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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 1 Ws 249/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 119
Leitsatz:

Telefonate ausländischer Untersuchungsgefangener in fremder Sprache mit Teilnehmern im Ausland können nur im Einzelfall bei Vorliegen eines besonderen berechtigten Interesses gestattet werden.


1 Ws 249/01 2090 Js 27658/99 StA Koblenz

In der Strafsache

wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.

hier: Beschwerde gegen die Versagung regelmäßiger Telefonate ins Ausland

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht

am 3. Mai 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten M. vom 23. März 2000 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. März 2001 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

Der Beschwerdeführer, italienischer Staatsangehöriger, befindet sich wegen dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (neapolitanische Camorra) seit dem 16. Mai 2000 in Untersuchungshaft in der JVA Koblenz. Am 28. Februar 2001 hat vor der 1. großen Strafkammer des Landgericht Koblenz die Hauptverhandlung gegen ihn und andere Beschuldigte begonnen. Wann diese beendet sein wird, ist ungewiß.

Gegenstand seines mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrages ist eine Dauer-Gesprächserlaubnis, die es ihm ermöglichen soll, regelmäßig einmal monatlich vom Telefonanschluß der JVA aus ein Telefonat mit seiner in Italien lebenden Ehefrau und seinen Kindern führen zu können, da diese außerstande seien, ihn regelmäßig zu besuchen.

Die gegen den Ablehnungsbeschluß des Strafkammervorsitzenden gerichtete Beschwerde, der dieser nicht abgeholfen hat, bleibt ohne Erfolg.

Telefongespräche von ausländischen Untersuchungsgefangenen können, zumal in fremder Sprache mit Teilnehmern im Ausland und deshalb zwangsläufig unter Hinzuziehung von Dolmetschern und Überwachungspersonen der JVA, grundsätzlich nur im Einzelfall gestattet werden. Voraussetzung ist stets, daß hierfür ein besonderes berechtigtes Interesse des Untersuchungshäftlings besteht (st. Rechtsprechung, vgl. OLG Frankfurt StV 82, 476 m.w.N.). Die Benutzung der Fernsprechleitungen einer JVA durch Häftlinge darf nicht zur Regel werden, sondern muß die durch ein berechtigtes individuelles Interesse des Untersuchungsgefangenen begründete Ausnahme bleiben.

Es stehen für solche Telefonate nur Dienstapparate zur Verfügung; jedes Telefonat eines Untersuchungsgefangenen blockiert diesen Anschluß für die Dauer des Gesprächs. Die JVA Koblenz beherbergt derzeit 180 Untersuchungsgefangene; 80 von ihnen sind Ausländer, die ganz überwiegend der deutschen Sprache nicht mächtig sind und/oder sich mit ihren Gesprächspartnern nur in ihrer Heimatsprache verständigen können. Da solche Telefonate im Rahmen der Gesprächsüberwachung übersetzt werden müssen, dauern sie regelmäßig deutlich länger als Gespräche deutschsprachiger Häftlinge.

Die Frage der Erlaubnisfähigkeit derartiger Telefonate stellt sich nicht nur im Hinblick auf den Beschwerdeführer, sondern wegen des bei allen Erlaubnissen und Verboten innerhalb einer JVA stets zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes zugleich auch in Bezug auf alle anderen ausländischen Untersuchungsgefangenen. Auch bei diesen wird es regelmäßig so sein, daß sie keinen oder nur ganz selten Besuch von ihren im Ausland lebenden Familienangehörigen erhalten können. Die generelle Gestattung regelmäßiger monatlicher Telefonate des Beschwerdeführers müßte also dazu führen, daß das gleiche Recht auch allen, zumindest aber fast allen anderen ausländischen Untersuchungsgefangenen zuzubilligen wäre. Bei 80 ausländischen Untersuchungshäftlingen wären dies 3 - 4 zu überwachende und zu übersetzende Telefonate pro Werktag. Dies würde sich zu einem nicht hinnehmbaren Belastungsfaktor in nicht nur technischer, sondern vor allem personeller Hinsicht (Bindung von Anstaltspersonal und praktisch ständige Anwesenheit von Dolmetschern verschiedener Fremdsprachen) ausweiten. Bei einzelnen Deliktsgruppen, insbesondere im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität und, wie beim Beschwerdeführer, ganz besonders beim dringenden Verdacht der Zugehörigkeit zu einer hochkriminellen Vereinigung wie der neapolitanischen Camorra, würde bereits die Überprüfung, ob der Häftling überhaupt, wie behauptet, mit seiner Ehefrau und seinen Kindern spricht (und nicht etwa mit Angehörigen "seiner" kriminellen Vereinigung, die sich lediglich als Familienangehörige ausgeben, in Wirklichkeit aber unter Benutzung von Codenamen bzw. -ausdrücken geheime Botschaften austauschen, die die Ordnung und Sicherheit der JVA schwer gefährden würden; vgl. Senatsbeschluß im Haftprüfungsverfahren des Beschwerdeführers, (1) 4420 BL - III - 92/00 vom 05. 12. 2000, Seite 3, wo ausdrücklich auf die beim Beschwerdeführer bestehende erhebliche Fluchtgefahr sowie darauf hingewiesen wurde, dass zu erwarten sei, die Camorra werde eine Flucht des Beschwerdeführers "bestmöglich unterstützen"), zu einem ganz außerordentlichen Überwachungs- und Aufklärungsaufwand führen, der in keinem vertretbaren Verhältnis zum Wunsch des einzelnen Untersuchungshäftlings steht, mit seinen Familienangehörigen regelmäßig fernmündlich (statt schriftlich oder anläßlich von Besuchen) kommunizieren zu können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß für die Überwachung und Übersetzung solcher Telefonate ohnehin nur speziell geschulte und mit dem konkreten Verfahrensgegenstand und Akteninhalt vertraute und daher mit genügend Hintergrundwissen zur Beurteilung des jeweiligen Gesprächsinhalts ausgestattete Kriminalbeamte in Betracht kommen können. Deren Ermittlungstätigkeit, die gerade im Hinblick auf die in diesen Deliktsbereichen übliche, da praktisch unvermeidliche Untersuchungshaft besonderer Beschleunigung bedarf, würde dadurch empfindlich gestört und verzögert.

Der vorliegende Fall bietet keine Anhaltspunkte, die ein Abgehen von den genannten Grundsätzen rechtfertigen könnten. Das Recht des Beschwerdeführers, in einer besonderen - vereinzelten - Ausnahmesituation auch einmal vom Telefonanschluß der JVA aus ein persönliches Gespräch mit seinen nächsten Angehörigen führen zu können (vgl. OLG Frankfurt aaO.), bleibt davon unberührt. Eine besondere, ihn ungewöhnlich und mehr als jeden anderen ausländischen Untersuchungshäftlingen belastende Sondersituation, die nur durch ein persönliches Telefongespräch abgewendet oder jedenfalls entscheidend gemildert werden könnte, hat der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise geltend gemacht.

Kosten: § 473 I StPO.

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