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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: (1) 4420 BL-III-51/05
Rechtsgebiete: StPO, BtMG, StGB, JGG


Vorschriften:

StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 3
StPO § 114 Abs. 2
StPO § 114 Abs. 2 Nr. 4
StPO § 116
StPO § 121
StPO § 122
StPO § 125
StPO § 126
StPO § 200 Abs. 1
StPO § 264
BtMG § 30a Abs. 1
StGB § 27
StGB § 53
JGG § 1
JGG § 105
1. Nach § 114 Abs. 2 StPO ist im Haftbefehl die dem Beschuldigten zu Last gelegte Tat so genau zu beschreiben, dass der Beschuldigte (aber auch das Beschwerdegericht und das für die besondere Haftprüfung zuständige Oberlandesgericht) den gegen ihn erhobenen Vorwurf nach Umfang und Tragweite eindeutig erkennen kann. Dabei steigen die Anforderungen an die Konkretheit der Darstellung des Tatvorwurfs mit fortschreitender Dauer der Ermittlungen und Untersuchungshaft, so dass sie sich immer mehr den an eine Anklageschrift nach § 200 Abs. 1 StPO zu stellenden Anforderungen annähern.

2. 6 Monate nach Erlass eines Haftbefehls müsste die Tat so weit aufgeklärt sein, dass dargestellt werden kann, welche konkreten Handlungen eines Beschuldigten die Tatbestandsmerkmale einer Strafvorschrift ausfüllen. Lässt das Ermittlungsergebnis dies nicht zu, entfällt der dringende Tatverdacht.

3. Grundlage der Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO ist einzig und allein die zuletzt erlassene und prozessordnungsgemäß bekanntgegebene haftentscheidung. Zu einer "Nachbesserung" oder Erweiterung eines bestehenden oder gar zum Erlass eines neuen Haftbefehls ist nur das nach §§ 125, 126 StPO zuständige Gericht (ggfs. auch das Beschwerdegericht) gefugt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: (1) 4420 BL - III - 51/05

In der Strafsache

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln u.a.

hier: Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe sowie die Richter am Oberlandesgericht Summa und Mille

am 21. Dezember 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 16. Juni 2005 (30 Gs 2646/05) wird bezüglich der Beschuldigten S..., Kr... und Ka... aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Beschuldigten befinden sich seit dem 16. Juni 2005 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Haftgrundlage war ist nach wie vorder Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 16. Juni 2005, in dem er heißt (Hervorhebungen durch Senat):

"Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, A... St..., S... und K... als Heranwachsende, I... St... und B... seit März 2005, die übrigen Beschuldigten mindestens seit September 2003, in W..., K... und an anderen Orten in einer derzeit noch nicht feststehenden Anzahl rechtlich selbständiger Handlungen, zumindest aber

1.

die Beschuldigten V... W..., We..., L..., A... St..., Kr..., Ka..., Sch..., Z..., G... und S... in den nachfolgenden 24 Fällen II. 1 bis II. 24, die Beschuldigten ...

I.

Spätestens im September 2003 kamen zumindest die Beschuldigten V... W..., S... We..., A... St..., A... L..., B... Sch..., W... Kr..., A... Ka..., A... Z..., V... G..., R... W... und A... S... überein, sich zukünftig größere Betäubungsmittelbestände zu beschaffen und diese auf arbeitsteiliger Grundlage gewinnbringend zu veräußern. Ob sich auch der Beschuldigte .P... A... der Bandenabsprache bereits zu diesem oder erst einem unwesentlich späteren Zeitpunkt anschloss, bedarf noch weiterer Abklärung. Die Beschuldigten M... B... und I... St... stellten sich der Gruppierung erst Mitte März 2005 als Kurierinnen zur Verfügung. Alle Beschuldigten erwarteten bzw. erzielten entsprechend ihrer Erwartung für ihre Einbindung jeweils Gewinn.

Nach der abgesprochenen Funktionsteilung kam dem Beschuldigten V... W..., der im Übrigen als bestimmendes Führungsmitglied der Bande anzusehen ist, die Organisation der einzelnen BtM-Lieferungen in den Niederlanden zu. Hierzu begab er sich auch per PKW in die Niederlande, insbesondere zu den Zeiten der Beschaffungsfahrten. Darüber hinaus bestimmte er auch in Teilbereichen Einzelheiten des Vertriebs, wobei er den Beschuldigten Sch... mit dieser Funktion während einer mehrwöchigen Abwesenheit im Mai 2005 betraute. Als Lieferanten in den Niederlanden standen der Gruppierung u.a. die dort tätigen E... S.../S... S..., der Bruder des Beschuldigten P... A..., J... A..., und G... Sc... zur Verfügung.

