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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 19.02.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 31/03
Rechtsgebiete: AO, StGB
Vorschriften:
AO § 370 | |
StGB § 46 II |
2. Maßgeblich für die Abgrenzung einer Steuerverkürzung auf Zeit zur dauernden Verkürzung ist der Wille des Täters zur Tatzeit.
3. Die nachträgliche Herstellung der Vorsteuerabzugsberechtigung durch Rechnungsberichtigung berührt zwar die Erfüllung des Tatbestands der Steuerhinterziehung nicht, sie ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der verschuldeten Tatauswirkungen von wesentlicher strafmildernder Bedeutung.
1 Ss 31/03 2050 Js 60276/00 8 Ns StA Koblenz
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS
In der Strafsache
wegen Urkundenfälschung und versuchter Steuerhinterziehung
hier: Revision der Angeklagten
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Völpel und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt
am 19. Februar 2003 einstimmig beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil der 8. kleinen Strafkammer des Landgerichts K. vom 27. November 2002 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts K. zurückverwiesen.
2. Im Übrigen wird die Revision der Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagte wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe.
Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass die Höhe des Tagessatzes ermäßigt wird.
Nach den Urteilsfeststellungen reichte die Angeklagte im Mai 2000 als Inhaberin eines Groß und Einzelhandelunternehmens UmsatzsteuerVoranmeldungen für die Quartale I bis IV 1999 beim Finanzamt ein. Darin beanspruchte sie Abzug von Vorsteuerbeträgen in Form von Umsatzsteuer aus sechs Eingangsrechnungen, von denen sie zwei im Rechnungsdatum und vier in der Bezeichnung des Adressaten verändert hatte. Die erstgenannten Rechnungen aus dem Jahre 1998 hatte sie auf 1999 vordatiert, die übrigen Rechnungen, die auf eine von ihrem Ehemann geführte GmbH ausgestellt waren, änderte sie dahingehend ab, dass jeweils ihr eigenes Unternehmen als Empfänger erschien. Die manipulierten Rechnungen legte sie im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung im Juli 2000 vor. Die Prüfer bemerkten die vorgenommenen Abänderungen, woraufhin der Angeklagten der Vorsteuerabzug versagt wurde, so dass es tatsächlich nicht zu einer Steuerverkürzung, die 520 DM betragen hätte, gekommen ist.
Weiter wird im Urteil festgestellt, dass auf Bitte der Angeklagten hin die Aussteller der umadressierten Rechnungen diese in den Jahren 2001 und 2002 den vorgenommenen Änderungen entsprechend berichtigten bzw. der Angeklagten bestätigten, dass die Rechnungen versehentlich auf den falschen Rechnungsempfänger ausgestellt worden seien.
Bei der Strafzumessung hat die Kammer zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, den äußeren Tatablauf nicht in Abrede gestellt habe, die vorgenommenen Änderungen offenkundig gewesen und durch bloßen Augenschein erkennbar gewesen seien sowie bei Vollendung der Tat nur ein geringer Steuerschaden von 520 DM eingetreten wäre.
Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel hat nur im Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
1.
Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist es auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
2.
Bei der Strafzumessung hat die Kammer, was die Bewertung des Schuldgehalts der versuchten Steuerhinterziehung anbelangt, den Gesichtspunkt der im Fall einer Vollendung eingetretenen Tatauswirkungen (§ 46 Abs. 2 StGB) zu Lasten der Angeklagten auf Grundlage unvollständiger Feststellungen fehlbewertet.
a) Indem sie der Angeklagten die sich aus dem unberechtigten Vorsteuerabzug ergebende Steuerverkürzung in voller Höhe angelastet hat, hat sie verkannt, dass die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich zu einer Steuerverkürzung auf Zeit führt, bei der sich der tatbestandsmäßige Umfang nur aus dem Zinsverlust des Staates errechnet; erst die Abgabe der falschen Jahreserklärung bewirkt die endgültige Verkürzung auf Dauer (vgl. nur BGH NStZRR 98, 148; Kohlmann, Steuerstrafrecht, AO § 370 Rdnr. 323.1). Maßgeblich für die Abgrenzung einer Steuerverkürzung auf Zeit zur dauernden Verkürzung ist der Wille des Täters zur Tatzeit. Nur dann, wenn er von Anfang an beabsichtigt hat, auch keine zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben, seine Hinterziehungshandlungen durch die Umsatzsteuervoranmeldungen vielmehr darauf angelegt gewesen sind, die zunächst bewirkte Hinterziehung auf Zeit später in eine solche auf Dauer übergehen zu lassen, ist der gesamte im Voranmeldungszeitraum entstehende Vorteil als vom Vorsatz umfasstes Handlungsziel bei der Strafzumessung erschwerend zu berücksichtigen (BGH a.a.0.; Kohlmann a.a.0.).
Das Urteil lässt offen, mit welcher Vorstellung die Angeklagte insoweit gehandelt hat. Hierzu bedarf es näherer Feststellungen.
b) Die festgestellte spätere Berichtigung der Rechnungen durch die Aussteller, bzw. deren Bestätigung, den Rechnungsempfänger versehentlich unrichtig bezeichnet zu haben, deuten darauf hin, dass die von der Angeklagten vorgenommenen Änderungen des Rechnungsadressaten im Ergebnis den wahren Rechtsverhältnissen entsprochen haben, der Angeklagten mithin bei ordnungsgemäßer Erstellung dieser Rechnungen der daraus beanspruchte Vorsteuerabzug von Rechts wegen zugestanden hätte.
Das berührte zwar die Erfüllung der Straftatbestände nicht: Ebenso wie auch ein eigenmächtiges Berichtigen der Rechnungen durch die Angeklagte eine Urkundenfälschung in Form des Verfälschens einer echten und des Gebrauchmachens einer verfälschten Urkunde wäre (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 267 Rdnr. 19), blieben die auf Grundlage dieser Rechnungen abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen unrichtig und der angestrebte Vorsteuerabzug ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil. Ungerechtfertigt ist ein Vorsteuerabzug selbst dann, wenn er an sich vorgenommen werden könnte, aber die für seine Gewährung geforderte formelle Voraussetzung, nämlich der Besitz entsprechender Originalrechnungen i.S.d. § 14 UStG, nicht erfüllt ist (vgl. Kohlmann a.a.0. Rdnr. 180.2; Keller/Bustorff, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rdnr. 166, 168). Die nachträgliche Herstellung der Vorsteuerabzugsberechtigung wäre jedoch unter dem Gesichtspunkt der verschuldeten Auswirkungen der Tat von wesentlicher strafmildernder Bedeutung (in vergleichbaren Fällen BGH NStZ 02, 549; BayObLG MDR 90, 464; Kohlmann a.a.0. Rdnr. 323.2).
Auch dieser Punkt bedarf daher in der neuen Hauptverhandlung näherer Aufklärung.
Ende der Entscheidung
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