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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 15.07.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 301/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57 a I Nr. 2
StGB § 57 b
StGB § 211
StGB § 22
1. Die Entscheidung über die besondere Schuldschwere ist in allen Fällen der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu treffen, selbst wenn im Fall des Versuchs die Möglichkeit einer Strafmilderung (§ 23 Abs. 2 StGB) bestanden hat, die Rechtsfolge mithin nicht zwingend vorgeschrieben war (vgl. BGHSt 44, 350). Dabei können die maßgeblichen Tatumstände auch insoweit herangezogen werden, als sie das Schwurgericht schon bei Bewertung der Tatsache, dass der Mord nicht vollendet worden ist, berücksichtigt und zum Anlass der Ablehnung einer Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB genommen hat. Sie sind dadurch für die durch das Vollstreckungsgericht vorzunehmende Würdigung nicht deswegen verbraucht, weil ohne sie eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht verhängt worden wäre (BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 13 S. 2).

2. Auch wenn die im Urteil für das Absehen von der Milderungsmöglichkeit des § 23 Abs. 2 StGB entscheidenden Gesichtspunkte für das Vollstreckungsgericht verwertbar bleiben, muss den belastenden Umständen doch ein Gewicht zukommen, das die Schuld des Täters über das für die Verhängung lebenslänglicher Freiheitsstrafe entscheidende Maß hinaus noch deutlich heraushebt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

Geschäftsnummer: 1 Ws 301/02

In der Strafvollstreckungssache

wegen versuchten Mordes u.a.

hier: Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa am 15. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. in Diez vom 10. September 2001 dahingehend abgeändert, dass die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die Fortsetzung der Strafvollstreckung bis zum 28. August 2006 gebietet.

2. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den bezeichneten Beschluss der Strafvollstreckungskammer wird als unbegründet verworfen.

3. Die Kosten der Rechtsmittel fallen dem Verurteilten zur Last (§ 465 Abs. 1 StPO entsprechend, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO).

Gründe:

I.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit der angefochtenen Entscheidung die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten i.S.d. § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB festgestellt und die weitere Vollstreckung der gegen ihn verhängten lebenslänglichen Freiheitsstrafe über eine Verbüßungsdauer von 15 Jahre am 28. August 2002 hinaus bis zum 28. August 2003 für geboten erachtet.

Dagegen wenden sich sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verurteilte mit der sofortige Beschwerde. Während die Staatsanwaltschaft eine Verlängerung der Mindestverbüßungsdauer bis zum 28. August 2006 anstrebt, verneint der Verurteilte die Voraussetzungen für die Annahme einer besonderen Schuldschwere.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Das Rechtsmittel des Verurteilten ist unbegründet.

1.

Im Ergebnis zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer eine besonders schwere Schuld i.S.d. § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB festgestellt. Allerdings hat sie dabei einen nach Maßgabe des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 22. November 1994 (BGHSt 40, 360 ff) nicht mehr zutreffenden Maßstab angelegt, indem sie geprüft hat, ob das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit von den erfahrungsgemäss gewöhnlich vorkommenden Mordfällen so sehr abweicht, dass eine Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei günstiger Täterprognose unangemessen wäre. Die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH a.a.O.) verlangt nunmehr, dass das Gericht die Entscheidung zur Schuldschwere aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit trifft, wobei die besondere Schwere der Schuld nur dann festgestellt werden kann, wenn Umständen vorliegen, die (besonderes) Gewicht haben.

Bei Verurteilten, deren Schuldschwere wie vorliegend noch nicht durch das Tatgericht gewichtet worden ist (vgl. dazu BVerfGE 86, 288, 315 ff), darf das Vollstreckungsgericht bei Bewertung der Schuld nur das im Urteil zugrundeliegende Tatgeschehen einschließlich der dazu festgestellten Umstände berücksichtigen. Ausführungen zu den Beweggründen und den Zielen des Täters, zu der aus seiner Tat sprechenden Gesinnung und weiteren subjektiven, die Tatschuld prägenden Kriterien dürfen dagegen nicht auf eine Schuldbewertung durch das Vollstreckungsgericht übertragen werden, da derartige Aussagen in den Urteilsgründen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bis zu dessen grundlegender Entscheidung vom 3. Juni 1992 (a.a.O.) regelmäßig nur in einem Begründungszusammenhang getroffen worden, aber kein notwendiger Urteilsinhalt gewesen seien. Einer Bewertung zugänglich sind sie nur dann, wenn sie der Annahme eines Mordmerkmals gedient haben (BVerfG a.a.O., 324 f; NStZ 1999, 101, 102).

Die Entscheidung über die besondere Schuldschwere ist in allen Fällen der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu treffen, selbst wenn wie vorliegend im Fall des Versuchs die Möglichkeit einer Strafmilderung (§ 23 Abs. 2 StGB) bestanden hat, die Rechtsfolge mithin nicht zwingend vorgeschrieben war (vgl. BGHSt 44, 350).

