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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 12.01.2000
Aktenzeichen: 1 Ausschl. 3/99
Rechtsgebiete: StPO, WeinG


Vorschriften:

StPO § 138 a
WeinG § 49
Leitsatz:

1. Verteidigerausschluss wegen psychischer Beihilfe zur Tat des Mandanten

2. Zum Umfang der Rechtsscheinwirkung der amtlichen Prüfungsnummer bei der Qualitätsweinprüfung


Geschäftsnummer: 1 Ausschl. 3/99 1008 Js 30004/98 StA Bad Kreuznach

In der Strafsache

gegen

den Kaufmann C, geboren am in W, wohnhaft,

- Verteidiger: Rechtsanwalt R, wegen Verstoßes gegen das Weingesetz und Betruges

hier: Ausschließung des Verteidigers hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Völpel und die Richterin am Landgericht Hardt auf die mündliche Verhandlung vom 6. Januar 2000 am 12. Januar 2000

beschlossen:

Tenor:

Rechtsanwalt R wird von der Mitwirkung am Verfahren als Verteidiger ausgeschlossen.

Er hat die Kosten des Ausschließungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Rechtsanwalt R. verteidigt den Beschuldigten C. in einem Ende Dezember 1997 eingeleiteten Ermittlungsverfahren, das Verstöße gegen das Weingesetz in der Zeit von 1995 bis Januar 1998 zum Gegenstand hat. Im März 1999 hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt R. eingeleitet und mit Antragsschrift vom 1. Oktober 1999 seine Ausschließung als Verteidiger beantragt. Ihm wird zum Vorwurf gemacht, den Beschuldigten C. am 25. und 26. November 1997 zu Verstößen gegen das Weingesetz in Tateinheit mit Betrug angestiftet zu haben, indem er diesem geraten habe, nicht verkehrsfähigen Wein zu verkaufen, bevor er von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten am 21. Oktober 1999 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der gemäß § 138 c Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO zulässige Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen für die Ausschließung des Verteidigers nach § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor. Rechtsanwalt R. ist hinreichend verdächtig, dem Beschuldigten C. zu einem (weiteren) Verstoß gegen das Weingesetz in Tateinheit mit versuchtem Betrug ab dem 27. Dezember 1997 zumindest psychische Beihilfe geleistet zu haben.

1.

Wird dem Verteidiger wie im vorliegenden Fall strafbares Verhalten vorgeworfen, so genügt ein die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigender Verdachtsgrad, um ihn von der Verteidigung auszuschließen. Dabei ist nicht entscheidend, ob das Verfahren gegen den Verteidiger bereits anklagereif ist (BGHSt 36, 133 = NStZ 1990, 91; BGHR StPO § 138 a Abs. 1 Nr. 3 Tatverdacht 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. § 138 a Rdnr. 14). Nach den in der mündlichen Verhandlung im Freibeweisverfahren erhobenen Beweisen besteht hinreichender Verdacht hinsichtlich folgenden Sachverhalts:

Der Beschuldigte C. ist seit Oktober 1994 Vorstandsvorsitzender der Gebietswinzergenossenschaft Deutsches Weintor eG in IH (Bl. 73), deren Vorstand er seit 1976 angehörte (Bl. 72), und seit November 1995 außerdem Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft H Winzer eG in GB (Bl. 18). Als solcher war er in Fragen der Weinausstattung weisungsbefugt (Bl. 152, 156).

Die H Winzer eG vermarktete von 1992 (Bl. 267) bis Anfang Januar 1998 auch Flaschenweine, die ganz oder teilweise nicht selbst erzeugt worden waren, unter der Abfüllerangabe "H Winzer eG" und zu einem geringeren Teil unter der Abfüllerangabe "Vertrieb Winzerkeller I.". Es handelte sich um Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete (Qualitätsweine im Sinne der §§ 17, 19 WeinG und Qualitätsweine mit Prädikat im Sinne des § 20 WeinG) (Bl. 32 ff, 30). Sie wurden überwiegend an Wiederverkäufer veräußert (siehe BMO I und II). Zum amtlichen Qualitätsprüfungsverfahren wurden die Weine fertig etikettiert und unter korrekter Angabe, ob es sich um ganz oder teilweise zugekaufte oder vollständig selbst erzeugte Weine handelte, vorgestellt. In den amtlichen Antragsformularen war in der Rubrik "Abfüller oder Erzeugerabfüller" die Angabe "Abfüller" bzw. "Erzeugerabfüllung" vermerkt. Auflagen zur Ausstattung der zugekauften Weine machte die Landwirtschaftskammer nicht (BMO I und II).

Bereits 1996 wurde die Verwaltung der H Winzer eG nach IH ausgelagert (Bl. 50). Im Rahmen des mit der Gebietswinzergenossenschaft Deutsches Weintor eG geschlossenen Kooperationsvertrages wurden ab Januar 1997 auch die Abfüllung, die Lagerung der Flaschenweine und der Vertrieb nach IH verlegt. In GB lagerten nur noch die eigenerzeugten und zugekauften Fassweinbestände, die dort füllfertig gemacht wurden (Bl. 151). Daneben bestand in GB ein kleines Verkaufslager.

Mit Schreiben der Bezirksregierung H-Pfalz vom 18. April 1996 war der Gebietswinzergenossenschaft Deutsches Weintor eG auf den von dem Beschuldigten C. unterzeichneten Antrag vom 22. März 1996 (Bl. 81) auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 2 Abs. 1 der WeinÜbVO unter anderem Folgendes mitgeteilt worden (Bl. 53 f):

"Der Begriff "Winzer" ist gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3201/90 besonders geschützt und darf nur dann verwendet werden, wenn das Erzeugnis ausschließlich aus Trauben gewonnen wurde, die aus Weinbergen des entsprechenden Weinbaubetriebes stammen. Sinn und Zweck der Regelung ist, bestimmte auf die eigene Weinbereitung hindeutende Begriffe bei der Vermarktung von Fremdweinen zu verhindern."

Der Antrag war nach telefonischer Rücksprache zwischen einem Mitarbeiter der Genossenschaft und dem Sachbearbeiter der Bezirksregierung bereits mit Schreiben vom 16. April 1996 zurückgenommen worden (Bl. 82).

Gleichwohl wurden Zukaufweine zumindest von der H Winzer eG weiterhin mit ihrer Firmenbezeichnung als Abfüller vermarktet. Innerhalb der Organisationsstruktur der Genossenschaft liefen der Verkauf und die Auslieferung der Weine ohne Zutun des Beschuldigten C. ab. Neben dem Verkaufsleiter BS erledigten die der Geschäftsleitung und dem Verkaufsleiter untergeordneten Angestellten LB und EG in IH diese Tätigkeiten von sich aus. BS hatte nicht die Befugnis, den Verkauf und die Auslieferung nicht verkehrsfähiger Weine zu stoppen. Eine solche Anweisung konnte nur der Beschuldigte C. als Vorstandsvorsitzender oder das Vorstandsmitglied P treffen (vgl. Bl. 152, 159, 345 und die Erklärung der Zeugen BS und EG vom 29. Dezember 1999).

Am 9. Juni 1997 erschien der Weinkontrolleur O des Chemischen Untersuchungsamts M am Sitz der H Winzer eG in GB und machte den dort anwesenden Mitarbeiter K auf die irreführenden Angaben durch die Verwendung des Begriffes "Winzer" in der Abfüllerbezeichnung bei Zukaufweinen aufmerksam (Bl. 13, 149 ff). Er erklärte, man müsse sich etwas einfallen lassen; jedenfalls müsse der Begriff "Winzer" vom Etikett bei Zukaufweinen entfernt werden (Bl. 153). K verständigte umgehend den Beschuldigten C., der sich entschloss, Abfüllung, Verkauf und Auslieferung der beanstandeten Weine fortzusetzen. Er erteilte keine Weisungen, die Etikettierung zu ändern (Bl. 154).

