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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 11.04.2000
Aktenzeichen: 1 W 55/2000
Rechtsgebiete: StrEG, BRAGO, ZPO, BGB
Vorschriften:
StrEG § 7 Abs. 3 | |
StrEG § 7 | |
BRAGO § 118 Abs. 1 | |
BRAGO § 26 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 127 Abs. 4 | |
BGB § 253 |
Ein Ersatzanspruch nach dem StrEG für nicht genommenen bzw. nicht nehmbaren Urlaub besteht grundsätzlich neben einem Anspruch aus § 7 Abs. 3 StrEG nicht.
Geschäftsnummer: 1 W 55/00 1 O 162/99 LG Koblenz
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
BESCHLUSS
in Sachen
gegen
wegen Ansprüchen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG),
hier: Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner und die Richter am Oberlandesgericht Stein und Dr. Itzel
am 11. April 2000
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 24. November 1999 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er mit seiner Klage vor dem Landgericht Koblenz die Zahlung von 591,54 DM begehrt. Hierfür wird ihm Rechtsanwältin in Koblenz beigeordnet.
Der weiter gehende Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Die weiter gehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat nur insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), als er die weitere Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 591,54 DM mit einer Klage vor dem Landgericht Koblenz (vgl. § 13 Abs. 1 StrEG) begehrt.
1. Die notwendigen Kosten des mit der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs im Betragsverfahren beauftragten Rechtsanwalts sind als Vermögensschaden im Rahmen des § 7 StrEG zu ersetzen (Meyer, Strafrechtsentschädigung und Auslagenerstattung, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 20 d). Gezahlt wurden dem Antragsteller bisher 277,01 DM, wobei als Gegenstandswert 3.680,80 DM zugrunde gelegt wurden und der gleichfalls auf Antrag gezahlte Ersatz für immaterielle Schäden in Höhe von 15.440 DM außer Betracht blieb (siehe Bescheid des Generalstaatsanwalts Koblenz vom 4. Januar 1999, S. 7, 8; Bl. 50, 51 d.A.). Das Landgericht hat dies in dem angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf eine Rechtsprechungsstelle genauso gesehen; auch es hat die Notwendigkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs für erlittene immaterielle Schäden verneint.
Der Senat sieht im vorliegenden Einzelfall (siehe hierzu auch die Angaben des Antragstellers in seinem Klageentwurf vom 13. April 1999, S. 6-9) unter wesentlicher Berücksichtigung der weit über zwei Jahre dauernden Untersuchungshaft und vor allem der Geltendmachung zahlreicher weiterer Ansprüche - neben dem Ersatzanspruch für immaterielle Schäden - nach dem StrEG im Betragsverfahren die Heranziehung eines Rechtsanwalts für die gesamten geltend gemachten Ansprüche als notwendig und damit erstattungsfähig an. Soweit das Landgericht Flensburg in seinem Urteil vom 21. Januar 1997 (JurBüro 1997 S. 317 f.) bei ausschließlicher Geltendmachung von Haftentschädigung nach § 7 Abs. 3 StrEG die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts im behördlichen Betragsverfahren verneint hat, beruht dies auf einer ersichtlich abweichenden Fallgestaltung.
Demnach ist die zu erstattende Vergütung des Rechtsanwalts im Betragsverfahren auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von insgesamt 19.120 DM wie folgt zu berechnen:
7,5/10 Gebühr nach § 118 Abs. 1 BRAGO|708,75 DM|Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß § 26 BRAGO|40,-- DM|16 % Umsatzsteuer |119.80 DM| |868,55 DM
Unter Abzug der bereits gezahlten 277,01 DM ergibt sich ein verbleibender Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von 591,54 DM. Insoweit hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg und hierfür ist ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin Koblenz beizuordnen. Die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes für den Antragsteller bedarf es allerdings bei der nun vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht.
2. Im Übrigen hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.
Ergänzend ist lediglich unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Antragstellers im Beschwerdeverfahren noch auszuführen:
a) Für eine Schätzung des geltend gemachten Einkommensverlustes bis 2000 (Verdienstausfall) fehlt es bereits an einer geeigneten, konkreten und ausreichend sicheren Schätzgrundlage. Es ist nach den von dem Antragsteller vorgetragenen Umsatz- und Einkommenszahlen (mit dramatischem Rückgang in 1993 und Verlusten in 1994) nicht ersichtlich und abschätzbar, wie sich die weitere Geschäftsentwicklung ohne das schädigende Ereignis (Vollzug der Untersuchungshaft) gestaltet hätte (vgl. § 252 BGB). Nach den vorgelegten Zahlen und den hieraus ersichtlichen Entwicklungstendenzen kann gerade nicht mit hinreichender Sicherheit von einer beständigen und dauerhaft positiven Geschäftsentwicklung ausgegangen werden. Das Geschäft des Antragstellers befand sich ausweislich der vorgelegten Zahlen bereits vor seiner Inhaftierung in einem ganz erheblichen wirtschaftlichen Abwärtstrend.
