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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 19.04.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 295/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 316 | |
StPO § 261 |
1. Auch wenn es aus medizinischer Sicht keinen Erfahrungssatz gibt, der einen allgemeingültigen Rückschluss von der Höhe der Blutalkoholkonzentration auf das Bewusstsein der Fahruntüchtigkeit zulässt, so gestatten es die Erkenntnisse aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dem Alkoholisierungsgrad eine Indizwirkung zuzusprechen.
2. Berauscht sich ein Kraftfahrer mit alkoholischen Getränken bis zu einer absolute Fahruntüchtigkeit begründenden Blutalkoholkonzentration, so ergibt sich aus dieser Tatsache ein in der Beweiswürdigung verwertbarer Hinweis darauf, dass er zumindest mit seiner Fahruntüchtigkeit rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, wenn er gleichwohl ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt.
3. Vollständigkeit der Beweiswürdigung durch Gesamtschau aller Indizien bedeutet nicht, dass der Tatrichter zur Begründung von Vorsatz stets zu allen möglicherweise entscheidungserheblichen Gesichtspunkten positive Feststellungen zu treffen und diese in seine Gesamtwürdigung einzubeziehen hätte; unter welchen Voraussetzungen er zu welcher Schlussfolgerung und Überzeugung kommen muss, kann ihm nicht vorgeschrieben werden (BGHSt 10, 108, 210); an Beweisregeln ist er nicht gebunden (BGHSt 39, 291, 295). Welche Indizien er für seine Überzeugungsbildung ausreichen lässt, liegt in seiner pflichtgemäßen Entscheidung.
4. Bei einer weit über dem Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Alkoholkonzentration im Blut des Täters ist der Schluss auf zumindest bedingt vorsätzliches Handeln ohne weiteres naheliegend; ergeben sich in einem solchen Fall keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen entlastender, den indiziellen Beweiswert der Blutalkoholkonzentration mindernder Umstände, ist es nicht rechtsfehlerhaft, allein auf dieses Indiz die Annahme vorsätzlichen Handelns zu stützen.
5. Hinweise auf entlastende Umstände kann der Tatrichter vor allem vom Angeklagten selbst erwarten; die Prüfung der Schuldform zur alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit ist die Frage nach seinen Vorstellungen und Empfindungen bei Antritt und während des Verlaufs der Fahrt, zu deren Beantwortung er naturgemäß selbst die bestmöglichen Erkenntnisse besitzt (in Anlehnung an BGH NJW 97, 3252, 3254).
1 Ss 295/00 2040 Js 24381/00 StA Koblenz
In der Strafsache
wegen Trunkenheit im Verkehr
hier: Revision des Angeklagten
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in der Sitzung vom 19. April 2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe,
Richter am Oberlandesgericht Völpel,
Richter am Oberlandesgericht Summa,
Oberstaatsanwalt Dr. B. als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt G. als Verteidiger,
Amtsinspektor B. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 21. September 2000 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Der Strafrichter beim Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 70 DM verurteilt. Außerdem hat er ihm die Fahrerlaubnis entzogen und seinen Führerschein eingezogen. Für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis hat er eine Sperrfrist von sechs Monaten festgesetzt.
Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
"Am 13.5.2000 befuhr der Angeklagte gegen 22.30 Uhr öffentliche Straßen in N., u.a. die Straße "B. M.", obwohl er infolge des Genusses erheblicher Mengen Alkohols - die um 23.00 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,31 Promille - absolut fahruntüchtig war, was ihm auch bekannt und bewusst war. Nach dem Abstellen seines Fahrzeugs vor seinem Haus traf die Polizei ein und ordnete die Entnahme einer Blutprobe an".
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Er hat zwar eingeräumt, am Tattage ab ca. 11.00 Uhr vormittags Alkohol zu sich genommen zu haben, jedoch in Abrede gestellt, nachfolgend seinen PKW im Straßenverkehr geführt zu haben. Die Überzeugung von dessen Täterschaft hat der Strafrichter u.a. aufgrund der Zeugenaussage des Polizeibeamten gewonnen, der den Angeklagten zur angegebenen Zeit aufgrund eines anonymen Hinweises an dessen Wohnsitz angetroffen hatte. Auf Befragen hätte der Angeklagte gegenüber dem Beamten erklärt, mit dem in der geöffneten Garage stehenden PKW gefahren zu sein. Auch im weiteren Verlauf der polizeilichen Ermittlungen, insbesondere auf der Fahrt zur Blutentnahme hätte der Angeklagte mehrfach geäußert, dass er nichts verbrochen hätte, sondern lediglich mit dem PKW gefahren sei. Auf Vorhalt des Beamten, dass man betrunken nicht fahren dürfe, hätte er sinngemäß erwidert, "es sei doch nichts passiert". In diesen Äußerungen, so die Urteilsbegründung, sei ein Eingeständnis des Angeklagten zu sehen, den PKW alkoholisiert geführt zu haben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II
Das als Sprungrevision (§ 335 Abs. 1 StPO) statthafte und zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr hält rechtlicher Nachprüfung stand. Rechtsfehlerfrei hat der Strafrichter festgestellt, dass der Angeklagte im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat. Erörterungswürdig sind lediglich der zur inneren Tatseite angenommene Vorsatz sowie die von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme angesprochene Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
1.
