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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 319/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 315 c
StGB § 69
StPO § 318
StPO § 344 I
Leitsatz:

1. Eine Beschränkung der Revision innerhalb des Rechtsfolgenanspruchs auf die unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis ist unwirksam.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen trotz Vorliegens einer Katalogtat gem. § 69 Abs. 2 StGB von der Entziehung der Fahrerlaubnis ausnahmsweise abgesehen werden kann.

3. Der Gefährdungsvorsatz gem. § 315 c Abs. 1 StGB muss sich auf eine konkrete Verfahrenssituation beziehen. Er muss zwar nicht den Eintritt eines Schadens umfassen; erforderlich ist jedoch, dass der Täter die Umstände kannte, die zu einer bestimmten Gefährdung geführt haben, die also die Schädigung als naheliegende Möglichkeit erscheinen ließen (vgl. auch BGHSt. 22, 67, 74).


Geschäftsnummer: 1 Ss 319/00 8004 Js 12520/99 StA Trier

In der Strafsache

gegen

J. H.,

Verteidiger: Rechtsanwalt G. L. -

wegen Gefährdung des Straßenverkehrs

hier: Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in der Sitzung vom 29. März 2001, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe,

Richter am Oberlandesgericht Völpel,

Richterin am Oberlandesgericht Hardt,

Oberstaatsanwalt Dr. B. als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,

Rechtsanwalt L., Saarbrücken, als Verteidiger,

Amtsinspektor B. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 15. September 2000 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu sowie den zur subjektiven Tatseite des Angeklagten hinsichtlich der Gefahrverursachung getroffenen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Trier zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Außerdem entzog es ihm unter Einziehung des Führerscheins die Fahrerlaubnis und ordnete für deren Neuerteilung eine Sperrfrist von sechs Monaten an.

Auf die dagegen gerichtete Berufung hat die Strafkammer den Schuldspruch und die verhängte neunmonatige Bewährungsstrafe aufrecht erhalten, jedoch von einer Entziehung der Fahrerlaubnis oder der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen.

Zur Person des Angeklagten hat die Kammer festgestellt, dass er mehrfach vorbestraft ist. Nach einer Bestrafung wegen eines Verkehrsdelikts im Jahre 1975 beging er im Jahre 1981 und 1982 weitere verkehrsrechtliche Straftaten. Das Amtsgericht Saarlouis verurteilte ihn am 29. April 1982 wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit Unfallflucht und Körperverletzung sowie Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 DM. Weiter verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn durch Urteil vom 28. Juli 1982 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr eine weitere Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 DM. In der Folgezeit erfolgte zwar keine Verurteilung mehr wegen Verkehrsstraftaten, jedoch musste sich der Angeklagte wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verantworten. Das Amtsgericht Saarbrücken verurteilte ihn am 2. Februar 1984 wegen fortgesetzten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nebst Steuerhehlerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten. Am 29. Juni 1989 sprach das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten aus.

Die nach Teilverbüßung zunächst gewährte Reststrafaussetzung zur Bewährung musste im Hinblick auf eine Verurteilung durch ein belgisches Gericht widerrufen werden. Mit Beschluss vom 26. September 1996 setzte das Landgericht Saarbrücken den Strafrest mit Wirkung vom 27. September 1996 für die Dauer von drei Jahren erneut zur Bewährung aus.

2.

Zur Tat enthält das Urteil der Strafkammer folgende Feststellungen:

"Der Angeklagte fuhr am 14.6.1999 gegen 14.45 Uhr mit seinem PKW Marke Subaru die Bundesautobahn A 1 in Richtung Moseltal. Kurz vor der Moselbachtalbrücke fuhr der Zeuge Günter R. mit einem LKW der Firma G., der einen Anhänger mit sich führte, auf der rechten Fahrspur. Er beabsichtigte, den vor ihm fahrenden LKW zu überholen. Nachdem er einige Zeit bereits den linken Blinker gesetzt hatte, scherte er auf die linke Fahrbahn aus. In der Zwischenzeit hatte sich der Angeklagte mit seinem PKW auf der linken Fahrspur in der Absicht, beide LKW zu überholen, dem Lastzug der Firma G. so dicht genähert, dass er stark abbremsen musste, um eine Kollision zu vermeiden. Als der Lastzug nach Beendigung des Überholvorgangs wieder auf die rechte Fahrspur einscherte, überholte der Angeklagte dieses Fahrzeug. Er fuhr sodann aus Ärger über das vorhergehende Verhalten des Fahrers Günter R. knapp vor den Lastzug der Firma G., wobei der Abstand zwischen PKW und LKW beim Einscheren etwa 2 m betrug. Nachdem sich der Abstand zwischen dem LKW und dem PKW aufgrund der höheren Geschwindigkeit des überholenden PKW auf 5 bis 7 m vergrößert hatte, bremste der Angeklagte den von ihm gesteuerten PKW ab, um sich "zu revanchieren." Der Angeklagte verfolgte im Rückspiegel das Verhalten des nachfolgenden LKW. Dabei war festzustellen, dass der Fahrer des nachfolgenden LKW auf sein Bremsen mit einer Vollbremsung reagierte, um ein Auffahren zu verhindern. Dabei kam der Lastzug der Firma G. ins Schleudern, wobei der Hänger hin- und herpendelte und gegen die Leitplanke stieß. An dem Lastzug entstand ein Sachschaden von ca. 10.000 DM ..."

Die Strafkammer hat dieses Tatgeschehen als vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB gewürdigt. Dabei ist sie davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht nur das falsche Überholen vorsätzlich begangen, sondern auch die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs mit Vorsatz herbeigeführt habe. Er sei sich beim Abbremsen nach vollzogenem Fahrspurwechsel bewusst gewesen, dass dadurch eine erhebliche Gefahr für das überholte Fahrzeug entstanden sei. Diese Folge habe er billigend in Kauf genommen. Seine Einlassung, er habe nicht mit einer Vollbremsung des nachfolgenden LKW gerechnet, sondern angenommen, er könne nach dem Abbremsen den Abstand zu dem nachfolgenden Lastzug durch Beschleunigen wieder rechtzeitig vergrößern, schließe zwar eine direkte Schädigungsabsicht des Angeklagten aus, ändere jedoch nichts daran, dass er hinsichtlich der von ihm verursachten Gefahrenlage mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.

II.

Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit der Revision. Während der Angeklagte sein Rechtsmittel unbeschränkt eingelegt hat und Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt, hat die Staatsanwaltschaft ihre Revision auf den Rechtsfolgenausspruch und dort auf die unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. nicht getroffene Anordnung eines Fahrverbots beschränkt. Nur in diesem Umfang beantragt sie Aufhebung des landgerichtlichen Urteils.

Beide Beschwerdeführer rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1.

Sie erstreckt sich auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils. Insoweit ist die Revisionsbeschränkung als wirksam anzusehen (§§ 344 Abs. 1, 318 StPO). Die weitergehende Beschränkung ist unwirksam. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu Folgendes ausgeführt:

"Soweit die Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründungsschrift innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs eine Beschränkung auf den unterbliebenen Ausspruch der Entziehung der Fahrerlaubnis erklärt hat, ist diese Beschränkung unwirksam mit der Folge, dass der Rechtsfolgenausspruch insgesamt angefochten ist. Zwischen dieser Maßregel und dem Strafausspruch besteht regelmäßig eine Wechselwirkung, die - von Ausnahmefällen abgesehen - eine getrennte Überprüfung nicht ermöglicht (OLG Koblenz VRS 71, 278, 280). Ein solcher Ausnahmefall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn zum Maßregelausspruch die gleichen Feststellungen und Erwägungen notwendig oder möglich sind, die für die Strafbemessung Bedeutung haben (LR-Hanack, 25. Aufl., 12. Lieferung, § 344 Rdnr. 59). Dies ist vorliegend der Fall; denn die erforderliche Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Angeklagten hat Charaktermängel zum Gegenstand und nicht etwa eine mögliche fahrtechnische (körperliche oder geistige) Ungeeignetheit. In solchen Fällen wird sich eine Wechselwirkung zwischen Strafausspruch und Maßregel regelmäßig nicht ausschließen lassen (LR-Hanack, a.a.0.)".

