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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: 1 U 1077/00
Rechtsgebiete: AktG, AGBG, BGB, VerbrKrG, ZPO
Vorschriften:
AktG § 185 | |
AktG § 185 Abs. 2 | |
AktG § 187 Abs. 2 | |
AktG § 185 Abs. 1 | |
AktG § 187 Abs. 1 | |
AktG § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 | |
AGBG § 9 | |
AGBG § 6 | |
AGBG § 23 | |
AGBG § 23 Abs. 1 | |
BGB § 134 | |
BGB § 138 Abs. 1 | |
VerbrKrG § 7 | |
ZPO § 713 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 546 Abs. 1 S. 2 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 1 U 1077/00
Verkündet am 31. Oktober 2001
In dem Rechtsstreit
wegen Zahlungsanspruch aus einem Zeichnungsvorvertrag.
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel und die Richterin am Oberlandesgericht Semmelrogge
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Das Versäumnisurteil vom 4. Juli 2001 wird aufrecht erhalten.
II. Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein als Aktiengesellschaft firmierendes Unternehmen, dessen Geschäftsgegenstand der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen, Übernahme der persönlichen Haftung und der Geschäftsführung bei Handelsgesellschaften sowie der Erwerb, die Verwaltung sowie die Veräußerung von Immobilien und sonstigen Vermögensanlagen und das Vermitteln von Abschlüssen mit Dienstleistungs- und Handelsunternehmen ist.
Mit dem Ziel der Vornahme von Kapitalerhöhungen schließt die Klägerin mit Kapitalanlegern sog. Zeichnungsvorverträge. Der Vertrag zwischen den Parteien vom 29. September 1998 (Bl. 4 f GA) enthält u. a. folgende Regelungen:
1. Ich erkläre mit Unterzeichnung dieses Vertrages, dass ich ein Aktienbündel von 12 Namensaktien der K AG zeichnen werde, und zwar 6 Stammaktien und 6 Vorzugsaktien. Der Nennbetrag pro Aktie beträgt DM 1.200,--... Neben dem Ausgabebetrag pro Aktie ist ein Verwaltungsaufschlag in Höhe von DM 100,-- pro Aktie zu entrichten.
2. Die Gesellschaft wird einer Kapitalerhöhung von voraussichtlich DM 2.000.000,-- beschließen und den Beschluss sowie die Durchführung der Kapitalerhöhung zur Eintragung im Handelsregister anmelden. Die Gesellschaft wird mich bei der Durchführung der Kapitalerhöhung berücksichtigen, wenn ich bis zum Stichtag den nicht rückzahlbaren Verwaltungsaufschlag für das Aktienbündel in Höhe von DM 1.200,--... entrichtet habe und meine weiteren Einzahlungen den Nennbetrag einer Aktie in Höhe von DM 1.200,-- abdecken...
3. ... Die Gesellschaft wird die neuen Aktien ausgeben, sobald die Erhöhung des Grundkapitals mit der Eintragung im Handelsregister wirksam geworden ist.
5. Der Verwaltungsaufschlag beträgt unabhängig von der Zahl der gezeichneten Aktien insgesamt DM 1.200,--... und soll mit den ersten durch mich entrichteten Zahlungen verrechnet werden. Ich erkläre mich damit einverstanden, dass meine Einzahlungen erst nach vollständiger Bezahlung des nicht rückzahlbaren Verwaltungsaufschlages auf die durch mich zu erbringenden Einlagen angerechnet werden...
Die weiteren Einzahlungen möchte ich in monatlichen Raten von DM 100,-- ab 1. Januar 1999 bezahlen...
6. ... Der Vertrag wird unverbindlich, soweit die Gesellschaft nicht zum Ablauf des Kalenderhalbjahres, welches auf das Kalenderhalbjahr folgt, in dem die Voraussetzungen für die Zeichnung der jeweiligen Aktien gemäß Ziff. 2 dieses Vertrages eingetreten sind, die Erhöhung des Stammkapitals beschließt, oder wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung nicht bis zum Ablauf des Kalenderhalbjahres im Handelsregister eingetragen ist, welches auf den Beschluss über die Kapitalerhöhung folgt."
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung rückständiger Raten und begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die künftig fälligen Raten zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Vertrag sei gemäß § 134 BGB nichtig, weil er gegen das gesetzliche Verbot des § 187 Abs. 2 AktG verstoße.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, der Zeichnungsvorvertrag stehe im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der in dem Zeichnungsvorvertrag genannten Raten, weil dieser Vertrag nichtig ist.
1. Zwar ist die rechtliche Zulässigkeit der im Gesetz nicht geregelten Zeichnungsvorverträge unbestritten. Zeichnungsvorverträge unterliegen weitgehend den Anforderungen der in § 185 AktG festgelegten Voraussetzungen für die Zeichnung neuer Aktien (Blaurock, Festschrift für Ritter, 33 ff, 52, 53; Hüffer, AktG, 4. Aufl., Rdnr. 31 zu § 185 AktG; Krieger in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrecht, Bd. 4, 2. Aufl., Rdnr. 102; Kölner Kommentar zum AktG-Lutter, 2. Aufl., Rdnr. 45 zu § 185 AktG).
