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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 29.12.2005
Aktenzeichen: 9 U 51/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 633
Zu den Anforderungen an den Schallschutz bei einer komfortablen Eigentumswohnung und zum Stand der anerkannten Regeln der Technik im Schallschutz.
Oberlandesgericht Karlsruhe 9. Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 51/05

Verkündet am 29. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2005 unter Mitwirkung von

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 17.03.2005 wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass es statt "auch in Form des großen Schadensersatzes" in dem Urteil richtig heißt : "als großer Schadensersatz".

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Klägerin leistet vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Bauträgerfirma, wegen behaupteten mangelhaften Schallschutzes auf so genannten großen Schadensersatz mit Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung in Anspruch.

In dem notariellen Kaufvertrag vom 01.06.1999 verpflichtete sich die Beklagte, eine Penthousewohnung in der von ihr noch zu errichtenden Eigentumswohnanlage in F. nach den am 07.04.1999 baurechtlich genehmigten Plänen und nach der als Anlage beigefügten Baubeschreibung zum Kaufpreis von 877.400,- DM zu erstellen. Sie ist 110,67 qm groß.

Nach der Baubeschreibung waren die Wohnungstrennwände und Treppenhauswände aus Schallschutzziegeln und das Mauerwerk der Außenwände in Poroton oder gleichwertig auszuführen. Die Wände des Fahrstuhlschachtes waren schalltechnisch getrennt zum anschließenden Treppenhaus bzw. Wohnungsmauerwerk auszuführen, die Innentreppen gleichfalls schallentkoppelt. Die Rohrbefestigungen und - aufhängungen waren mit schalldämmenden Einlagen zu versehen, schließlich die Warm- und Kaltwasserleitungen unter anderem gegen Körperschallübertragung zu isolieren. Auf den Stahlbetongeschossdecken war schwimmender Estrich mit Wärme- und Trittschalldämmung vorgesehen. In dem zum Vertrieb verwendeten Prospekt mit der Bezeichnung "Naturpark V..........." wurde unter einigen Merkmalen für die Werthaltigkeit und Ausgewogenheit des Angebots auf hochwertige Bauqualität, "besonders schallisolierte Wohnungstrennwände", "Wohnungseingangstüren mit einem Höchstmaß an Schallschutz und Einbruchsicherung" hingewiesen. Als Auszug aus der Baubeschreibung wurde besonders auf "tragende Innenwände ebenfalls in Ziegelmauerwerk, Wohnungstrennwände aus Schallschutzziegeln 36 cm dick" sowie Stahl-Massivtreppen schallentkoppelt mit Marmor oder Granitbelag hingewiesen. Die Wohnungseingangstüren wurden mit 3-fach-Falz und Schallex, die Türelemente mit 3-fach Verriegelung hervorgehoben. Zuletzt heißt es: "Im Ergebnis: Raum, Ruhe, Luxus wo gibt es etwas besseres...?"

Nach Abnahme und Übergabe ist die Klägerin tags darauf am 27.02.2001 in die Wohnung eingezogen. Wegen der von ihr beanstandeten Geräuschbelästigungen nach Einzug weiterer Eigentümer betrieb die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren - Landgericht Freiburg 8 OH 15/01-, in dem ein Gutachten des Sachverständigen B. vom 27.12.2002 und ein Schallschutzgutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 28.06.2002 eingeholt wurde, das der Sachverständige Dr. Müller am 08.10.2002 und 25.04.2003 ergänzte.

Verhandlungen der Parteien über ihre Anwälte wegen möglicher Maßnahmen zur Verbesserung des Schallschutzes führten zu keiner Einigung. Mit Schreiben vom 30.07.2003 stellte sich die Beklagte in Bezug auf den Luftschall auf den Standpunkt, dass eine Verbesserung zwar zu erreichen sei, eine Verbesserung auf das Niveau der SSt II oder gar III aber zu bezweifeln sei. Sie sehe daher keine Möglichkeiten einer effektiven Nachbesserung. Für den Schutz vor Trittschall und gegenüber Geräuschen aus technischen Anlagen wurden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen.

