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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 24.10.2001
Aktenzeichen: 9 W 91/01
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG, TVG


Vorschriften:

GVG § 13
ArbGG § 5 Abs. 1 Nr. 2
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 c
TVG § 12 Abs. 1
Zur arbeitnehmerähnlichen Stellung eines EDV-Fachmannes, der sich für Projektverträge seines Auftragsgebers mit Dritten über EDV-Leistungen für diese an den Auftraggeber für längere Zeit bindet.
9 W 91/01

Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Beschluss vom 24. Oktober 2001

Rechtsstreit

wegen Forderung

hier: sofortige Beschwerde

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts K. vom 28.08.2001 abgeändert:

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Arbeitsgericht Lörrach verwiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde werden der Klägerin auferlegt.

3. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde wird auf 4.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin, ein Unternehmen, das Beratungs- und Unterstützungsleistungen in EDV- Angelegenheiten für Auftraggeber erbringt, und der Beklagte, der solche Leistungen selbst erbringt, haben zur Regelung der Bedingungen ihrer Zusammenarbeit am 23.03.2001 einen "Rahmenvertrag" geschlossen. Dieser sieht den Abschluss von Projektverträgen der Parteien für Projekte vor, die die Klägerin für einen Hauptauftraggeber durchführen und dem Beklagten zur Erledigung übertragen will. Die Vergütung des Beklagten dafür ist im jeweiligen Projektvertrag zu vereinbaren. Der Beklagte darf nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung, die nach billigem Ermessen zu erteilen ist, von ihm aufgrund eines Projektvertrages zu erbringende Leistungen Mitarbeitern oder anderen Dritten zur Durchführung übertragen. Sofern es sich bei den aufgrund des jeweiligen Projektvertrages zu erbringenden Leistungen um ein Werk handelt, sieht der Vertrag eine Abnahme vor.

Mit Schreiben vom 23.03.2001, das der Beklagte gegengezeichnet hat, bot die Klägerin dem in K. wohnhaften Beklagten das Projekt "F." bei S. in B. an. Nach dem Inhalt dieses Schreibens versicherte der Beklagte durch seine Unterschrift, dass er für das Projekt zu einem Stundensatz von 115,00 DM (inklusive Spesen und Reisekosten zuzüglich Mehrwertsteuer) für den Zeitraum 26.03.2001 bis 31.05.2001 zur Verfügung stehe. Weiter heißt es in Bezug auf den Beklagten: "Verlängert sich das Projekt über diesen Zeitpunkt hinaus, so bieten sie uns bereits jetzt an, bis zum 31.03.2002 zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stehen." Die Klägerin leitete dem Beklagten einen "Projektvertrag" mit Datum 23.03.2001 zu. Mit Schreiben vom 26.03.2001 lehnte der Beklagte die Übernahme des Projektes ab, da er inzwischen bei einem seinen Interessensbereich besser treffenden langfristigeren und besser vergüteten Projekt überraschend doch noch zum Zuge gekommen sei.

In dem dem Beklagten von der Klägerin zugeleiteten Projektvertrag war eine Vergütung von 115,00 DM pro geleistete Arbeitsstunde zuzüglich Mehrwertsteuer, maximal aber eine Gesamtvergütung von 55.200,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vorgesehen. Als Beginn der vereinbarten Tätigkeit war der 27.03.2001 vorgesehen; sie sollte am 31.05.2001 enden. Falls das Projekt nicht zum 31.05.2001 beendet sein sollte, hatte der Beklagte nach diesem Vertrag der Klägerin seine Leistungen bereits mit Vertragsschluss zu den gleichen Bedingungen bis einschließlich 31.03.2002 angeboten. Für den Fall einer Beendigung des Projekts bis 31.05.2001 hatte der Beklagte darin der Klägerin weiter bereits mit Abschluss des Vertrages angeboten, bis einschließlich 31.03.2002 für die Klägerin zu den in diesem Vertrag geregelten Bedingungen tätig zu werden. Die Klägerin sollte berechtigt sein, diese bereits im Vertrag enthaltenen Angebote des Beklagten bis zu einer Woche vor Ablauf der Projektdauer bzw. bis zu einer Woche vor Ablauf eines aufgrund einer Teilverlängerung geltenden späteren Zeitpunktes anzunehmen.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 28.08.2001 den Rechtsweg zu den örtlichen Gerichten für zulässig erklärt. Die vom Beklagten gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind für diesen Rechtsstreit nicht gemäß § 13 GVG die ordentlichen Gerichte, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a oder c ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen zuständig, da eine Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt. Der Beklagte sollte nach den bereits geschlossenen Verträgen und dem ihm angebotenen Projektvertrag Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG werden. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer unter anderem auch sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Es bedarf keiner Entscheidung, ob bereits die Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten zu bejahen ist, da er jedenfalls als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen ist. Eine nähere Klärung ist für die Zuständigkeitsfrage wegen der insoweit zulässigen Wahlfeststellung nicht erforderlich (BGH NJW 1999, 219 m.w.N.).

Nach der an § 12 Abs. 1 TVG angelehnten ständigen Rechtsprechung des BAG (NJW 1977, 853) der sich der Bundesgerichtshof (BGH a.a.O.) angeschlossen hat, unterscheiden sich die arbeitnehmerähnlichen Personen von den Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, wobei vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Sie sind wegen ihrer fehlenden Eingliederungen in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht in gleichem Maß persönlich abhängig wie Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ferner muss der wirtschaftlich Abhängige auch seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (BGH a.a.O.).

Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Beklagten ergibt sich hier daraus, dass er nach Vorgabe der Klägerin für einzelne Projekte, die die Klägerin von eigenen Auftragnehmern übernehmen würde, an vorher nicht voraussehbaren wechselnden auswärtigen Einsatzorten tätig werden müsste. Durch diese Gestaltung wurde ihm trotz der Möglichkeit seine Arbeitszeit frei zu gestalten bei realistischer Betrachtung die Chance genommen, gleichzeitig für andere Auftraggeber in erheblichem Umfang tätig zu werden. Damit hatte er nicht die Möglichkeit, neben dem Verdienst aus der Tätigkeit für die Klägerin andere nennenswerte Einkünfte zu erzielen. Hinzu kommt hier im besonderen, dass der Beklagte sich mit Abschluss des vorgesehenen Projektvertrages in längerfristige Abhängigkeit zur Klägerin begeben sollte. Bereits mit Abschluss des Projektvertrages sollte er verpflichtet sein, der Klägerin, so sie es wünschte, seine Leistungen im vereinbarten Umfang bis 31.03.2002 zur Verfügung stellen. Damit hätte er sich in Bezug auf seine Arbeitsleistung für längere Zeit in eine besondere Abhängigkeit zur Klägerin begeben. Ohne die Sicherheit durch die Klägerin auch beschäftigt zu werden, wurde ihm die Möglichkeit genommen, sich vorausschauend in diesem Zeitraum andere Einkunftsmöglichkeiten zu sichern. Angesichts dieser besonderen Bindung an die Klägerin war der Beklagte nicht nur von der Klägerin abhängig sondern auch gleich einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig, somit eine arbeitnehmerähnliche Person.

Da die sofortige Beschwerde des Beklagten Erfolg hat, hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde zu tragen. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO.

Eine weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, da keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung entschieden wurde und die Entscheidung nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht( § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG).



Ende der Entscheidung

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