Am 7. August 1997 führte O eine weitere Kontrolle in GB durch und beanstandete gegenüber K erneut die Verwendung des Begriffes "Winzer" in der Abfüllerbezeichnung bei Zukaufweinen (Bl. 154). K fertigte darüber einen Aktenvermerk (Bl. 159) und machte erneut dem Vorstandsvorsitzenden C. Mitteilung. Dieser entschied erneut, Abfüllung, Verkauf und Auslieferung der Zukaufsweine mit der beanstandeten Etikettierung weiterlaufen zu lassen und wandte sich Mitte August 1997 telefonisch an den Abteilungsleiter des Genossenschaftsverbandes Neu-Isenburg, den Zeugen F, der ihm zusagte, das Problem bei einer für den 1. Oktober 1997 geplanten Besprechung im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz zu erörtern (Bl. 231 ff). Am 25. August 1997 übermittelte C. die Aktennotiz Ks an F. In dem Begleitschreiben führte er unter anderem Folgendes aus (Bl. 240):

"Im Grundsatz ist es richtig, dass auf der Basis der derzeitigen weingesetzlichen Bestimmungen die juristische Interpretation darauf hinausgeht, dass bei Verwendung des Wortes - Winzer - im Namensteil der Firmenbezeichnung davon ausgegangen werden muss, dass dieser Wein aus dem eigenen Lesegut erzeugt wurde. Diese Interpretation wird auch zum derzeitigen Zeitpunkt sowohl von der Weinkontrolle in H als auch in der Pfalz vertreten...

Es kann nicht sein, dass durch diese juristische Auslegung wiederum die Winzergenossenschaften in eklatantem Umfange benachteiligt werden,...

In dieser Angelegenheit müssen die Interessen der Winzergenossenschaften massiv vertreten und eine Regelung gefunden werden, die der Gesamtentwicklung unter Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte gerecht wird."

Am 7. Oktober 1997 fand im Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz eine Besprechung zwischen dem Staatssekretär X, einem weiteren Vertreter des Ministeriums, dem Beschuldigten C. und dem Zeugen T, dem Hauptzulieferer der H Winzer eG, statt. Das Gespräch hatte geplante Umstrukturierungen beider Genossenschaften (Kooperationen, Gründung von Betreiber-, Besitz- und Vertriebsgesellschaften) zum Gegenstand. Probleme der Bezeichnung von Zukaufweinen bei Winzergenossenschaften wurden allenfalls am Rande erörtert (Bl. 106, 247, 259, 261).

Am 29. Oktober 1998 kam es zu der ursprünglich für den 1. desselben Monats geplanten Unterredung zwischen dem Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums Rheinland-Pfalz X, einem weiteren Mitarbeiter des Ministeriums und Vertretern der Genossenschaftsverbände (Bl. 219, 223, 230, 260, 261, 267 f). F sprach den Staatssekretär auf das Problem der H Winzer eG an. Diesem war bereits der Parallelfall der "WN eG" bekannt. Er wies auf die Rechtslage hin und fügte in einem Nachsatz hinzu, die Weinkontrolleure würden nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Wenn jedoch Beanstandungen aus anderen Bundesländern vorlägen, wäre die Vorgehensweise eine andere (Angaben Fs Bl. 230 f ). Im Übrigen sagte er eine rechtliche Prüfung durch die Fachabteilung zu. Nach einer Stellungnahme des Staatssekretärs X vom 17. September 1998 (Bl. 261) wurde keineswegs der Eindruck erweckt, dass ein Inverkehrbringen der unzutreffend etikettierten Zukaufweine der H Winzer eG ohne vorherige Ausnahmegenehmigung möglich sei oder befürwortet werde. F setzte C. von dem Gespräch in Kenntnis (Bl. 231).

Am 20. November 1997 führte das Chemische Untersuchungsamt M wiederum eine Kontrolle bei der H Winzer eG in GB durch. Der Weinkontrolleur O traf erneut den Zeugen K an, den er abermals darauf aufmerksam machte, dass die Zukaufweine entgegen Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3201/90 etikettiert und deshalb nicht verkehrsfähig seien (Bl. 8, 13, 149 ff). O verlangte, dass unverzüglich eine Bestandsliste der an beiden Standorten lagernden Zukaufweine gefertigt werde. Als K C. von dem Besuch des Weinkontrolleurs berichtete, entgegnete dieser lediglich, er sei in Verhandlungen zu diesem Thema, gab jedoch keine Anweisungen, an der Etikettierung Änderungen vorzunehmen oder den Weinverkauf zu stoppen. Die Vermarktung der mit der beanstandeten Etikettierung ausgestatteten Weine wurde fortgesetzt (Bl. 352 ff). Nach dem 20. November 1997 wurden noch drei Weine gefüllt und wie üblich etikettiert (Bl. 22). C. wandte sich erneut an F, der sich telefonisch mit Staatssekretär X in Verbindung setzte. Dieser regte an, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen (Bl. 231 f), und versprach, er werde die Rechtslage im Ministerium derweil prüfen lassen (Bl. 261).

Am 24. November 1997 wandte sich der Beschuldigte C. mit einem per Telefax übermittelten Schreiben an Rechtsanwalt R., in dem Folgendes ausgeführt ist (Bl. 269 f):

"In der Zwischenzeit sind Schwierigkeiten mit der Firmenbezeichnung H Winzer eG insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass unter dieser Firmenbezeichnung u. a. auch - Zukaufwein - vermarktet wird, aufgetreten.

Zu Ihrer Information erhalten Sie als Anlage eine Aktennotiz vom 25.8.1997. In der Zwischenzeit hatten wir letzte Woche in GB wieder den Besuch des Weinkontrolleurs Herrn O. Herr O informiert, dass er im Laufe dieser Woche eine Bestandsliste der abgefüllten Bestände, die am Standort GWG Deutsches Weintor lagern, haben möchte und es uns untersagt wird, ab sofort weitere Weine aus - Zukauf - mit unserer Firmenbezeichnung abzufüllen.

Diese Firmenbezeichnung existiert seit GV-Beschluss vom 22.10.1992. Während dieser Zeit haben wir schon immer Weine aus Zukauf abgefüllt und vermarktet.

Nachdem die gleiche Problematik bei der WN eG ansteht, hat der zuständige Abteilungsleiter des Genossenschafsverbandes Frankfurt eV, Herr Dipl.-Kfm. F, vor ca. drei Wochen mit dem Ministerium, Herrn Staatssekretär X, ein Gespräch geführt, in dem unter anderem diese Sache besprochen wurde. Es wurde dabei ein gewisses "Stillhalteabkommen" vereinbart.

In jedem Falle müssen wir vermeiden, dass es uns untersagt wird, kurzfristig die Abfüllung mit Wein aus - Zukauf - einzustellen, da uns damit in weiten Teilen die Geschäftsgrundlage entzogen und uns ein hoher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.

Bitte rufen Sie kurzfristig heute noch Herrn C. an...

Gleichzeitig erteilen wir Ihnen hiermit den Auftrag, für unser Haus in dieser Angelegenheit das Mandat zu übernehmen."

Rechtsanwalt R. nahm daraufhin am 25. November 1997 telefonischen Kontakt zu dem Beschuldigten C. auf. Nach den Angaben des Rechtsanwalts R. in seinen schriftlichen Einlassungen vom 19. April 1999 (Bl. 312 ff) und vom 3. Januar 2000 (Bl. 383 ff) erklärte er C., die Rechtslage sei eindeutig. Das Wort "Winzer" in der Abfüllerbezeichnung von Zukaufweinen sei unzulässig, wobei es wegen der Alleinstellung im Abfüllernamen nicht einmal darauf ankomme, ob der Verbraucher irregeführt werde. Auf Frage gab C. an, es gehe um schätzungsweise 150.000 bis 200.000 Flaschen. Rechtsanwalt R. wies ihn weiter darauf hin, dass die Weinkontrolle sich möglicherweise an die Staatsanwaltschaft in Bad Kreuznach wenden werde. Wenn dies geschehe, würden die Flaschen wohl vorläufig sichergestellt. C. regte sich auf und fragte, was denn das Wort eines Staatssekretärs für einen Zweck habe, wenn sich die Staatsanwaltschaft nicht daran halte. Der Staatssekretär habe für die wirtschaftlichen Belange der Genossenschaften großes Verständnis gezeigt. Dann müsse eben eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden wie bei den Nahewinzern, die in derselben Situation seien. Dies sei jedoch mit hohen Kosten verbunden. Rechtsanwalt R. entgegnete, er solle gleichwohl auf dem schnellsten Weg die Ausnahmegenehmigung bei der Bezirksregierung beantragen. Dabei sei es zweckmäßig, wenn sich das Ministerium bei der Bezirksregierung für die Erteilung einsetze. Es müsse verhindert werden, dass die Staatsanwaltschaft von dem Sachverhalt Kenntnis erlange, da sich diese erfahrungsgemäß dafür einsetze, dass eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt oder gar wieder entzogen werde. Sollten die Weine weiterhin verkauft werden, ohne dass eine Ausnahmegenehmigung vorliege, sei die Weinkontrolle praktisch gezwungen, den Sachverhalt sofort der Staatsanwaltschaft mitzuteilen, damit diese einschreite. Wenn das passiere, sei alles zu spät. C. äußerte sich zuversichtlich, dass der Staatssekretär ihm weiterhin helfen werde. Gleichwohl werde er veranlassen, dass die Ausnahmegenehmigung schnellstmöglichst beantragt werde. Man sei bereits dabei, die Weine zu erfassen. Rechtsanwalt R. versprach, ihm alles noch einmal schriftlich zu geben.

