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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.03.2000
Aktenzeichen: 1 U 70/00
Rechtsgebiete: BerufsO, ZPO, BGB, BRAO


Vorschriften:

BerufsO § 32 Abs. 1 Satz 4
BerufsO § 32
BerufsO § 33
ZPO § 940
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 545 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 890
ZPO § 935 ff.
ZPO § 97 Abs. 1
BGB § 12
BGB § 823
BGB § 1004
BRAO § 27
BRAO § 43 b
Leitsatz

Zur Verpflichtung der eine Anwaltskanzlei übernehmenden Rechtsanwälte zur Duldung des Umzugshinweises eines ausscheidenden Anwalts.


Geschäftsnummer: 1 U 70/00 7 O 309/99 LG Mainz

Verkündet am 14. März 2000

M. Schäfer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung

wegen Duldung der Anbringung eines Hinweises auf Kanzleiumzug.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese und Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 10. Dezember 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mainz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Verfügungsbeklagten zu tragen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Parteien, Rechtsanwälte in Mainz, streiten über die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, auf ihrem Kanzleischild einen Hinweis den Umzug der Verfügungsklägerin zu dulden.

Das Landgericht hat die ursprüngliche einstweilige Verfügung mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Verfügungsbeklagten auf die Dauer von sechs Monaten verpflichtet seien zu dulden, dass die Verfügungsklägerin auf dem bisherigen Kanzleischild oder, falls dieses durch die Verfügungsbeklagten durch ein neues Kanzleischild ersetzt werde, auf dem neuen Kanzleischild der Verfügungsbeklagten durch einen gedruckten Aufkleber folgenden Hinweis anbringt:

"Rechtsanwältin verzogen nach Straße 10, Rechtsanwälte Tel., Fax."

Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass nach der vertraglichen Absprache mit dem Rechtsvorgänger der Verfügungsbeklagten, dem ehemaligen Rechtsanwalt W, unter Berücksichtigung von § 32 Abs. 1 Satz 4 BerufsO ein derartiges Recht der Verfügungsklägerin auch gegen die Rechtsnachfolger, die Verfügungsbeklagten, zustehe. Die Befristung auf sechs Monate und die entsprechende Zurückweisung des weiter gehenden Antrages der Verfügungsklägerin hat es mit § 940 ZPO (nur befristetes Vorliegen eines Verfügungsgrundes) begründet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, mit der sie vor allem vorbringen, dass gegen sie als Erwerber der ehemaligen Kanzlei W der geltend gemachte Anspruch weder aus vertraglichen Absprachen noch aus der Berufsordnung ableitbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen (auch Fotos) sowie auf den Tatbestand der angefochtenen

Entscheidung (S. 2-4; Bl. 79-81 d.A.) verwiesen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 in Verbindung mit § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen durch einstweilige Verfügung zu sichernden Anspruch der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagten auf Duldung des Umzugshinweises auf dem Kanzleischild angenommen, §§ 12, 823, 1004 BGB, §§ 27, 43 b BRAO, §§ 890, 935 ff. ZPO.

Im vorliegenden Einzelfall richtet sich der Duldungsanspruch (Umzugshinweis) der Verfügungsklägerin nicht nur gegen ihren ehemaligen Außen-Sozius W sondern auch gegen die im vorliegenden Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung in Anspruch genommenen Verfügungsbeklagten. In Bezug auf die Vertragliche Absprache vom 4. November 1999 - Punkt 6 - (Bl. 9 d.A.) kann die Beantwortung der Frage offen bleiben, ob zwischen der Verfügungsklägerin und dem ehemaligen Rechtsanwalt W eine Sozietät, eine Außensozietät, eine Bürogemeinschaft oder ein Dienstvertragsverhältnis bestanden hat. Da die Verfügungsbeklagten - unstreitig - "die Rechtsanwaltskanzlei W übernommen haben" (vgl. Rundschreiben an die ehemaligen Mandanten vom 16. November 1999 - Bl. 69 d.A. - sowie Rundschreiben an die Mainzer Rechtsanwälte vom 17. November 1999 - Bl. 8 d.A.), unter dem Briefkopf "W, Sch und M" ihren Schriftverkehr abwickeln (vgl. die oben genannten Schreiben vom 16. Und 17. November 1999) und aus den in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2000 vorgelegten Lichtbildern (Kanzleischilder) sich gleichfalls ergibt, dass sie neben dem ehemaligen Rechtsanwalt W nach außen (werbend) in Erscheinung treten, müssen sie auch unter Berücksichtigung der Regelungen der Berufsordnung (§§ 32 f.) nach der diesen zugrunde liegenden Wertungen (vergl. z. der Funktion des Schildes und Hinweises Feuerich, Braun, BRAO, 4. Auf l., § 35 Rdnr. 23) als Rechtsnachfolger den Umzugshinweis der Verfügungsklägerin auf ihrem Schild für insgesamt sechs Monate (nach Auszug der Verfügungsklägerin) dulden, wobei ein möglicherweise gegebener weiter gehender Anspruch (zwölf Monate - s. § 32 Abs. 1 Satz 4 BerufsO in Verbindung mit der vertraglichen Absprache) in einem Hauptsacheverfahren weiterzuverfolgen wäre.