Der Beschuldigte We... war maßgeblich - bis auf die sich unten II ergebenden wenigen Ausnahmen - mit der Einfuhr der beschafften BtM-Handelsbestände und deren Verbringung in das Objekt S... 3 in W... betraut.

Dieses Objekt war von Mitte 2003 bis zum 15.04.04 von dem Beschuldigten Ka... durch den Beschuldigten L... angemietet, der aber auch in der Folgezeit noch die dort installierten Telekommunikationsanschlüsse unterhielt. Formaler Nachmieter des L... wurde der Beschuldigte A... St.... Das Anwesen diente der Präparierung der Schmuggelfahrzeuge, dem anschließenden Ausbau der beschafften Betäubungsmittel, darüber hinaus aber auch dem - überwiegend zur Verschleierung des Drogenhandels und der Drogenerlöse genutzten - Vertrieb von Kraftfahrzeugen.

Als hauptsächliches BtM-Depot nutzte die Bande um W... einen im September 2003 zu diesem Zweck von dem Beschuldigten V... G... angemieteten Kellerraum in dem Anwesen H...-Str. 3 in K....

In Verfolgung der auf arbeitsteilige Erledigung der Bandentätigkeit ausgerichteten Absprache waren - neben V... W... und We... - maßgeblich die Beschuldigten A... St..., L..., Sch..., .Kr..., Ka..., Z..., V... G..., R... W... und S... in allen Fällen in den Vertrieb der jeweils beschafften BtM-Handelsware eingebunden. Ihnen standen jeweils eigene Abnehmer zur Verfügung. Diese rekrutierten sich zum Teil aus der örtlichen Szene im Großraum K...-M...-N.... Darüber hinaus wurden Teilmengen aber auch in anderen Regionen abgesetzt.

So belieferte der Beschuldigte R... W... aus den jeweiligen Beständen eine im Raum V...-S... ansässige eigenständige Dealer-Bande um den Beschuldigten K... und die zwischenzeitlich inhaftierten Brüder E... und T... H.... Die in Rede stehenden Mengen (jeweils u.a. mindestens 5 kg Marihuana) lieferte der Beschuldigte A... St... im Auftrag von V... und R... W... und in Abstimmung mit K... aus.

Der Beschuldigte L... verfügte u.a. über eine Lieferschiene in den Raum Ka... zu einer Gruppierung um den gesondert verfolgten W... M..., der Beschuldigte Sch... bspw. über Abnehmer im Großraum P... ("Ma...", "Mi..." und "Ru...").

Der Beschuldigte P... A... stellte im Bandeninteresse seine Verbindungen zu dem in den Niederlanden als Drogenlieferant tätigen Bruder J... A... zur Verfügung und organisierte zusammen mit V... W... die entsprechende Belieferung der Bande. Aufgrund der engen Vertrauensbeziehung zu seinem Bruder war P... A... insoweit für den funktionierenden Ablauf von wesentlicher Bedeutung. Zudem war er innerhalb der Bande zuständig für deren Vertriebs- schiene zu bislang noch nicht näher identifizierten italienischen Abnehmern. Diese wurden in Einzelfällen sodann von A... St... mit Drogen beliefert, wobei St... die entsprechenden Fahrten zumeist nutzte, einen Umweg über V...-S... zwecks Belieferung der Gruppe K... durchzuführen.

Der Beschuldigte Kr... verkaufte ebenfalls BtM an eigene Abnehmer und war intensiv mit dem An- und Verkauf von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen beschäftigt. So hat er sich auch intensiv nach einem VW-Tuareg erkundigt, der im Rahmen eines Kompensationsgeschäftes für einen der niederländischen BtM-Lieferanten bestimmt war. Da die Kernmitglieder der Bande, wenn überhaupt, über Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld als legale Einkommensquellen verfügen, ist davon auszugehen, dass die Gewinne aus den BtM-Geschäften in den Fahrzeughandel fließen und hierdurch "gewaschen" werden.