Nachdem die Parteien im ersten Termin vor dem Landgericht am 26.01.2004 das Verfahren auf Vorschlag des Gerichts zum Ruhen gebracht hatten, verhandelten sie erneut ohne Erfolg über Nachbesserungsmöglichkeiten. Mit am 02.09.2004 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte die Klägerin das Verfahren fortzuführen. Mit Faxschreiben vom 07.09.2004 übersandte der Beklagtenvertreter dem Klägervertreter Verbesserungsvorschläge des Dipl.-Ing. H. vom 27.08.2004 mit einem Ablaufsplan für durchzuführende Arbeiten. Danach könnte durch Verkleidung von Innenwänden mit Vorsatzschalen (theoretisch) ein Schalldämmmaß von 57 dB nach SSt II in den vom Gutachter Dr. M. beanstandeten Räumen erreicht werden, im Kinderzimmer sogar 58 dB. Durch das raumseitige Verkleiden der Wände werde aber die wirksame Speichermasse der Wände drastisch verringert, was sich auf die sommerlichen Temperaturen in den Räumen auswirken werde. Dies habe für die Dachgeschosswohnung deshalb besondere Bedeutung, weil eine äußerst speicherfähige Betondecke ohnehin fehle. Ein Verkleiden der Außenwände sollte möglichst unterbleiben, da dadurch unter Umständen mehr Probleme geschaffen als beseitigt würden. Die Verkleidung/Dämmung müsse auch an den angrenzenden Wänden (ca. 0,5 m) angebracht werden, was zu dem so genannten Kanteneffekt führe.

Die Klägerin hat geltend gemacht, nach Lage, geschuldeter Ausstattung, Baubeschreibung, Quadratmeterpreis und Inhalt des Verkaufsprospektes sei hier vertraglich ein Schallschutz auf dem Niveau für Luxuswohnungen nach E-DIN 4109-10 Schallschutzstufe III (SSt III) geschuldet. Dieser Schallschutz sei, wie sich aus dem im Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachten Dr. Müller ergebe, nicht vorhanden, sei aber nach den sich aus den Vertragsgrundlagen ergebenden und somit hier geltenden anerkannten Regeln der Technik, geschuldet. Sie höre laute Geräusche der Bewohner der unteren Stockwerke und werde dadurch erheblich gestört, nachts zum Teil mehrmals unfreiwillig geweckt. Sie leide mittlerweile unter Schlafstörungen sowie Unruhe und Erschöpfungszuständen. Die Mängel seien durch Planungsfehler (Verwendung zu leichter Ziegel) und Ausführungsfehler verursacht. Fristsetzung und Ablehnungsandrohung seien entbehrlich, da die Beklagte mit Schreiben vom 30.07.2003 jegliche Nachbesserung zum Luftschallschutz endgültig abgelehnt habe und darüber hinaus Maßnahmen zum Erreichen des Schallschutzniveaus SSt III auch später nicht bereit gewesen sei, zu ergreifen. Als Schadensersatz könne sie neben dem Kaufpreis insgesamt den mit der Klage geltend gemachten Betrag beanspruchen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 598.035,98 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dieser Summe ab dem 03.09.2004 Zug um Zug gegen Rückübereignung, Auflassung und Übergabe des im Grundbuch ....... eingetragene Miteigentumsanteils der Klägerin an der Dachgeschosswohnung samt zugehörigem Tiefgaragenabstellplatz und maßangefertigter Einbaumöbel, in F.zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Berechtigung der Klägerin zur Geltendmachung von großem Schadensersatz ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer bestritten. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung sei erforderlich, jedoch nicht erfolgt. Durch in der darunter liegenden Wohnung Flach ausgeführte Maßnahmen habe sich die Schallschutzproblematik so relativiert, dass es sich nur noch um geringfügige Mängel handele. Das Verlangen der Klägerin sei daher rechtsmissbräuchlich. Auch sei lediglich der erhöhte Schallschutz nach DIN 4109 schuldet. Die erst im Juni 2000 unter der Bezeichnung E-DIN 4109-10 veröffentlichten Normen könnten hier nicht herangezogen werden. Geschuldete allgemein anerkannte Regeln der Technik seien hier die zum Zeitpunkt der Bauleistung geltenden. Im übrigen seien die Werte des erhöhten Schallschutzes nach DIN 4109, entsprechend SSt II, weitgehend eingehalten. Der Klägerin sei keine "Luxusimmobilie" verkauft worden, so dass ein solcher Maßstab nicht angelegt werden könne. Obwohl die Parteien im Verhandlungstermin vom 26.01.2004 und anschließend mit der Verständigung auf die Einschaltung des Sachverständigen H. eine Erfüllungsvereinbarung geschlossen hätten, habe die Klägerin die Realisierung dessen Vorschläge abgelehnt. Sie handle deshalb treuwidrig.