Am 26. November 1997 teilte er C. Folgendes per Telefax Folgendes mit (Bl. 269 f):

"Auf Ihr Schreiben vom 25.11.1997 und unser kurzes Telefonat vom 25.11.1997 nehme ich Bezug.

Rechtlich ist nicht das Geringste machbar. Die Vorschrift in Art. 5 Abs. 3 VO (EWG) 3201/90 ist ganz eindeutig: Danach darf in einem Firmennamen das Wort "Winzer" nur verwendet werden für Weine, die selbst erzeugt sind. Ausnahmen sieht die Rechtsvorschrift nicht vor. Wie Sie geschrieben haben, handelt es sich hier in der Tat um ein Politikum, nämlich um die Benachteiligung der Winzergenossenschaften, die kein vernünftiges Marketing betreiben können, wenn sie nicht Mindermengen aus geringen Ernten anderweitig ausgleichen können.

Es bleibt hier nichts anderes übrig, als auf eine GmbH mit einem relativ neutralen Namen für die Vermarktung sämtlicher Genossenschaftsweine umzusteigen, eine Idee, die Sie persönlich ja bereits seit einiger Zeit verfolgen.

Selbstverständlich bin ich gerne bereit, Sie zu vertreten, zumal die Ermittlungen der Weinkontrolle ergeben haben, dass gegen die vorgenannte Bestimmung bereits verstoßen worden ist und notgedrungen weiterhin verstoßen wird, um nicht riesige Verluste erleiden zu müssen.

Sie müssen allerdings damit rechnen, dass die Sache in absehbarer Zeit an die Staatsanwaltschaft in Bad Kreuznach weitergeleitet werden wird. Dies wird zur Folge haben, dass von dort aus die nicht zutreffend bezeichneten Bestände beschlagnahmt werden.

Sie sollten also dafür sorgen, dass diese Bestände möglichst schnell abgebaut werden.

Es dürfte kaum damit zu rechnen sein, dass man auch bei Ihren Abnehmern die Bestände blockieren wird. Ausgeschlossen ist allerdings eine solche Handlungsweise auch nicht.

Wenn Sie es auf Ihren politischen Kanälen bewerkstelligen können, dass die Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft noch eine Zeitlang verzögert wird, damit Sie abverkaufen können, wäre schon viel gewonnen, allerdings auf die Gefahr hin, dass die strafrechtlichen Folgen gravierender sind.

Ich stehe gerne zu Rückfragen zur Verfügung."

Aufgrund dieses Schreibens entschloss sich der Beschuldigte C., Verkauf und Auslieferung der beanstandeten Zukaufweine nicht zu beenden. Zumindest bis zum 3. Dezember 1997 (Bl. 389, 390) wurden zugekaufte Weine weiterhin als Qualitätsweine mit der Abfüllerbezeichnung "H Winzer eG" an die Kunden, überwiegend Wiederverkäufer, ausgeliefert. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden die Auslieferungen auch nach dem 3. Dezember 1999 fortgesetzt. Vom 27. November 1997 bis zum 9. Januar 1998 sollen 48 verschiedene Weine, die zumindest teilweise Zukaufweine enthalten, mit mindestens 51.042 Flaschen (40,681 l) an Abnehmer gelangt sein (Bl. 352 f und BMO I und II).

Am 2. Dezember 1997 erschien der Weinkontrolleur G des Chemischen Untersuchungsamts S, der inzwischen von dem Chemischen Untersuchungsamt M in Kenntnis gesetzt worden war, bei der H Winzer eG in IH, wo er den Beschuldigten C. und dessen Mitarbeiter P antraf. Erst im Laufe des Gesprächs offenbarten diese, dass die Gebietswinzergenossenschaft Deutsches Weintor eG nicht nur Füllungen für die H Winzer eG durchführe, sondern C. auch Vorstandsvorsitzender dieser Genossenschaft sei. G machte auf die bezeichnungsrechtliche Problematik aufmerksam, wobei er zunächst den Eindruck gewann, das Problem sei bis dahin nicht bekannt gewesen. Im weiteren Verlauf der Unterredung sprach allerdings auch C. davon, dass die Bezeichnung möglicherweise unkorrekt sei; es habe dazu im zuständigen Ministerium "ein Gespräch auf höchster Ebene" gegeben, bei dem eine Art "Stillhalteabkommen" geschlossen worden sei, demzufolge zugekaufte Weine noch bis ins Jahr 1998 unter der bisher gebräuchlichen Bezeichnung vertrieben werden dürften (Bl. 335 ff).

Am selben Tag wurde ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung an die Bezirksregierung H-Pfalz in Neustadt (Bl. 18) vOereitet, in dem auf eine Bestandsliste vom 24. November 1997 (Bl. 10) Bezug genommen wird, die an beiden Standorten lagernde Bestände von insgesamt 123.350 Flaschen Zukaufwein ausweist.

Nachdem G die Sach- und Rechtslage nochmals geprüft hatte, begab er sich am 3. Dezember 1997 abermals nach IH, wo ihm P als Gesprächspartner zur Verfügung stand. G erklärte, alle Zukaufweine der H Winzer eG mit dem Wortbestandteil "Winzer" seien nicht verkehrsfähig, und sprach ein ausdrückliches "Verkaufsverbot" für diese Weine aus. Als er erfuhr, dass ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung bereits vOereitet sei, belehrte er P, dass eine etwaige Ausnahmegenehmigung keine Rückwirkung habe und "ab sofort ein Straftatbestand erfüllt" sei, wenn weiter abgefüllt und ausgeliefert werde (Bl. 102, 335 ff).

Am selben Tag erschien auch der Kontrolleur O des Chemischen Untersuchungsamts M am Geschäftssitz in GB und wies schriftlich darauf hin, dass die in der Bestandsliste vom 24. November 1997 enthaltenen 123.350 Flaschen Zukaufwein nicht verkehrsfähig seien (Bl. 58 BMH). K unterzeichnete den Hinweis und teilte dies dem Beschuldigten C. am selben Tag per Telefax mit (Bl. 158), der sich an diesem Tag jedoch auf Geschäftsreise befand. Ob das Vorstandsmitglied P am 3. Dezember 1997 die Sperrung der in der beanstandeten Weise etikettierten Weine angeordnet und der Verkaufsleiter BS mit seinen Mitarbeitern EG und LB Maßnahmen zur Umsetzung dieser Anordnung getroffen haben (vgl. die erstmals mit Schriftsatz vom 3. Januar 2000 vorgelegten Erklärungen der Zeugen BS und EG vom 29. Dezember 1999; Bl. 389), ist bisher nicht Gegenstand der Ermittlungen gewesen.

Am 4. Dezember 1997 wurde per Telefax ein auf den 2. Dezember 1997 datierter Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung (Bl. 18) an die zuständige Bezirksregierung übermittelt, der auf eine Bestandsliste der an beiden Standorten gelagerten Zukaufweine vom 4. Dezember 1997 (194.498 Flaschen) Bezug nimmt (Bl. 23 ff). In dem Begleitschreiben vom 4. Dezember 1997 (Bl. 19) wurde darauf hingewiesen, dass die Ausnahmegenehmigung von existenzieller Bedeutung sei, da ansonsten in Kürze Insolvenzantrag gestellt werden müsse. Der Antrag wurde durch ein Schreiben des Genossenschaftsverbandes vom selben Tag unterstützt, in dem auf das laufende Weihnachtsgeschäft, bestehende Verpflichtungen und die angespannte wirtschaftliche Situation der Genossenschaft hingewiesen wurde (Bl. 113 ff).