Der Beschuldigte Ka... verfügt über diverse BtM-Abnehmer, darunter M... Bu..., der im Bereich von 500 gr BtM abnimmt. Ka... übergab (Anm. des Senats: Hier endet der Satz im Haftbefehlsantrag wie im Haftbefehl).

Der Beschuldigte Z... fungiert als enger Vertrauter und Mittelsmann des Bandenführers V... W.... Er besitzt einen Schlüssel für das Anwesen "S... 3" und hält sich auch alleine dort auf - ebenso wie auch dann, wenn der Mitbeschuldigte We... mit dem Schmuggelfahrzeug aus den Niederland zurückkehrt. Z... fuhr auch mit W... am 26.04.05 zu einem Treffen mit den- niederländischen Lieferanten St... auf dem Rastplatz P... an der BAB .., in dessen Verlauf es zu der Bezahlung einer am selben Tag erfolgten Lieferung (Tat II.24) kam.

II.

Die Ermittlungen hinsichtlich der Bandentätigkeit bis Mitte Juni 2004, darüber hinaus zu näheren Einzelheiten der beschafften BtM-Handelsbestände und ihres Vertriebs sind noch bei Weitem nicht abgeschlossen. Bislang konnten aber bereits folgende Einzeltaten konkretisiert werden:

1.- 5.

In der Zeit von Mitte Juni bis Ende August 2004 wurden von V... W... in mindestens fünf Fahrten, nämlich am 17.06., 12.07., 31.07., 06 und 23.08.04, in den Niederlanden größere BtM-Bestände - zumindest vergleichbar der nachfolgenden Tat 6 - organisiert, von We... eingeführt und anschließend von zumindest den im Bereich K... ansässigen Bandenmitgliedern (d.h. L..., Sch..., Kr..., Ka..., Z..., S..., V... G..., A... St...) gewinnbringend vertrieben.

6.

Am 16.09.04 führten die niederländischen Lieferanten S... und St... durch den von ihnen gestellten Kurier C... nach vorheriger Organisation durch V... W... sowie We... 9,8. kg Amphetamingemisch (23 % Wirkstoffgehalt), 24,2 kg Streckmittel und ca. 2000 Ecstasies (insg. 610 gr mit 65,7 gr MDA-Base) nach Deutschland ein. Der Kurier C... konnte allerdings unter Sicherstellung der mitgeführten Drogen und Streckmittel auf dem BAB-Rastplatz B...-West festgenommen werden. Der Bestand sollte im Bandeninteresse durch zumindest die oben 1.-5. genannten und über die anstehende Lieferung unterrichteten Bandenmitglieder gewinnbringend vertrieben werden.

7.-11.

Auch in der Zeit vom 01.10.04 bis zum 09.11.04 kam es in fünf Fällen zu der von V... W... organisierten, von We... eingeführten und von den oben II.1- 5. bezeichneten Bandenmitgliedern anschließend gewinnbringend veräußerten größeren BtM-Beständen, und zwar am 01.10., 06.10., 14.10., 20.10. und 09.11.04.

12.

Am 22.11.04 organisierte V... W... in den Niederlanden eine neue BtM Lieferung im mehrfachen Kilogrammbereich, die sodann von We... in das Ob jekt S... 3 in W... verbracht und anschließend von zumindest den oben II.1.-5. genannten Bandenmitgliedern gewinnbringend vertrieben wurde.

13.

Am 09/10.12.04 bezog und vertrieb die Bande auf die vorbezeichnete Weise und mit zumindest der genannten Beteiligung mindestens 10 kg Amphetamin sowie einen größeren Bestand an Marihuana und Kokain. Ob eine am 01.12.04 vorausgegangene Absprache des V... W... mit einem seiner Lieferanten über die Bereitstellung eines Bestandes von 50 kg BtM diese oder eine gesonderte Belieferung betraf, bedarf noch weiterer Ermittlungen.

14.

Am 07.01.05 verbrachte We... nach vorheriger Organisation des V... W... erneut einen größeren BtM-Bestand im Gegenwert eines zuvor am 02.01.05 in die Niederlande gelieferten PKW in das Objekt S... 3 in W.... In der Folgezeit wurde es auf die vorgenannte Weise und der II.1.-5. bezeichneten Beteiligung gewinnbringend vertrieben.

