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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: 1 U 628/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 209 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 286 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 108 |
2. Pflichten staatlicher Ermittlungsbehörden dienen der Klärung von Straftaten, der Feststellung der Verantwortlichen (Täter) und der Realisierung des staatlichen Strafanspruchs; sie haben grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zugunsten der Tatopfer.
Informations-, Koordinierungs- und Kooperationspflichten von Behörden untereinander nach dem Nato-Truppenstatut haben generell keine drittschützende Wirkung.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Aktenzeichen: 1 U 628/00
Verkündet am: 23. Januar 2002
In dem Rechtsstreit
wegen Amtshaftungsansprüchen.
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, die Richterin am Oberlandesgericht Semmelrogge und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. März 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.700 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Parteien können die Sicherheit auch durch schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbringen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch aus Deliktsrecht nach behauptet pflichtwidrigem Verhalten amerikanischer Militärangehöriger gegen die Beklagte (in Prozessstandschaft) geltend.
Die Klägerin betreibt eine Spedition für Containertransporte und hatte 1987/1988 als Einfuhrspediteur für den amerikanischen Haupt- und Hochseespediteur für die Durchführung von Transporten mit Zigaretten zu sorgen, die für die in Deutschland stationierten US-Truppen zoll- und abgabenfrei zur bleibenden Zollgutverwendung bestimmt waren. Die Zigaretten wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika abgepackt, in Containern verplombt und von amerikanischen Seehäfen aus in den Überseehafen Rotterdam transportiert und dort im Containerhafen entladen. Beim zuständigen deutschen Zollamt erfolgte später die Abfertigung der Zigaretten mit dem der Klägerin bewilligten Verteilerverwendungsverkehr. Im Rahmen des Verteilerverwendungsverkehrs dürfen Zigaretten in amerikanische Verkaufseinrichtungen der US-Streitkräfte verbracht werden, ohne dass dafür Einfuhrumsatzsteuer oder Tabaksteuer in Deutschland anfallen. Zu diesem Zweck wurden formularmäßig Einfuhranmeldungen durch den Einfuhrspediteur, die Klägerin, beim Grenzübertritt von den Niederlanden nach Deutschland abgegeben. Auf diesem Zollformular wird dann der Erhalt der Waren nach der Auslieferung durch die US-Streitkräfte quittiert. Die so gelieferten Tabakwaren sind von den genannten Abgaben befreit.
Der Weitertransport von Rotterdam aus geschah jeweils auf dem Rhein bis nach Mainz in den dortigen Containerhafen mit einem Binnenschiff der von der Klägerin beauftragten Reederei (vor allem Firma S GmbH in N). Die in Mainz entladenen Container wurden anschließend von Lkw's zum Verbleib in die folgenden US-Verkaufseinrichtungen transportiert: Baumholder, Zweibrücken, Ramstein, Stuttgart, Heilbronn, Kitzingen, Geinhausen, Gießen, Frankfurt am Main und Mainz.
Bei den von Frühjahr 1987 bis zum Frühjahr 1988 durchgeführten Lieferungen bestätigten die militärischen Empfänger jeweils die Vollständigkeit der erhaltenen Sendungen in dem Zollformular, stellten jedoch danach Unvollständigkeiten bei den Lieferungen fest.
Die Fehlmengen beruhten auf Diebstählen durch die Binnenfrachtschiffsbesatzungen. Diese Diebstähle endeten am 30. Juni 1988, als durch den Zollfahndungsdienst in Zusammenarbeit mit amerikanischen Ermittlungsbehörden eine Verhaftung nach Entladung eines Frachtschiffes erfolgte. Hierbei konnte noch eine große Anzahl von entwendeten Zigaretten sichergestellt werden. Die Verhaftung erfolgte, nachdem für den Transport der Waren von den zuständigen US-Streitkräften zwei präparierte Container zur Verfügung gestellt worden waren, bei denen ein unerlaubtes Öffnen durch Funksignale von den den Transport beschattenden Beamten und US-Bediensteten festgestellt werden konnte. Die Täter wurden vom Landgericht. Düsseldorf in dem Strafverfahren 18 Js 1928/89 - 208 VRS 538/92 verurteilt.