Nach telefonischer Rücksprache mit dem Beschuldigten C. am 4. Dezember 1997 (Bl. 20) bat die Bezirksregierung das Wirtschaftsministerium am selben Tag um Mitteilung, ob einer Ausnahmegenehmigung zugestimmt werde, obwohl ihres Erachtens die Voraussetzungen nicht vorlägen (Bl. 112). Auch wandte sich der Genossenschaftsverbandsmitarbeiter F auf Bitten des Beschuldigten C. noch einmal an Staatssekretär X (Bl. 231 f, 261).

Parallel zu diesen Bemühungen, über die "politische Schiene" eine Ausnahmegenehmigung zu erlangen, wurden innerhalb der H Winzer eG seit langem bestehende Pläne zur Gründung einer Vertriebs-GmbH mit weinrechtlich unbedenklicher Unternehmensbezeichnung forciert. Rechtsanwalt R. teilte dem Beschuldigten am 5. Dezember 1997 schriftlich mit, dass die drei alternativ zur Diskussion stehenden Firmierungen (H-Wein Vertriebs GmbH, Weinland H GmbH und WVG Wein-Vertriebsgesellschaft H) nach seiner Auffassung firmen- und weinrechtlich unbedenklich seien (Bl. 45 f BMH). Am selben Tag legte C. die zur Diskussion stehenden Unternehmensbezeichnungen der Bezirksregierung vor, die für "sämtliche neuen Abfüllungen aus Zukauf" Verwendung finden sollten (Bl. 47 f BMH); in einem Schreiben an den Genossenschaftsverband sprach er die Hoffnung aus, dass die Bemühungen um Abhilfe bei Neufüllungen von Zukaufweinen sich positiv bei der Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung auswirken würden (Bl. 49 f BMH).

Mit Schreiben vom 8. Dezember 1997 wurde der Antrag auf Ausnahmegenehmigung geringfügig modifiziert, indem auf eine in den Mengen unwesentlich abweichende Bestandsliste vom 8. Dezember 1997 Bezug genommen wurde.

Am 9. Dezember 1997 bat das Wirtschaftsministerium die Bezirksregierung um Mitteilung der Gründe, die einer Ausnahmegenehmigung entgegenstehen (Bl. 115). Diese beantwortete das Schreiben am selben Tag (Bl. 16 f). Am 12. Dezember 1997 fand eine telefonische Besprechung zwischen Staatssekretär X und dem Regierungspräsidenten H-Pfalz statt. Nachdem das Wirtschaftsministerium mit Schreiben an die Bezirksregierung vom 15. Dezember 1997 erklärt hatte, dass es deren Auffassung, wonach eine Ausnahmegenehmigung nicht in Betracht komme (Bl. 119), teile, fragte die Bezirksregierung am selben Tag schriftlich bei der H Winzer eG an, ob der aussichtslose Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zurückgenommen werde, um die im Falle einer Antragsablehnung entstehenden erheblichen Gebühren zu vermeiden. Dabei wies die Bezirksregierung darauf hin, dass auch eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 2 Abs. 1 WeinÜbVO nicht in Betracht komme. Eine unbillige Härte liege mit Rücksicht auf die Uneinsichtigkeit des Verantwortlichen C., der trotz bereits im April 1996 erlangter Kenntnis von der Unzulässigkeit der Verwendung des Begriffs "Winzer" in der Etikettierung von Zukaufweinen nicht für Abhilfe gesorgt habe, nicht vor (Bl. 30 f).

Am 16. Dezember 1997 teilte der Beschuldigte C. dem Direktor des Genossenschaftsverbandes RT Folgendes mit (Bl. 60 f BMH):

"Der Antrag auf diese Ausnahmegenehmigung war in der Endphase hochpolitisch...

Es bringt uns mit Sicherheit nicht weiter, gegen diesen ablehnenden Bescheid in irgendeiner Form juristische Maßnahmen zu unternehmen, da wir, selbst wenn wir dies tun, nach wie vor diese Weine nicht in Verkehr bringen können.

Oberste Priorität ist die kurzfristige Wiederherstellung der Lieferfähigkeit, um weiter Umsatzausfälle, die wir nunmehr im Dezember doch in erheblichem Umfange feststellen müssen, sowie Auslistungen bei Kunden zu vermeiden...

In der Zwischenzeit haben wir bereits vier umsatzstarke Weine unter der neuen Firmenbezeichnung - Weinland H Weinvertriebsgesellschaft mbH - abgefüllt...

Unabhängig davon haben wir seit gestern, 15.12.97, mit dem Aufzug von zwei Partien begonnen...

Beginnend ab Montag, 5.1.1998, werden wir eine halbautomatische Aufzugsanlage mit einer Stundenleistung von ca. 2000 Flaschen zum weiteren Aufzug der Weine einsetzen..."

Mit Schreiben vom 17. Dezember 1997 nahm C. den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zurück (Bl. 55). Davon setzte er Rechtsanwalt R. in Kenntnis. Diesem teilte er auch mit, dass der Weinkontrolleur G am 3. Dezember 1997 ein Verkaufsverbot ausgesprochen habe (Bl. 314).

Als G am 14. Januar 1998 nochmals im Betrieb in IH vorsprach, wurde ihm mitgeteilt, dass seit dem 6. Januar 1998 mit dem Aufziehen der betroffenen Partien begonnen worden sei. Er stellte fest, dass tatsächlich beträchtliche Mengen aufgezogen wurden. Sie wurden anschließend neu gefüllt und mit der Angabe der neu gegründeten Vermarktungsgesellschaft als Abfüller ausgestattet.

2.

Rechtsanwalt R. macht geltend, sein Schreiben vom 26. November 1997 gebe seine Aussagen aus dem Telefonat vom Vortag zum Teil missverständlich wieder. Dies sei auf ein unkonzentriertes Diktat zurückzuführen. Aus dem Kontext mit dem Schreiben seines Mandanten vom 24. November 1997 und dem Telefonat vom Vortag ergebe sich, "dass das schnelle Abbauen der Bestände nur auf der Grundlage der Ausnahmegenehmigung (habe) erfolgen" sollen (Bl. 385) und die von dem Beschuldigten "angesprochenen politischen Kanäle ihm dazu (hätten) verhelfen sollen, die Angelegenheit jedenfalls solange im Bereich der Verwaltung zu halten, bis die Genehmigung erteilt" sei (Bl. 385). C. habe ihm nach der am 17. Dezember 1997 erfolgten Rücknahme des Antrags auf Ausnahmegenehmigung mitgeteilt, dass man sich entschlossen habe, 195.000 Flaschen Zukaufwein aufzuziehen, neu zu füllen und neu auszustatten. Er gehe daher davon aus, dass nach dem 26. November 1997 von den fehlerhaft etikettierten Weinen nichts mehr ausgeliefert worden sei. Im Übrigen scheide Anstiftung oder Beihilfe auch deshalb aus, da es an einer rechtswidrigen Haupttat des Beschuldigten C. fehle.

Der erstmals mit Schriftsatz vom 3. Januar 2000 unternommene, in der mündlichen Verhandlung fortgesetzte Versuch des Verteidigers, sein Schreiben vom 26. November 1997 umzuinterpretieren, überzeugt den Senat nicht. Die Empfehlung des Verteidigers, "diese Bestände" möglichst schnell abzubauen, kann nicht den Sinn gehabt haben, den er ihr jetzt beilegen möchte:

Mit "diesen Beständen" war, das wird auch von ihm nicht in Abrede gestellt, der wegen vorschriftswidriger Etikettierung verkehrsunfähige Wein gemeint. Der Abbau dieser Mengen sollte erfolgen, um sie vor einer drohenden Beschlagnahme zu bewahren. Das ergibt sich unmissverständlich - und insoweit auch vom Verteidiger nicht in Frage gestellt - aus dem Kontext der Absätze 5, 6 und 7. Weine, für die eine Ausnahmegenehmigung vorgelegen hätte (und die dadurch verkehrsfähig geworden wären), hätten jedoch nicht mehr beschlagnahmt werden können. Auch der Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen (Abs. 8) bezog sich auf eben diesen (zur Beschlagnahme-Vermeidung empfohlenen) Abverkauf der nicht verkehrsfähigen Weine; um dafür Zeit zu gewinnen, sollte "die Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft noch eine Zeitlang verzögert" werden - "allerdings auf die Gefahr hin, dass die strafrechtlichen Folgen gravierender" würden. Gerade der Hinweis auf die mit einem solchen Vorgehen verbundene Gefahr erhöhter Strafbarkeit macht deutlich, dass es nicht um den beschleunigten Abverkauf eines durch Ausnahmegenehmigung legalisierten, sonderen eines nach wie vor illegalen Weines ging. Die Ausführungen des Verteidigers vom 26. November 1997 sind weder missverständlich noch auslegungsfähig; sie sind eindeutig. Der ihrem objektiven Erklärungswert entgegenstehende Umdeutungsversuch ist ernsthaft nicht vertretbar.