Eine Teilmenge von wahrscheinlich mindestens 5 kg Marihuana lieferte A... St... in Absprache mit V... W... und dem Beschuldigten R... W... an den Beschuldigten K... nach V...-S.... Von dort fuhr St... weiter nach Italien, wo er - insoweit unter vorheriger Einbindung des Beschuldigten P... A... und des Lieferanten J... A... - eine weitere Teilmenge, wahrscheinlich Heroin im Kilogrammbereich, an dortige Abnehmer ablieferte.

15.

Bereits am 16.01.05 kam es zu der Organisation (V... W...), der Einfuhr (We...) und zu dem anschließenden Vertrieb eines weiteren größeren BtM­Handelsbestandes. In den Vertrieb waren neben den oben ll.1.-5. genannten Bandenmitgliedern auch R... W... und der Beschuldigte K... eingebunden. A... St... verbrachte nämlich eine Teilmenge von mindestens 5 kg Marihuana sowie (noch feuchtes) Amphetamin im Kilogrammbereich im Auftrag von V... und R... W... zu der Bande um K... nach V...-S....

16.

Am 24.01.05 verbrachte aus noch nicht feststehenden Gründen der Beschuldigte A... nach vorheriger Organisation durch V... W... u.a. 15 kg Marihuana, möglicherweise auch Amphetamin, sowie 500 gr "Kristall" (möglicherweise Methamphetamin) nach W.... Der Bestand wurde in der Folgezeit zumindest unter Beteiligung der oben II.1.-5. genannten Bandenmitglieder (auch des We...) vertrieben.

17.

Einen weiteren Handelsbestand, und zwar mindestens 4 kg. Haschisch, 10 kg Marihuana, 500 gr Kokain und 6000 Ecstasies (u.a. der Marke "Versace"), ferner Heroin im mehrfachen Kilogrammbereich verbrachte We... nach vorheriger Organisation durch V... W... am 09.02.05 nach W.... In der Folgezeit erfolgte der Vertrieb durch zumindest die oben II.1.-5. genannten Bandenmitglieder. U.a. belieferte L... am 25. 02. 05 seinen Abnehmer M... aus dem Raum Ka..., ferner Sch... am 26./ 27.02.05 seinen Kunden "Ma...".

Über R... W... und A... St... wurde auch die Gruppe K... beliefert, und zwar am 12.02.05 mit 5 kg Marihuana und entweder 1.000 Ecstasies oder 1 kg Amphetamin, darüber hinaus bei einer weiteren Gelegenheit am 25./26.02.05 wiederum u.a. mit 5 kg Marihuana sowie Ecstasies oder Amphetamin Ob hierbei zum Teil noch auf Restbestande der Lieferung vom 24.01.05 zurückgegriffen wurde, bedarf noch weiterer Ermittlungen.

Darüber hinaus hatte der Beschuldigte P... A... im Bandeninteresse den Vertrieb einer Teilmenge von wahrscheinlich mehreren Kilogramm Heroin an die italienischen Abnehmer organisiert. St... lieferte diese Ware sodann im Anschluss an seine Fahrt nach V...-S... in Italien am 27.02.05 aus.

18.

Am 06.03.05 transportierte We... nach vorheriger Organisation des V... W... mindestens 7 kg Cannabisprodukte, 500 gr Kokain sowie Heroin, Ecstasies und Amphetamin in noch nicht bekannter Größenordnung nach W.... In den anschließenden gewinnbringenden Vertrieb waren zumindest die oben ll.1.-5. genannten Bandenmitglieder eingebunden. U.a. wurden über L... am 10.03.05 mindestens 50 gr Heroin an M..., ferner am 11.03.05 wahrscheinlich 100 gr Kokain über Sch... an "Ma..." und "Ru..." veräußert.

Dieser Lieferung entstammen auch jene 100 gr Amphetamin, die am 11.03.05 im Besitz des festgenommenen K... Wi... sichergestellt wurden. Wi... hatte die BtM von einem ständigen Abnehmer des Ka..., einem gewissen "A..." bzw. "A." aus der Nahe von B....

19.

Am 14.03.05 verbrachte We... nach vorheriger Organisation durch W... einen größeren BtM-Bestand im Gegenwert eines zuvor in die Niederlande gelieferten Fahrzeuges (Preis 48.900 EUR) nach W.... Anschließend erfolgte der gewinnbringende Vertrieb durch zumindest die oben II. 1.-5. genannten Bandenmitglieder. U. a. veräußerte L... am 16.03.05 mindestens 150 gr Heroin an M... und sagte diesem in der Folgezeit aus dem verfügbaren Bestand 1 kg Heroin sowie 3 kg Amphetamin zu. Eine Teilmenge ging über Sch... auch an "Ma..." und "Ru...".