Das Landgericht hat die Akten des selbstständigen Beweisverfahrens 8 OH 15/01 beigezogen und durch Grundurteil den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen Mangelhaftigkeit der nach dem Vertrag vom 01.06. 1999 geschuldeten Eigentumswohnung dem Grunde nach als großen Schadensersatz für gerechtfertigt erklärt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Sie macht erneut geltend, zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung der Klägerin habe der Verkaufsprospekt noch nicht vorgelegen, so dass damit die Wohnung der Klägerin nicht habe angepriesen werden können. Diesbezügliches Vorbringen sei von dem Landgericht zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden. Sie wiederholt ihr Vorbringen zur bestrittenen Aktivlegitimation der Klägerin sowie ihr Vorbringen, die Wohnung der Klägerin sei nicht der gehobenen Komfortklasse zuzuordnen. Somit richte sich das Bausoll des Schallschutzes nicht nach SSt III. Es könne höchstens die Stufe SSt II wenn nicht gar nur der erhöhte Schallschutz nach DIN 4109 Anwendung finden. An den Kaufpreis könne nicht angeknüpft werden, da dieser von hohen Grundstückskosten, besonderen Erschließungskosten und teuren Sonderwünschen der Klägerin beeinflusst sei. Die Wohnung der Klägerin müsse daher nicht "gehobenen Komfort - und Luxusansprüchen" genügen, für die die höchste Stufe SSt. III gelte. Bis auf den Luftschallschutz seien alle übrigen Maßnahmen durchgeführt. Wäre die Vorsatzschale eingebaut worden, wäre insgesamt nahezu den Anforderungen der SSt III genüge getan, da eine Verbesserung um mindestens 3 dB eingetreten wäre. Erst eine Unterschreitung des Schallschutzes um 3 dB sei ein Mangel. Da die Klägerin während des Ruhens des Verfahrens sich auf eine Lösung durch Nachbesserung eingelassen habe, sei die Nichtannahme der vorgeschlagenen Nachbesserung ein widersprüchliches Verhalten, das die Beklagte dem Schadensersatzverlangen entgegenhalten könne. Durch die Weiterbenutzung der Wohnung habe die Klägerin im übrigen ihre Ansprüche verwirkt.

Die Beklagte beantragt,

auf ihre Berufung das Urteil des Landgerichts F. vom 17.03.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen, fürsorglich den Rechtstreit an das Landgericht Freiburg zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie ergänzt ihr Vorbringen erster Instanz und nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das sie für zutreffend hält.

Die Akten des selbstständigen Beweisverfahrens des Landgerichts F. - 8 OH 15/01 - waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Lediglich zur Klarstellung ist der Wortlaut des Tenors zu korrigieren.

Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin auf großen Schadensersatz wegen Schallmängeln der von ihr erworbenen Eigentumswohnung dem Grunde nach bejaht. Die Angriffe der Berufung hiergegen sind nicht begründet.

