Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 20.12.1999
Aktenzeichen: 9 W 82/99
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 305 Abs. 1
InsO § 305 Abs. 3 Satz 2
InsO § 305 Abs. 1 Nr. 4
InsO § 305 Abs. 3
InsO § 4
InsO § 1
InsO § 289 Abs. 3 Satz 1
InsO § 207 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Geschäftsnummer 9 W 82/99 2 T 22/99 3 IK 5/99

Beschluss vom 20. Dezember 1999

Insolvenzverfahren über das Vermögen von

- Schuldner Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners werden die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 30.07.1999 und der Beschluß des Amtsgerichts vom 28.06.1999 aufgehoben.

Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

Der Schuldner beantragte mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 28.04.1999 die Eröffnung des Verbraucher-Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Mit Verfügung vom 29.04.1999 wies das Amtsgericht auf die Unvollständigkeit der gemäß § 305 Abs. 1 InsO einzureichenden Unterlagen hin; u.a. wurde das Fehlen eines Schuldenbereinigungsplans moniert. Innerhalb der Frist des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO reichte der Schuldner mit Anwaltsschriftsatz vom 02.06.1999 weitere Unterlagen nach; in dem nunmehr vorgelegten Schuldenbereinigungsplan bot er seinen Gläubigern auf die Gesamtforderungen in Höhe von ca. 2 Millionen DM eine Gesamtzahlung in Höhe von 24.000,00 DM, mithin eine Quote von 1,15 %, für den Fall der Annahme des Plans an.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 28.06.1999 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 28.04.1999 als unzulässig verworfen, da der vorgelegte "Null-Plan" bzw. "Fast-Null-Plan" mangels Angemessenheit kein zulässiger Schuldenbereinigungsplan i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO sei. Die gegen diesen Beschluß mit Schriftsatz vom 02.07.1999 eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht mit Beschluß vom 30.07.1999 unter Bezugnahme auf die Gründe des amtsgerichtlichen Beschlusses als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen die seinem Bevollmächtigten formlos übermittelte Beschwerdeentscheidung hat der Schuldner mit am 31.08.1999 beim Oberlandesgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz "Beschwerde" eingelegt, die er innerhalb der ihm gewährten Fristverlängerung mit Anwaltsschriftsatz vom 28.10.1999, auf dessen Inhalt verwiesen wird, begründet hat.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und - mangels Zustellung - fristgerecht eingelegt.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zuzulassen.

Zwar hat der Schuldner keinen förmlichen Zulassungsantrag gestellt. Dem an das Oberlandesgericht gerichteten Beschwerdeschriftsatz kann jedoch durch Auslegung entnommen werden, daß die Zulassung der Beschwerde beantragt wird, da eine Nachprüfung durch das Oberlandesgericht nur über einen Zulassungsantrag möglich ist.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde liegen vor: Der Schuldner macht eine Gesetzesverletzung geltend; die Nachprüfung der Entscheidung erscheint auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da die Frage, ob auch ein Null-Plan oder Fast-Null-Plan ein zulässiger Schuldenbereinigungsplan i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO anzusehen ist, in Rechtsprechung und Literatur derzeit noch umstritten ist.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, durch die der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig verworfen wurde, zu Unrecht zurückgewiesen.

Der amtsgerichtliche Beschluß war schon deshalb fehlerhaft, weil das Amtsgericht mit der Verwerfung des Eröffnungsantrags gegen § 305 Abs. 3 InsO verstoßen hat. Nach dieser Vorschrift hat das Amtsgericht bei Fehlen oder inhaltlicher Unzulänglichkeit einer der gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 - 4 InsO vorzulegenden Unterlagen den Schuldner zur Ergänzung aufzufordern. Dies ist mit Verfügung vom 29.04.1999 erfolgt, in der das Amtsgericht u.a. auch darauf hingewiesen hat, daß es einen Null-Plan nicht für zulässig erachtet. Nachdem der Schuldner dennoch einen nach Auffassung des Amtsgerichts nicht zulässigen Schuldenbereinigungsplan vorlegte, hätte das Amtsgericht aus seiner Sicht den Eröffnungsantrag nicht verwerfen dürfen sondern gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen betrachten müssen. Die Fiktion der Rücknahme des Antrags tritt selbst dann ein, wenn dem Vorbringen des Schuldners ausdrücklich oder schlüssig zu entnehmen ist, daß er an seinem Eröffnungsantrag festhalten will. Der Schuldner kann jedoch in diesem Fall, wenn er die Rechtsfolge der Antragsrücknahme für ungerechtfertigt hält, entsprechend §§ 4 InsO, 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO verlangen, daß das Gericht die Wirkung der Antragsrücknahme durch Beschluß ausspricht; dieser Beschluß unterliegt dann nach § 269 Abs. 3 Satz 5 ZPO der sofortigen Beschwerde (vgl. Grothe in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., Rdn. 50 zu § 305 InsO).

