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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 13.06.2002
Aktenzeichen: 1 Ss 69/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 318
StPO § 267 I
1.

Unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist, dass der nicht angefochtene Teil des Urteils eine tragfähige Basis für die noch offene Entscheidung darstellt. Dies ist nur der Fall, wenn die Feststellungen zur Tat einschließlich der doppelrelevanten Umstände die individuelle Schuld des Angeklagten im konkreten Einzelfall hinreichend erkennen lassen und deshalb eine Rechtsfolgenbemessung ohne weitere Aufklärung des Tatgeschehens möglich ist. Ein (amtsgerichtliches) Urteil, das auf (Sprung-)Revision wegen mangelhafter Sachverhaltsdarstellung aufgehoben werden müsste, kann nie Grundlage einer Strafzumessung sein.

2.

Es ist in der Regel ein sachlich-rechtlicher Fehler des Urteils, wenn die Darstellung der Gründe unübersichtlich ist und insbesondere nicht scharf zwischen der Feststellung der für erwiesen erachteten (objektiven und subjektiven) Tatsachen, der Beweiswürdigung, der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung unterschieden wird. Notwendig ist eine in sich geschlossene Darstellung des Tatgeschehens, die nicht durch in den Urteilsgründen verstreute tatsächliche Feststellungen ersetzt werden kann.

3.

Ein solcher Darstellungsmangel steht regelmäßig der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch entgegen, weil es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts ist, sich aus unübersichtlichen Urteilsgründen die (möglicherweise) doppelrelevanten Tatsachen zusammenzusuchen, und weil ein Angeklagter, der erwägt, die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken, problemlos und zwar auch ohne juristischen Beistand erkennen können muss, welche Feststellungen ohne weitere tatrichterliche Prüfung Grundlage der Strafzumessung sein werden.


Geschäftsnummer: 1 Ss 69/02

IM NAMEM DES VOLKES URTEIL

In der Strafsache

wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in der Hauptverhandlung vom 13. Juni 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Januar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer desselben Gerichts zurückverwiesen Gründe:

I.

Das Amtsgericht A. hatte den Angeklagten am 8. Dezember 2000 wegen fahrlässiger Tötung (im Straßenverkehr) zu einer Geldstrafe und wegen unerlaubten Entfernes vom Unfallort zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt sowie ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist gemäß § 69 a StGB von 15 Monaten festgesetzt. Von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe wurde in Anwendung des § 53 Abs. 2 S. 2 StGB abgesehen.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein, die er nach Einholung eines schriftlichen Unfallrekonstruktionsgutachtens durch die Strafkammer mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21. Januar 2002 auf die Rechtsfolgenaussprüche beschränkte. Zu Beginn der Berufungshauptverhandlung erklärte er, dass er nur den Rechtsfolgenausspruch bezüglich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort anfechten wolle. Das weitergehende Rechtsmittel nahm er mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft zurück.

Die Strafkammer hat die Berufungsschränkung für wirksam erachtet, entsprechend der Erklärung des Angeklagten nur noch zum Rechtfolgenausspruch verhandelt und seine Berufung "mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt und der Verwaltungsbehörde untersagt wird, dem Angeklagten vor Ablauf von noch drei Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen."

Der Entscheidung hat sie folgende, vom Amtsgericht getroffene Feststellungen zu Grunde gelegt: "Am 17. 03. 2000 arbeitete der Angeklagte am Abend in seinem Büro in der B.-Straße in A.. Er verließ diese gegen 0.45 Uhr und fuhr von der B.-Straße aus am Bahnhof entlang, um dort Post in den Briefkasten zu werfen. Vom K.-Damm aus fuhr er rechts in die Ba.-Straße und bog dann nach links in die F.-Straße ein.

Der Angeklagte fuhr seinen Lieferwagen der Marke F, Farbe weiß, mit dem amtlichen Kennzeichen MYK-.... Dieses Fahrzeug ist auf seine Firma zugelassen.

Das spätere Unfallopfer Friedrich L. wurde zu der gleichen Zeit von der Gaststätte "...." in A. im S.-Weg mit dem Taxi des Zeugen Ulrich Lo. nach Hause, in die F.-Straße gebracht.

Auf der von der Ba.-Straße aus gesehenen linken Seite, (d.h. an der Eisenbahnseite ) blieb der Taxifahrer in Höhe des Hauses Nr. 24 stehen. Das Taxi stand halb auf dem Bürgersteig zum Parkplatz hin, noch auf der Fahrbahn. Das Unfallopfer L. bezahlte und ging hinter dem Fahrzeug des Taxifahrers her, um die Straße zu überqueren.

