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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 1 U 1640/05
Rechtsgebiete: LStrG
Vorschriften:
LStrG § 1 Abs. 5 | |
LStrG § 3 Nr. 3 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 1 U 1640/05
Verkündet am 12.07.2006
in dem Rechtsstreit
wegen: Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Trueson und die Richter am Oberlandesgericht Rüll und Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2006
für Recht erkannt: Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Oktober 2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine Kfz-Händlerin, verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz (13.720,38 EUR) nach einer Überflutung des Betriebsgeländes mit erheblichen Wasser- und Schlammschäden.
In der Nacht vom 21. zum 22. Juli 2003 kam es in dem Gebiet von H..., in dem das Betriebsgelände der Klägerin liegt, zu einem Niederschlagsereignis, das seltener als einmal in 100 Jahren zu erwarten ist (Gutachten des Deutschen Wetterdienstes, S 6; Bl. 17-6 GA) - "Jahrhundertregen".
In der Nähe des Betriebsgeländes verläuft eine Bundes- und eine Landesstraße, die über einen Straßenseitengraben entwässert werden. Dieser Graben hatte sich stark zugesetzt. Über diesen Graben wird weiter auch ein großer Außengebietsbereich entwässert.
Auf das Betriebsgelände der Klägerin gelangten Wassermaßen aus diesem Grabenbereich, von einem asphaltierten Wirtschaftsweg sowie aus einer unmittelbar an das Betriebsgelände anschließenden 2,5 ha großen Außengebietsfläche unterhalb der Straßen.
Die Klägerin begründet den geltend gemachten Schadensersatzanspruch damit, dass bei ordnungsgemäßer Unterhaltung des Straßenseitengrabens die schadensursächlichen Wassermassen sicher abgeführt worden wären und so es zu keinem Schaden an ihrem Betriebsgelände gekommen wäre.
Das beklagte Land wendet sich hiergegen und begründet dies vor allem damit, dass es nicht verpflichtet gewesen sei, für die sichere Ableitung eines Jahrhundertwassers Sorge zu tragen. Es verweist weiterhin auf seine fehlende Verantwortung für die Wassermassen, die auf, über den Wirtschaftsweg und aus der freien Fläche oberhalb des Betriebsgeländes auf dieses gelangt seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf den fehlenden Schutzzweck und die nicht gegebene Kausalität hingewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt (Bl. 54, 53 GA). Unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen trägt sie vor allem zu der Vernachlässigung der Säuberungs-, Unterhaltungspflicht (Straßenseitengraben) vor.
Das beklagte Land strebt unter Intensivierung des bisherigen Vorbringens die Zurückweisung der Berufung an (Bl. 64, 48 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen, auf die vorgelegten Gutachten (Bl. 4-1 ff., 17-1 ff. GA) sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 - 3; Bl. 25 f. GA) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Ihr steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land nicht zu.
1. Das beklagte Land ist für den Zustand der Entwässerungsanlage nach straßenrechtlichen Vorschriften verantwortlich (vgl. Stein/ Itzel/ Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rdnr. 534). Durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Verantwortlichkeit ergeben sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass weitere Außengebietsflächen (rund 9,3 ha - Bl. 4-16 GA) über diesen Graben entwässert werden. Insoweit könnte allenfalls eine zusätzliche Verantwortung der wasserrechtlich verantwortlichen Gemeinde für dieses Gewässer der dritten Ordnung eingreifen (vgl. Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl., Rdnr. 148, Stein/ Itzel/ Schwall, a.a.O., Rdnr. 534, 689). In jedem Fall ist das beklagte Land (auch) verantwortlich für den der Straßenentwässerung dienenden, von ihm errichteten und unterhaltenen Straßenseitengraben.
Da von derartigen Entwässerungsanlagen (Straßenseitengraben) keine zusätzlichen, vermeidbaren Gefahren durch das Sammeln von Wassermassen ausgehen dürfen, ist die Klägerin im vorliegenden Fall auch von dem insoweit bestehenden Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht erfasst. Zwar dienen die Straßenseitengräben der Entwässerung der Straßenbereiche, damit dem sicheren und zügigen Verkehr der Straßenbenutzer, jedoch dürfen hiervon keine weiteren, zusätzlichen Gefahren für bislang unbeteiligte Dritte (z.B. Unteranlieger) ausgehen.