Dem schließt der Senat sich an.

2.

Ob die erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) durchgreift, kann dahinstehen. Die Revision ist im Umfang der Anfechtung jedenfalls aufgrund der Sachrüge begründet.

Die Erwägungen der Strafkammer zum Rechtsfolgenausspruch sind nicht frei von Rechtsfehlern.

Bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat sie nicht ausreichend beachtet, dass § 315 c StGb eine Katalogtat nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB darstellt. Danach ist ein Täter, der wegen dieses Delikts verurteilt wird, in der Regel als ungeeignet anzusehen, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Steht, wie vorliegend, die Frage charakterlicher Unzuverlässigkeit im Raum, entfällt bei einer solchen Verfehlung der gesetzliche Regelfall nur dann, wenn besondere Umstände objektiver oder subjektiver Art vorhanden sind, die ungeachtet der Tat den Eignungsmangel des Täters ausschließen und dem Fehlverhalten Ausnahmecharakter verleihen (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 69 Rdnr. 10 m.w.N.; OLG Düsseldorf, NZV 1999, 389). Eine Besonderheit der Tatumstände, die die Tat als Ausnahme erscheinen lassen kann, ist nur dann anzuerkennen, wenn sich die Umstände vom Durchschnittsfall deutlich abheben (Tröndle/Fischer a.a.0., Rdnr. 12 a m.w.N.).

Das Absehen von einer Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verhängung eines Fahrverbots hat die Strafkammer damit begründet, dass die Verurteilungen des Angeklagten, die Straßenverkehrsdelikte betreffen, schon mehr als 15 Jahre zurückliegen und er sich seitdem verkehrsrechtlich straffrei verhalten habe. Diese - auch für die Strafzumessung bedeutsame - Erwägung trägt schon deswegen nicht, weil sie auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage beruht. Die getroffenen Feststellungen schließen die Möglichkeit nicht aus, dass es sich bei der Straftat weniger um eine Verfehlung mit Ausnahmecharakter, sondern vielmehr um die Fortsetzung eines eingeübten verkehrsfeindlichen Verhaltens ist, wie es in den genannten Verurteilungen wegen verkehrsrechtlicher Straftaten seinen Niederschlag gefunden hat. Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt dazu in ihrer Stellungnahme folgende Auffassung:

"Die mitgeteilten Verurteilungen wegen Verkehrsstraftaten hat sie (die Strafkammer) außer dahingehend, dass diese 15 Jahre zurückliegen, weder gewürdigt noch überhaupt die den Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalt mitgeteilt. Soweit ausgeführt ist, die Tatsache, dass das Strafregister seit 15 Jahren keine Eintragungen über Verkehrsstraftaten enthalte, spreche dafür, dass der Angeklagte im Allgemeinen seine Verkehrspflichten erfülle, sind die Feststellungen lückenhaft. Es hätte auch mitgeteilt werden müssen, inwieweit der Angeklagte während dieser Zeit überhaupt ein Fahrzeug geführt hat. Im Hinblick auf seine offenbar desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse ist das Halten eines Fahrzeugs nicht selbstverständlich; aus diesem Grund war auch aufzuklären, wie er zur Tatzeit ein Fahrzeug halten konnte ("seinen PKW" - UA S. 4) und welches der Zweck seiner Fahrt am Tattage war. Im Übrigen ist auch nicht mitgeteilt, zu welchen Zeiten der Angeklagte eine Fahrerlaubnis hatte; dagegen ist im erstinstanzlichen Urteil mitgeteilt, er nehme seit 1997 nach Erwerb der Fahrerlaubnis am Straßenverkehr teil".