Zu dieser Zeit regnete es etwas, die Straße war feucht. Als der L. die Fahrbahn fast ganz überquert hatte, wurde er von dem Fahrzeug des Angeklagten rechts vorne mit seiner rechten Körperhälfte erfasst. Der Kopf stieß gegen die Windschutzscheibe, der Hüftbereich des ca. 1,85 Meter großen Fußgängers gegen den rechten Scheinwerfer. Aufgrund des Zusammenstoßes wurde das Unfallopfer ca. 20 Meter weit nach rechts geschleudert und blieb dort, - auf dem Rücken liegend -, auf dem Bürgersteig der von der Ba.-Straße aus gesehenen rechten Fahrbahnseite der F.-Straße liegen. Zum Zeitpunkt des Zusammenpralls betrug die Geschwindigkeit des Angeklagten 45-50 km/h.

Aufgrund des Zusammenstoßes wurde das Auto des Angeklagten wie folgt beschädigt:

Die rechte Seite der Windschutzscheibe wurde vollkommen zersplittert, der Scheinwerfer rechts wurde ebenfalls beschädigt, das Glas war zerstört. Die Splitter lagen auf der Straße. Der Kotflügel hatte eine Verformung, ebenso die Stoßstange des Fahrzeuges des Angeklagten.

Der Angeklagte verließ den Unfallort ohne anzuhalten, und ohne sich um das Unfallopfer zu kümmern. Er fuhr mit seinem Fahrzeug weiter. Er fuhr nicht nach Hause zu seiner Wohnanschrift in A., sondern fuhr über nicht weiter bekannte Strecken bis zum Parkplatz gegenüber der K.-Kaserne an der T.- Hohl in A.. Dort stellte er sein Fahrzeug so ab, dass es von der Straße aus nicht sofort zu sehen war.

Sodann begab er sich zu Fuß zur Wohnung seines Bekannten Thomas R. in der E. 82 in A.. Diese erreichte er zwischen 01.15 und 01.30 Uhr und klingelte an der Haustür. Er erklärte dem Zeugen R., dass er bei ihm übernachten wolle, ohne eine weitere Begründung abzugeben. Der Zeuge R. mutmaßte, dass der Angeklagte zu Hause durch das neugeborene Kind häufig gestört würde und deshalb bei ihm schlafen wollte. Er fragte nicht viel. Er hatte zwar den Eindruck, dass der Angeklagte nervöser war als sonst, ansonsten fiel ihm nach seinen Angaben jedoch nichts auf.

Der Angeklagte blieb in der Wohnung des Zeugen R. bis zum nächsten Morgen. Als der Zeuge R. zwischen 09.00 und 09.30 Uhr aufstand sah er, dass er auf seinem Handy zwei unbeantwortete Anrufe hatte. Ein Telefonat auf der Mail-Box war von der Ehefrau des Angeklagten und hatte zum Inhalt, dass er sofort zurückrufen solle. Der Zeuge R. fragte den Angeklagten was los sei, weil es ihm merkwürdig vorkam, dass die Ehefrau des Angeklagten ihn angerufen. Daraufhin erzählte der Angeklagte ihm, dass er großen Mist gebaut hätte und jemanden umgefahren hätte, den er vorher nicht gesehen hätte. Er hätte diesen richtig erwischt, mehr wisse er auch nicht. Er sei dann weggefahren und hätte das Auto irgendwo abgestellt. Warum er geflüchtet sei, erklärte er jedoch nicht. Der Zeuge R. riet ihm, sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen.

Nach dem Frühstück machten sich beide auf den Weg ins Büro des Angeklagten. Sie kamen unterwegs an dem Parkplatz vorbei, wo der Angeklagte sein Auto abgestellt hatte, das Auto stand jedoch nicht mehr dort.

Das Büro selber konnten der Angeklagte und der Zeuge R. nicht betreten, da zwischenzeitlich das Schloss von der Polizei ausgewechselt worden war. Die beiden fuhren in die Wohnung des Angeklagten in A., wo ein Gespräch mit der Ehefrau des Angeklagten stattfand. Diese war von der Polizei bereits aufgesucht und informiert worden. Sodann vereinbarte der Angeklagte einen Termin mit seinem Verteidiger und begab sich nach diesem Termin mittags zur Polizei.