Auch die Anhörung des Beschuldigten C. hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dieser die damaligen Ausführungen seines Verteidigers anders verstanden hätte. Im Hinblick auf die spätere Beantragung einer Ausnahmegenehmigung habe er sich, so C. in der mündlichen Verhandlung, für berechtigt gehalten, die Auslieferung der falsch etikettierten Weine solange weiterlaufen zu lassen, wie ihm "nichts Schriftliches" - im Sinne eines definitiven Verkaufsverbots - vorgelegen habe und die Weine auch nicht beschlagnahmt seien; wenn die Weitervermarktung tatsächlich strafbar gewesen wäre, hätte man wohl nicht gezögert, die Weine zu beschlagnahmen. Vorliegende Bestellungen seien deshalb bis zum 3. Dezember 1997 ganz normal weiterbearbeitet und ausgeliefert worden.

Damit steht fest - was C. im ersten Absatz seines Schreibens vom 1. Juli 1999 (Bl. 344) noch in Frage gestellt hatte -, dass die Vermarktung der falsch etikettierten Weine jedenfalls bis zum 3. Dezember 1997 unvermindert fortgesetzt wurde. Dies deckt sich mit dem bisherigen Ermittlungsergebnis. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz hat die beschlagnahmten Unterlagen über Einkauf, Herstellung, Abfüllung und Vermarktung der mit der Abfüllerangabe "H Winzer eG" ausgestatteten Erzeugnisse überprüft und ausgewertet. Nach dem vorläufigen Ermittlungs- und Auswertungsbericht des PHM Deck vom 20. Juli 1999 wurden dabei anhand der Anträge auf Zuteilung einer amtlichen Prüfnummer sämtliche 107 Weine, die Zukäufe enthielten, überprüft. Zu jedem Wein wurden die eindeutig zuzuordnenden Weinkonten, Abfüllmeldungen und Verkaufsrechnungen systematisch geordnet. Nach vorläufiger Auswertung sollen im Zeitraum vom 27. November 1997 bis zum 9. Januar 1998 mindestens 51.042 Flaschen (40.681 l) Wein mit der Abfüllerangabe "H Winzer eG" ausgeliefert worden sein (Bl. 352 ff, BMO I und II). Ob dies in vollem Umfang zutrifft, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang. Selbst wenn nach Zugang des Schreibens vom 26. November 1997 geringere Mengen und nach dem 3. Dezember 1997 keine falsch etikettierten Weine mehr ausgeliefert worden wären, bliebe die rechtliche Beurteilung gleich.

3.

Aus dem zu II. 1. dargelegten Sachverhalt folgt eine Strafbarkeit des Verteidigers Rechtsanwalt R. wegen Beteiligung an den von dem Beschuldigten C. in der Zeit vom 27. November 1997 bis 3. Dezember 1997, wahrscheinlich sogar bis zum 9. Januar 1998 begangenen Verstößen gegen §§ 49 Nr. 6 WeinG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EG-Recht DurchsetzungsVO, Art. 44 Abs. 1 UAbs. 1, Art. 40 Abs. 1 UAbs. 1 (1. Spiegelstrich), Art. 11 Abs. 1 lit. d (1. Spiegelstrich) der VO (EWG) Nr. 2392/89 (Weinbezeichnungsverordnung), Art. 5 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 3 UAbs. 1 (2. Spiegelstrich) der VO (EWG) Nr. 3201/90 (Bezeichnungs-VO AVO).

a) Der Beschuldigte C. hat auch in diesem Zeitraum entgegen einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft ein Erzeugnis im Sinne des Weingesetzes mit irreführenden Bezeichnungen in den Verkehr gebracht (§ 49 Nr. 6 WeinG).

aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 51 WeinG ergangenen EG-Recht DurchsetzungsVO vom 9. Mai 1995 wird nach § 49 Nr. 6 des Weingesetzes unter anderem bestraft, wer entgegen Art. 44 Abs. 1 UAbs. 1 der VO (EWG) Nr. 2392/89 Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete in der Gemeinschaft zum Verkauf vorrätig hält, in den Verkehr bringt oder ausführt. Nach Art. 44 Abs. 1 UAbs. 1 der VO (EWG) Nr. 2392/89 dürfen Erzeugnisse, deren Bezeichnung oder Aufmachung nicht den Vorschriften dieser Verordnung oder den diesbezüglichen Durchführungsbestimmungen entspricht, in der Gemeinschaft weder zum Verkauf vorrätig gehalten noch in den Verkehr gebracht noch ausgeführt werden. Art. 40 Abs. 1, UAbs. 1 (1. Spiegelstrich) derselben Verordnung bestimmt, dass die Bezeichnung und Aufmachung der Erzeugnisse, für die die Verordnung gilt, nicht falsch oder geeignet sein dürfen, Verwechslungen oder eine Irreführung von Personen, an die sie sich richten, hervorzurufen, insbesondere hinsichtlich in Art. 11 geregelter Angaben. Nach Art. 11 Abs. 1 lit. d (1. Spiegelstrich) muss die Etikettierung bei Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete im Falle von Behältnissen mit einem Nettovolumen bis zu 60 l den Namen oder Firmennamen des Abfüllers sowie der Gemeinde und des Ortsteils sowie des Mitgliedstaates, in der oder in dem er seinen Hauptsitz hat, enthalten. Dabei kann nach Abs. 2 lit. q (1. und 2. Spiegelstrich) die Etikettierung durch den Vermerk ergänzt werden, dass der Wein in einem Weinbaubetrieb, in dem die für diesen Wein verwendeten Trauben geerntet und zu Wein bereitet wurden, oder in einem Zusammenschluss von Weinbaubetrieben, sofern der betreffende Wein von den Weinbaubetrieben dieses Zusammenschlusses oder dem Zusammenschluss selbst aus Trauben oder Traubenmosten bereitet worden ist, die in den betreffenden Weinanbaugebieten erzeugt worden sind. Die VO (EWG) Nr. 3201/90 (Bezeichnungs-VO AVO) vom 16. Oktober 1990, bei der es sich um eine der in Art. 44 Abs. 1 der Bezeichnungsverordnung genannten Durchführungsverordnungen handelt, enthält in Art. 5 nähere Bestimmungen zur Angabe des Namens oder des Firmennamens des Abfüllers nach Art. 11 Abs. 1 lit. d. Nach Abs. 1 jener Bestimmung ist der Name und der Firmenname des Abfüllers durch die Begriffe "Abfüller" oder "abgefüllt durch..." zu ergänzen. Dabei darf nach Abs. 3, UAbs. 1 (2. Spiegelstrich) der auf dem Etikett angegebene Name oder Firmenname einer Person oder Personenvereinigung nach Abs. 1 die Begriffe "Weingut", "Weingutsbesitzer", "Winzer" und "Weinbau" oder andere ähnliche Begriffe, die sich auf einen landwirtschaftlichen Betrieb beziehen, nur dann enthalten, wenn das Erzeugnis ausschließlich aus Trauben gewonnen wurde, die aus Weinbergen des durch einen dieser Begriffe bezeichneten Weinbaubetriebs oder des Weinbaubetriebs der durch einen dieser Begriffe bezeichneten Personen stammen, und die Weinbereitung in diesem Betrieb erfolgt ist.

Die H Winzer eG hatte entgegen dieser Bestimmung Etikette von Zukaufweinen mit der Angabe "Abfüller H Winzer eG" ausgestattet. Diese Bezeichnung war irreführend. Die Verwendung des Begriffs "Winzer" in der erforderlichen Angabe des Firmennamens des Abfüllers suggeriert dem Verbraucher, es handele sich nicht um einen Fremdwein, der von der Genossenschaft nur vermarktet wird, sondern um eine Erzeugerabfüllung. Nähere Feststellungen zur Verbrauchererwartung sind entbehrlich, da diese durch Rechtsvorschrift bestimmt bzw. eingeengt ist. Art. 5 Abs. 3 VO (EWG) 3201/90 ist allgemein verbindlich. Sollte der "Durchschnittsverbraucher" eine andere Vorstellung haben oder sogar Verbotenes für erlaubt halten, dann ist dies ebenso unbeachtlich wie ein eventuell andersartiger "Handelsbrauch" (BGH NJW 1961, 1978; OLG Koblenz LRE 5, S. 384, 385; Koch, WeinR, "Irreführungsverbot", 5.3.1 und 6 m.w.N.). Dies gilt zumindest so lange, wie sich die Verkehrsanschauung nicht über Jahre hinweg nachhaltig entgegen einer Gesetzesnorm entwickelt hat, durch die eine frühere Verkehrsauffassung standardisiert worden war (VerwG München ZLR 1997, 677, 684). Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.

