es keine wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit des Fahrzeugs dar, wenn die Zentralverriegelung nur durch Betätigung einer Taste und nicht automatisch nach Fahrtbeginn ausgelöst wird. Nur bei einem wesentlichen Sicherheitsmangel kann jedoch eine Aufklärungspflicht angenommen werden. Ansprüche gegen die Beklagte bestehen daher schon generell nicht.

Selbst wenn ein solcher Aufklärungsanspruch bestanden hätte, ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB), dass der Kläger von der Beklagten keinen Schadensersatz verlangen kann. Dem Kläger war bekannt, dass er hinter seiner Rückenlehne zwei Rucksäcke mit ca. 5.000,00 DM Bargeld, sämtlichen Papieren und Gebrauchsgegenständen im Wert von ca. 15.000,00 DM sowie Schmuck im Wert von über 64.000,00 DM verstaut hatte. Hinzu kam, dass von außen sichtbar die Rückbank des Fahrzeugs mit Gepäck bis zur Höhe der Rückenlehne aufgefüllt war. In einem solchen Fall ist es unverständlich und im gesteigerten Maße gegen die eigenen Interessen handelnd, wenn der Kläger, gleich in welchem Land er sich aufhält, die vorhandene Zentralverriegelung nicht manuell betätigt. Nach Ansicht des Senats wäre er sogar bei dieser Sachlage verpflichtet gewesen, die Sicherungsknöpfe einzeln zu betätigen, wenn es keine Zentralverriegelungsanlage gegeben hätte.

Dem Kläger ist es schon als Mitverschulden anzurechnen, dass er überhaupt solch hohe Werte im Innenraum des Fahrzeugs und nicht im gesondert zu verschließenden Gepäckraum untergebracht hat. Dies um so mehr, als durch die Anhäufung von Gepäckstücken auf der Rückbank des Fahrzeugs von außen für jedermann erkennbar war, dass sich im Fahrzeug eine erhebliche Menge von Gegenständen befand. Dass durch das Verstauen der beiden Rucksäcke in dem engen Zwischenraum zwischen Rücklehne der Vordersitze und Rückbank die Gefährdung nicht aufgehoben oder auch nur verringert worden ist, ebenso wenig wie durch die beiden über die Rucksäcken befindlichen Krücken des Klägers, hat der Verlauf des Überfalls bewiesen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Kläger in einem derart erheblichen Maße gegen die Verpflichtung zur Wahrnehmung seiner eigenen Interessen verstoßen hat, dass der allenfalls nur auf einem sehr geringen Verschulden beruhende Anspruch gegen die Beklagte, wenn er denn bestehen würde, völlig in den Hintergrund tritt. Bei der gebotenen Abwägung wäre nach Ansicht des Senats eine Schadensersatzpflicht der Beklagten auch bei Bejahen eines Anspruchs dem Grunde nach nicht mehr gegeben.

Da die Berufung des Klägers erfolglos ist, hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die weiteren Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 108, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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