Die Blutalkoholkonzentration des Unfallopfers betrug um 02.15 Uhr 0,94 Promille.

Die dem Angeklagten am 17.03.2000 um 12.45 Uhr entnommene Blutprobe ergab keinen Nachweis einer Blutalkoholkonzentration.

Der Fußgänger Friedrich L. erlitt bei dem Unfall ein Schädelhirntrauma mit Entwicklung von Hygromen, eine Acetabulumfraktur rechts, eine Lungenkontusion mit Rippenserienfrakturen rechts 5-7. Er erlangte sein Bewusstsein zwischen Unfall und dem Todestag am 14. Juli 2000 nicht wieder. Nach dem Unfall bildeten sich subdurale Hämatome, die auch durch eine Operation im ev. Stiftskrankenhaus Koblenz nicht mehr entfernt werden konnten. Auch die durch das ev. Stiftskrankenhaus Koblenz angelegten Shunts führten nicht zu einer Veränderung. Das Unfallopfer war bis zum Tod tief bewusstlos."

"Zusätzliche Feststellungen" hat die Strafkammer zum Lebenslauf des Angeklagten sowie zu dessen familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen getroffen.

Gegen das Berufungsurteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die fehlerhafte Anwendung des § 56 Abs. 1 und Abs. 3 StGB.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Zwar ist die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch durch Berufungsrücknahme rechtskräftig geworden; die Rechtsmittelbeschränkung auf den Strafausspruch wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist jedoch unwirksam.

1.

Folge einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist eine auch "horizontale Teilrechtskraft" genannte innerprozessuale Bindungswirkung. Sie umfasst nicht nur die die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des zur Last gelegten Delikts ausfüllenden Tatsachen, sondern darüber hinaus auch alle Umstände, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben und der Tatausführung das individuelle Gepräge geben (BGHSt 24, 274; 29, 359; 30, 340 m. w. N.; BayObLG VRS 59, 190), und zwar auch dann, wenn sie zugleich für die Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind (doppelrelevante Umstände). Dazu gehören u. a. Feststellungen zum Tatmotiv, zu den tatauslösenden Umständen sowie zu den Zielen und Beweggründen des Täters (BGH a.a.O.). Der nur noch zur Entscheidung über den Rechtsfolgenausspruch berufene Tatrichter hat die bindenden Feststellungen seinem Urteil zu Grunde zu legen, selbst wenn er sie für falsch hält (OLG Düsseldorf NStZ-RR 00, 307). Die in der neuen Verhandlung getroffenen Feststellungen müssen mit den bindend gewordenen ein einheitliches und widerspruchsfreies Ganzes bilden.

2.

Unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist, dass der nicht angefochtene Teil des Urteils eine tragfähige Basis für die noch offene Entscheidung darstellt. Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Bemessung der Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB); die die Schuld bestimmenden Umstände sind daher regelmäßig auch wesentliche Strafzumessungstatsachen (vgl. § 46 Abs. 2 StGB). Folglich setzt eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung voraus, dass die Feststellungen zur Tat einschließlich der doppelrelevanten Umstände die individuelle Schuld des Angeklagten im konkreten Einzelfall hinreichend erkennen lassen und deshalb eine Rechtsfolgenbemessung ohne weitere Aufklärung des Tatgeschehens möglich ist (BayObLG NStZ 97, 359). Ein (amtsgerichtliches) Urteil, das auf (Sprung-) Revision wegen mangelhafter Sachverhaltsdarstellung aufgehoben werden müsste, kann nie Grundlage einer Strafzumessung sein.

3.

Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die im angefochtenen Urteil wiedergegeben Tatfeststellungen des Amtsgerichts unzureichend sind. Sie vernachlässigen die subjektive Tatseite und beschränken sich auf die Schilderung eines objektiven Geschehens; Umstände, die die individuelle Schuld des Angeklagten hinreichend beschreiben würden, fehlen völlig.

4.