Vorsatz setzt bei einem Vergehen nach § 316 Abs. 1 StGB neben dem bewussten und gewollten Führen eines Fahrzeugs im Verkehr voraus, dass der Fahrzeugführer bei Ausführung der Fahrt seine rauschbedingte Fahruntüchtigkeit kannte oder mit ihr rechnete und sie billigend in Kauf nahm. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter unter Heranziehung und Würdigung der Tatumstände festzustellen. Vorsatz kann nicht unterstellt werden (Senat, StV 1993, 423, 424).
Der Tatrichter entscheidet darüber wie über das Beweisergebnis im Übrigen nach seiner freien richterlichen Überzeugung (§ 261 StPO). Voraussetzung dafür, dass er sich vom Vorliegen bestimmter (äußerer oder innerer) Tatsachen überzeugt, ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und damit von niemandem anzweifelbare Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (vgl. nur BGH NStZ 1990, 28, LR-Gollwitzer, StPO, § 261 Rdnr. 8; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 261 Rdnr. 2; KK-Engelhardt, StPO, § 261 Rdnr. 2, jeweils m.w.N.).
Rechtsfehlerhaft ist die Überzeugungsbildung dann, wenn die zugrunde liegende Beweiswürdigung unklar oder lückenhaft ist, ihr wissenschaftliche Erkenntnisse, Gesetze der Logik oder Erfahrungssätze entgegenstehen. Grenzen findet die freie richterliche Beweiswürdigung weiter in dem allgemeinen Willkürverbot. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Insoweit rechtsfehlerfrei ist die Beweiswürdigung, wenn die Urteilsgründe erkennen lassen, dass sie auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH NStZ 1997, 377; KK-Engelhardt a.a.0. Rdnr. 45; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.0., jeweils m.w.N.). Nur in diesem Umfang unterliegt die Überzeugungsbildung des Tatrichters der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.
Sie ergibt vorliegend, dass der Strafrichter seine Überzeugung vom Vorsatz des Angeklagten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise gebildet hat.
a)
Dass das rechtsfehlerfrei festgestellte Führen des PKW mit Wissen und Wollen des Angeklagten erfolgt ist, ergibt sich bereits von selbst aus der Darstellung des äußeren Geschehensablaufs, wonach der Angeklagte zur angegebenen Tatzeit mit dem Kraftfahrzeug öffentliche Straßen in Neuwied befahren hat.
b)
Die Annahme des zur Begründung des Vorsatzes weiter erforderlichen Bewusstseins des Angeklagten über seine alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit stützt sich, wie der Gesamtzusammenhang des Urteils erkennen lässt, zunächst auf das Ergebnis der ca. eine halbe Stunde nach Fahrtbeendigung dem Angeklagten entnommenen Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration von 2,31 Promille ergeben hat. Zwar reicht die Höhe der Blutalkoholkonzentration allein grundsätzlich nicht aus, die Überzeugung vorsätzlichen Handelns zu vermitteln. Denn es gibt jedenfalls aus medizinischer Sicht keinen wissenschaftlichen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein Kraftfahrer bei einer hohen Blutalkoholkonzentration seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit stets kennt oder jedenfalls für möglich hält (Senat a.a.0., m.w.N.). Es entspricht den Erkenntnissen der Rechtsmedizin, dass auch hohe, selbst sehr hohe Blutalkoholkonzentrationen zum Verlust zutreffender Selbsteinschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit führen können mit der Folge, dass der Täter die bei ihm objektiv vorliegende alkoholbedingte Fahrunsicherheit nicht mehr wahrnimmt (vgl. ausführlich Hentschel DAR 1993, 449, 450 mit rechtsmedizinischen Nachweisen).
