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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 1 U 1352/98
Rechtsgebiete: VerbrKrG, AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VerbrKrG § 2
VerbrKrG § 7
VerbrKrG § 6 Abs. 1
VerbrKrG § 1 Abs. 1
VerbrKrG § 3 Abs. 1 Nr. 3
AGBG § 11 Nr. 12 a
AGBG § 9
BGB § 626
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 433 Abs. 2
BGB § 614 S. 2
BGB § 627 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 621 Nr. 3
BGB § 286 Abs. 1
ZPO § 308 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713

Entscheidung wurde am 16.11.2001 korrigiert: Leitsatz eingefügt
Zur Rechtsnatur, der Wirksamkeit und den Kündigungsmöglichkeiten eines Unterrichtsvertrages.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Geschäftsnummer: 1 U 1352/98

Verkündet am 18. Juli 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Unterrichtsvertrag.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, die Richterin am Landgericht Zeitler-Hetger und die Richterin am Oberlandesgericht Semmelrogge

auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. Juni 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen lediglich aus einem Betrag von 6.705 DM zu zahlen sind.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Der Beklagten ist wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie im Hinblick auf ihre Bedürftigkeit an der Einhaltung der Berufungsfrist ohne ihr Verschulden gehindert war (§ 233 ZPO).

In der Sache hat die Berufung nur hinsichtlich der Zinsen einen geringen Teilerfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 6.705 DM an die Klägerin verurteilt. Der Klageanspruch folgt aus §§ 611 Abs. 1, 433 Abs. 2 BGB, denn die Parteien haben am 16.1.1995 einen Dienstvertrag über eine 20-monatige Ausbildung zum Heilpraktiker abgeschlossen, für die eine Einschreibgebühr von 780 DM und 21 Raten a 313 DM als Vergütung zu zahlen waren. Gleichzeitig kaufte die Beklagte von der Klägerin unterrichtsbegleitende Videokassetten, für die 21 Raten a 133 DM zu zahlen waren. Auf die Gesamtforderung der Klägerin in Höhe von 10.146 DM zahlte die Beklagte 3.441 DM, so dass der vom Landgericht titulierte Betrag noch offen steht.

Der Dienstvertrag zwischen den Parteien ist nicht nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG unwirksam. Das Landgericht ist zutreffend, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgend (BGH NJW 1996, 457) davon ausgegangen, dass eine Kreditgewährung im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG nicht vorliegt, wenn eine Zahlungsvereinbarung nach Zeitabschnitten dem dispositiven Recht entspricht. Dies ist vorliegend der Fall, denn nach § 614 S. 2 BGB ist die Vergütung bei einem Dienstvertrag nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, wenn sie nach solchen Zeitabschnitten bemessen ist. Auch die Tatsache, dass für eine Laufzeit von zwanzig Monaten eine Zahlung von einundzwanzig Monatsraten vereinbart wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn jedenfalls liegt kein Zahlungsaufschub von mehr als drei Monaten im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG vor (OLG Düsseldorf, OLGR 1997, 57 ff., 58).

Hinsichtlich des Videokaufs, der § 2 VerbrKrG unterfällt, sind Nichtigkeitsgründe nicht ersichtlich. Bei Ausspruch der" Kündigung war die Widerrufsfrist nach § 7 VerbrKrG abgelaufen.

Die Beklagte hat den Dienstvertrag nicht wirksam durch ihr Schreiben vom 22.11.1995 gekündigt.

Eine außerordentliche Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB scheidet aus, denn die Klägerin stand als Dienstverpflichtete in einem dauerndem Dienstverhältnis mit festen Bezügen. Das Merkmal des "dauernden Dienstverhältnisses" kann auch bei einem befristeten, auf längere Zeit angelegten Vertragsverhältnis vorliegen, wobei eine Laufzeit von einem Jahr mit Verlängerungsabsicht, von zwei Jahren oder auch von zwanzig Monaten ausreicht (BGH, NJW-RR 1993, 375; BGH NJW 93, 326 ff., 327; OLG Köln OLGR 1998, 5 ff.; Staudinger-Preis, BGB, 13. Aufl., Rn. 15 zu § 627 BGB; Münchener Kommentar-Schwerdtner, BGB 3. Aufl., Rn. 6 zu § 627 BGB).

Die Kündigung der Beklagten vom 22.11.1995 ist nicht als außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB wirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschrift setzt das Vorliegen von Tatsachen voraus, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände ein Festhalten am Vertrag bis zur ordentlichen Kündigungsmöglichkeit oder bis zum Ablauf des Vertrags nicht zugemutet werden kann.

Vorliegend kann dahinstehen, ob ein wichtiger Grund darin gesehen werden kann, dass bei der Beklagten zwei Bandscheibenvorfälle diagnostiziert wurden oder darin, dass bei ihr der Verdacht auf eine Erkrankung an multipler Sklerose (MS) bestand. Hinsichtlich der Bandscheibenvorfälle hat die Beklagte jedenfalls die zweiwöchige Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten, denn die Bandscheibenvorfälle wurden bereits im Juli 1995 diagnostiziert, während die Kündigung erst am 22.11.1995 erfolgte.