Dabei können die maßgeblichen Tatumstände auch insoweit herangezogen werden, als sie das Schwurgericht schon bei Bewertung der Tatsache, dass der Mord nicht vollendet worden ist, berücksichtigt und zum Anlass der Ablehnung einer Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB genommen hat. Sie sind dadurch für die durch das Vollstreckungsgericht vorzunehmende Würdigung nicht deswegen verbraucht, weil ohne sie eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht verhängt worden wäre (BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 13 S. 2). Denn bereits die Strafrahmenwahl im Urteil erforderte eine Gesamtbeurteilung der be- und entlastenden Umstände. Die Annahme eines Verwertungsverbots für die dort bestimmenden Gesichtspunkte bei der Entscheidung über die besondere Schuldschwere würde letztlich der auch dem Vollstreckungsgericht aufgegebenen Gesamtwürdigung entgegenstehen (BGH a.a.O.).

Nach diesen Vorgaben erweist sich die Schuld des Verurteilten als besonders schwer. Grundlage der Beurteilung ist das Urteil des Landgerichts F. vom 25. Januar 1988, das gegen den Verurteilten wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zwei Fällen der Freiheitsberaubung (Tatzeit: 14. Oktober 1986), wegen Diebstahls (Tatzeit: 24. Oktober 1986) und versuchten Mordes (Tatzeit: 9. Januar 1987) eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe (UA S. 55) verhängt hat. Auf den Inhalt dieser Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen die Annahme einer besonderen Schuldschwere spricht die Tatsache, dass das Tötungsdelikt das Versuchsstadium nicht überschritten hat. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass nur ein Mordmerkmal - Handeln zur Verdeckung einer anderen Straftat - verwirklicht wurde.

Dem gegenüber stehen jedoch gewichtige Tatumstände, in denen sich nicht nur die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale eines versuchten Mordes abbildet, sondern die auch darüber hinaus eine deutliche Erhöhung des Schuldgehalts bewirken. Bei ihrer Bewertung darf jedoch nicht außer Betracht bleiben, dass der Schuldgehalt einer Versuchstat grundsätzlich geringer ist als der eines vollendeten Delikts. Auch wenn die im Urteil für das Absehen von der Milderungsmöglichkeit des § 23 Abs. 2 StGB entscheidenden Gesichtspunkte für das Vollstreckungsgericht verwertbar bleiben, muss den belastenden Umständen doch ein Gewicht zukommen, das die Schuld des Täters über das für die Verhängung lebenslänglicher Freiheitsstrafe entscheidende Maß hinaus noch deutlich heraushebt. Das ist vorliegend der Fall:

a) Anzuführen sind zunächst die unmittelbaren Auswirkungen des versuchten Mordes, die die Tat in die Nähe eines vollendeten Delikts gerückt haben. Der angegriffene Polizeibeamte wurde durch die Schüsse, die der Verurteilte auf ihn abgefeuert hatte, lebensgefährlich verletzt (UA S. 15/16). Nur durch sofortige Hilfe am Tatort und eine anschließende Operation wurde er vor dem Tode bewahrt (UA S. 24). Diese Erfolgsnähe, die nach der Wertung des Schwurgerichts einer Strafmilderung nach Versuchsgrundsätzen entgegengestanden hat (UA S. 54/55), erlangt in ihrem Schuldgehalt besonderes Gewicht durch die Spätfolgen der Tat. Der Polizeibeamte leidet noch heute unter seinen Verletzungen. Er ist dienst- und erwerbsunfähig und hat ständig erhebliche körperliche Beeinträchtigungen hinzunehmen (UA S. 25).

b) Die Schuld des Verurteilten wird weiter durch die Intensität seiner Mordhandlungen erhöht. Obwohl seine Festnahme durch die Polizei bereits erfolgt und er mit der linken Hand am Türholm des PKW gefesselt war, feuerte er aus dieser Situation noch drei Schüsse aus seinem Revolver auf den Beamten ab. Er schoss zunächst zweimal unmittelbar hintereinander aus nächster Nähe (10 - 20 cm) gezielt auf dessen Herzregion (UA S. 14/15). Um ihn vollends auszuschalten, schoss er ihn aus nach wie vor kurzer Entfernung (1 - 1,60 m) nun auch noch in den Rücken, als die Gegenwehr des schwerverletzten Polizeibeamten ohne nachhaltigen Erfolg geblieben war und dieser sich in den Schutz der Dunkelheit flüchten wollte (UA S. 15/16). Mit diesen Handlungen hatte der Angeklagte nach der Wertung des Schwurgerichts nicht nur alles zur Tatvollendung Erforderliche getan, sondern - die Schuld weiter steigernd - auch ein hohes Maß an krimineller Anstrengung an den Tag gelegt (UA S. 54).