Allerdings hatte das Amtsgericht darüber hinaus durchaus auch Feststellungen getroffen, die geeignet sind, die individuelle Schuld des Angeklagten zu beschreiben. Sie haben aber keinen Eingang in das Berufungsurteil gefunden, weil sie in den schriftlichen Urteilsgründen verstreut waren. Beispielhaft sei auf folgendes hingewiesen:

a) Im Rahmen der Beweiswürdigung, vermischt mit rechtlicher Würdigung (UA S. 12, 13), findet sich die Feststellung des Amtsgerichts der Angeklagte habe wahrgenommen, "dass er einen Fußgänger mit dem Auto angefahren hat". Diesen strafzumessungsrelevanten subjektiven Tatumstand hat die Strafkammer ihrem Urteil jedoch nicht zugrundegelegt und deshalb auch nicht berücksichtigt. Sie hat lediglich objektive Unfallfolgen erwähnt. b) An gleicher Stelle hatte das Amtsgericht (UA S. 13, 14) festgestellt, der Angeklagte habe nicht unter Schock gestanden, sondern durch planmäßiges und zielgerichtetes Handeln versucht, seine Unfallbeteiligung systematisch zu verschleiern. Dennoch hat die Strafkammer eine "psychische Ausnahmesituation" gesehen und strafmildernd berücksichtigt. Die von ihr hierfür angeführten "zitternden Knie" und "Nervosität" bei der Tatausführung sind für die individuelle Schuld des Täters allerdings unergiebig.

c) Zum Rechtsfolgenauspruch hatte das Amtsgericht (UA. S. 18) u. a. ausgeführt:

"Betrachtet man aus der Sicht des Angeklagten sein Tun, so kann nicht außer Betracht bleiben, dass er letztlich billigend in Kauf genommen hat, dass das Unfallopfer ohne ärztliche Hilfe auf der Straße versterben würde."

Dabei handelt es sich nicht um eine reine Strafzumessungserwägung, sondern um die Feststellung eines die Einstellung des Angeklagten bei der Tatbegehung prägenden doppelrelevanten Umstandes, der bei richtiger Subsumtion einen Schuldspruch wegen eines versuchten Tötungsdelikts durch Unterlassen zugelassen hätte und vom Berufungsgericht (im Falle wirksamer Rechtsmittelbeschränkung) bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht wie geschehen außer Acht gelassen werden durfte.

5.

Es ist in der Regel ein sachlich-rechtlicher Fehler des Urteils, wenn die Darstellung der Gründe wie hier im amtsgerichtlichen Urteil unübersichtlich ist und insbesondere nicht scharf zwischen der Feststellung der für erwiesen erachteten (objektiven und subjektiven) Tatsachen, der Beweiswürdigung, der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung unterschieden wird. Notwendig ist eine in sich geschlossene Darstellung des Tatgeschehens, die nicht durch in den Urteilsgründen verstreute tatsächliche Feststellungen ersetzt werden kann (BGH StV 84, 64).

Ein solcher, vorliegend gegebener Darstellungsmangel steht regelmäßig auch der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch entgegen. Zwar bilden die Urteilsgründe eine Einheit, weshalb grundsätzlich alle als solche erkennbaren Feststellungen unabhängig davon, wo sie im Urteil niedergeschrieben sind, berücksichtigt werden müssen. Eine unübersichtliche Darstellung birgt jedoch die konkrete, im vorliegenden Fall realisierte Gefahr in sich, dass Unklarheiten über den Umfang der innerprozessualen Bindungswirkung entstehen und deshalb amts- und landgerichtliches Urteil keine widerspruchsfreie Einheit bilden.

Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, sich aus unübersichtlichen Urteilsgründen die Feststellungen zusammenzusuchen, die als tatbestandsausfüllend und tatprägend in Betracht kommen (könnten). Es ist vielmehr Aufgabe des Erstrichters, das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung hinsichtlich des Tatgeschehen so zu dokumentieren, dass Unklarheiten und Missverständnisse über den Umfang der innerprozessualen Bindungswirkung erst gar nicht entstehen können. Dies ist auch deshalb unverzichtbar, weil ein Angeklagter, der erwägt, die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken, problemlos und zwar auch ohne juristischen Beistand erkennen können muss, welche Feststellungen ohne weitere tatrichterliche Prüfung Grundlage der Strafzumessung sein werden. Nur dann kann er sein Dispositionsrecht über den Umfang der Urteilsanfechtung sachgerecht ausüben. Sind die amtsgerichtlichen Urteilsgründe derart unübersichtlich wie hier, riskiert er im Falle einer Berufungsbeschränkung, dass Feststellungen als bindend angesehen werden, die nach der Zielsetzung seines Rechtsmittels einer Überprüfung bedürften. Insbesondere, wenn doppelrelevante Umstände in den Ausführungen zur Strafzumessung "versteckt" sind, läuft er Gefahr, an diesen festgehalten zu werden, obwohl er doch aus seiner Sicht gerade die Strafzumessung anfechten will.

Ende der Entscheidung

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