Insgesamt kam es bei den US-Verkaufseinrichtungen zu Fehlmengenmeldungen von insgesamt 1.121,5 Kartons Zigaretten, wovon 102 Kartons für die US-Einrichtung in Baumholder bestimmt waren.
Wegen ungenehmigter Entnahme unverzollter und unversteuerter Zigaretten in einer Gesamtmenge von über 10 Mio. Stück aus dem bewilligten Verteilerverwendungsverkehr in den freien Verkehr wurden gegen die Klägerin mit Bescheiden des Hauptzollamtes Düsseldorf vom 11. Juli 1989 Eingangsabgaben von insgesamt 1.685.805,30 DM, sowie mit Bescheid des Hauptzollamtes Emmerich vom 6. November 1989 wegen ungenehmigter Entnahme von rund 2,8 Mio. Stück Zigaretten Eingangsabgaben von 473.862,30 DM festgesetzt, so dass sich die Gesamtabgabenlast der Klägerin auf rund 2,15 Mio. DM belief.
In dem von dem Hauptzollamt Düsseldorf festgestellten Abgabenbetrag war ein auf die US-Verkaufseinrichtung in Baumholder bezogener Abgabenanteil von 195.289,20 DM enthalten. Diesen Betrag zahlte die Klägerin am 25. Februar 1993 unter Vorbehalt.
Die gegen die Abgabenbescheide eingelegten Einsprüche der Klägerin wurden jeweils mit Bescheiden der Hauptzollämter Düsseldorf vom 25. August 1993 und Emmerich vom 8. März 1993 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobenen Klagen wurden vom Finanzgericht Düsseldorf mit Urteilen vom 7. August 1997 abgewiesen. Durch zwei Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 1998 wurden die von der Klägerin zur Revisionsvorbereitung erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig verworfen und damit die Entscheidungen des Finanzgerichts Düsseldorf bestätigt. Wegen der Gesamtabgabenbelastung sowie entstandener Kosten und Zinsbelastungen hatte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Oktober 1997 erstmals einen Antrag auf Schadensersatz für die von ihr infolge der Diebstähle zu zahlenden Abgaben beim Amt für Verteidigungslasten in Koblenz gestellt.
Mit Schreiben vom 30. April 1998 erklärte die zuständige US-Dienststelle in Mannheim, dass die von der Klägerin als pflichtwidrig angesehenen Handlungen amerikanischer Staatsangehöriger in Ausübung des Dienstes begangen wurden.
Mit Teilentschließung vom 30. September 1998 wies das Amt für Verteidigungslasten den Antrag der Klägerin auf Schadensersatz zum Ausgleich einer Besteuerung nach zweckwidriger Verwendung steuerfrei eingeführter Zigaretten betreffend die Empfängerdienststelle in Baumholder (Smith-Kaserne) ab.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Der Schaden sei auf pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der beteiligten Mitarbeiter der US-Streitkräfte in der Verkaufseinrichtung Baumholder zurückzuführen. Diese Pflichtverletzung sei insbesondere darin zu erblicken, dass die Vollständigkeit der Sendungen gegenüber den deutschen Zollbehörden schriftlich bestätigt und unmittelbar danach deren tatsächliche Unvollständigkeit festgestellt worden sei. Es sei jeweils unterlassen worden, die Fehlmeldungen unverzüglich den Zollbehörden mitzuteilen und die Anlieferungsmenge richtig zu stellen. Dadurch hätten die Diebe regelmäßig über einen längeren Zeitraum unerkannt vorgehen können. Bei rechtzeitiger Angabe der Fehlmengen hätten weitere Diebstähle durch Gegenmaßnahmen - auch der Klägerin - unterbunden werden können. Des Weiteren seien auch der unverzüglich unterrichteten Militärpolizei der US-Streitkräfte Pflichtverstöße vorzuwerfen, da diese die deutschen Behörden zu spät, nicht rechtzeitig informiert hätte, so dass weitere Diebstähle nicht hätten verhindert werden können. Erst am 18. Mai 1988 sei das Zollfahndungsamt Koblenz, Zweigstelle Kaiserslautern, von den Fehlmengen in Kenntnis gesetzt worden. Daraufhin seien die deutschen Ermittlungsbehörden unverzüglich in Zusammenarbeit mit den amerikanischen Behörden tätig geworden, so dass bereits am 29./30. Juni 1988 die Festnahme der Täter habe erfolgen können.