Ungeachtet dieser Möglichkeit entspricht es jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jedem Kraftfahrer die mit dem Konsum von Alkohol verbundenen negativen Auswirkungen auf seine Fahrtüchtigkeit bekannt sind (vgl. auch OLG Düsseldorf NZV 1994, 367, 368). Darauf wird er nicht nur in der Fahrausbildung, sondern auch fortwährend in den Medien, in Aufklärungsbroschüren und auf Plakatanschlägen etc. hingewiesen. Nimmt er alkoholische Getränke in erheblichen Mengen zu sich, weiß er allein schon aufgrund dieses Verhaltens, dass er seine Fahrtüchtigkeit aufs Spiel setzt. Die allgemeine Lebenserfahrung spricht weiter dafür, dass die typische Wirkung des Alkohols auf den menschlichen Körper gewöhnlich für jeden Kraftfahrer, mit steigendem Alkoholkonsum zunehmend, spürbar und unübersehbar wird. Durch exakte Messungen kontrollierte Selbstversuche der Senatsmitglieder haben ausnahmslos ergeben, dass schon bei einem Wert von unter 0,8 Promille eine subjektiv deutlich wahrnehmbare Alkoholsymptomatik auftritt.
Wenn es auch keinen medizinisch begründbaren Erfahrungssatz gibt, der einen allgemeingültigen Rückschluss von der Höhe der Blutalkoholkonzentration auf das Bewusstsein der Fahruntüchtigkeit zulässt, so gestatten es diese aus der allgemeinen Lebenserfahrung gewonnenen Erkenntnisse jedenfalls, dem Alkoholisierungsgrad eine Indizwirkung zuzusprechen. Berauscht sich ein Kraftfahrer mit alkoholischen Getränken bis zu einer absolute Fahruntüchtigkeit begründenden Blutalkoholkonzentration, so ergibt sich aus dieser Tatsache ein in der Beweiswürdigung verwertbarer Hinweis darauf, dass er zumindest mit seiner Fahruntüchtigkeit rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, wenn er gleichwohl ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt. Ob er bei sehr hohen Blutalkoholkonzentrationen (i.d.R. ab 2 Promille) dann noch uneingeschränkt in der Lage ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, ist eine andere Frage, die nicht den Vorsatz, sondern die Schuldfähigkeit des Täters (§ 20, 21 StGB) betrifft.
Die Blutalkoholkonzentration kann daher bei Feststellung des Vorsatzes im Rahmen des Indizienbeweises berücksichtigt werden. Dieser unterliegt wie der direkte Beweis der freien richterlichen Überzeugungsbildung. Er unterscheidet sich davon lediglich dadurch, dass er mehr Rückschlüsse erfordert als dieser (LR-Gollwitzer § 261 Rdnr. 60). Mehrere Beweisanzeichen können sich gegenseitig stützen, indem sie sich unabhängig voneinander auf denselben beweiserheblichen Umstand beziehen (Indizienring), oder sie können logisch aufeinander aufbauen (Indizienkette; LR-Gollwitzer a.a.0. Rdnr. 62). Die rechtsfehlerfreie Überzeugungsbildung aufgrund von Indizien setzt in besonderem Maß eine vollständige Auswertung der Beweise voraus (KK-Engelhardt § 261 Rdnr. 64). Abgesehen davon, dass nur zweifelsfrei feststehende Beweisanzeichen verwertet werden dürfen, muss der Tatrichter eine Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände vornehmen und diese im Urteil in einer lückenlosen Argumentationsfolge darstellen (KK-Engelhardt a.a.0.). Entscheidend ist die Gesamtschau aller Indizien, mit einer isolierten Würdigung einzelner Indizien darf der Tatrichter sich nicht begnügen (LR-Gollwitzer, Rdnr. 61; KK-Engelhardt a.a.0., jeweils m.w.N.). Daraus folgt, dass nicht schon jedes Beweisanzeichen für sich allein die Gewissheit des Richters tragen muss, die Beweiswürdigung aber in der Regel dann fehlerhaft wird, wenn nur die Tragweite eines Indizes verkannt wird (LR-Gollwitzer a.a.0., m.w.N.). Wie der direkte Beweis setzt jedoch auch der Indizienbeweis für die richterliche Überzeugungsbildung keine zwingenden Schlüsse voraus, sie müssen nur denkgesetzlich möglich sein.
