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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 29.05.2000
Aktenzeichen: 1 4420 BL-III-23/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121 I
Leitsatz:

Werden nach Erlass des Haftbefehls neue Taten des Beschuldigten bekannt und wird deshalb ein erweiterter Haftbefehl erlassen oder der ursprüngliche Haftbefehl ergänzt, so beginnt die Frist des § 121 Abs. 1 StPO von dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem der Tatverdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe so dringend geworden ist, dass der erweiterte Haftbefehl hätte erlassen oder der ursprüngliche Haftbefehl hätte ergänzt werden können.

Bemerkungen:

s. auch Senatsbeschlüsse vom 25.10.1999 und 6.4.2000 in der Sache (1) 4420-BL-III-127/99


Geschäftsnummer: (1) 4420 BL-III-23/00 3430 Js 23045/99 - 3 KLs - StA Mainz

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

In der Strafsache

gegen

E......Cz.

- Verteidiger: Rechtsanwalt H.

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hier: Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und den Richter am Amtsgericht Schmickler am 29. Mai 2000

beschlossen:

Tenor:

Eine Entscheidung des Senats ergeht nicht.

Gründe:

Nach § 121 Abs. 1 und 2 StPO ist eine die Haftfortdauer anordnende Entscheidung des Oberlandesgerichts erforderlich, wenn die Untersuchungshaft "wegen derselben Tat" über sechs Monate hinaus vollzogen werden soll und noch kein auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel lautendes Urteil ergangen ist.

Vorliegend ist auch bei Anwendung des "erweiterten Tatbegriffes" (siehe dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 StPO, Rdnr. 12 m.w.N.; OLG Hamm, StV 98, 555 m.w.N.) festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO derzeit nicht vorliegen.

Dem Haftbefehl des Amtsgerichts Mainz vom 19. November 1999 lagen neun konkret bezeichnete Tathandlungen nach den §§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB zugrunde. Dem Angeschuldigten wurde vorgeworfen, den gesondert Verfolgten ......... und ........ zwischen Anfang September 1999 und seiner Festnahme am 18. November 1999 acht Mal Haschisch, Marihuana und Amphetamin in unbekannter, jedenfalls nicht geringer Menge und am Tag seiner Inhaftierung nochmals 122 g Haschisch und 55,6 g Marihuana gewinnbringend veräußert zu haben. Diese Tathandlungen definierten die Tat im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO, wegen der (zunächst) die Untersuchungshaft vollzogen wurde. Zwar bestand damals schon der Verdacht, der Angeschuldigte sei in weitaus größerem Umfang in maßgeblicher Weise am illegalen Betäubungsmittelhandel beteiligt gewesen. Für eine Konkretisierung weiterer Einzeltaten gemäß § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO fehlten allerdings die Beweise.

In dem erweiterten Haftbefehl der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 23. Mai 2000 werden dem Angeschuldigten nunmehr fünf Fälle des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt. Konkret wird ihm der Erwerb und die (teilweise) gewinnbringende Weiterveräußerung von 1 kg Amphetamin, 2 kg Haschisch, 400 g Marihuana und 200 g Kokain im Juli/August 1999 vorgeworfen (Fall 1), ferner der Erwerb und gewinnbringende Weiterverkauf von 1 kg Amphetamin im August/September 1999 (Fall 2), von 1 kg Amphetamin, 1 kg Haschisch, mindestens 700 g Marihuana und 300 g Kokain am 18. November 1999 (Fall 3) sowie von 1000 Ecstasy-Tabletten Mitte September 1999 (Fall 4) und schließlich die zum ebenfalls gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Bestellung von weiteren 1000 Ecstasy-Tabletten vor dem 9. Oktober 1999 (Fall 5), deren Übergabe an den Angeschuldigten allerdings scheiterte, weil das Rauschgift zuvor bei den Lieferanten sichergestellt worden war.

Die im Haftbefehl des Amtsgerichts Mainz vom 19. November 1999 aufgeführten neun Veräußerungshandlungen an die gesondert verfolgten ............. und ............. Sie erfolgten aus den Betäubungsmittelbeständen der in den Fällen 1 und 3 des erweiterten Haftbefehls beschriebenen Taten und sind deshalb von diesen Fällen mitumfasst. Im Übrigen handelt es sich jedoch um neue Tatvorwürfe, die erst durch Ermittlungshandlungen zeitlich nach Erlass des ursprünglichen Haftbefehls im Sinne eines dringenden Tatverdachts konkretisiert werden konnten.