Der Gesetzgeber hat dem Grundsatz absoluter Bezeichnungswahrheit Vorrang eingeräumt vor dem Grundsatz der Firmenwahrheit, soweit es sich um die Etikettierung abgefüllter Fremderzeugnisse handelt. Den Verbraucher vor Täuschungen über die Herkunft des angebotenen Produkts zu bewahren, erschien ihm wichtiger als eine Information über den registrierten Firmennamen (Koch, a.a.0. "Weingut" 7.1). Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 (2. Spiegelstrich) der Verordnung Nr. 3201/90 verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Beschränkung des Firmengebrauchs verkürzt nicht grundrechtlich geschütztes Eigentum in seinem Wesensgehalt, sondern stellt lediglich eine zulässige gesetzliche Schranke des Eigentumsgebrauchs dar, die dem Verbraucherschutz dient. Die Regelung verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerwG ZLR 1988, 62).

Die unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EWG) Nr. 3201/90 etikettierten Zukaufweine waren somit gemäß Art. 44 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2392/89 und der im entscheidenden Punkt inhaltsgleichen Vorschrift des § 27 Abs. 1 WeinG nicht verkehrsfähig.

bb) Ihre Verkehrsfähigkeit ist auch nicht durch eine - von dem Beschuldigten C. behauptete - "Duldung" des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz hergestellt worden. Eine solche ist im Gesetz nicht vorgesehen und auch nicht ausgesprochen worden. Selbst nach den Angaben des Zeugen F sind keine Zusagen für ein Nichteinschreiten der Weinkontrolleure gemacht worden. Da gesetzliche Bestimmungen nicht zur Disposition der Exekutive stehen, würde eine derartige Zusage auf die grundsätzliche Strafbarkeit auch ohne Einfluss bleiben. Sie könnte nur bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden.

cc) Gemäß § 2 Abs. 1 WeinÜbVO besteht allerdings die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für ein vorschriftswidriges und damit verkehrsunfähiges Erzeugnis, um bei gesundheitlicher Unbedenklichkeit und geringer Abweichung von den geltenden Vorschriften eine unbillige Härte im Einzelfall zu vermeiden. Die H Winzer eG hat jedoch am 17. Dezember 1997 ihren am 14. desselben Monats gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zurückgenommen, nachdem die zuständige Bezirksregierung zutreffend darauf hingewiesen hatte, dass von einer unbilligen Härte nicht ausgegangen werden könne, weil die bezeichnungsrechtliche Problematik dem Beschuldigten C. seit April 1997 bekannt gewesen sei und er keine Abhilfe geschaffen habe.

dd) Die Verkehrsfähigkeit ist - entgegen der Auffassung des Verteidigers - auch nicht durch die Zuteilung der amtlichen Prüfungsnummer für die Zukaufweine hergestellt worden. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 WeinÜbVO, der auch auf die dem EG-Recht unterliegenden Erzeugnisse anwendbar ist (OLG Koblenz ZLR 1998, 348, 351), dürfen Erzeugnisse, denen eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt worden ist und die mit den vorgeschriebenen und zugelassenen Angaben, soweit diese Gegenstand des Prüfungsverfahrens waren, versehen sind, abweichend von § 27 Abs. 1 des Weingesetzes in den Verkehr gebracht werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Erzeugnis von gesundheitlich bedenklicher Beschaffenheit ist oder die Bezeichnung, sonstige Angaben oder Aufmachungen, soweit sie nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens waren, nicht den Vorschriften der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, des Weingesetzes oder den aufgrund des Weingesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 WeinG).

Das Verfahren der Zuteilung der amtlichen Prüfnummer und sein Gegenstand sind in §§ 19 und 20 WeinG i.V.m. Art. 13 VO (EWG) Nr. 823/97, §§ 21 - 26 und Anlage 9 und 10 WeinVO 1995 und in einer Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 1996 geregelt. Danach handelt es sich um eine Qualitätsprüfung des Weines als solchem, d.h. des Inhalts der Flasche:

Gemäß § 19 Abs. 1 WeinG darf abgefüllter inländischer Wein als Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete oder Qualitätswein nur bezeichnet werden, wenn ihm eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt worden ist. Dies setzt nach Abs. 3 der Bestimmung voraus, dass der Wein die für dieses Erzeugnis typischen Bewertungsmerkmale aufweist und den Vorschriften der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, des Weingesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen entspricht. Die amtliche Prüfnummer ist auf den Behältnissen anzugeben. Ein Prädikat wird dem Wein zuerkannt, wenn er die für dieses Prädikat typischen Bewertungsmerkmale aufweist und den gesetzlichen Bestimmungen entspricht (§ 20 Abs. 2 WeinG). Die auf Grundlage des § 21 WeinG erlassene Weinverordnung 1995 enthält nähere Bestimmungen zur Qualitätsprüfung. Nach § 21 WeinVO wird einem Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete eine Prüfungsnummer zugeteilt, wenn der Traubenmost oder die Maische den für den jeweiligen Wein vorgeschriebenen natürlichen Mindestalkoholgehalt aufgewiesen hat, er in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist, der nach § 15 Abs. 2 erhöhte Alkoholgehalt bestimmte Grenzwerte nicht übersteigt und, soweit er als Qualitätswein garantierten Ursprungs bezeichnet werden soll, die für dieses Erzeugnis typischen Bewertungsmerkmale aufweist und dem in § 18 Abs. 1 des Weingesetzes genannten einheitlichen Geschmackstyp entspricht.

Neben der Prüfung der Formalien der Antragstellung nach § 22 WeinVO 1995 (Antragsberechtigung, Verwendung des vorgeschriebenen Formblattes mit Angaben hinsichtlich Prüfungsbehörde, beantragter Prüfungsnummer, Antragsteller, beantragter Bezeichnung des Erzeugnisses - Jahrgang, Anbaugebiet, Gemeinde, Lage, Weinort, Rebsorte, beantragter Qualitätsbezeichnung -, Zusammensetzung des Erzeugnisses - natürlicher Alkoholgehalt, Verschnittanteile, Art und Ausmaß der Anreicherung, Anteil und Ausmaß etwaiger Süßung -, Weinnummer, Gesamtmenge und abgefüllte Menge der Weinnummer, Abfülldatum und etwaiger wiederholter Antragstellung, Einreichen einer Probe von drei Flaschen) und des Untersuchungsbefundes eines zugelassenen Labors nach § 23 WeinVO 1995 veranlasst die zuständige Stelle eine Sinnenprüfung (§ 24 WeinVO 1995). Weist ein Wein die für ihn typischen Bewertungsmerkmale nicht auf oder ist er in Aussehen, Geruch oder Geschmack nicht frei von Fehlern und ist dies auch künftig nicht zu erwarten, so erfolgt zusammen mit der Ablehnung der Erteilung der Prüfungsnummer eine Herabstufung gemäß § 24 Abs. 2 WeinVO. Weist er die Merkmale einer Prädikatsstufe nicht auf, so kann eine andere Einstufung als die beantragte vorgenommen werden (§ 24 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 WeinVO 1995). Nichts anderes ist Gegenstand des amtlichen Prüfungsverfahrens.