Obwohl die von der Klägerin geltend gemachten Mängel zumindest überwiegend das Gemeinschaftseigentum betreffen, ist die Klägerin berechtigt, ohne Mitwirkung der übrigen Miteigentümer großen Schadensersatz mit Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend zu machen. Zwar kann bei Mängeln des Gemeinschaftseigentums der einzelne Wohnungseigentümer keinen Einfluss auf die Rechte der anderen Wohnungseigentümer nehmen und deshalb, wenn Minderung oder kleiner Schadensersatz geltend gemacht werden sollen, keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zu deren Durchsetzung vornehmen (BGH NJW 1998, 2997; NJW 1974, 2207 jeweils m. w. N.). Etwas anderes gilt jedoch, wenn, wie hier von der Klägerin, großer Schadensersatz mit Rückabwicklung des Kaufvertrages beansprucht wird.

Diese Forderung der Klägerin findet ihre rechtliche Grundlage in § 635 BGB a. F., da auf das Rechtsverhältnis der Parteien das am 31.12.2001 geltende Recht Anwendung findet (Art. 229 § 5 EGBGB). Danach kann der Besteller Schadensersatz - auch in der Form des so genannten großen Schadensersatzes - beanspruchen, wenn das hergestellte Werk mit Mängeln behaftet ist, die trotz Nachbesserungsaufforderung mit Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung (§ 634 BGB a. F.) nicht beseitigt sind oder wenn, wie hier, eine besondere Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung deshalb entbehrlich ist, weil zum einen die Beklagte eine Nachbesserung abgelehnt hat, zum anderen später nur zu einer eingeschränkten und nicht ausreichenden Nachbesserung bereit war und im übrigen keine zumutbare Nachbesserung möglich ist, die zu einer Mangelfreiheit in dem Sinne führt, dass nach Durchführung der Arbeiten die Eigentumswohnung den vertraglich geschuldeten Schallschutz aufweist.

Nur der Anspruch auf Minderung oder der Schadensersatzanspruch in Form der Erstattung der Mängelbeseitigungskosten ( zu diesen vergl. BGH MDR 2005,1343) ist gemeinschaftsbezogen und deshalb nur von der Eigentümergemeinschaft geltend zu machen (BGH NJW 1979, 2207). Dies hat seinen Grund darin, dass der Veräußerer nicht dem einen Wohnungseigentümer auf Minderung und dem anderen auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten verpflichtet sein kann. Hier macht die Klägerin jedoch großen Schadensersatz geltend. Dieser Anspruch steht nur dem einzelnen Wohnungseigentümer zu, da von der Ausübung dieses Rechts das gemeinschaftliche Eigentum deshalb nicht betroffen ist, weil an die Stelle des Wohnungseigentümers, der aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausscheidet, dann wieder der Veräußerer tritt. Der Veräußerer ist daher nicht der Gefahr ausgesetzt, zweimal unterschiedlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (OLG Brandenburg, BauR 2005, 561; Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH durch Beschluss vom 30.09.2004 - VII ZR 347/03 - zurückgewiesen.)

Auch der Senat bejaht wegen der Nichteinhaltung des vertraglich geschuldeten Luftschallschutzes einen zum großen Schadensersatz gemäß §§ 633, 634, 635 BGB a. F. berechtigenden Mangel der Eigentumswohnung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1998, 2814 m. w. N.) kann der Besteller redlicherweise erwarten, dass das Werk zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zeitgleich fertig gestellte und abgenommene Bauwerke erfüllen. Der Unternehmer sichert üblicherweise stillschweigend bei Vertragsschluss die Einhaltung dieses Standards zu. Es kommt deshalb im allgemeinen auf den Stand der anerkannten Regel der Technik zur Zeit der Abnahme an. Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Maßgebend ist nicht, welche DIN-Norm gilt, sondern, ob die Bauausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. Insoweit hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf veröffentlichtes Schrifttum entschieden, dass die Werte des Entwurfs 1984, der den Werten der DIN 4109 Ausgabe 1962 entsprach, nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik genügten. Deshalb wurde 1995 begonnen, ein Harmonisierungsdokument zu erarbeiten. Das Ergebnis liegt nun in Form des Entwurfs der DIN 4109-10 (Juni 2000) - Schallschutz im Hochbau, Vorschläge für einen erhöhten Schallschutz von Wohnungen - vor (vgl. Locher BauR 2005, 17). Da diese Normen aufgrund der fortgeschrittenen Entwicklung erarbeitet wurden und auf Arbeiten um den Zeitraum der Erstellung dieses Bauwerks, jedenfalls vor dessen Abnahme, beruhen, sind sie als allgemeine Regeln der Technik der Wertung dieses Bauvorhabens zugrunde zu legen.