Bei der Beweisführung zur Frage des in Rede stehenden Vorsatzes in der Gesamtwürdigung zu beachtende be- oder entlastende Umstände können sich im Einzelfall, vom Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung abgesehen, aus dem Trinkverlauf, der Art und Menge des genossenen Alkohols, der Trinkdauer, dem Zusammenhang zwischen Trinkverhalten und Fahrbereitschaft, den Vorstellungen des Angeklagten bei Fahrtantritt, seinem Verhalten während und nach der Fahrt sowie seiner Persönlichkeit, insbesondere etwaigen früheren verkehrsrechtlichen Auffälligkeiten ergeben (vgl. etwa OLG Köln VRS 94, 215, 217; Senat a.a.0.). Vollständigkeit der Beweiswürdigung durch Gesamtschau aller Indizien bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter zur Begründung von Vorsatz stets zu allen diesen, möglicherweise entscheidungserheblichen Gesichtspunkten positive Feststellungen zu treffen und diese in seine Gesamtwürdigung einzubeziehen hätte. Unter welchen Voraussetzungen er zu welcher Schlussfolgerung und Überzeugung kommen muss, kann ihm nicht vorgeschrieben werden (BGHSt 10, 108, 210). An Beweisregeln ist er nicht gebunden (BGHSt 39, 291, 295). Welche Indizien er für seine Überzeugungsbildung ausreichen lässt, liegt in seiner pflichtgemäßen Entscheidung. Er muss sich nur des Beweiswertes und der Tragweite der einzelnen Indizien bewusst sein und darf ein weniger gewichtiges Indiz nicht dazu verwenden, das schwerer wiegende zu entkräften (LR-Gollwitzer a.a.0., Rdnr. 62; KK-Engelhardt a.a.0.; BGH NStZ 1987, 276, 277). Zweifeln an der zu beweisenden Tatsache hat er nur dann nachzugehen, wenn dafür reale Anhaltspunkte bestehen; gründen sie sich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakt-theoretischen Möglichkeit, haben sie außer Betracht zu bleiben (BGH NStZ 1990, 28 m.w.N.).
Der Blutalkoholkonzentration wird regelmäßig ein um so größerer Beweiswert zukommen, je höher der Promillewert die Grenze absoluter Fahruntüchtigkeit übersteigt (OLG Düsseldorf a.a.0.). Ebensowenig wie es einen feststehenden Erfahrungssatz gibt, der es gestattet, allein aus der Höhe der Blutalkoholkonzentration auf das Erkennen der Fahruntüchtigkeit beim Täter zu schließen, gibt es einen solchen des Inhalts, dass die Annahme von Vorsatz um so weniger erlaubt sei, je höher die festgestellte Blutalkoholkonzentration gewesen ist (OLG Düsseldorf a.a.0.). Bei einer weit über dem Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Alkoholkonzentration im Blut des Täters ist der Schluss auf zumindest bedingt vorsätzliches Handeln ohne weiteres naheliegend (OLG Düsseldorf a.a.0.). Ergeben sich in einem solchen Fall keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen entlastender, den indiziellen Beweiswert der Blutalkoholkonzentration mindernder Umstände, ist es nicht rechtsfehlerhaft, allein auf dieses Indiz die Annahme vorsätzlichen Handelns zu stützen.
Hinweise auf entlastende Umstände kann der Tatrichter vor allem vom Angeklagten selbst erwarten. Die Prüfung der Schuldform zur alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit ist die Frage nach seinen Vorstellungen und Empfindungen bei Antritt und während des Verlaufs der Fahrt, zu deren Beantwortung er naturgemäß selbst die bestmöglichen Erkenntnisse besitzt. Beruft er sich nicht darauf, trotz hoher Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit seine rauschbedingte Fahruntüchtigkeit nicht gekannt oder nicht mit ihr gerechnet zu haben und trägt er dazu keine konkreten Einwendungen vor, wird der Tatrichter regelmäßig keine Veranlassung haben, den nur noch als theoretische Möglichkeiten verbleibenden Entlastungsgesichtspunkten weiter nachzugehen, es sei denn, es ergäben sich im Einzelfall schon aus den festgestellten äußeren Tatumständen greifbare Hinweise auf bestimmte entlastende Indizien (vgl. zur Bedeutung der Einlassung für die Aufklärung eines der Verhängung eines Fahrverbots gemäß § 2 Abs. 1 BKatV entgegenstehenden "Augenblicksversagens" BGH NJW 1997, 3252, 3254).
