Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: U 2/00 BSch
Rechtsgebiete: BinSchStrO, BGB, ZPO, BSchG


Vorschriften:

BinSchStrO § 6.28 Nr. 2 Satz 1
BinSchStrO § 6.04
BinSchStrO § 6.07
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
ZPO § 128 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
BSchG § 102 Nr. 4
BSchG § 92
BSchG § 92c
BSchG § 92 f
§ 6.28 Nr. 2 Satz 1 BinSchStrO, wonach bei der Annährung an den Schleusenbereich (wozu auch der Schleusenvorhafen zählt) die Fahrzeuge ihre Fahrt verlangsamen müssen, ist "Schutzgesetz" im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Im Namen des Volkes Grund- u. Teilurteil

wegen Schadensersatzes

hat das Oberlandesgericht - Schifffahrtsobergericht - Karlsruhe im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO (Ende des Schriftsatzrechts: 22.12.2000) durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Kürschner als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Mainz vom 10. März 2000 - 76 C 7/99 BSch - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage ist dem Grunde nach zu drei Vierteln gerechtfertigt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Klagansprüche sowie über die Kosten des Berufungsverfahrens wird die Sache an das Amtsgericht - Schifffahrtsgericht - Mainz zurückverwiesen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Wert übersteigt für keine der Parteien 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Haftung für die Folgen einer Schiffskollision, die sich am 09.03.1999 auf dem Main bei Kilometer 4 im Oberwasser der Schleuse Kostheim zugetragen hat.

Die Klägerin ist Versicherer des MS "S", die Beklagte zu 1 ist Ausrüsterin von MS "R".

Am 09.03.1999 war MS "R" der Schubleichter (SL) "L" vorgekoppelt. MS "R" ist 105 m lang und 11,40 m breit, hat einen Tiefgang von 2,80 m und ist ausgerüstet mit zwei Motoren á 150 PS. SL "L" ist 76,50 m lang, 11,40 m breit und verfügt über ein Bugstrahlruder mit 300 PS. Beladen war der Koppelverband mit insgesamt 3832 to. Motorschiff und Schubleichter wiesen einen einheitlichen Tiefgang von 2,80 m auf.

MS "S" ist 85 m lang, 10,15 m breit und 1.541 to groß. Es weist einen maximalen Tiefgang von 2,82 m und einen Leertiefgang von gemittelt 0,77 m auf. Ausgerüstet ist das Schiff mit einem Motor mit 800 PS bei 375 Upm. Daneben hat das Schiff ein Bugstrahlruder mit 220 PS.

Am 09.03.1999 etwa gegen 04.20 Uhr befand sich der Schubverband (SV) bestehend aus MS "R" und SL "L" zu Berg fahrend im Oberwasser der Schleuse Kostheim. Zur gleichen Zeit fuhr MS "S", das von dem Schiffseigner S. geführt wurde, zu Tal auf die Schleuse Kostheim zu. Das Schiff fuhr leer ohne Ballast von Flörsheim in Richtung Rhein. Im obersten Teil des Oberwassers der Schleuse Kostheim kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem MS und dem SV. Dabei erlitt der Schubverband keine Schäden; Gegenstand der Klage sind die an MS "S" entstandenen Schäden.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen:

Schiffsführer S habe MS "S" mit einer Umdrehungszahl von ca. 320 Upm - was einer normalen Geschwindigkeit entspreche - zu Tal gefahren. Er habe sich zuerst bei Mainkilometer 7,0 und dann bei Mainkilometer 5,0 bei der Schleuse Kostheim über Funk gemeldet und erfahren, dass zwei Bergfahrer hochschleusten und die Schleuse dann MS "S" klar sei. Als MS "S" gegen 04.20 Uhr sich in Höhe von Mainkilometer 4,2 befunden habe, habe Schiffsführer S unterhalb der Autobahnbrücke im Vorkanal der Schleuse einen beladenen Koppelverband gesehen. Dieser Verband sei korrekt ohne Blinklicht fahrend zu Berg gekommen, so dass eine problemlose backbord-backbord-Begegnung mit MS "S" zu erwarten gewesen sei. Erst als sich die begegnenden Schiffe nur noch in einem Kopf-auf-Kopf-Abstand von ca. 300 m befunden hätten, sei der Kopf des Koppelverbandes plötzlich nach backbord verfallen, was Schiffsführer S veranlasst habe, sich sofort über Kanal 10 mit den Worten zu melden: "Der Koppelverband im Oberwasser der Schleuse Kostheim: backbord-backbord, macht bitte etwas mehr Platz". Von Seiten des Koppelverbandes sei jedoch keine Reaktion erfolgt. Der Koppelverband sei weiterhin nach Backbord verfallen, so dass der Schiffsführer S seine Maschine auf Stopp gestellt habe und mit dem Bugstrahlrunder volle Kraft zurück. Eine Havarie sei aber infolge des kurzen Abstands nicht mehr vermeidbar gewesen. Die Schiffe seien dann in der Weise kollidiert, dass das Backbordvorschiff von MS "S" mit dem Backbordvorschiff des vorgekoppelten Schubleichters, beide etwa in Höhe der Pollerbank, zusammengestoßen seien. Infolge dieses Anstoßes sei das Steuerbordvorschiff von MS "S" ebenfalls in Höhe der Pollerbank mit dem unmittelbar oberhalb der Autobahnbrücke Hochheim in Verlängerung der Trenndammlinie liegenden Dalben kollidiert.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 51.914,20 DM nebst 4 % Zinsen p. a. hieraus seit 21.08.1999 zu bezahlen, wobei die Beklagte Ziff. 1 mit MS "R" gemäß § 102 Nr. 4 BSchG dinglich haftet.