2. Das beklagte Land ist jedoch nicht verantwortlich für die sichere Ableitung der Wassermassen, die aus/ über den Wirtschaftsweg (vgl. § 1 Abs. 5, § 3 Nr. 3 Landesstraßengesetz) sowie über die rund 2,5 ha große Außengebietsfläche unmittelbar oberhalb des Betriebsgeländes der Klägerin auf dieses gelangt sind. Da trotz entsprechender Hinweise die Klägerin weder vorgetragen hat noch sonst für den Senat ersichtlich ist, welche Wassermassen zu welchen Schäden geführt haben, mithin auch nicht ersichtlich ist, ob und gegebenenfalls zu welchem Teil die über den Straßenseitengraben auf das Betriebsgelände gelangten Wassermassen schadensursächlich waren, hat der Senat bereits durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit, Zurechenbarkeit und Schlüssigkeit des behaupteten Schadens und dessen Berechnung.
3. Entscheidend für die nicht eingreifende Haftung des beklagten Landes ist im vorliegenden Fall allerdings, dass es an einer für den geltend gemachten Schaden ursächlichen Pflichtverletzung fehlt.
Das Land war und ist nicht verpflichtet, die Abwasserableitungsanlagen, -einrichtungen (hier: Straßenseitengraben) auf die sichere Ableitung auch eines "Jahrhundertregens" auszurichten (vgl. Stein/ Itzel/ Schwall, a.a.O., Rdnr. 699, 703 - m.w.z.N.). Unter Zugrundelegung des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin, nach dem der Straßenseitengraben "an sich" (gereinigt und gewartet) auch die Wassermassen eines "Jahrhundertregens" hätte sicher ableiten können, hat das Land eine nicht bestehende Pflicht erfüllt; es liegt der Fall einer sogenannten überobligatorischen Pflichterfüllung vor. Hierauf hatte die Klägerin keinen Anspruch und kann dementsprechend auch aus diesem (überobligatorischen) Ausbauzustand des Grabens nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Klägerin hat auch nicht etwa im Hinblick auf diese Maßnahme (großer Straßenseitengraben - geeignet auch zur Ableitung von Jahrhundertwässern) eigene Schutzmaßnahmen unterlassen. Hierfür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Hat die Klägerin mithin keinen Anspruch auf einen entsprechend groß ausgebauten Graben zur sicheren Ableitung der entsprechenden Wassermassen aus einem "Jahrhundertregen", kann sie eine (behauptete) Verletzung der Unterhaltungspflicht nicht zur Begründung des geltend gemachten Schadensersatzanspruches in Anspruch nehmen. Einen Anspruch auf Unterhaltung, Erhaltung der vollen Funktionstüchtigkeit eines derart groß dimensionierten Grabens hat die Klägerin nicht.
Sie hat lediglich einen Anspruch darauf, dass von einer Anlage keine vermeidbaren Gefahren für sie ausgehen. Im vorliegenden Fall war das beklagte Land lediglich verpflichtet, einen Straßenseitengraben zu unterhalten, der Niederschlagsmengen aus zehn- bis zwanzigjährigen Berechnungsregen sicher ableiten kann. Ein derart gestalteter Graben hätte die anfallenden Wassermassen nach dem streitgegenständlichen Regenereignis ("Jahrhundertregen") weder erfassen noch sicher ableiten können. Das Schadensereignis wäre in gleicher Weise - wie tatsächlich geschehen - bei einer derartig pflichtgemäßen Ausgestaltung der Straßenentwässerungsanlage eingetreten. Die (behauptete pflichtwidrige) mangelhafte Unterhaltung des (großen) Straßenseitengrabens war damit nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden, da dieser in gleicher Weise auch bei absolut pflichtgemäßem Handeln des beklagten Landes eingetreten wäre. Das beklagte Land ist damit nicht verantwortlich für die Schäden an dem Betriebsgrundstück der Klägerin infolge der Wassermassen aus dem "Jahrhundertregen" vom 21./ 22. Juli 2003, auch wenn diese über die Straßen und den Graben, für die das beklagte Land verantwortlich zeichnet, auf das Gelände der Klägerin gelangt sind.
4. Damit hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung bleibt ohne Erfolg und ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 13.721 EUR festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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