Gleiches gilt im Ergebnis für den Verdacht auf eine Erkrankung an multipler Sklerose als Kündigungsgrund, wobei der wichtige Grund nach dem Vortrag der Beklagten allenfalls darin liegen könnte, dass sie wegen der Belastung mit dem Verdacht dieser Erkrankung insbesondere psychisch nicht in der Lage gewesen sein könnte, an dem Unterricht weiter teilzunehmen.

Auch wenn man dies annimmt ist von einer Verfristung der Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB auszugehen. Die Beklagte erfuhr nämlich nicht erst im Anschluss an die Untersuchungen in der Universitätsklinik am 16.11./17.11.1995 von einem Verdacht auf Erkrankung an MS. Nach ihrem eigenen Vorbringen (Bl. 25 GA) haben die behandelnden Radiologen im September 1995 die Frage der Beklagten nach dem Vorliegen einer multiplen Sklerose ausweichend beantwortet. Daraufhin habe ihr Hausarzt nach Rücksprache mit den Radiologen erklärt, die bei ihr festgestellten Symptome könnten solche der multiplen Sklerose sein. Erst danach sei sie an die Universitätsklinik verwiesen worden. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, sie lebe seit September 1995 mit der Angst vor MS. Nach dem Ergebnis der Untersuchungen in der Universitätsklinik, die die Beklagte dann abgebrochen hat, konnte eine positive Diagnose von MS weder bejaht noch verneint werden.

Danach bestand der die psychischen Beeinträchtigungen verursachende Verdacht der Erkrankung an multipler Sklerose bereits seit September 1995. Die Untersuchungen im November 1995 führten nicht zu einer Erhärtung dieses Verdachts. Vor diesem Hintergrund ist die Kündigung vom 22.11.1995 verfristet.

Die Kündigung ist auch nicht als ordentliche Kündigung wirksam. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin war die Kündigung nur aus wichtigem Grund zulässig. Dieser Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts führte zu einer bindenden Laufzeit des Dienstvertrages von zwanzig Monaten, die allerdings noch nicht dem Klauselverbot des § 11 Nr. 12 a AGBG (länger als zwei Jahre) unterfällt.

Ob ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts bei Unterrichtsverträgen mit einer Vertragslaufzeit von zwanzig Monaten eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne des § 9 AGBG darstellt und deshalb unwirksam ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Während diese Frage vom OLG Köln (OLGR 1998, 5 ff.) im Anschluss an die sog. "Tänzer-Entscheidung" des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 1993, 326 ff.) insbesondere im Hinblick auf die fehlende Probezeit bejaht wird, lehnen das Oberlandesgericht München (OLG München, NJW-RR 1990, 1016) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, OLGR 1997, 57) eine unangemessene Benachteiligung des Kunden insbesondere wegen dem Erfordernis der Planungssicherheit für den Veranstalter ab.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann die Frage eines Verstoßes gegen § 9 AGBG offen bleiben. Denn ein Verstoß hätte nach Auffassung des Senats nicht zur Folge, dass die Beklagte nach § 621 Nr. 3 BGB jeweils monatlich kündigen könnte. Unwirksam nach § 9 AGBG wäre nämlich nicht der Kündigungsausschluss, sondern die Laufzeitregelung. Insoweit läge eine Regelungslücke vor, die nach gefestigter Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen wäre. Maßgebend ist dabei, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen getroffen haben würden, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BGH, NJW 1993, 326 ff., 330). Insoweit sind gegenüberzustellen das Interesse der Klägerin an einer verlässlichen Kalkulation und der Sicherheit ihrer Planungen und das Interesse des Kunden, seine Eignung und Befähigung für den angestrebten Beruf als Heilpraktiker ohne Bindung an die gesamte Laufzeit überprüfen zu können. Die Abwägung dieser Interessen rechtfertigte allenfalls die Einräumung einer Kündigungsmöglichkeit nach einer kurzen Probezeit (im Ergebnis auch: LG Gießen, MDR 2000, 513 f., 514). Die Beklagte hat den Unterrichtsvertrag aber erst nach Ablauf von nahezu zehn Monaten seit Kursbeginn gekündigt. Eine so späte Kündigung wäre auch bei Annahme einer Unwirksamkeit nach § 9 AGBG nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung gedeckt.

Da die Beklagte den Unterrichtsvertrag nicht wirksam gekündigt hat, ist sie neben dem Kaufpreis für die Videokassetten auch zur Bezahlung der Unterrichtsvergütung verpflichtet.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1, Art. 229 Abs. 1 S. 3 EGBGB. Hinsichtlich des Zinsausspruchs hat die Berufung zu einem geringen Teil Erfolg. Das Landgericht hat der Klägerin 4 % Zinsen aus 10.106 DM, die ursprünglich im Mahnbescheid geltend gemacht wurden, zugesprochen. Beantragt hatte die Klägerin aber lediglich eine Verurteilung zur Zahlung von Zinsen aus 6.705 DM (Bl. 114, 93, 7 GA). Dieser Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO war im Berufungsverfahren zu korrigieren.

Der Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Mahnauslagen folgt aus § 286 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO,

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.705 DM festgelegt. Dem entspricht die Beschwer der Beklagten.



Ende der Entscheidung

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