c) Die Schuld des Verurteilten wird nochmals erheblich dadurch gesteigert, dass er den versuchten Mord während laufender Bewährungszeit begangen hat. Das Amtsgericht Göttingen hatte ihn am 9. Juli 1985 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Schon diese Verurteilung hatte eine Tat zum Gegenstand, die auf Anwendung von Gewalt (Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion) ausgerichtet war (US. 3/4, 55).

d) Gemäß § 57 b StGB ist nochmals schulderhöhend zu berücksichtigen, dass in die lebenslange (Gesamt-)Freiheitsstrafe Einzelstrafen für weitere selbständige Straftaten eingeflossen sind. Sie wirken sich schulderschwerend aus, auch wenn sie als Anlasstaten für den in Verdeckungsabsicht begangenen versuchten Mord mit diesem in sachlichem Zusammenhang stehen. Denn zur Erfüllung des Mordmerkmals wäre schon eine vorangegangene Straftat ausreichend gewesen, während der Verurteilte vor dem versuchten Mord gleich zweimal Straftaten verwirklicht hat. Ein enger zeitlicher, räumlicher oder situativer Zusammenhang oder eine Verbindung zu einem einheitlichen Tatgeschehen i.S.d. § 264 StPO hat zwischen den Taten, auch im Verhältnis zum versuchten Mord nicht bestanden, so dass sich unter diesem Gesichtspunkt keine Schuldminderung ergeben kann (vgl. BGH NJW 1993, 1084).

Die dem Mordversuch vorangegangene zweifache Straffälligkeit erlangt vielmehr zusätzliches Gewicht dadurch, dass eine der verwirklichten Taten - die vom 14. Oktober 1986 - als räuberische Erpressung ebenfalls ein Verbrechen gewesen ist (§§ 255, 253, 249 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB). Für dieses hat das Schwurgericht zudem deutlich schuldsteigernde Merkmale festgestellt. Zu nennen sind die Höhe des Schadens (UA S. 6), die Zielstrebigkeit und Kaltblütigkeit der Tatausführung und die professionellen Züge der Begehungsweise sowie die tateinheitliche Verletzung der weiteren Strafvorschrift des § 239 Abs. 1 StGB (UA S. 55). Als schwerwiegende schuldbedeutsame Tatsache ist zu Lasten des Verurteilten auch hier die Tatbegehung während laufender Bewährungszeit aus dem bezeichneten Urteil des Amtsgerichts Göttingen hervorzuheben.

Die aufgezeigten belastenden Umstände lassen in der Gesamtwürdigung der für und gegen den Verurteilten sprechenden Gesichtspunkte die Schuldminderungsgründe in den Hintergrund treten. Sie prägen die Schuld des Verurteilten als besonders schwer.

2.

Die besondere Schwere der Schuld gebietet die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über 15 Jahre hinaus. Die vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung lässt nicht erkennen, dass die erhöhte Schuld durch neue, während des bisherigen Vollzugs hervorgetretene Umstände soweit ausgeglichen wird, dass ein weiteres Sühnebedürfnis nicht mehr besteht.

Der Verurteilte verhält sich zwar im Vollzug beanstandungsfrei. Anerkennenswert sind auch seine während der bisherigen Haftzeit mit Erfolg unternommenen intensiven Fortbildungsbemühungen. Er hat im Juni 1998 das Abitur abgelegt und nachfolgend ein Fernstudium aufgenommen, dem er sich mit Engagement hingibt. Dieses Verhalten belegt Selbstdisziplin und ein mit Eigeninitiative betriebenes Streben nach gesellschaftlicher Integration.

Damit ist das Vollzugsziel aber noch nicht erreicht. Um die Allgemeinheit künftig vor neuen Straftaten des Verurteilten zu schützen, muss verlangt werden, dass dieser sich selbstkritisch mit dem begangenen Unrecht auseinandersetzt, die in seiner Person liegenden Ursachen erkennt und vorhandene Persönlichkeitsdefizite aufarbeitet. Diese sind im Gutachten der psychologischen Sachverständigen N. vom 13. Dezember 1996 ausführlich dargestellt worden.

Von diesem Ziel ist der Verurteilte noch weit entfernt. Er leugnet die abgeurteilten Taten. Das ist zwar sein Recht, das ihm als solches nicht zum Nachteil gereichen kann. Jedoch ist seine Situation im Vollstreckungsverfahren eine grundlegend andere als im Erkenntnisverfahren. Im letztgenannten Verfahrensabschnitt muss ihm die vorgeworfene Tat nachgewiesen werden. So lange dies nicht geschehen ist, gilt er als unschuldig. Im Rahmen der Vollstreckungsentscheidung muss hingegen für ein dem Verurteilten günstiges Ergebnis das Erreichen des Vollzugsziels positiv feststehen. Der Grundsatz "in dubio pro reo" gilt hier für die Überzeugungsbildung des Richters nicht (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 56 Rdn. 5 m.w.N.). Das Leugnen der Tatbegehung geht also in diesem Verfahrenstadium letztlich zu seinen Lasten (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Februar 2000 - 1 Ws 87/00 -).