Die frühere DIN 4109 forderte für den Luftschallschutz nur 54 dB. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Müller in seinem Gutachten vom 28.06.2002 auf Seite 13 markierten diese Anforderungen die Grenze zum Gesundheitsschädlichen bzw. Unzumutbaren. Demgegenüber unterscheiden VDI 4100/10 und der Normentwurf DIN 4109-10 drei Schallschutzstufen (SSt). Danach erfordert SSt I 54 dB, SSt II 57 dB und SSt III 60 dB. Bei SSt I werden, so der Sachverständige Dr. M, bei rücksichtsvoller Verhaltensweise der Nutzer unzumutbare Belästigungen vermieden. Bei SSt II werden die Bewohner - übliche Wohngegebenheiten vorausgesetzt - i. A. Ruhe finden und ihre Verhaltensweisen nicht einschränken müssen, um Vertraulichkeit zu wahren. Angehobene Sprache ist in der Nachbarwohnung im allgemeinen nicht zu verstehen. Diese Klasse würde man bei einer Wohnung erwarten, die auch in ihrer sonstigen Ausstattung Komfortansprüchen genügt. Bei SSt III können die Bewohner ein hohes Maß an Ruhe finden. Der Schutz der Privatsphäre ist in der Regel auch bei lauter Sprache gegeben. Diese Klasse würde man nach Auffassung des Sachverständigen bei einer Wohnung erwarten, die auch in ihrer sonstigen Ausstattung gehobenen Komfort - und Luxusansprüchen genügt. In der Wohnung der Klägerin hat der Sachverständige Dr. Müller (Gutachten Seite 18/19) in vier Bereichen 54, 55, 56 bzw. 56 dB und im übrigen Werte zwischen 57 und 59 dB festgestellt.

Ausgehend von der Rechtsprechung des BGH und der Entwicklung der DIN-Normen kann der Wert der DIN 4109 der Ausgabe 1962 von 54 dB, der auf dem Entwurf von 1984 beruhte, selbst für eine einfache Wohnung nicht als den anerkannten Regeln der Technik entsprechend gewertet werden. Dieser Wert genügte bereits 1962 nicht mehr diesen Anforderungen (BGH aaO.; ebenso Locher aaO.). Dies, das Fortschreiten der Technik in Bezug auf den Schallschutz, und die seit 1962 deutlich gestiegene Ansprüche der Nutzer führen nach Auffassung des Senats dazu, dass jedenfalls bei Erstellung des Bauwerks im Jahre 2000 der Schallschutz der SSt II mit 57 dB für den Luftschallschutz als Ausgangspunkt für die anerkannte Regel der Technik anzusehen ist. Diese Auslegung, dass die Schallschutzstufe II anerkannte Regel der Technik ist, legen auch Formulierungen des Normentwurfs nahe, wenn diese Aussage von den Entwurfsverfassern auch nicht beabsichtigt sein sollte (Locher aaO. S. 23). Auf der Grundlage dieser Feststellungen bedarf es keiner Vergleichserhebung darüber, ob zur Zeit der Erstellung des Bauwerks ein solcher Schallschutzstandard allgemein üblich war. Bereits im Jahre 1999/2000 konnte ein Bewohner, übliche Wohngegebenheiten vorausgesetzt, im allgemeinen erwarten, dass er in seiner Wohnung Ruhe findet und sein Verhalten nicht einschränken muss, um Vertraulichkeit zu wahren und dass angehobene Sprache in der Nachbarwohnung im allgemeinen nicht zu verstehen ist. Dies soll SSt II gewährleisten.

Ist aber Schallschutzstufe II als anerkannte Regel der Technik anzusehen, so hat dies zur Folge, dass die Vereinbarung eines erhöhten Schallschutzes höhere Werte voraussetzt und die Einhaltung der Werte nach SSt III mit 60 dB für den Schallschutz erforderlich machen kann.

