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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 06.07.2000
Aktenzeichen: 1 Ss 69/99
Rechtsgebiete: StPO, AuslG


Vorschriften:

StPO § 140 II
StPO § 338 Nr. 5
AuslG § 47 II Nr. 2
AuslG § 3 Satz 3
Leitsatz:

Zur Notwendigkeit einer Pflichtverteidigerbestellung bei einschlägiger Vorverurteilung, Bewährungsversagens und möglicher Ausweisung des Angeklagten.


Geschäftsnummer: 1 Ss 69/99 2090 Js 35164/99 - jug. - StA Koblenz

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

In der Strafsache

gegen

S K,

- Verteidiger: Rechtsanwalt.....,

wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln hier: Revision des Angeklagten

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und den Richter am Amtsgericht Schmickler am 6. Juli 2000

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Betzdorf vom 14. Oktober 1999 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Betzdorf zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Betzdorf hatte den Angeklagten, einen jetzt 19-jährigen in Deutschland geborenen und aufgewachsenen türkischen Staatsangehörigen, am 7. Oktober 1997 wegen Betäubungsmitteldelikten (Erwerb und Handeltreiben) schuldig gesprochen und ihm eine Weisung erteilt.

Am 19. November 1998 hatte ihn das Amtsgericht Betzdorf wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmittel - unter Einbeziehung des Urteils vom 7. Oktober 1997 - zu einer Jugendstrafe von acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Mit Urteil vom 14. Oktober 1999 hat ihn das Jugendschöffengericht bei dem Amtsgericht Betzdorf wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln - unter Einbeziehung des Urteils vom 19. November 1998 - zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt und dazu festgestellt:

"Am Abend des 11.05.1999 übte der Angeklagte anlässlich einer auf dem Rastplatz "Aachener Land" an der Bundesautobahn A 4 in der Gemarkung Eschweiler durchgeführten Kontrolle wissentlich und willentlich die Herrschaftsgewalt über 3,3 g Marihuana sowie 0,8 g Pilze, welche den Wirkstoffgehalt Psylocibin enthielten, aus. Eine Erlaubnis für den Erwerb der Betäubungsmittel hatte er nicht. Er hatte das Betäubungsmittel vorher in Maastricht für ca. 30,00 DM gekauft."

Die Hauptverhandlung hatte ohne einen Verteidiger stattgefunden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Sprungrevision. Er macht den absoluten Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO geltend.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält das Rechtsmittel für begründet und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 349 Abs. 4 StPO.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Gemäß § 140 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich, wenn dem Angeklagten im Falle eines Schuldspruches einschneidende Rechtsfolgen drohen. Dies war vorliegend der Fall.

Der Angeklagte ist im Jahresrhythmus zum dritten Mal wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt worden. Die spürbare Erhöhung der am 19. November 1998 verhängten Jugendstrafe war ebenso zu erwarten wie die Versagung einer erneuten Strafaussetzung zur Bewährung. Auf der Grundlage der am 14. Oktober 1999 getroffenen Feststellungen wäre auch ein Schuldspruch wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Betracht zu ziehen gewesen. Damit drohte dem Angeklagten als Wiederholungstäter neben einer empfindlichen strafrechtlichen Sanktion auch eine Ausweisung gemäß §§ 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, wobei die Anordnung einer solchen Maßnahme nach § 3 Satz 3 dieser Vorschrift in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Darüber hinaus war ihm in dem Verbundverfahren 2090 Js 32994/99 - StA Koblenz mit Anklageschrift vom 5. August 1999 unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zur Last gelegt worden.

Bei dieser Sachlage war die Mitwirkung eines Verteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO geboten. Dass die Vorwürfe aus der Anklageschrift vom 5. August 1999 in der Hauptverhandlung vom 14. Oktober 1999 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden, ändert daran nichts.

Ende der Entscheidung

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