Die Beklagten haben beantragt:

Die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Sie haben im ersten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen:

Im Oberwasser der Schleuse Kostheim hätten auf der linksmainischen Uferseite drei Schiffe hintereinander gelegen, die dort Nachtruhe gehalten hätten. Entsprechend der durch diese Stilllieger eingeschränkten Breite des Oberwassers sei der Koppelverband in der Mitte der verbleibenden Wasserfläche gefahren. Angesichts dieser räumlich beengten Verhältnisse sei es klar gewesen, dass der Talfahrer, der den Schleusenbereich habe gut einsehen können, nicht innerhalb des Oberwassers mit dem Koppelverband habe begegnen können. Der Beklagte zu 2 habe deshalb davon ausgehen können, dass MS "S" seine Fahrweise und Geschwindigkeit entsprechend einrichten und die Begegnung mit dem Koppelverband erst vornehmen würde, wenn dieser den engen Vorhafen verlassen haben würde. Der Koppelverband habe die oberhalb des Vorkanals gelegene Brücke in dem üblichen Kurs der Bergfahrt bereits auf einer Länge von ca. 150 m unterfahren, als der Beklagte zu 2 erkannt habe, dass MS "S" seine Geschwindigkeit unverändert beibehalte und sich damit dem Koppelverband nähere. Außerdem habe MS "S" nun seinen Kurs auf den Kopf des Koppelverbandes, der bis dahin seinen gestreckten Kurs unverändert beibehalten habe, gerichtet. Um der drohenden Kollision zu entgehen, habe der Beklagte zu 2 sofort ein Notmanöver eingeleitet, indem er unter Einsatz der Hauptmaschine und des Bugstrahlruders den Kopf des Verbandes nach Steuerbord gedrückt habe, wodurch der Kopf des Schubleichters bis auf 5 m an die oberhalb des Vorkanals befindlichen linksmainischen Dalben herangekommen sei. Hierdurch sei es gelungen, im letzten Augenblick eine Kopf-auf-Kopf-Kollision zu verhindern. MS "S" habe jedoch mit seinem Backbordvorschiff die Backbordseite des Schubleichters gerammt. Anschließend sei MS "S" weiter zu Tal getrieben, bis es zwischen dem Backbordachterschiff des MS "R" und dem Trenndamm stecken geblieben sei. Infolge des Notmanövers des Koppelverbandes sei dieser in eine Steuerbordschräglage geraten, wobei das Achterschiff von MS "R" bis auf ca. 8 - 9 m an den Trenndamm herangekommen sei. Der Unfall sei auf das Verschulden der Schiffsführung von MS "S" zurückzuführen.

Das Schifffahrtsgericht Mainz hat Beweis erhoben durch Verwertung der Verklarungsakten 75 UR II 108/99 BSch. Mit Urteil vom 10.03.2000 - auf dessen Entscheidungsgründe wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird - hat das Schifffahrtsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen ergänzend vor:

MS "S" habe sich mit zu hoher Geschwindigkeit dem Schleusenvorkanal genähert. Das unbeladene Schiff sei nicht genügend manövrierfähig gewesen. Offenbar habe sich die Schiffsführung von MS "S" nicht um die besonders starke Strömung infolge des Mainhochwassers gekümmert, sondern nur versucht, möglichst schnell die Schleuse Kostheim zu erreichen, weil sie von dort die Mitteilung über Funk bekommen hatte, man solle sich beeilen, um als nächstes Fahrzeug zu Tal geschleust zu werden.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Mainz vom 10.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sei wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, macht sich die Gründe des Urteils des Schifffahrtsgerichts zu eigen und trägt ergänzend vor:

Die Schiffsführung des Schubverbandes habe es versäumt darauf zu achten, dass der Verband aufgrund der Neerströmung zu stark nach backbord verfalle; sie habe wissen müssen, dass sie dem Talfahrer einen geeigneten Weg zur Begegnung habe frei lassen müssen. Es sei ihr weiter vorzuwerfen, dass sie nicht über Funk rechtzeitig Kontakt mit dem Talfahrer aufgenommen habe, um diesen zu warnen oder ihm einen geeigneten Weg zu weisen. Die Behauptung, MS "S" sei nicht manövrierfähig gewesen, erfolge ins Blaue hinein und sei völlig unzutreffend.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Dem Berufungsgericht lagen die Verklarungsakten des Schifffahrtsgerichts Mainz 75 UR II 108/99 BSch vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg.

Die Beklagten haften der Klägerin auf Ersatz von drei Vierteln des durch den Schiffsunfall auf dem Main am 09.03.1999 entstandenen Schadens gemäß § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6.28 Nr. 2 Satz 1 BinSchStrO, §§ 92, 92c, 92 f BSchG.

1. Begegnen sich Berg- u. Talfahrt auf einer Bundeswasserstraße, so müssen gemäß § 6.04 BinSchStrO die Bergfahrer unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände und des übrigen Verkehrs den Talfahrern einen geeigneten Weg freilassen.

Der Beklagte Ziff. 2 als Schiffsführer des zu Berg fahrenden Schubverbandes hatte danach unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände dem zu Tal fahrenden MS "S" einen geeigneten Weg freizulassen. Bei der Annährung beider Schiffe war - entsprechend der Üblichkeit im dortigen Revier - vorgesehen, dass der Bergfahrer den Talfahrer an backbord vorbeifahren lässt, so dass kein Zeichen zu geben war (§ 6.04 Nr. 2 BinSchStrO). Nach den insoweit mit der Berufung nicht beanstandeten Feststellungen des Schifffahrtsgerichts ist das Oberwasser der Schleuse Kostheim im oberen Teil auf einer Länge von ca. 400 m bis zum Übertritt in den offenen Main durchweg mindestens 50 m breit. Wenn in diesem Oberwasser an der landseitigen Spundwand mehrere Stilllieger einzeln hintereinander liegen, so ist die verbleibende Wasserfläche nicht in dem Maße eingeschränkt, dass eine Begegnung von Bergfahrern und Talfahrern nicht erfolgen könnte. Wenn der Bergfahrer davon abweichend wünschte, dass der Talfahrer warten solle, bis der Bergfahrer den Bereich des Oberwassers im Schleusenvorhafen verlassen haben würde, so hätte er Funkkontakt mit dem Talfahrer aufnehmen und eine entsprechende Absprache treffen müssen.

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung (VersR 1991, 605) betont, dass es die allgemeine Sorgfaltspflicht gebietet, dass Schiffsführer auf dem Rhein die an Bord vorhandenen technischen Einrichtungen, insbesondere ein Sprechfunkgerät, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung benutzen, wenn damit die Gefährdung von Menschenleben, das Entstehen von Sachschäden oder Behinderungen der Schifffahrt vermieden werden können. Das Schifffahrtsobergericht Karlsruhe hat (mit Urteil vom 08.07.1992 - U 8/91 -) ausgeführt, dass diese Gründsätze nicht nur für den Rhein, sondern gleichermaßen für die Schifffahrt auf dem Neckar gelten. Entsprechendes gilt für die Bundeswasserstraße Main.

Wie das Schifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte die Schiffsführung des Schubverbandes spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem sie bemerkte, dass der zunächst gestreckt fahrende Schubverband mit dem Heck in Richtung Trenndamm also in Richtung auf die geografisch rechte Mainseite hin verfiel, den ankommenden Talfahrer hätte warnen müssen.

2. Die Berufung hat insoweit teilweise Erfolg, als sie geltend macht, dass der Schiffsführung von MS "S" ein Mitverschulden anzulasten ist.