Die Fehlmenge bei der streitgegenständlichen Lieferung, welche am 25. November 1987 an die US-Verkaufsstelle in Baumholder ausgeliefert worden sei, habe zu einem Steuer-/Abgaben-Schaden in Höhe von 195.289,20 DM bei der Klägerin geführt. Dies ergebe sich aus dem Steuerbescheid vom 11. Juli 1989, rechtskräftig durch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 1998. Weiterhin seien ihr Prozesskosten aus dem finanzgerichtlichen Verfahren anteilig in Höhe von 3.601,85 DM zu erstatten.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie die Schadensersatzforderung rechtzeitig gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 198.891,05 DM nebst 12 % Zinsen aus 195.289,20 DM vom 1. Dezember 1988 bis 24. Februar 1993 sowie 5 % Zinsen aus dem gleichen Betrag ab dem 25. Februar 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
die Klägerin habe die Antragsfrist nach Art. 6 Abs. 1 sowie die nach Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen (AG-NTS) verstreichen lassen. Der von ihr behauptete Schaden sei ihr nicht erst mit Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils (27. Februar 1998), sondern bereits Jahre zuvor eingetreten und ihr bekannt gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin die gesetzlichen Fristen von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 AG-NTS mit der Folge eines Anspruchsausschlusses versäumt habe. Die Klägerin habe spätestens mit Erlass der Widerspruchsbescheide durch die Hauptzollämter Emmerich und Düsseldorf (8. März sowie 25. August 1993) die erforderliche Kenntnis aller anspruchsbegründenden relevanten Tatsachen gehabt. Der Schaden durch die Abgabenbelastung sei auch nicht erst durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 1998 eingetreten. Durch die finanzgerichtlichen Verfahren sei auch der Fristenlauf nicht unterbrochen worden, denn es handele sich insoweit nicht um einen Primärrechtsschutz gegen die behauptet pflichtwidrigen und schädigen Maßnahmen (Zigarettendiebstähle, Pflichtwidrigkeiten durch amerikanisches Militärpersonal).
Gegen dieses klageabweisende Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Intensivierung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter vorträgt:
Der Beginn des Laufs der Fristen nach Art. 6 AG-NTS sei frühestens auf den 27. Februar 1998 (Entscheidung des Bundesfinanzhofs) festzusetzen. Zuvor fehle es bereits am Vorliegen eines Schadens. Eine Antragstellung bei der Beklagten vor diesem Zeitpunkt sei für sie weder sinnvoll noch zumutbar gewesen. Das Verfahren vor den Finanzgerichten sei vorgreiflich gewesen, eine Entscheidung über Schadensersatzansprüche hätte während des Laufs dieser Verfahren nicht stattfinden können.
Bei pflichtgemäßem Verhalten, dem sofortigem Eingreifen der amerikanischen Militärangehörigen (Mitarbeiter der Verkaufseinrichtungen, Militärpolizei u. a.) wäre der Schaden ausgeblieben, denn sie - Klägerin - hätte dann bereits im Frühjahr 1987 nach Bekanntwerden der ersten Diebstähle unmittelbar durch Beauftragung eines anderen - zuverlässigen - Binnenschifffahrtsunternehmens gegensteuern und vor allem den hier streitgegenständlichen Zigarettendiebstahl im Spätjahr 1987 (US-Verkaufseinrichtung B) verhindern können.
