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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.10.2000
Aktenzeichen: 1 U 1139/99
Rechtsgebiete: SVG, ZPO, BGB, GG, SG


Vorschriften:

SVG § 91 a Abs. 1
SVG § 91 a
SVG § 81 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 839
BGB § 847
GG Art. 34
SG § 17 Abs. 4 Satz 1
Leitsätze:

Amtshaftungsansprüche, die auf ärztliche Fehler im Rahmen der Heilfürsorge und truppenärztlicher Behandlung eines Grundwehrdienstleistenden gestützt werden, sind gemäß § 91 a Soldentenversorgungsgesetz eingeschränkt.

Dies gilt auch für die Behandlung von unabhängig vom Wehrdienst entstandenen Leiden (z.B. nach Sportunfall im Freizeitbereich).


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 1139/99 15 O 20/99 LG Koblenz

Verkündet am 11. Oktober 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

wegen Arzthaftung.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner und die Richter am Oberlandesgericht Stein und Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Juni 1999 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

I. Der Kläger leistete ab dem 1. Mai 1998 seinen Grundwehrdienst in der Bundeswehr ab. Am 10. Mai 1998 erlitt er bei einem Unfall im häuslichen Bereich eine Schnittverletzung an der linken Hand, bei dem mehrere Sehnen und Nervenstränge durchtrennt wurden. Die operative Erstversorgung erfolgte in einem zivilen Krankenhaus in Mönchengladbach. Anschließend wurde der Kläger vom 25. Mai bis 6. Juli 1998 im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz weiterbehandelt.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz sämtlicher in Zukunft noch eintretender Schäden und begründet dies mit einer angeblich unzureichenden und fehlerhaften Behandlung und Versorgung im Bundeswehrzentralkrankenhaus.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) ausgeschlossen seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er vor allem zu seiner Rechtsansicht, dass wegen der im Freizeitbereich erlittenen Handverletzung die haftungsbeschränkende Vorschrift des § 91 a Abs. 1 SVG nicht eingreife, weiter vorträgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 48-50 d.A.) verwiesen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche nach allgemeinen Gesetzen, vor allem nicht aus Deliktsrecht (§§ 823 ff., 847 BGB), sondern allenfalls die nicht streitgegenständlichen Ansprüche nach dem Soldatenversorgungsgesetz zu, § 91 a Abs. 1 SVG. Vor allem greifen Ansprüche aus §§ 839, 847 BGB i.V.m. Art. 34 GG hier nicht zugunsten des Klägers ein.

Die Behandlung des Klägers im Bundeswehrzentralkrankenhaus der Beklagten war zwar Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe und erfolgte damit in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne des Art. 34 GG (BGHZ 120, 176 ff., 178; BGH NJW 1996, S. 2431 f.).

Jedoch unterliegt der auf eine fehlerhafte und unterlassene ausreichende (ärztliche) Behandlung und Versorgung der außerhalb des Dienstes erlittenen Handverletzung während des Aufenthaltes im Bundeswehrzentralkrankenhaus gestützte Schadensersatzanspruch den Beschränkungen des § 91 a SVG. Nach dieser Bestimmung haben die nach dem Soldatenversorgungsgesetz versorgungsberechtigten Personen, hier der Kläger, aus Anlass einer Wehrdienstbeschädigung gegen den Bund nur die auf diesem Gesetz beruhenden Ansprüche, es sei denn, dass die Wehrdienstbeschädigung durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verursacht worden ist, wofür im vorliegenden Fall jedoch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen (siehe BGH NJW 1992, S. 745). Nach § 81 Abs. 1 SVG ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Es ist einhellige Auffassung, dass ein schädigendes Ereignis, das zu einer Wehrdienstbeschädigung führt, auch ein mißlungener ärztlicher Heilangriff oder ein sonstiger ärztlicher Behandlungsfehler bei der ärztlichen Betreuung im Rahmen des Wehrdienstverhältnisses - wie vom Kläger behauptet - sein kann (BGHZ 120, 176 ff., 179). Im vorliegenden Fall ist die vom Kläger behauptete gesundheitliche Schädigung "durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse" herbeigeführt worden und unterfällt daher der dritten in § 81 Abs. 1 SVG genannten Fallvariante. Wehrdiensteigentümlich im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG sind die besonderen Gegebenheiten des soldatischen Sozialbereichs der Bundeswehr, die sich deutlich von vergleichbaren des Zivillebens unterscheiden. Das "Beziehungsgefügen zwischen dem Gesundheitsverhalten der Soldaten einerseits und der Heilfürsorge andererseits erhält sein besonderes Gepräge dadurch, dass der Soldat nach § 17 Abs. 4 Satz 1 SG alles in seinen Kräften Stehende zu tun hat, um seine Gesundheit zu erhalten und wiederherzustellen. Dabei handelt es sich um eine soldatische Dienstpflicht, die für Wehrpflichtige und Freiwillige in gleicher Weise gilt. Diese findet ihr Korrelat in dem Anspruch des Soldaten auf Heilfürsorge, insbesondere auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung. Bei dieser Art der Heilfürsorge hat der Soldat gerade keine freie Wahl unter den Ärzten und Krankenhäusern, vielmehr muss er sich im Krankheitsfall von Militärärzten ambulant oder stationär - wie im vorliegenden Fall - behandeln lassen.

Eine Zuordnung der Heilbehandlungsmaßnahme zum Bereich des wehrdiensteigentümlichen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das zu behandelnde Leiden unabhängig vom Wehrdienst - wie hier im Freizeitbereich - entstanden ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine "innere Beziehung" zwischen der Behandlungsmaßnahme im Krankenhaus der Beklagten (Bundeswehrzentralkrankenhaus) und dem soldatischen Sozialbereich im vorstehend dargelegten Sinn bestanden hat (vgl. BGHZ 120, 176 ff., 179 f., BGH, VersR 1996 S. 976). Ein Ausnahmefall, der die haftungseinschränkende Vorschrift des § 91 a SVG zurücktreten lassen könnte, liegt im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor (zu einer derartigen besonderen Fallkonstellation vgl. BSG SozR 3200 SVG § 81 Nr. 27 - Urteil des BSG vom 24. März 1987 - 4b RV 13/86).

Nach allem gilt hier, dass Amtshaftungsansprüche, die ausschließlich auf ärztliche Fehler im Rahmen der Heilfürsorge und truppenärztlicher Behandlung eines Grundwehrdienstleisten den im Bundeswehrzentralkrankenhaus gestützt werden, gemäß § 91 a SVG eingeschränkt sind. Der Soldat hat hiernach - bei nicht vorsätzlichem Verhalten - nur Ansprüche nach dem Soldatenversorgungsgesetz gegen die beklagte Bundesrepublik. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Das Landgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist erfolglos und zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 11.000 DM (in Übereinstimmung mit der Streitwertfestsetzung durch das Landgericht) festgesetzt; in dieser Höhe ist der Kläger durch das vorliegende Urteil beschwert.

Ende der Entscheidung

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