Auch der Senat bejaht hier die Vereinbarung eines erhöhten Schallschutzes. Hierbei kann dahinstehen, ob bereits der volle Schallschutz von SSt III mit 60 dB vertraglich geschuldet ist, jedenfalls aber ein Wert zwischen diesen beiden Schallschutzstufen somit zwischen 57 und 60 dB. Durch die verschiedenen Zusicherungen in der Baubeschreibung hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sie nicht nur die allgemein anerkannten Regeln der Technik gewährleisten will, wozu sie ohnehin verpflichtet ist, sondern darüber hinaus ein besonderer Schallschutz gewährleistet werden soll. Andernfalls machen die entsprechenden besonderen Hervorhebungen der Schallschutzmaßnahmen in der Baubeschreibung keinen Sinn. Hinzu kommt der Inhalt des Verkaufsprospektes, der die Verkäufer von der besonderen Qualität des Verkaufsobjektes auch in Bezug auf den Schallschutz überzeugen sollte. Das Vorbringen der Beklagten, dieser Verkaufsprospekt sei der Klägerin vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages nicht zu Verfügung gestellt worden, ist vom Landgericht zurecht gemäß § 296 Abs. 1 und 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen worden und deshalb gemäß § 531 Abs. 1 ZPO im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Das Vorbringen der Berufung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Bei Berücksichtigung des Vortrages hätte das Landgericht, da es diesen Punkt für erheblich hielt, diesen weiter aufklären müssen, was zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt hätte. Im übrigen kommt es aber auch nicht entscheidend darauf an, ob auch die Klägerin als einzelne Käuferin diesen Prospekt erhielt. Entscheidend ist, dass die Beklagte ihr Verkaufsobjekt mit diesem Prospekt beworben hat und damit potentiellen Bewerbern gegenüber eine Leistungsbeschreibung dahin abgeben hat, dass sie ein Objekt mit besonderen Anforderungen an den Schallschutz anbietet. Dieser Anpreisung korreliert der Kaufpreis. Für den berechtigten Erwartungshorizont des Erwerbers kommt es nicht darauf an, wie die Beklagte diesen Kaufpreis im Einzelnen kalkuliert hat und aus welchen Einzelpositionen er sich zusammensetzt. Den Inhalt dieses Verkaufsprospekts muss sie sich von allen Erwerbern entgegenhalten lassen, unabhängig davon, ob er dem einzelnen Erwerber bekannt war oder nicht. Andernfalls setzte sich die Beklagte dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aus.

Der Luftschallschutz der von der Klägerin erworbenen Wohnung ist zumindest in wesentlichen Teilbereichen nach wie vor mangelhaft. Inwieweit der Schallschutz im übrigen behoben ist, wofür manches spricht, kann dahinstehen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Müller in seinem Gutachten vom 28.06.2002 (Seite 18) erreicht die Luftschalldämmung zwischen Schlafen Wohnung 2. OG und Flur Wohnung DG 54 dB, zwischen Schlafen Wohnung 2. OG und Kind 1 Wohnung DG 55 dB, zwischen Wohnen Wohnung DG und Hauswirtschaft Wohnung 2. OG 56 dB und zwischen Arbeit Wohnung 2. OG und Schlafen Wohnung DG 56 dB. Damit sind nicht einmal die Werte der SSt II mit 57 dB erreicht. Damit ist der, wie erörtert, vertraglich zumindest geschuldete Wert zwischen SSt II und SSt III bei weitem nicht erreicht.