Darüber hinaus belieferte R... W... über A... St... die Gruppe um den Beschuldigten K... am 18.03.05 mit den üblichen mindestens 5 kg Marihuana Bei dieser Gelegenheit transportierte St... eine weitere Teil menge (wahrscheinlich Heroin im Kilogrammbereich) unter Einbindung der Brüder A... nach Italien.

20.

Am 29.03.05 organisierte V... W... eine Lieferung noch nicht eindeutig fest stehender BtM im mehrfachen Kilogrammbereich aus den Niederlanden. Hierbei stellte er einigen Lieferanten die ihn begleitenden Beschuldigten B... und I... St... vor. Beide hatten sich zuvor der Bande in Gewinnerzielungsabsicht als Kurierinnen angeschlossen. Den aktuellen Bestand verbrachte zwar erneut We... nach W.... B... und I... St... unterstützten die Abläufe aber bereits bewusst und gewollt, indem sie zusammen mit W... den Transport abgesetzt sichernd begleiteten. Der anschließende Vertrieb erfolgte zumindest durch die oben II. 1. - 5. genannten Bandenmitglieder.

Eine Teilmenge des beschafften Bestandes von wahrscheinlich 3 kg stammte von dem Lieferanten A.... Dessen Bruder, der Beschuldigte P... A..., war insoweit in die entsprechenden Absprachen und Abläufe eingebunden.

21.

Die nächste Lieferung organisierte W... bereits wieder am 04./05. 04. 05. Auch bei dieser Gelegenheit wurde er von den Beschuldigten B... und I... St... hierbei unterstutzt, die er nunmehr auch den (bei der Tat 20 nicht eingebundenen) Lieferanten S.../St... vorstellte und in Einzelheiten der Fahrtstrecke einführte Zudem unterstützten sie W... in der abgesetzten sichernden Transportbegleitung. Den eigentlichen Transport des neuen BtM-Handelsbestandes im mehrfachen Kilogammbereich nach W... führte nämlich wiederum We... durch. Der Vertrieb oblag erneut zumindest den oben II.1.-5 genannten Bandenmitgliedern.

U.a. belieferte L... seinen Abnehmer M... am 08.04. und 13.04.05, Sch... seine Kunden "Ma..." und "Mi..." am 06.04 und am 17.04.05.

Darüber hinaus versorgte R... W... über A... St... die Gruppierung um den Beschuldigten K... am 10.04.05 mit 7 kg (wahrscheinlich) Marihuana.

22.

Am 18./19.04.05 organisierte V... W... eine neue Lieferung im mehrfachen Kilogrammbereich In diesem Fall transportierten die Beschuldigten B... und I... St... die BtM aus den Niederlanden in den Ortsbereich W.... We... übernahm das Schmuggelfahrzeug dort und verbrachte es in das Anwesen S... 3. Die anschließende Veräußerung erfolgte wiederum durch zumindest die oben II. 1.-5. aufgeführten Bandenmitglieder. U.a. vertrieb Sch... Teilmengen am 19.04. und 24./25.04.05 an seine Kunden "Ma..." und "Mi...". L... überließ seinem Abnehmer am 04.05.05 noch 1,5 kg Marihuana, die allerdings sichergestellt werden konnten.

23.

Zu einer weiteren Beschaffung aufgrund vorausgegangener Organisation durch V... W... kam es bereits am 20.04.05. We... übernahm am Vormittag einen bislang noch nicht näher zu bezeichnenden BtM-Bestand im mehrfachen Kilogrammbereich, der in der Folgezeit wie vorerwähnt durch zumindest die oben II. 1.-5. genannten Bandenmitglieder vertrieben wurde.

24.

Am 26.04.05 übernahm We... in den Niederlanden nach vorheriger Organisation durch V... W... u. a. 15 kg Marihuana, Amphetamin im mehrfachen Kilogrammbereich sowie 500 gr Heroin oder Kokain und verbrachte die BtM in das Objekt S... 3 nach W.... Der Vertrieb wurde wiederum zumindest durch die oben II. 1.-5. genannten Bandenmitgliederdurchgeführt.

U. a. belieferte R... W... über A... St... die Gruppe des K... am 27.04.05 mit 5 kg Marihuana. Bei dieser Gelegenheit wurden die Brüder H... (Bandenmitglieder des K...) festgenommen und das Marihuana sichergestellt.