Die Rechtsscheinwirkung nach § 1 Abs. 3 WeinÜbVO kann sich naturgemäß nur auf Angaben erstrecken, die sich unmittelbar auf den Gegenstand der Prüfung beziehen und deren Übereinstimmung mit ihm, insbesondere hinsichtlich Beschaffenheit des Weins nach Qualitätsstufe, geografischer Herkunft, Rebsorte und Jahrgang, analytisch und sensorisch überprüfbar ist (Koch a.a.0. "Qualitätsprüfung" 6.2.2.2 und 9.1). Gesetzwidrige Angaben und Bezeichnungen (insbesondere solche, die überhaupt, in der benutzten Schreibweise oder Ähnlichem unzulässig sind) werden vom Rechtsschein der amtlichen Prüfungsnummer nicht erfasst. Wegen der Gefahr, dass einem Wein keine amtliche Prüfungsnummer erteilt wird oder seine Prädikatsstufe vom Antrag abweichend festgestellt wird, werden die Etiketten in der Regel erst nach Zuteilung der amtlichen Prüfungsnummer gestaltet. Deshalb wird das Etikett in vielen Fällen der Prüfungsbehörde auch noch gar nicht vorliegen. Seine gesamte Aufmachung scheidet - unabhängig von der ohnehin hierfür fehlenden Zuständigkeit der Prüfungsbehörde - als Gegenstand der mit der Prüfnummererteilung verbundenen Qualitätsprüfung aus. Die Gestaltung der Etikettierung bleibt in der alleinigen Verantwortung des Vermarkters (Koch a.a.0. "Qualitätsprüfung" 6.2.2.2 und 9.1). Ist sie gesetzwidrig, so ist das Erzeugnis trotz erteilter amtlicher Prüfungsnummer verkehrsunfähig. Diese Rechtsauffassung wird auch vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz in seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 1999 (Bl. 372 f) vertreten.

Nach der schriftlichen Erklärung des Zeugen P vom 28. Dezember 1999 (Bl. 410) wurden die Weine der H Winzer eG der Prüfungsbehörde vorgestellt, nachdem sie bereits etikettiert worden waren. Ferner wurde in den Anträgen auf Zuteilung der amtlichen Prüfungsnummer für Zukaufweine in der Rubrik "Abfüller oder Erzeugerabfüller" jeweils vermerkt, dass die H Winzer eG Abfüller sei. Dadurch wird der Prüfungsumfang jedoch nicht beeinflusst. Es handelt sich um Angaben, die nicht als Bestandteil der Qualitätsprüfung geprüft werden. Soweit sich den Anträgen und dem Etikett die Abfüllerbezeichnung entnehmen lässt, ist diese nur im Zusammenhang mit der Antragsberechtigung von Bedeutung. Die Angabe wird daher nicht als Gegenstand der Qualitätsprüfung, sondern nur bei dieser Gelegenheit (vgl. Koch, a.a.0., "Qualitätsprüfung" 6.2.2.2) geprüft.

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in Prüfungsbescheiden (vgl. Bl. 358) gelegentlich die amtliche Prüfungsnummer mit der "Auflage" erteilt, in der Etikettierung den Abfüller anzugeben, ohne dabei die Begriffe "Weingut", "Weinbau" oder ähnliche auf einen Weinbaubetrieb hinweisende Begriffe zu verwenden. Für derartige "Auflagen" fehlt ihr bereits die Zuständigkeit. Nach der Auskunft der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 1999 werden solche "Hinweise" in Prüfungsbescheiden erteilt, wenn die vorgenannten Begriffe Bestandteil der Firmierung sind, es sich um Betriebe handelt, die nur wenige Weine zur Qualitätsprüfung vorstellen und deshalb eine unzureichende Kenntnis der weinrechtlichen Bestimmungen zu befürchten ist (Bl. 372 f). Daraus ergibt sich, dass die Landwirtschaftskammer den Hinweis nur aus Gründen der Fürsorge gegenüber bestimmten Betrieben erteilt, die erfahrungsgemäß nicht über im Weinrecht geschulte Mitarbeiter verfügen.

ee) Auch wenn dem Beschuldigten C. nicht nachgewiesen werden kann, auf die Erfüllung von Bestellungen und den Abschluss weiterer Kaufverträge gezielt Einfluss genommen zu haben, ist er Täter eines Verstoßes gegen § 49 Nr. 6 WeinG. Zwar erfolgten die das Inverkehrbringen des Weines im Sinne des § 2 Nr. 18 WeinG auslösenden Handlungen des Anbietens, Vorrätighaltens zum Verkauf und des Abgebens durch Auslieferungen nicht bzw. nicht nachweislich auf seine direkten Anweisungen oder konkreten Einwirkungen hin. Vielmehr veranlassten der Verkaufsleiter BS bzw. ihm nachgeordnete Angestellte die Auslieferung im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs von sich aus. C. hat das Inverkehrbringen jedoch dadurch bewirkt, dass er nicht nur im April 1996, sondern jeweils auch nach den am 9. Juni, 7. August, 20. und 26. November 1997 erfolgten, konkreten Beanstandungen bzw. Hinweisen auf die Rechtslage erneut den Entschluss gefasst hat, die Vermarktung trotz Kenntnis von der fehlenden Verkehrsfähigkeit der Zukaufweine im bisherigen Umfang weiterlaufen zu lassen. Durch das generelle (konkludente) Anhalten der zuständigen Mitarbeiter zum Verkauf und zur Auslieferung der von der Genossenschaft abgefüllten Weine hat er diesen Entschluss in die Tat umgesetzt (BGH WiStra 1998, 177 und bei Achenbach, NStZ 1998, 560; siehe auch BGH NStZ 1998, 569). Er hatte, wie auch der gesamte Schriftwechsel belegt, als Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung.

Nach den in der Rechtsprechung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Hintermannes entwickelten Grundsätzen, die auch bei unternehmerischer Betätigung gelten, kommt als Täter kraft Tatherrschaft auch derjenige in Betracht, der durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, die regelhafte Abläufe auslösen, welche ihrerseits zu der von dem Hintermann erstrebten Tatbestandsverwirklichung führen, ohne dass es auf die Gut- oder Bösgläubigkeit des unmittelbar Handelnden ankommt (BGHSt 40, 218, 236 ff = NStZ 1994, 537; BGH NStZ 1998, 568 f; BGH WiStra 1998, 177). Eine eigenhändige Beteiligung an der tatbestandlichen Ausführungshandlung setzt die Annahme täterschaftlicher Beteiligung durch aktives Tun nicht voraus (BGH NStZ 1998, 569 m.w.N.). Die Frage einer Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen und einer Garantenstellung stellt sich damit nicht (BGH NStZ 1998, 569).

Mit jedem neuen Tatentschluss begann eine weitere Tat des Inverkehrbringens (vgl. BGH NStZ 1998, 569 ff).

ff) Der Beschuldigte C. handelte auch vorsätzlich. Ihm war der Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 (2. Spiegelstrich) der Verordnung (EWG) 3201/90 seit April 1996 bekannt. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung wusste er, dass die Zukaufweine wegen irreführender Angaben auf dem Etikett verkehrsunfähig waren und daran auch Verhandlungen mit dem Ministerium nichts ändern konnten. In dem Schreiben des Verteidigers vom 26. November 1997 wurde ihm dies nochmals vor Augen geführt.

b) Tateinheitlich zum Verstoß gegen § 49 Nr. 6 WeinG ist zumindest versuchter Betrug (§§ 263, 22, 23 StGB) gegeben. Auch insoweit gelten die oben zur Täterschaft dargelegten Grundsätze. Zu den jeweils auf denselben Tatentschlüssen wie die Vergehen nach § 49 Nr. 6 WeinG beruhenden versuchten Betrugstaten wurde unmittelbar angesetzt. Mit dem Verkauf der Qualitätsweine wurde gegenüber den Kunden der H Winzer eG, bei denen es sich überwiegend um Wiederverkäufer handelte, konkludent auch eine Erklärung zur Verkehrsfähigkeit der Weine abgegeben. Inhalt dieser Erklärung war die Behauptung, die Voraussetzungen für die Verkehrsfähigkeit lägen vor, obwohl, wie der Beschuldigte wusste, das nach den zur Tatzeit geltenden Vorschriften nicht der Fall war (OLG Koblenz ZLR 98, 348 ff) und die Gefahr der jederzeitigen Beschlagnahme bestand. Er handelte dabei auch mit Betrugsvorsatz. Bei den Kunden sollte ein entsprechender Irrtum erregt werden, um sie dadurch zu veranlassen, für die infolge fehlender Verkehrsfähigkeit minderwertigen Erzeugnisse den einem vorschriftsmäßig etikettierten, verkehrsfähigen Wein entsprechenden Kaufpreis zu zahlen. Ob die Abnehmer den Mangel der gelieferten Weine erkannt haben oder ihnen deren Wert gleichgültig war (vgl. BGH NJW 1995, 2933 f; Koch, a.a.0. "Strafe und Bußgeld" 11.1.1), ist bisher nicht ermittelt worden. Eine Vollendung der Tat kann daher zur Zeit nicht festgestellt werden.

c) Rechtsanwalt R. ist hinreichend verdächtig, dem Beschuldigten C. durch sein Schreiben vom 26. November 1997 zu der nach Erhalt desselben begangenen Tat zumindest psychische Beihilfe geleistet zu haben (§ 27 StGB).