Das Amtsgericht ist ferner rechtsfehlerhaft, unter Verkennung des Umfangs seiner Prüfungskompetenz im Rahmen des § 305 InsO, von der Unzulässigkeit des vorgelegten Schuldenbereinigungsplans ausgegangen.

Der Senat schließt sich dabei der zwar bestrittenen, inzwischen jedoch wohl herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung an, daß aus § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO kein Prüfungsrecht des Insolvenzgerichts in Bezug auf die Angemessenheit des vorgelegten Schuldenbereinigungsplans folgt und daß deshalb ein Null-Plan oder Fast-Null-Plan als Schuldenbereinigungsplan i. S. dieser Bestimmung zuzulassen ist (vgl. Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung, Rdn. 60; Grothe in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., Rdn. 29; Krug/Haarmeyer in Smid, Insolvenzordnung, Rdn. 22, 23, Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, Rdn. 44, jeweils zu § 305 InsO; Wittig, WM 1998, 157, 164 sowie Bay. ObLG, Beschluß vom 30.09.1999, ZInsO-Rechtsprechungsreport 11/99 Seite 645, 647 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Der Gesetzgeber hat die Vorschrift in Bezug auf den möglichen Inhalt des vorzulegenden Schuldenbereinigungsplans lediglich als Kann-Vorschrift ausgestaltet. Zugleich hat er auf die Einführung einer gesetzlichen Mindestquote verzichtet. Damit sprechen schon Wortlaut und Inhalt der Bestimmung gegen ein materielles Prüfungsrecht des Insolvenzgerichts in Bezug auf den Planinhalt.

Auch im übrigen läßt sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung nicht ableiten, daß ein im Rahmen des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens vorgelegter Null-Plan oder Fast-Null-Plan zurückzuweisen ist. Soweit das Amtsgericht auf § 1 InsO verweist, enthält diese Bestimmung neben dem Ziel der Gläubigerbefriedigung auch das der Befreiung des Schuldners von seinen restlichen Verbindlichkeiten. Im übrigen widerspräche die Forderung einer Mindestquote dem Ziel des Schuldenbereinigungsverfahrens, in dem eine gütliche Einigung, die durchaus auch einen vollständigen Forderungsverzicht beinhalten kann, im Rahmen der Privatautonomie erzielt werden soll. Schließlich würde die Festlegung einer Mindestquote gerade den armen Schuldner von der Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ausschließen.

Auch der Hinweis des Amtsgerichts auf Artikel 14 GG zwingt nicht zu der Auslegung, der Schuldner müsse im gerichtlichen Schuldbereinigungsverfahren eine irgendwie geartete Mindestbefriedigung der Gläubiger anbieten, um über das Insolvenzverfahren zur Restschuldbefreiung zu gelangen, denn es entspricht der gesetzgeberischen Intention, auch dem mittellosen Schuldner die Möglichkeit der Restschuldbefreiung zu eröffnen. Für den Fall der Regelinsolvenz ergibt sich das aus der Regelung des § 289 Abs. 3 Satz 1 InsO, sofern nur der Schuldner durch Zahlung eines die Verfahrenskosten deckenden Vorschusses die Einstellung nach § 207 Abs. 1 Satz 2 InsO abgewendet hat. Für eine unterschiedliche Behandlung von Regelinsolvenz und Verbraucherinsolvenz bezüglich der Möglichkeit der Restschuldbefreiung besteht jedoch kein Anlaß (vgl. Bay. ObLG. a.a.O., S. 647).

Danach war die Sache unter Aufhebung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung und der erstinstanzlichen Entscheidung an das Amtsgericht zur weiteren Behandlung zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

Zurück