Dies ist ein wesentlicher Mangel, der auch nicht behoben ist. Die von der Beklagten dargestellten Maßnahmen der Mängelbeseitigung betreffen nicht die Luftschalldämmung und können daher auf diese keinen Einfluss gehabt haben. Hinzu kommt als Mangel, dass auch im übrigen (vgl. Seite 19 Zeilen 5, 6, 7 und 9 des Gutachten Dr. Müller vom 28.06.2002) die geschuldeten Werte nicht voll erreicht sind. Es kann keine Rede davon sein, dass diese Abweichungen minimal und für das menschliche Ohr nicht merkbar sind. Auch wenn der Sachverständige Dr. Müller dies nicht ausdrücklich angesprochen hat, widerspricht dies dem Ergebnis des Gutachtens. Wenn die Abweichungen nicht hörbar wären, hätte der Sachverständige keinen Anlass gehabt, den Schallschutz zu beanstanden. Nach der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (BauR 2004,1668) ist eine Unterschreitung von 3 dB ein Mangel, daraus folgt aber keineswegs, dass erst dann ein Mangel zu bejahen ist. Für den Mangel und dessen Erheblichkeit ist es unerheblich, dass die Beklagte den Mangel auf das verwendete Poroton als Mauerwerk zurückführt, auf das in der Baubeschreibung hingewiesen wird. Es ist Sache der Beklagten, wie sie die Einhaltung des Schallschutzes gewährleistet. Wenn Poroton als Mauerwerk hierzu nicht ausreicht, hätte sie ein anderes Mauerwerk verwenden müssen.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Geltendmachung des großen Schadensersatzes stehe entgegen, dass ihr keine Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gegeben worden und keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§ 634 Abs. 1 BGB a. F. ) erfolgt sei. Das Landgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit dem Anwaltschreiben vom 30.07.2003 in Kenntnis des Sachverständigengutachtens Dr. Müller deutlich zu erkennen gegeben hat, dass sie hinsichtlich des Luftschalls "keine Möglichkeiten einer effektiven Nachbesserung sehe". Hierin ist eine Ablehnung von Nachbesserung zu sehen, die eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung entbehrlich machte (§ 634 Abs. 2 BGB a. F.). Im übrigen ist aufgrund des Sanierungskonzepts des von der Beklagten eingeschalteten Sachverständigen Heizmann vom 27.8.2004 davon auszugehen, dass eine befriedigende Beseitigung des Schallschutzmangels mit der Klägerin zumutbaren Maßnahmen nicht möglich ist.

Die Klägerin hat sich auch nicht dadurch widersprüchlich verhalten, dass sie sich auf Vorschlag des Landgerichts auf den Versuch einer gütlichen Beilegung eingelassen, die Beklagte nicht erneut zur Nachbesserung aufgefordert und eine von dieser vorgeschlagene Nachbesserung nicht angenommen hat (vgl. BGH NJW-RR 2004, 303). Diese Bemühungen der Parteien endeten , als nach dem Sanierungsvorschlag des von der Beklagten eingeschalteten Fachmannes Heizmann vom 27.08.2004 der Schallschutz nur (theoretisch) auf 57 dB entsprechend SSt II verbessert werden sollte. Damit wäre aber nach dieser Aussage der geschuldete Schallschutz zum einen nicht sicher erreicht worden. Zum anderen hätte die Klägerin hinnehmen müssen, dass durch die Vorsatzschalen nicht nur an den Wänden Kanten entstehen, sich die Wohnfläche wegen der Stärke der Vorsatzschalen mit einer Stärke von 0,07 cm verringert und die Anschlüsse an Fenstern und Türen verändern sondern dadurch auch das Raumklima verschlechtert wird. Unter diesen Umständen ist das Verhalten der Klägerin im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als widersprüchlich zu werten.

Der Anspruch auf Geltendmachung des großen Schadensersatzes ist auch nicht verwirkt. Die Klägerin, die von Anfang an den Mangel geltend gemacht und sich um eine Klärung bemüht hat, hat keinen Vertrauenstatbestand (§ 242 BGB) dahin geschaffen, dass die Beklagte davon ausgehen konnte, sie werde den Mangel hinnehmen und die Wohnung in dem mangelbehafteten Zustand behalten.

Da die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil keinen Erfolg hat, hat sie gemäß § 97 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (BGH NJW 1956,1235 ; Zöller/ Herget ZPO 25. Aufl. § 97 Rdnr. 2 und Zöller/Vollkommer § 304 Rdnr. 26). Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 508 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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