Darüber hinaus veräußerte Sch... aus dem Bestand in K... am 19. 05. 05 an den zwischenzeitlich festgenommenen A... Sc... 2 kg Amphetamin, die sichergestellt werden konnten. In der Zeit zuvor war es zu mindestens einer vergleichbaren weiteren Lieferung durch Sch... gekommen, und zwar am oder kurz nach dem 29. 04. 05.

Ferner übergaben V... W... und Sch... am 02. 06. 05 an den regelmäßigen Banden-Kunden Y... Sa... mehrere Kilogramm Amphetamin, die für dessen nach K... angereiste Abnehmer in der Schweiz bestimmt waren. Am oder kurz vor dem 07.06.05 lieferte Sa... einen von der Bande um W... stammenden vergleichbaren Bestand selbst in die Schweiz. Auf der Rückreise wurde er am 07.06.05 im Besitz von 1 kg Amphetamin in We... festgenommen. Hierbei handelte es sich entweder um eine in der Schweiz nicht abgenommene oder für einen anderen Kunden bestimmte Teilmenge.

Diese Taten sind als Verbrechen mit Strafebedroht gem. § 30a Abs. 1 BtMG, 53 StGB; bzgl. A... St..., S... und K... zusätzlich gem. § 1, 105JGG; bzgl. I... St... und B... zusätzlich gem. § 27 StGB.

Die Beschuldigten sind dieser Taten dringend verdächtig aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Erkenntnisse aus u.a. zahlreichen TKÜ- und Observationsmaßnahmen wie sie in dem vorläufigen Auswertungsbericht des Zollfahndung F... und der Kriminalinspektion N... vom 14.06.05 und gewürdigt worden sind.

Bei allen bestehen die Haftgründe des § 112 Abs.2 Nrn. 2 und 3 StPO (Flucht- und Verdunkelungsgefahr).

Im Hinblick auf die gem. 30a Abs. 1 BtMG für jede Tat angedrohte Mindeststrafe von 5 Jahren haben die Beschuldigten jeweils mit einer ganz beträchtlichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen, woraus sich ein sehr hoher Fluchtanreiz ergibt. Demgegenüber bestehen keine derart gewichtigen sozialen Bindungen, dass - selbst unter Berücksichtigung des § 116 StPO - die Erwartung auch nur annähernd gerechtfertigt erschiene, die Beschuldigten seien bereit, sich dem Verfahren in Freiheit zu stellen. Darüber hinaus würde ihnen ein Abtauchen durch den Umstand erheblich erleichtert, dass ihnen jederzeit Unterstützung in der russisch-deutschen BtM-Szene sowie aufgrund ihrer offenbar gewordenen Beziehungen in Nachbarländern sicher wäre.

Die bisherigen Ermittlungen haben darüber hinaus ein außergewöhnlich hohes Ausmaß an Tatkonspiration belegt. So wurden die genutzten Kommunikationsmittel ständig gewechselt, wobei Telefonkarten Verwendung fanden, die auf Falschnamen oder unbeteiligte Dritte ausgegeben oder über Firmen ohne Empfängernachweis bezogen wurden. Die Kommunikation erfolgte zumeist verdeckt. Auch genutzte Räumlichkeiten und Fahrzeuge waren zum Teil nicht den wirklichen Nutzern offen zuzuordnen. Hieraus ergibt sich insgesamt die sichere Erwartung, dass die Beschuldigte - auf freiem Fuß - in erheblichem Umfang auf noch nicht erkannte bzw. ergriffene Tatbeteiligte einwirken und Beweismittel beiseite schaffen würden, um die noch ausstehenden umfangreichen Ermittlungen zielgerichtet zu hintertreiben.

Die Beschuldigten S..., Kr... und Ka... werden im Haftbefehl also erwähnt

- als Beschuldigte, denen 24 Taten zu Last gelegt werden;

- als Mitwirkende an einer Übereinkunft, "sich zukünftig größere Betäubungsmittelbestände zu beschaffen und diese auf arbeitsteiliger Grundlage gewinnbringend zu veräußern";

- als im Raum K... ansässige Bandenmitglieder, die in allen Fällen am gewinnbringenden Vertrieb beteiligt gewesen sein sollen.