Dass die Berufsordnung in dem in der Wortwahl und Systematik nicht ganz schlüssigen und -geglückten § 32 (s. Römermann in Hartung, Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 32 Rn. 50 ff.) den hier vorliegenden sehr speziellen Einzelfall (Praxisübernahme nach Wegfall der Zulassung eines Rechtsanwalts) nicht ausdrücklich regelt, spricht nicht entscheidend gegen den Anspruch der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagten. Auch ist es der Berufsordnung keineswegs fremd, dass durch sie - vertraglich nicht bestehende - Rechte und Pflichten begründet werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der §§ 32, 33 der Berufsordnung, die gerade Rechte und Pflichten begründen, wenn diese zum Beispiel in einem Sozietätsvertrag nicht (ausdrücklich) vorgesehen sind. Unter maßgeblicher Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen mit dem die Kanzlei abgebenden ehemaligen Rechtsanwalt W der nach außen deutlichen "Übernahme" dieser Rechtsanwaltskanzlei und des, nach außen gemeinsamen Auftretens mit W (Rechtsanwalt bis 1999) sowie des aus der Berufsordnung ab1eitbaren Grundsatzes, dass das Ausscheiden eines Rechtsanwalts aus einer wie auch immer gearteten nach außen in Erscheinung getretenen Rechtsanwaltsgemeinschaft deutlich sichtbar gemacht werden darf, sind die Verfügungsbeklagten im hier vorliegenden Einzelfall auch gegenüber der Verfügungsklägerin, mit der sie selbst weder unmittelbare vertragliche Absprachen getroffen haben noch in einer Rechtsanwaltsgemeinschaft zusammengeschlossen waren, verpflichtet, den Umzugshinweis der Verfügungsklägerin auf ihren Praxisschildern zu dulden.

Gegen die von dem Landgericht festgelegte konkrete Ausformung des Hinweises auf den Schildern (u.a. Hinweis auf neue Sozietät/Bürogemeinschaft, Fax-Nr., Größe) hat der Senat keine Bedenken. Er schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil an (dort S. 5, 6), § 543 Abs. 1 ZPO.

Auch die Kostenentscheidung (Kostenteilung) des Landgerichts entspricht der Sach- und Rechtslage. Nachdem die Verfügungsklägerin ihren ursprünglichen Antrag teilweise zurückgenommen hatte (Schriftsatz vom 22. November 1999), hat das Landgericht dem restlichen Antrag (zeitlich unbefristete Duldung des Umzugshinweises) nur teilweise entsprochen (Befristung auf sechs Monate). Der weiter gehende Antrag wurde zurückgewiesen. Insoweit liegt ein teilweises Unterliegen der Verfügungsklägerin vor. Der Senat hat daher keine durchgreifenden Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Kostenentscheidung (Aufhebung der Kosten des gesamten Verfügungsverfahrens im ersten Rechtszug gegeneinander).

Nach allem entspricht die angefochtene Entscheidung der gegebenen Sach- und Rechtslage. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird nach dem oben Gesagten - es ist nur noch die auf sechs Monate befristete Duldungsverpflichtung im Streit - auf 12.000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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