Dem tritt der Senat bei. Wäre der Angeklagte nach seiner letzten verkehrsrechtlichen Vorverurteilung im Jahre 1982 erst eine verhältnismäßig kurze Zeit vor der Gefährdung des Straßenverkehrs am 14. Juni 1999 wieder in der Lage gewesen, ein Kraftfahrzeug mit Erlaubnis im Straßenverkehr zu führen, spräche das dagegen, dieses erneute Fehlverhalten nur als Ausnahmefall und nicht als Ausdruck eines unveränderten Fortbestands seiner verkehrsfeindlichen Einstellung zu werten. Ob dem von der Generalstaatsanwaltschaft angeführten Zweck der Fahrt entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt, wird die neue Hauptverhandlung zeigen.

Von der Unvollständigkeit der Tatsachenfeststellungen abgesehen, ergibt sich ein Rechtsfehler auch daraus, dass die Strafkammer für die Frage charakterlicher Unzuverlässigkeit bedeutsame Gesichtspunkte nicht in ihre Erwägungen mit einbezogen hat. Dazu zählt die Tatsache, dass es sich bei der Gefährdung des Straßenverkehrs - und zwar gemäß § 11 Abs. 2 StGB auch dann, wenn der Angeklagte die Gefahr nur fahrlässig herbeigeführt haben sollte (vgl. dazu nachfolgend IV. 2.) - um eine Vorsatztat handelt und der Angeklagte diese während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat.

Die Tatsache, dass die im amtsgerichtlichen Urteil festgesetzte Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis inzwischen abgelaufen ist, stünde einer Entziehung der Fahrerlaubnis nicht entgegen. Wer gegen ein amtsgerichtliches Urteil, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist für deren Neuerteilung angeordnet worden ist, Berufung einlegt, muss damit rechnen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis länger als die Sperrfrist dauert, die das Amtsgericht festgesetzt hat (OLG Düsseldorf a.a.0., m.w.N.).

IV.

Die Revision des Angeklagten hat nur zum Teil Erfolg. Auch sie deckt einen Rechtsfehler nur mit Wirkung im Rechtsfolgenausspruch auf.

1.

Die auf Grundlage der Angaben des Angeklagten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses falsches Fahren beim Überholen gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB.

Die Urteilsfeststellungen lassen erkennen, dass das gefährdende Verkehrsverhalten während eines Überholvorgangs stattgefunden hat. Das Abbremsen des PkW durch den Angeklagten ist unmittelbar nach dem Einscheren vor dem überholten LKW in einem Abstand von nur 5 bis 7 m erfolgt, mithin noch in Ausführung des Überholvorgangs, zu dem auch das Einordnen nach dem Überholen gehört (Tröndle/Fischer a.a.0., § 315 c Rdnr. 6 m.w.N.). Eine Anwendung des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB - gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr durch Bereiten eines Hindernisses (vgl. dazu BGHSt 21, 301, 302; 23, 4, 6; OLG Düsseldorf NZV 1988, 149; NZV 1989, 441; Senatsbeschluss vom 16. April 1997 - 1 Ss 97/97 -) - scheidet damit aus.

Dass der Angeklagte beim Überholen vorsätzlich falsch gefahren ist, steht nach den Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte in der beschriebenen Weise handelte, um sich bei dem LKW-Fahrer für eine vorangegangene Verkehrsbehinderung "zu revanchieren" außer Frage.

2.

Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe auch die durch sein Verhalten für den nachfolgenden Verkehr geschaffene Gefahr vorsätzlich herbeigeführt, hält jedoch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die vorsätzliche Herbeiführung der Gefahr muss sich nicht nur auf eine abstrakte, sondern eine konkrete Gefahrensituation beziehen (BGH DAR 1998, 241; Tröndle/Fischer a.a.0., § 315 c Rdnr. 18 m.w.N.). Der Vorsatz muss zwar nicht den Eintritt eines Schadens umfassen, es reicht aus, wenn er sich auf die Gefährdung, den Eintritt einer Gefahr für das geschützte Rechtsgut erstreckt. Er verlangt jedoch, dass der Täter die Umstände kannte, die zu einer bestimmten Gefährdung geführt haben, die also die Schädigung als naheliegende Möglichkeit erscheinen ließen. Hierzu genügt es, dass die gefährdenden Umstände - ohne den Eintritt einer plötzlichen Wendung, etwa durch Schutzmaßnahmen des Bedrohten - auf einen unmittelbar bevorstehenden Unfall hindeuteten und der Täter den Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest billigend in Kauf genommen hat (BGHSt 22, 67, 74).

Dass der Angeklagte in dieser Vorstellung gehandelt hat, ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Offen bleibt, ob er bei seiner Tathandlung die konkret Gefahr begründenden Umstände - drohender, nur durch eine Vollbremsung des nachfolgenden LKW abwendbarer Auffahrunfall - erkannt hatte. Insoweit ist zur subjektiven Tatseite lediglich ausgeführt, der Angeklagte sei sich beim Abbremsen bewusst gewesen, dass durch seine Fahrweise eine erhebliche Gefahr für das überholte Fahrzeug entstanden sei. Damit ist nicht auszuschließen, dass die Kammer rechtsirrig die Kenntnis einer abstrakten Gefahrensituation zur Begründung vorsätzlichen Handelns hat ausreichen lassen. Der Angeklagte hat die Kenntnis einer konkreten Gefahrenlage bestritten, indem er sich eingelassen hat, er habe nicht mit einer Vollbremsung des nachfolgenden LKW gerechnet, sondern angenommen, er könne nach dem Abbremsen den Abstand zu dem nachfolgenden Lastzug durch Beschleunigen wieder rechtzeitig vergrößern. Indizien für oder gegen die Richtigkeit dieser Behauptung können sich möglicherweise aus der Intensität und Dauer des vom Angeklagten vollzogenen Bremsmanövers sowie der gefahrenen Geschwindigkeit des überholten LKW ergeben. Dazu hat die Strafkammer bislang keine Feststellungen getroffen.

Die subjektive Tatseite des Angeklagten hinsichtlich der durch sein Fahrverhalten eingetretenen Gefährdung bedarf daher näherer Aufklärung. Ergänzende Feststellungen, die nicht im Widerspruch zu dem von der Aufhebung nicht begroffenen Urteilsinhalt stehen, sind der Strafkammer in der neuen Hauptverhandlung nicht verwehrt.

3.

Da das Urteil insoweit schon auf die Sachrüge hin aufzuheben ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die weiter erhobene Verfahrensrüge des Angeklagten, er sei entgegen § 265 StPO nicht auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Verursachung der Gefahr hingewiesen worden.

Die Tat bliebe auch im Falle einer lediglich fahrlässig verursachten Gefahr Vorsatztat (§ 11 Abs. 2 StGB). Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt daher den Schuldspruch nicht, sondern kann im Hinblick auf § 315 c Abs. 3 Nr. 1 StGB Auswirkungen lediglich auf den Rechtsfolgenausspruch haben. Nur in diesem Umfang ist das Urteil daher auch auf die Revision des Angeklagten mit den vom Rechtsfehler betroffenen Feststellungen aufzuheben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Trier zurückzuverweisen (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO).

Auch die Entscheidung über die Kosten der Revision muss der Strafkammer vorbehalten bleiben, da derzeit noch nicht feststeht, inwieweit die Rechtsmittel endgültigen Erfolg haben werden.

Die Strafkammer sollte ferner darauf achten, dass das Berufungsgericht bei Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auch die Liste der angewendeten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) zu erstellen bzw., soweit ausreichend, die Liste des ersten Richters zu berichtigen hat (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 328 Rdnr. 2 a.E.).

Ende der Entscheidung

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