An keiner Stelle wird auch nur ein einziger konkreter Tatbeitrag dieser Beschuldigten zu den 24 aufgeführten Taten benannt, an denen sie ab Mitte Juni 2004 als Mittäter beteiligt gewesen sein sollen.

II.

Bei dieser Sachlage ist der Haftbefehl aufzuheben (siehe OLG Oldenburg NStZ 05, 243 u. OLG Celle StV 05, 513 zu vergleichbaren Fällen).

Nach § 114 Abs. 2 StPO hat der Haftbefehl den gegen den Beschuldigten erhobenen Tatvorwurf anzuführen. Das bedeutet, daß die Tat im Sinne des § 264 StPO als historischer Vorgang so genau zu beschreiben ist, daß der Beschuldigte (aber auch das Beschwerdegericht und das für die besondere Haftprüfung zuständige Oberlandesgericht) den gegen ihn erhobenen Vorwurf nach Umfang und Tragweite eindeutig erkennen kann. Dabei steigen die Anforderungen an die Konkretheit der Darstellung des Tatvorwurfs mit fortschreitender Dauer der Ermittlungen und Untersuchungshaft, so daß sie sich immer mehr den an eine Anklageschrift nach § 200 Abs. 1 StPO zu stellenden Anforderungen annähern (OLG Celle a.a.O; OLG Karlsruhe StV 2002, 147, 148; OLG Brandenburg StV 1997, 140).

Daß der Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 16. Juni 2005 jedenfalls jetzt - mehr als sechs Monate nach seinem Erlaß - diesen Anforderungen nicht genügt wird, ist offenkundig.

Angesichts des pauschalen und abstrakten Inhalts des Haftbefehls verfehlt dieser seine Funktion, die tatsächlichen Vorwürfe konkret zu umgrenzen, so daß dem Beschuldigten auch die Möglichkeit genommen ist, sich gegen die erhobenen Vorwürfe effektiv zu verteidigen. Es bleibt gänzlich unklar, in welchen konkreten Handlungen Staatsanwaltschaft und Amtsgericht die Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen begründet sehen. Hier kommt noch hinzu, daß der Haftbefehl entgegen § 114 Abs. 2 Nr. 4 StPO auch nicht die Tatsachen angibt, aus denen sich der dringende Tatverdacht ergeben soll.

Aus dem in den Akten am 16. Juni 2005 dokumentierten Beweisergebnis mag sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls ein dringender Tatverdacht ergeben haben, ohne daß es in diesem frühen Verfahrensstadium schon erforderlich gewesen wäre, den dem Beschuldigten angelasteten Lebensvorgang im Einzelnen beschreiben zu können. 6 Monate später müßte die Tat jedoch so weit aufgeklärt sein, daß dargestellt werden kann, welche konkreten Handlungen eines Beschuldigten die Tatbestandsmerkmale einer Strafvorschrift ausfüllen. Läßt das Ermittlungsergebnis dies nicht zu, entfällt der dringende Tatverdacht (siehe auch Senatsbeschl. v. 16.06.2005 - Ws 371/05; KK-Boujong, StPO, § 114 Rn. 6 m. w. N.).

III.

Der Vollständigkeit halber und zur Vermeidung von Mißverständnissen weist der Senat zum wiederholten Male darauf hin, daß Grundlage der Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO einzig und allein die zuletzt erlassene und prozeßordnungsgemäß bekanntgegebene Haftentscheidung ist. Zu einer "Nachbesserung" oder Erweiterung eines bestehenden oder gar zum Erlaß eines neuen Haftbefehls ist nur das nach §§ 125, 126 StPO zuständige Gericht (ggfs. auch das Beschwerdegericht) befugt (OLG Celle a.a.O.). Vor Anklageerhebung ist dafür ein hinreichend konkretisierter Antrag der Staatsanwaltschaft notwendig (zur Erforderlichkeit der Anpassung des Haftbefehls an eine neue Erkenntnislage siehe z.B. Senatsbeschl. v. 23.10.01 - 1 Ws 1273/01 m.w.N.).

Ob der Senat im Verfahren nach §§ 121, 122 StPO mit der Entscheidung abwarten darf, wenn sich bereits ein Antrag auf Änderung des Haftbefehls in den Akten befindet oder die Stellung eines solchen Antrags von der Generalstaatsanwaltschaft als unmittelbar bevorstehend angekündigt wird, kann dahinstehen. Eine solche Verfahrenslage ist hier nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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