Vorliegend stellt die sehr hohe Blutalkoholkonzentration des Angeklagten - 2,31 Promille eine halbe Stunde nach der Tat - ein gewichtiges auf Vorsatz hindeutendes Indiz dar. Demgegenüber haben sich aus der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung keine Hinweise ergeben, dass er seinen Trunkenheitszustand und damit seine Fahruntüchtigkeit zur Tatzeit nicht erkannt haben könnte. Er hat eingeräumt, ab 11.00 Uhr vormittags alkoholische Getränke konsumiert zu haben und seine erhebliche Alkoholisierung zur Tatzeit gegen 22.30 Uhr nicht bestritten. Sein Verteidigungsvorbringen beschränkte sich darauf zu leugnen, nach Genuss des Alkohols seinen PKW im Verkehr geführt zu haben.
Als Beweisanzeichen für Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich seiner Fahruntüchtigkeit hat der Tatrichter weiter dessen Angaben gegenüber dem ermittelnden Polizeibeamten bei der Fahrt zur Blutprobenentnahme herangezogen. Danach hat der Angeklagte auch bei dieser Gelegenheit seine Alkoholisierung nicht in Abrede gestellt, sondern auf einen entsprechenden Vorhalt des Beamten lediglich sinngemäß erwidert, dass "doch nichts passiert sei". Der Angeklagte hat damit zwar nicht seine Kenntnis der Fahruntüchtigkeit ausdrücklich zugegeben, jedoch liegt es im Rahmen der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Überzeugungsbildung, in dem Hinweis auf den folgenlosen Ausgang der Trunkenheitsfahrt nach seinem objektiven Gehalt ein dahingehendes Anzeichen zu erkennen, welches in der Gesamtschau mit dem Blutalkoholwert die Annahme zumindest bedingt vorsätzlichen Handelns trägt. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen vom Vorwurf des Vorsatzes entlastender Umstände, die in der Indizienbeweisführung zu berücksichtigen wären, ergeben sich aus dieser Äußerung des Angeklagten ebensowenig wie aus dem festgestellten äußeren Tatgeschehen.
Die aufgrund der festgestellten Indizien gebildete Überzeugungsbildung des Strafrichters zum Vorsatz des Angeklagten lässt damit keine Rechtsfehler erkennen.
2.
Das amtsgerichtliche Urteil befasst sich auch ausreichend mit der Frage einer alkoholursächlichen Schuldunfähigkeit des Angeklagten.
Das Gesetz geht grundsätzlich von der Schuldfähigkeit eines normalen Menschen aus. Eingehend zu prüfen ist sie nur dann, wenn sich nach den tatsächlichen Umständen begründete Zweifel an ihr ergeben (Lange LK, StGB, § 21 Rdnr. 11; Tröndle/Fischer, StGB, § 20 Rdnr. 22; Senat, Urteil vom 21. November 1996 - 1 Ss 304/96 -). Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB wegen einer alkoholbedingten krankhaften seelischen Störung kommt in der Regel erst bei einem Blutalkoholkonzentrationswert ab 3 Promille in Betracht (vgl. nur Tröndle/Fischer a.a.0., Rdnr. 9 a). Dieser Wert war vorliegend zur Tatzeit nicht erreicht. Die Auswertung der dem Angeklagten eine halbe Stunde nach der Tat entnommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,31 Promille. Die für ihn günstigste Rückrechnung mit dem maximalen Abbauwert (0,2 Promille pro Stunde zuzüglich eines einmaligen Sicherheitszuschlags von 0,2 Promille) führt zu einer Blutalkoholkonzentration von höchstens 2,61 Promille zur Tatzeit.
Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass auch eine Blutalkoholkonzentration unter 3 Promille bei entsprechenden Ausfallerscheinungen zur Schuldunfähigkeit des Täters gemäß § 20 StGB führen kann. Das hat der Tatrichter jedoch beachtet. Er hat das Verhalten des Angeklagten nach der Tat geprüft und keinen konkreten Anhaltspunkt dafür aufgedeckt, dass dieser gänzlich unfähig gewesen wäre, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Der Angeklagte selbst hat sich darauf auch nicht berufen. Danach hat für den Richter keine Veranlassung bestanden, der nur noch rein theoretischen Möglichkeit einer Schuldunfähigkeit mit Hilfe eines Sachverständigen weiter nachzugehen.
Verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB hat der Tatrichter dem Angeklagten zugute gehalten und in der Strafzumessung von der Milderungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht.
Da auch der Rechtsfolgenausspruch keine Rechtsfehler erkennen lässt, ist die Revision insgesamt als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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