Die Vorschriften, die das Zusammenwirken amerikanischer und deutscher Polizei-, Steuer- und Zolldienststellen regeln, seien auch zu ihren Gunsten drittschützend.
Ersatzansprüche gegen Dritte bestünden entweder nicht oder seien nicht in zumutbarer Weise durchsetzbar.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 198.891,05 DM zuzüglich 12 % Zinsen p.a. aus 195.289,20 DM vom 1.12.1988 bis zum 24.2.1993 sowie 5 % Zinsen p.a. aus dem vorgenannten Betrag ab dem 25.2.1993 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen weiter aus:
Alle Fristen zur Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs seien abgelaufen; eine Fristunterbrechung habe durch die finanzgerichtlichen Verfahren nicht stattgefunden. Ein Ersatzanspruch sei daher ausgeschlossen. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden sei bereits mit/durch die Diebstähle entstanden. Es lägen auch keine Pflichtenverstöße amerikanischer Militärangehöriger vor; diese hätten bei den hier gegebenen komplexen, kontinentübergreifenden Lieferungsvorgängen alles zur Sachaufklärung und Täterermittlung Erforderliche getan. Darüber hinaus seien die relevanten Kooperationsvorschriften für deutsche und amerikanische Behörden nicht zugunsten der Klägerin drittschützend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakten (18 Js 1928/89 StA Düsseldorf, 4 K 5966/93 und 4 K 2078/93 FG Düsseldorf) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Ihr steht kein (deliktischer) Schadensersatzanspruch, vor allem keiner nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839 BGB i.v.m. Art. 34 GG) zu. Das Landgericht hat demnach die Klage zu Recht abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg und zurückzuweisen.
1. Der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch scheidet bereits deshalb aus, weil die Klägerin nicht schlüssig dargetan hat, ob, gegebenenfalls in welcher Höhe sie von dritten Personen, die ihr gegenüber verpflichtet waren bzw. sind, Ersatz erlangen konnte oder noch kann. Dies betrifft zum einen die an den Diebstählen der Zigaretten unmittelbar beteiligten Personen (vergl. Anklageschrift und Urteil in 18 Js 1928/89 - StA Düsseldorf - Bl. 819 ff, 944 ff), die ausweislich der beigezogenen Strafakten nicht unerhebliche Leistungen auf die Abgaben-, Steuerschuld - als Gesamtschuldner neben der Klägerin haftend (vergl. Bl. 843 d.A. 18 Js 1928/89 - StA Düsseldorf) - erbracht haben (z. den Beträgen s. Bl. 870 f. sowie die Feststellungen in dem Strafurteil Bl. 948 ff. d. Strafakten), sowie auch den Vertragspartner der Klägerin. Auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Klägerin auf den gerichtlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2001 ist nach wie vor für den Senat nicht ausreichend dargelegt, weshalb Ansprüche insoweit nicht gegeben waren bzw. sind, nicht in zumutbarer Weise realisiert werden können oder vormals bestehende Ansprüche ohne Verschulden der Klägerin nicht geltend gemacht wurden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass das Verstreichenlassen derartiger Ersatzmöglichkeiten nach einhelliger Auffassung zum Anspruchsausschluss nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB führt (vergl. nur RGRK-Kreft, 12. Aufl., § 839 Rdnr. 507 - 507 - m.w. zahlr. Nachw.).
Da den amerikanischen Amtsträgern (Verkaufseinrichtungen, Strafverfolgungsbehörden u. a.) keineswegs ein Handeln in Kenntnis eigener Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen ist, sie mithin allenfalls fahrlässig gehandelt haben, scheitert der geltend gemachte Anspruch aus Amtspflichtverletzung bereits daran, dass nicht schlüssig das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dargetan wurde.