Abgesehen davon, dass das Bestreiten des Verurteilten positive Erkenntnisse zu seiner heutigen Einstellung verhindert, trägt sein Verhalten besondere Züge, die mehr auf Verdrängung seiner Taten als auf eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem ihm angelasteten Unrecht schließen lassen. Er hat sich eine Tatdarstellung zum versuchten Mord zurechtgelegt, die so weit von dem im Urteil festgestellten Geschehen entfernt ist, dass sie geradezu abenteuerlich anmutet. Er behauptet, das zwei Syrer, die von den beiden Polizeibeamten anscheinend übersehen worden seien, die Schüsse abgegeben hätten. Zusammen mit diesen habe er einen Spaziergang gemacht und sei danach durch den Angriff auf ihn und seine Begleiter völlig überrascht worden. Er habe zunächst gar nicht gewusst, wer die beiden nach Alkohol riechenden Angreifer überhaupt gewesen seien. Diese Version hat er mit Nachdruck und detaillierter Beschreibung des angeblichen Geschehensablaufs auch gegenüber dem Anstaltspsychologen D. vertreten (vgl. Schreiben des Verurteilten an diesen vom 29. März 2000). Das lässt ein ausgeprägtes Bestreben erkennen, jegliche Verantwortung für den Mordversuch abzuschieben. Das entspricht auch der sachverständigen Einschätzung des Anstaltspsychologen (Stellungnahme vom 9. April 2000).

In einem selbst verfassten Schreiben mit Datum vom 14. März 1999 an den verletzten Polizeibeamten, das er am 6. Mai 2000 abgesandt hat, bezeichnet der Verurteilte den Mordversuch als für den Beamten "recht unglücklich verlaufende Vorgänge", die dieser sich letztlich selbst zuzuschreiben habe, da er als "schattenhafte Gestalt aus dem Licht" auf ihn, den Verurteilten, zugesprungen sei und den Eindruck eines "politischen Gegners" erweckt habe. Auch in diesem Schreiben fällt das bedingungslose Leugnen eigener Verantwortung auf.

Die Teilnahme des Verurteilten an einer vom Anstaltspsychologen geleiteten Gruppe für Sexual- und Gewalttäter seit Mai 1999 hat ihn nicht zur Änderung seiner Einstellung veranlassen können. Gemäß Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt vom 16. März 2001 besteht die Mitwirkung des Verurteilten im Wesentlichen darin, die Aussagen anderer Gruppenmitglieder zu kommentieren, während er seine eigene Person in nur unzureichendem Maß der Gruppentätigkeit aussetzt.

Die herangezogenen Berichte des Leiters der Justizvollzugsanstalt und des Anstaltspsychologen haben nach wie vor aktuelle Gültigkeit. Auf Anfrage des Senats hat der Anstaltsleiter mit Schreiben vom 19. Juni 2002 bestätigt, dass das Vollzugsverhalten des Verurteilten im wesentlichen unverändert geblieben ist.

Nach alledem liegt der Schluss nahe, dass der Verurteilte trotz aller Fortbildungsbemühungen noch nicht einmal ansatzweise begonnen hat, sich mit dem verübten Unrecht, der ihn daran treffenden Verantwortung und den tatursächlichen Merkmalen seiner Persönlichkeit zu beschäftigen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Persönlichkeitsstruktur, die zur Begehung der Straftaten geführt hat, im Kern noch unverändert erhalten und seine Gefährlichkeit damit nicht beseitigt ist.

Angesichts dieses sich schon nach Bewertung des Gerichts aufdrängenden, vom Anstaltspsychologen aus sachverständiger Sicht bestätigten Ergebnisses sieht der Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Veranlassung, das vom Verteidiger beantragte Gutachten eines auswärtigen Sachverständigen einzuholen.

Nach Einschätzung des Senats gebietet die Schwere der Schuld eine Mindestverbüßungsdauer von 19 Jahren (bis zum 28. August 2006). Diese Zeit ist erforderlich, um dem Verurteilten Gelegenheit zu geben, durch selbstkritische Auseinandersetzung mit den Straftaten am Erreichen des Vollzugsziel mitzuwirken, seine Persönlichkeitsdefizite mit psychologischer Unterstützung aufzuarbeiten sowie seine Entlassungstauglichkeit in Vollzugslockerungen unter Beweis zu stellen.

Ende der Entscheidung

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