Nach den bisher geführten Ermittlungen hat der Verteidiger durch den Rat, die mit der unzulässigen Abfüllerangabe versehenen Weinbestände möglichst schnell durch "Abverkauf" abzubauen, bevor die Staatsanwaltschaft Kenntnis erlange und die Weine beschlagnahme, bestärkend, möglicherweise sogar verursachend auf den Beschuldigten C. eingewirkt, weiterhin gegen § 49 Nr. 6 WeinG zu verstoßen und tateinheitlich einen versuchten Betrug zu begehen.

Zwar hat der Verteidiger den Nachteil weiterer Abverkäufe (Gefahr der straferhöhenden Wirkung) nicht unerwähnt gelassen. Dies erfolgte jedoch wiederum in Verbindung mit dem relativierenden Hinweis, dass mit einer Verlängerung der Zeitspanne für den Abverkauf dennoch "viel gewonnen" wäre. Diesen "Gewinn" hat der Verteidiger dem Beschuldigten anhand zweier alternativer Szenarien verdeutlicht, von denen er das eine als zwangsläufige Folge eines sofortigen Verkaufsstopps und das andere als höchstwahrscheinliche Folge einer möglichst noch beschleunigten Fortsetzung der Abverkäufe darstellte:

- Im Falle des Verkaufsstopps: Ermöglichung des unweigerlich zu erwartenden Beschlagnahmezugriffs der Staatsanwaltschaft auf die gesamten bei der Genossenschaft lagernden Bestände und damit die Realisierung "riesiger Verluste";

- im Falle der Fortsetzung (und möglichst noch Forcierung) der Abverkäufe: Minimierung der dem Beschlagnahmerisiko unterliegenden Bestände bei der Genossenschaft und ihre Verlagerung zu den Abnehmern, bei denen - nach seiner anwaltlichen Erfahrung - mit einer Beschlagnahme ("Blockierung der Bestände") durch die Staatsanwaltschaft "kaum zu rechnen" sei.

Der Verteidiger hat damit die Handlungsalternative "Schadensmaximierung mit mäßigem Bestrafungsrisiko" der Handlungsalternative "Gewinnmaximierung mit erhöhtem Bestrafungsrisiko" gegenübergestellt. Gegen eine solche Situationsanalyse in Verbindung mit einer zutreffenden, zumindest aber vertretbaren Darstellung der rechtlichen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der zur Wahl stehenden Handlungsalternativen wäre an sich nichts einzuwenden gewesen; derartiges hätte sich durchaus noch im Rahmen einer rechtmäßigen Erfüllung des ihm erteilten Beratungsauftrags gehalten (vgl. BGH NJW 1987, 2883; NStZ 1986, 37; StV 1993, 28). Dabei hat der Verteidiger es jedoch nicht bewenden lassen. Er hat dem Beschuldigten ausdrücklich die - dringende - Empfehlung gegeben, sich für die zweite Handlungsalternative zu entscheiden ("Sie sollten also dafür sorgen, dass diese Bestände möglichst schnell abgebaut werden"), um "nicht riesige Verluste erleiden zu müssen". Durch den Zusatz, dass die weiteren Verstöße gegen die Verbotsnorm ja nur "notgedrungen" erfolgten, um eben diesen "riesigen" Schaden von den H-Winzern abzuwenden, hat er das Gewicht dieser Verstöße relativiert und bei dem Beschuldigten die laienhafte Vorstellung begünstigt, sich in einer Art "übergesetzlichem Notstand" zu befinden, der geeignet sei, die aufgezeigte Gefahr gravierenderer strafrechtlicher Folgen wieder zu reduzieren.

Dieser anwaltliche Rat, sich "notgedrungen", nämlich um der Verlustminimierung willen für die mit einem gewissen Risiko höherer Bestrafung verbundene lukrativere Handlungsalternative zu entscheiden, ging weit über die rechtlich zulässige anwaltliche Beratung eines Mandanten hinaus. Sie war geeignet, dem Beschuldigten die zweite Handlungsalternative "schmackhaft zu machen" und ihn in seinem Entschluss, den rechtswidrigen Abverkauf weiterlaufen zu lassen und so zumindest noch das besonders lukrative Weihnachtsgeschäft abzuwickeln, zu bestärken. Ob er diesen Entschluss des Beschuldigten hervorgerufen hat oder für ihn mitursächlich geworden ist, so dass sogar Anstiftung gegeben wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden; für eine Beteiligung i.S.v. § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO genügt es, dass er ihm als anwaltlicher Berater bei seiner Entscheidung für das Unrecht den Rücken gestärkt und so psychisch Beihilfe geleistet hat.

Die Auffassung des Verteidigers in seinem Schriftsatz vom 3. Januar 2000, dass der Beschuldigte nach dem Telefax vom 26. November 1997 "die Auslieferung nicht eingestellt hat, wäre nur dann auf meine Äußerungen zurückzuführen, wenn (er) vorher, also vor Kenntnis dessen, was ich ihm... geschrieben habe, entschlossen war oder gar angeordnet hätte, den Vertrieb... einzustellen", wofür es aber keinerlei Anhaltspunkte gebe, ist so nicht richtig. Zutreffend weist der Verteidiger zwar darauf hin, dass es für eine Entschlossenheit des Beschuldigten, weitere Abverkäufe zu unterbinden, keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Unzutreffend ist jedoch, dass eine Beteiligung im Sinne von § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO nur dann zu bejahen wäre, wenn ein solcher Entschluss vorgelegen hätte und durch das Schreiben vom 26. November 1999 beseitigt worden wäre. Der Verteidiger hätte zumindest Beihilfe auch dann geleistet, wenn er die Bereitschaft des Beschuldigten, den Abverkauf weiterlaufen zu lassen, nur gefördert bzw. seine Entschließung, ihn nicht zu stoppen, erleichtert (BGH NStZ 83, 462; 85, 318; 95, 28; StV 95, 524) oder wenn er den Beschuldigten in dessen etwa schon vorhandenem Entschluss zusätzlich bestärkt hat (RGSt 73, 53; OLG Stuttgart NJW 50, 118).

Allerdings wäre es lebensfremd anzunehmen, der Beschuldigte sei schon vor der Raterteilung vom 26.11.1997 fest entschlossen gewesen, die Abverkäufe auf jeden Fall weiterlaufen zu lassen. Abgesehen davon, dass der Verteidiger dies selbst nicht behauptet, gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr ist nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass durch den ihm telefonisch übermittelten rechtlichen Hinweis vom 25.11.1997, die Rechtslage sei so eindeutig, dass an der Rechtswidrigkeit der Etikettierung kein Zweifel bestehen könne, für den Beschuldigten eine Situation entstanden war, die es erforderte, das weitere Vorgehen neu zu überdenken. Dass dem so war, lässt sich auch daraus schließen, dass der Verteidiger dem Beschuldigten zusagte, "ihm alles noch einmal schriftlich zu geben". Diese schriftliche Dokumentation kann nur den Sinn gehabt haben, dem Beschuldigten hinsichtlich seines weitere Vorgehens eine verlässliche und nachweisbare Entscheidungsgrundlage zu verschaffen.

Der Verteidiger handelte mit zumindest bedingtem Vorsatz, der seine Anstiftungs- oder Beihilfehandlung ebenso umfasste wie eine bestimmte, ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt und der Angriffsrichtung nach umrissene Haupttat, die die Voraussetzungen der §§ 49 Nr. 6 WeinG und 263, 22, 23 StGB erfüllt. Ihm war, wie er selbst einräumt, durch das Telefongespräch mit C. vom 25. November 1997 sogar bekannt, dass es 150.000 bis 200.000 Flaschen irreführend etikettierten Weins waren, zu deren raschem "Abverkauf" er riet.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.0., § 138 d Rdn. 10).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss können der Verteidiger, der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einlegen. Diese müsste binnen einer Woche ab Zustellung zu Protokoll der Geschäftsstelle der Strafsenate des Oberlandesgerichts Koblenz erklärt oder schriftlich beim Oberlandesgericht Koblenz - postalische Anschrift: Stresemannstraße 1, 56068 Koblenz - eingegangen sein.

Ende der Entscheidung

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