2. Der Anspruch ist hier auch deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin die in Art. 6 des Gesetzes zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen (AG-NTS) festgelegten Fristen zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nicht eingehalten hat, was zu einem Anspruchsausschluss führt (Entschädigungsrecht der Truppenschäden - herausgegeben vom Bundesministerium der Finanzen, 1991, Rn. 44).
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Seite 10 - 14; Bl. 98 - 102 d. A.); diese macht er sich zu Eigen - § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Ergänzend und vertiefend ist lediglich noch auf Folgendes hinzuweisen:
Die Bestimmung der Ausschluß-Fristen in Art. 6 AG-NTS beruht auf der von der Bundesrepublik Deutschland vertraglich übernommenen Verpflichtung, durch geeignete gesetzliche Maßnahmen sicherzustellen, dass eine schnelle Abwicklung der Entschädigungsverfahren gewährleistet wird. Es sollen die deutschen Behörden sowie aber auch vor allem die Dienststellen der ausländischen Streitkräfte in die Lage versetzt werden, die zur Abgeltung der Schäden erforderlichen Feststellungen mit besonderer Beschleunigung zu treffen. Denn Schadensfälle, an denen ausländische Streitkräfte beteiligt sind, müssen schnell abgewickelt werden, weil sonst bei dem häufigen Standort- und Personalwechsel der militärischen Einheiten die Ermittlungen stark erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht werden (vgl. Entschädigungsrecht der Truppenschäden a.a.O., Rn. 41). Diese Gefahr zeigt sich im vorliegenden Verfahren ganz deutlich, da die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 23. Oktober 1997 einen Antrag auf Schadensersatz bei den zuständigen Entschädigungsbehörden gestellt hat. Die Klärung der Vorfälle aus den Jahren 1987 und 1988, das konkrete Verhalten des von den amerikanischen Behörden eingesetzten Personals in den Verkaufsstätten sowie Art, Umfang, Intensität, zeitliche Abfolge der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen durch amerikanische Strafverfolgungsstellen erscheint nicht mehr bzw. nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand im Einzelnen ermittel- und darstellbar. Gerade dies soll durch die kurzen Fristen nach Art. 6 AG-NTS vermieden werden. Auch unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung der gesetzlichen Vorschriften ist hier von einem Fristenversäumnis und damit von einem Anspruchsausschluss auszugehen. In jedem Fall war die Zweijahresfrist nach Art. 6 Abs. 4 AG-NTS im Zeitpunkt des erstmals gestellten Antrags vom 23. Oktober 1997 abgelaufen. Das schädigende Ereignis ist hier in den Diebstählen zu sehen, durch die die Zigaretten dem bewilligten (zollfreien) Verteilerverwendungsverkehr entzogen wurden und in den abgabenpflichtigen freien Handel gelangt sind. Durch diese Diebstähle ist auch die Abgabenverpflichtung der Klägerin entstanden. Dies ergibt sich auch aus den rechtskräftigen Entscheidungen der Finanzgerichte (s. nur Urteil in 4 K 5966/93 FG Düsseldorf, S. 15, Bl. 255). Bei dieser Sach- und Rechtslage war die Klägerin gehalten, spätestens nach Zustellung der Widerspruchsbescheide gegenüber den Entschädigungsbehörden aktiv zu werden. Weder der von der Klägerin geltend gemachte Schaden noch das "schädigende Ereignis" kann auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidungen durch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 1998 verschoben werden (so wohl auch Urteil des FG Düsseldorf v. 7. August 1997 S. 14, 15, Bl. 190 f. d.A. 4 K 2078/93 FG Düsseldorf).
Auch eine Unterbrechung dieser gesetzlichen Frist entsprechend § 209 Abs. 1 BGB durch die Klage vor den Finanzgerichten kommt hier nicht in Betracht. Es handelt sich bei diesen finanzgerichtlichen Verfahren nicht um Klagen zur Abwendung des bereits durch die Diebstähle eingetretenen Schadens (Primärprozess); darüber hinaus ist die beklagte Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Verfahren lediglich in Prozessstandschaft beteiligt.