2. Die Nichtigkeit des Vorvertrages folgt nicht aus § 134 BGB i. V. m. § 187 Abs. 2 AktG. Nach § 187 Abs. 2 AktG sind Zusicherungen auf den Bezug neuer Aktien der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Nach dem Wortlaut des Vertrages hat die Klägerin zwar eine solche Zusicherung abgegeben ("die Gesellschaft wird eine Kapitalerhöhung ... beschließen ... die Gesellschaft wird die neuen Aktien ausgeben"). Es kann dahinstehen, ob - was wohl der überwiegenden Meinung entspricht - diese Zusicherung kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt steht, dass die Gesellschaft einen entsprechenden Kapitalerhöhungsbeschluss fasst (Kölner Kommentar-Lutter, a. a. O., Rdnr. 19 zu § 187 AktG; Hüffer, a. a. 0., Rdnr. 84 zu § 187 AktG).
Selbst wenn man dem nicht folgt, scheidet eine Nichtigkeit nach § 134 BGB aus, denn bei § 187 Abs. 2 AktG handelt es sich schon nach dem Wortlaut um ein einseitiges Verbotsgesetz, das lediglich dem Schutz der Entschließungsfreiheit der Gesellschaft hinsichtlich künftiger Kapitalerhöhungen dient und deshalb nicht zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt (Palandt-Heinrichs, BGB., 60. Aufl., Rdnr. 9 zu § 134 BGB).
3. Die Nichtigkeit des Zeichnungsvorvertrages ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 185 Abs. 2 i. V. m. § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG. Nach der letztgenannten Vorschrift muss der Zeichnungsschein den Zeitpunkt enthalten, an dem die Zeichnung unverbindlich wird, wenn nicht bis dahin die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals eingetragen ist.
Diesen Anforderungen genügt die Regelung in Ziff. 6 S. 3 des Vertrages nicht. Diese Vertragsklausel ist nämlich wegen eines Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz unwirksam.
a) Das AGB-Gesetz ist auf den Zeichnungsvorvertrag trotz der Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts (§ 23 Abs. 1 AGBG) anwendbar. Die erforderliche richtlinienkonforme Auslegung in Bezug auf die Richtlinie 93/13/EBG vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl.EG NR L 95 vom 21. April 1993, 29 ff) ergibt, dass die Bereichsausnahme auf den Erwerb von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen ohne unternehmerische Befugnisse zur privaten Vermögensanlage keine Anwendung findet. Eine andere Auslegung steht nicht im Einklang mit dem Ziel des Verbraucherschutzes. Der Zeichnungsvorvertrag ist nach Art. 2 Buchst. b) ein Verbrauchergeschäft, weil er nicht der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit der Beklagten zuzurechnen ist. Der gesellschaftsrechtliche Bezug des Vorvertrags tritt demgegenüber in den Hintergrund (KG WM 99, 731 ff, 733 f mit ausführlicher Begründung; OLG Oldenburg, DB 00, 2418 f, 2419; Palandt-Heinrichs, BGB, Rdnr. 3 zu § 23 AGBG).
b) Die Regelung in Ziff. 6 S. 3 des Vertrages verstößt gegen § 9 AGBG. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG im Hinblick auf den Schutz der Anleger bereits erweiternd dahin auszulegen ist, dass für den Zeitpunkt des Unverbindlichwerdens des Vorvertrags ein konkretes Datum genannt werden muss (so: OLG Frankfurt, ZIP 00, 1048 f, 1049) oder ob eine kalendermäßige Bestimmbarkeit ausreicht (so: Hüffer, a. a. O., Rdnr. 14 zu § 185 AktG; Kölner Kommentar-Lutter, Rdnr. 14 zu § 185 AktG).