Nach seiner Festnahme am 16. März 2000 hat der gesondert verfolgte ............ in seiner Vernehmung vom 21. März 2000 angegeben, er habe im Sommer 1999 den Kontakt zwischen dem Angeschuldigten und einem gewissen ............ aus ............ hergestellt. Dieser habe den Angeschuldigten in der Folgezeit mit den in den Fällen 1 bis 3 des erweiterten Haftbefehls aufgeführten Betäubungsmitteln beliefert, wobei er selbst als Geldkurier zwischen dem Angeschuldigten und ............... fungiert und der Vater des Angeschuldigten das Rauschgift mit seinem Taxi jeweils von dem gesondert verfolgten ............... zu seinem Sohn nach ............. transportiert habe. Darüberhinaus habe er - ........... - den Verkauf von 1000 Ecstasy-Tabletten von dem gesondert verfolgten ......... an den Angeschuldigten vermittelt (Fall 4 des neuen Haftbefehls) und Gespräche der beiden Personen über eine weitere geplante Ecstasy-Lieferung mitbekommen, an der er aber nicht beteiligt gewesen sei. Insoweit geht aus dem Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Bingen vom 2. März 2000 in dem Verfahren gegen ........... (3430 Js 25073/99 - 7 Ls) hervor, dass die in seinem Auftrag von den gesondert verfolgten ............. und .............. am 9. Oktober 1999 in Holland beschafften 1000 Ecstasy-Tabletten am Folgetag in der Wohnung des Letzteren von der Polizei sichergestellt wurden (Fall 5 des neuen Haftbefehls).

Der erweiterte Haftbefehl der Strafkammer vom 23. Mai 2000 beschreibt nicht mehr die ursprüngliche, auf neun Betäubungsmittelverkäufe an die gesondert verfolgten .............und ............. beschränkte Tat, die dem Haftbefehl des Amtsgerichts Mainz vom 19. November 1999 zugrunde lag und für die - isoliert betrachtet - die Sechs-Monats-Frist des § 121 Abs. 1 StPO am 18. Mai 2000 abgelaufen gewesen wäre. Der Angeschuldigte befindet sich vielmehr jetzt wegen einer neuen Tat im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO in Untersuchungshaft, die sowohl die bereits bei Erlass des ursprünglichen Haftbefehls bekannten als auch die danach bekannt gewordenen Straftaten umfasst (vgl. Eb. Schmidt, NJW 68, 2209, 2212), und zwar von dem Zeitpunkt an, in dem wegen aller neuen Vorwürfe, die Gegenstand des erweiterten Haftbefehls der Strafkammer sind, die Voraussetzungen für den Erlass eines weiteren Haftbefehls vorgelegen haben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., Rdnr. 15; OLG Hamm a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 1999 und 6. April 2000 - (1) 4420 Bl-III-127/99 -). Die Frist des § 121 Abs. 1 StPO begann daher von dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem der Tatverdacht hinsichtlich der später bekannt gewordenen Tatvorwürfe so dringend geworden ist, dass der zweite Haftbefehl hätte erlassen oder der ursprüngliche Haftbefehl hätte ergänzt werden können (vgl. OLG Düsseldorf, StV 96, 553; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O.).

Das war nach Aktenlage (frühestens) der 21. März 2000, der Tag der Aussage des gesondert verfolgten ........ , aufgrund derer dem Angeschuldigten die Begehung weiterer Betäubungsmittelverbrechen konkret zur Last gelegt werden konnte. Diese Aussage hat die Staatsanwaltschaft veranlasst, die von ihr bereits am 10. März 2000 zur Strafkammer des Landgerichts erhobene Anklage gegen den Angeschuldigten am 10. Mai 2000 zurückzunehmen und am 15. Mai 2000 eine neue, maßgeblich auf die Angaben des ........... gestützte Anklageschrift vorzulegen, welche Grundlage des neu gefassten Haftbefehls der Strafkammer vom 23. Mai 2000 wurde.

Die Sechs-Monatsfrist für die "neue Tat" endet somit am 20. September 2000. Bis zu diesem Zeitpunkt hat das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständige Gericht die erforderlichen Haftentscheidungen zu treffen.

Ende der Entscheidung

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