Auch war es der Klägerin weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen verwehrt, rechtzeitig, das heißt innerhalb der nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 AG-NTS festgelegten Fristen Ansprüche bei den zuständigen Entschädigungsbehörden geltend zu machen. Wie sie selbst ausweislich ihres Schreibens vom 23.10.1997 gezeigt hat, musste sie zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen keineswegs die Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidungen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 1998) abwarten; sie wurde bereits zeitlich wesentlich früher tätig. Zum anderen sieht das in Art. VIII Abs. 5 des Natotruppenstatuts sowie in Kapitel 3 des AG-NTS geregelte Entschädigungsverfahren durchaus die naheliegende Möglichkeit vor, dass der Antragsteller in seinem Entschädigungsantrag die Abgabe einer Erklärung der Entschädigungsbehörde dahingehend verlangen kann, dass ihm zukünftige Schäden, die aus dem Schadensereignis entstehen können, zu ersetzen sind - "Feststellungsantrag" (vgl. Entschädigungsrecht der Truppenschäden a.a.O. Rn. 56 und 91). Die Stellung eines derartigen Antrags innerhalb der gesetzlichen Fristen war der Klägerin auch zumutbar und hätte dann - zeitnah zu den schädigenden Ereignissen - zu weiteren und abschließenden Feststellungen hinsichtlich der vorgeworfenen Amtspflichtverletzung führen können.
Weiterhin gilt, dass nach Art. 6 Abs. 3 AG-NTS die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Notfristen entsprechend anwendbar sind; das heißt, dass bei unverschuldeter Versäumung dieser Fristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist. Auch hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.
Nach allem ist der geltend gemachte Ersatzanspruch der Klägerin wegen Versäumung der in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 festgelegten Antragsfristen ausgeschlossen.
3. Der Senat kann sich auch keine Überzeugung i.S.v. § 286 ZPO hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzung durch Bedienstete der amerikanischen Streitkräfte bilden.
a) Das in den Verkaufsstätten eingesetzte Personal hat - auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin - jeweils unmittelbar die zuständigen amerikanischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden informiert. Dass sie bei dieser Sachlage nicht von sich aus die Fehlmengen weiter publik gemacht haben, sei es gegenüber den deutschen Zoll- und Steuerbehörden oder aber auch gegenüber der Lieferfirma oder der Klägerin, ist keineswegs pflichtwidrig, denn hierdurch wären die laufenden Ermittlungen möglicherweise gefährdet worden. Die Bediensteten haben mit der Meldung der Fehlmengen an die für sie zuständigen Stellen das erforderliche und von ihnen zu Fordernde getan. Ein pflichtwidriges Verhalten scheidet insoweit aus.