Auch bestehen ganz erhebliche Bedenken gegen die Ursächlichkeit gerade der vollzogenen Untersuchungshaft für die geltend gemachten Einkommensverluste (Verdienstausfall). Insoweit wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen.
b) Auch für den geltend gemachten Verkaufsmindererlös fehlt es an jeglicher konkreter Schätzgrundlage. Den mit der Beschwerdebegründungsschrift vom 7. Februar 2000 angekündigten Kaufvertrag über die Gaststätte mit einem Dritten hat der Antragsteller bislang noch nicht vorgelegt.
c) Ersatz für nicht nehmbaren Urlaub während der Dauer des Vollzugs der Untersuchungshaft steht dem Antragsteller im Ergebnis gleichfalls nicht zu.
Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller in 1996 nach seiner Haftentlassung am 26. Januar 1996 nicht Urlaub nehmen konnte. Auch hätte die Geltendmachung von Ersatzansprüchen für diese Urlaubszeit bei der Berechnung des geltend gemachten Verdienstausfalls einen entsprechenden Niederschlag finden müssen.
Zum anderen - entscheidend - ist ein Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des nicht genommenen Urlaubs bereits aus Rechtsgründen zu verneinen (vgl. Palandt-Heinrichs, 58. Aufl., Vorbem. v. § 249, Rdnr. 39, 40).
Nach überholter Auffassung in Literatur und Rechtsprechung hatte der Urlaub als solcher früher Vermögenswert und war damit ersatzfähig. Hieran hat der Bundesgerichtshof später nicht mehr festgehalten (s. BGHZ 86, 212 (214 ff.)). Nach der neueren Rechtsprechung ist ein Vermögensschaden unter dem Gesichtspunkt des so genannten Kommerzialisierungsgedankens nur noch dann zu bejahen, wenn der Urlaubsgenuss unmittelbar oder mittelbar Gegenstand einer vertraglichen Leistung ist, während dem Ersatzanspruch im Falle der deliktischen Haftung die Vorschrift des § 253 BGB entgegensteht. Es handelt sich um einen nicht vermögensrechtlichen Anspruch (vgl. BGHZ 85, 168 (171 ff.), BGHZ 86, 212 (216 ff.)).
Nichtvermögensschäden sind aber nach Maßgabe des StrEG nur bei Freiheitsentzug nach der Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 3 StrEG ersatzfähig und im Übrigen ausgeschlossen (LG Flensburg, VersR 1996, S. 114 f. - m.w.N.). Unstreitig ist der Anspruch des Antragstellers gemäß S 7 Abs. 3 StrEG aber bereits durch Zahlung von 15.440 DM vollständig erfüllt. Ersatz für nicht genommenen bzw. nicht nehmbaren Urlaub kann der Antragsteller nach allem nach den Vorschriften des StrEG nicht verlangen (so auch ausdrücklich OLG Köln, NJW-RR 1994, S. 920 f., Palandt-Heinrichs a.a.O., abw. wohl Meyer a.a.O. § 7 Rdnr. 12 "entgangener Urlaub").
Soweit der Antragsteller sich auf die Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Entschädigung für Strafvollzugsmaßnahmen (Teil I B II 2 f.) beruft, ist festzustellen, dass diese Verwaltungsvorschrift (Buchstabe f) inzwischen durch Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz von Rheinland-Pfalz vom 9. Februar 2000 (4220-1-1) - Justizblatt Rheinland-Pfalz vom 27. März 2000, S. 78) gestrichen und damit gegenstandslos geworden ist.
3. Nach allem hat lediglich die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hinsichtlich der Erstattung weiterer Rechtsanwaltskosten (aus dem Geschäftswert unter Berücksichtigung der bereits gezahlten Ersatzleistungen auch für immaterielle Schäden) hinreichende Aussicht auf Erfolg. Insoweit ist ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin beizuordnen.
Im Übrigen erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach der vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht hinreichend aussichtsreich. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat demnach das Landgericht insoweit zu Recht zurückgewiesen; die hiergegen gerichtete Beschwerde ist gleichfalls zurückzuweisen.
Da der Antragsteller mit seiner Beschwerde zu einem (geringen) Teil Erfolg hat, hat der Senat die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren (Nr. 1952 Kostenverzeichnis GKG) auf die Hälfte ermäßigt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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