Wenn man der letztgenannten Auffassung folgt, ist zwar eine kalendermäßige Bestimmbarkeit des Zeitpunkts des Unverbindlichwerdens zu bejahen. Diese Regelung benachteiligt den Vertragspartner jedoch unangemessen, weil der Endtermin im Ergebnis so lange hinausgeschoben wird, dass er keine ernsthafte Grenze mehr darstellt. Dies widerspricht dem Schutzzweck des § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG (Blaurock, a. a. O., 48; OLG Frankfurt, ZIP 00, 1048 f, 1049). Maßgebend für diese Beurteilung sind folgende Gesichtspunkte:
Ziff. 6 S. 3 des Vertrages ordnet keine Unverbindlichkeit des gesamten Vertrages an, sondern legt fest, dass der Vertrag unverbindlich wird, soweit die Gesellschaft nicht zum Ablauf des jeweiligen Kalenderhalbjahres, welches auf das Kalenderhalbjahr folgt, in dem die Voraussetzungen für die Zeichnung der jeweiligen Aktien gemäß Ziff. 2 dieses Vertrages eingetreten sind, die Erhöhung des Stammkapitals beschließt, oder wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung nicht bis zum Ablauf des Kalenderhalbjahres im Handelsregister eingetragen ist, welches auf den Beschluss über die Kapitalerhöhung folgt. Die Verweisung auf Ziff. 2 des Vertrages bedeutet auch nach Auffassung der Klägerin, dass die Fristberechnung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Anleger den Verwaltungszuschlag und den Ausgabebetrag für die erste Aktie gezahlt hat. Hätte ein Anleger beispielsweise im Januar 1999 die letzte Rate für den Erwerb der ersten Aktie gezahlt, würde die Frist für den Beschluss über die Kapitalerhöhung am 31. Dezember 1999 ablaufen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Anleger aber bereits die Raten für Februar 1999 bis Dezember 1999 gezahlt. Durch diese Zahlungen hätte er allerdings noch nicht die Voraussetzungen für den Erwerb der zweiten Aktie erfüllt. Der Wortlaut der Klausel spricht dafür, dass für die zweite Aktie (jeweilige Aktie) die Frist zur Berechnung des Termins für das Unverbindlichwerden erst im Januar 2000 beginnt und im Dezember 2000 endet. Bei Fristablauf hätte der Anleger dann aber bereits die dritte Aktie "angezahlt". Auf diese Weise wäre es möglich, dass der Kunde den Betrag für die Gesamtlaufzeit von 13 Jahren, also insgesamt 15.600,-- DM zahlen müsste, ohne eine Aktie zu erhalten. Für diese Auslegung spricht insbesondere die Verwendung des Wortes "soweit". Dass eine solche Regelung den Kunden unangemessen benachteiligt, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung.
Aufgrund des Wortlauts der Klausel ist die vom Senat vorgenommene Auslegung jedenfalls nicht fernliegend. Es kann letztlich offen bleiben, ob eine andere Auslegung möglich ist und die Regelung deshalb mehrdeutig wäre. In diesem Fall müsste sie im Individualprozess so ausgelegt werden, wie es sich für den Kunden am günstigsten auswirkt, also zunächst nach der kundenfeindlichsten Auslegung (OLG Schleswig, ZIP 95, 795 ff, 762, Ulmer-Brandner-Hensen, AGBG, 9. Aufl., Rdnr. 30 ff zu § 5 AGBG; in dieser Richtung auch: BGH NJW 92, 1097 ff, 1099; BGH ZIP 94, 1010 ff, 1012; Palandt-Heinrichs, Rdnr. 9 zu § 5 AGBG). Da die vom Senat vorgenommene Auslegung die kundenfeindlichste Auslegung ist, führte die Prüfung zum gleichen Ergebnis.
Die Unwirksamkeit der Klausel hat wegen der ausdrücklichen Regelung des § 185 Abs. 2 AktG die Gesamtnichtigkeit des Zeichnungsvorvertrags zur Folge. § 6 AGBG ist nicht anwendbar, denn die Vorschrift setzt voraus, dass unabhängig von der unwirksamen Klausel die restlichen Vertragsteile für sich Bestand haben (Ulmer-Brandner-Hensen, AGBG, Rdnr. 10 zu § 6 AGBG).
4. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nicht mehr darauf an, ob der Zeichnungsvorvertrag sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Hierfür sprechen nach Auffassung des Senats außer der Regelung der Ziff. 6 S. 3 gewichtige Gesichtspunkte, nämlich
- die Pflicht zur Vorwegleistung des Verwaltungsaufschlags, obwohl der weitaus größte Anteil der zugrunde liegenden Kosten nach dem Vortrag der Klägerin erst durch die Verwaltung und Abwicklung von in Anspruch genommenen Einkaufsvorteilen entsteht (Bl. 214 GA), die im Übrigen mit dem Zeichnungsvorvertrag nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen,
- die fehlende Rückzahlbarkeit des Verwaltungsaufschlags,
- die Werbung mit günstigen Einkaufsvorteilen, obwohl der Zeichnungsvorvertrag auf diese Vergünstigungen keinen Anspruch gewährt,
- ein Element der Irreführung, weil die Klägerin den Eindruck erweckt, sie verpflichte sich zur Durchführung der Kapitalerhöhung und zur Ausgabe von Aktien und
- die lange Laufzeit des Vertrages ohne Kündigungsmöglichkeit.
Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der nach § 138 Abs. 1 BGB erforderlichen Gesamtbetrachtung alle Abreden zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen wie dem AGBG keine Wirksamkeit erlangen können (BGHZ 136, 347 ff, 355).
5. Offen bleiben kann schließlich auch, ob das Schreiben der Beklagten vom 26. Januar 1999 (Bl. 192 GA) wegen einer Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung als wirksamer Widerruf nach § 7 VerbrKrG zu werten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die von der Klägerin beantragte Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
a) bis zum 18. September 2001: 11.807,50 DM (Klageantrag zu 1): 1.247,50 DM; Klageantrag zu 2): 10.560,-- DM = 80 % von 13.200,-- DM),
b) ab dem 19. September 2001: 13.187,50 DM (Zahlungsantrag: 3.347,50 DM; Feststellungsantrag: 9.840,-- DM = 80 % von 12.300,-- DM).
Die Beschwer der Klägerin beträgt 13.187,50 DM.
Ende der Entscheidung
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