b) Auch die Ermittlungstätigkeit der zur Aufklärung der Diebstähle u. a. eingesetzten amerikanischen Sicherheits- und Polizeikräfte erscheint nicht zu beanstanden; insoweit liegt zur Überzeugung des Senats gleichfalls kein einen Schadensersatz auslösendes pflichtwidriges Verhalten vor. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen und der Berichte in den beigezogenen Strafakten (s. Bl. 165, 360 f., 830 f. d.A. 18 Js 1928/89 StA Düsseldorf), wurde zeitnah nach dem Feststellen mehrerer Fehlmengen an unterschiedlichen Stationierungsstandorten mit der Ermittlungstätigkeit begonnen. Es musste der Weg der Zigarettenlieferungen nachvollzogen, die verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten und -orte ermittelt und unterschiedliche Ursachen (weniger als deklariert abgepackte Zigaretten; Austausch, Beschädigung von Siegeln u.s.w.) ausgeschlossen werden. Dass dies bei einem interkontinentalen Lieferweg mit ganz unterschiedlichen Transportmedien und verschiedenen beteiligten Speditionsunternehmen zeitaufwendig ist, ergibt sich von selbst. Die Klägerin hat auch nicht konkrete Versäumnisse amerikanischer Ermittlungsbehörden gerügt. Soweit sie der Auffassung ist, dass ihr bereits unmittelbar nach den ersten Diebstählen in 1997 Kenntnis darüber hätte verschafft werden müssen, trifft dies nicht zu. Ziel der staatlichen Ermittlungstätigkeit war und ist ersichtlich, die Tat aufzuklären und die Täter zu fassen, damit sie bestraft werden können. Von den staatlichen Ermittlungsbehörden zu fordern, bei Serienstraftaten - wie im vorliegenden Fall - den Geschädigten frühzeitig zu informieren, würde bedeuten, die Chancen für eine Aufklärung der Straftaten dramatisch zu verringern. Ein derartiges Verhalten kann von den Behörden nicht gefordert werden; die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden u. a. haben durch die Nichtmitteilung der gemeldeten Fehlmengen und Diebstähle an die Klägerin sich nicht pflichtwidrig dieser gegenüber verhalten.
4. Ein Anspruch der Klägerin scheidet aber auch deshalb aus, weil sie sich ausschließlich auf die Verletzung von Vorschriften berufen kann und auch beruft, die zu ihren Gunsten keine drittschützende Wirkung haben.
a) Soweit sie die Ermittlungstätigkeit amerikanischer Behörden rügt und als pflichtwidrig einstuft, ist festzustellen, dass die staatliche Strafverfolgung ausschließlich zur Sicherung des staatlichen Strafanspruchs dient, sie keine Schutzfunktion gegenüber dem Geschädigten hat und aus einer möglicherweise gegebenen "Reflexwirkung" der Geschädigte keine Rechte gegen den Staat ableiten kann (RGRK-Kreft a.a.O. Rdnr.232 - m.w.Nachw.). Da die amerikanischen Polizei- und Ermittlungsbehörden ersichtlich ausschließlich zum Zwecke der Ermittlung, Strafverfolgung tätig wurden und eine - einmal unterstellte - Verletzung von Pflichten in diesem Bereich, anders als im präventivpolizeilichen Bereich (zum Zwecke der Gefahrenabwehr, s. RGRK-Kreft a.a.O. Rdnr. 270), keine drittschützende Wirkung zugunsten der Klägerin hat, ist der geltend gemachte Anspruch auch deshalb ausgeschlossen.
b) Soweit die Klägerin pflichtwidriges Verhalten der amerikanischen Behörden in der mangelnden Koordination und Information deutscher Ermittlungsbehörden u. a. sieht, ist festzuhalten, dass diese Kooperations- und Koordinierungsvorschriften (Art. XII, XIII NTS sowie Art. 74 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen v. 3. August 1959) gleichfalls keine drittschützende Wirkung zugunsten der Klägerin erzeugen. Auch diese Vorschriften dienen im vorliegenden Fall ausschließlich der effektiven Durchführung staatlicher Tätigkeiten, ein Schutz Dritter in der rechtlichen und tatsächlichen Stellung der Klägerin (Einfuhrspediteur) ist ersichtlich nicht Gegenstand und Zweck der Regelungen und die Klägerin kann sich mithin zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs nicht auf eine Verletzung dieser Vorschriften berufen.
5. Nach allem hat die Klage der Klägerin auf Schadensersatz wegen der bei ihr angefallenen und bestehenden Steuerschuld nach den durchgeführten Diebstählen mit der Folge, dass die von ihr beförderten Zigaretten der Zoll- und Steuerpflicht unterliegen, aus mehreren Gründen keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung bleibt ohne Erfolg und ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 198.891 DM festgesetzt; in dieser Höhe ist die Klägerin durch dieses Urteil beschwert.
Ende der Entscheidung
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