Gemäß § 6.28 Nr. 2 Satz 1 BinSchStrO müssen bei der Annährung an den Schleusenbereich (wozu gemäß Nr. 1 auch der Schleusenvorhafen zählt) die Fahrzeuge ihre Fahrt verlangsamen. Gegen diese Vorschrift, die "Schutzgesetz" im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, da sie jedenfalls auch dem Schutz der einzelnen anderen Verkehrsteilnehmer zu dienen bestimmt ist, hat die Schiffsführung von MS "S" verstoßen. Sie hat in unverminderter Geschwindigkeit mit einer Umdrehungszahl von 320 Upm den Schleusenvorhafen angehalten. Der Schiffsführer S. hat bei seiner Vernehmung als Zeuge im Verklarungsverfahren angegeben, dass aufgrund des wachsenden Wassers (es herrschte Hochwasser) eine starke Strömung bestand. Ihm war auch bekannt, dass im Vorkanal der Schleuse Kostheim, insbesondere bei starker Strömung, unruhiges Wasser herrscht. Dies hängt damit zusammen, dass sich das Wasser den Weg durch den relativ engen Vorkanal bahnen muss, während der Rest von ca. 2/3 der Wasserspiegelbreite am Weiterlauf durch die Staustufe Kostheim gehindert wird. Ihm war ferner bekannt, dass die heikelste Stelle im dortigen Revier der Bereich um Mainkilometer 4,0 also unmittelbar vor und während der Ausfahrt aus dem Vorkanal für die Bergfahrt darstellt. Dort setzt - nach den Angaben des Schiffsführers S - eine bei wachsendem Wasser sich verstärkende kräftige Neerströmung nach geografisch rechts ein, so dass man den Kopf streng nach steuerbord halten muss, um Kurs halten zu können. Als erfahrener Schiffsführer musste er daher seinerseits einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu einer Kollision mit dem ihm entgegenkommenden Koppelverband kommen würde. Schiffsführer S hatte erkannt, dass der Bergfahrer nicht äußerst rechts fahren konnte, weil er dort stillliegende Schiffe passieren musste. Unter diesen konkreten Umständen war es dem Talfahrer spätestens als er erstmals das Verfallen des Bergfahrers erkannte, möglich und zumutbar, seine Geschwindigkeit rechtzeitig so herabzumindern, dass der Schubverband zunächst den Schleusenvorhafen vollständig verlassen konnte, ehe er als Talfahrer in den Schleusenvorhafen einfuhr.

Zwar handelt es sich an der Unfallstelle nicht um eine Fahrwasserenge, die in keinem Falle hinreichenden Raum für ein Begegnen bieten würde. Gleichwohl sind die für das Begegnen in engem Fahrwasser in § 6.07 (insbesondere Nr. 1 d) BinSchStrO enthaltenen Grundsätze sinngemäß auch in Fällen wie dem vorliegenden heranzuziehen: Danach müssen Talfahrer, wenn ein Verband bereits zu Berg in eine Fahrwasserenge hineingefahren ist, soweit möglich, oberhalb der Enge verbleiben, bis die Bergfahrer sie durchfahren haben. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bei der Annäherung an einen Schleusenvorhafen (vgl. hierzu auch Bemm/von Waldstein RheinSchPolVO 3. Aufl. § 6.28 Rdnr. 4 ff, 6) bezieht sich nicht nur auf den gleichgerichteten Verkehr, sondern gilt auch gegenüber dem Gegenverkehr.

3. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachens- u. Verschuldensanteile führt dazu, dass die Klage dem Grunde nach zu drei Vierteln gerechtfertigt ist. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Schifffahrtsobergerichte wurde wiederholt betont, dass bei Kollisionen zwischen Berg- u. Talfahrern besonders die hohe Verantwortung zu Buche schlägt, die sich aus der Weisungsbefugnis des Bergfahrers ergibt (vgl. beispielsweise Senat, Urteil vom21.12.1999 - U 2/99 BSch m. w. N.). Entsprechendes gilt für die Verpflichtung des Bergfahres, dem Talfahrer unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse einen geeigneten Weg frei zu lassen. Ihr kommt auch im vorliegenden Falle das entscheidende Gewicht zu, wobei insbesondere die vom Zeugen D. (Schiffsführer von MS "G", das im Oberwasser hinter dem Schubverband herfuhr) bestätigte Tatsache des Verfallens des Bergfahrers im Schleusenvorhafen und dessen unterlassene Funkmitteilung besonders ins Gewicht fallen. Andererseits ist der - oben unter Ziffer 2 dargestellte - Mitverschuldensbeitrag der Führung des talfahrenden Motorschiffes nicht geringer als mit einem Viertel zu bewerten.

4. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Klagansprüche sowie über die Kosten des Berufungsverfahrens war die Sache gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Schifffahrtsgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.



Ende der Entscheidung

Zurück