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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 18.06.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 433/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 464 a II Nr. 2
StPO § 464 b
Nach Auffassung des Senats muss die Staatskasse die Bestellung eines auswärtigen Wahlverteidigers nur dann gegen sich gelten lassen, wenn es sich um eine Strafsache von erheblichem Gewicht gehandelt und der Angeklagte den Verteidiger für besonders geeignet gehalten hat, seine Interessen bestmöglich wahrzunehmen (ausführlich Senatsbeschluss vom 13. März 2000 - 1 Ws 835 - 837/99 - Dokument 498). Das Erfordernis eines gewachsenen Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Angeklagtem hat der Senat aufgegeben, da ein Festhalten daran gerade solche Angeklagten begünstigen würde, die schon vorher in den Verdacht strafbarer Handlungen gelangt sind und deswegen bereits häufiger einen Rechtsanwalt beauftragen mussten (Senat a.a.O.).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 1 Ws 433/02 1009 Js 8953/99 - KLs StA Bad Kreuznach

In der Strafsache

wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer

hier: sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestzsetzungsbeschluss

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa

am 18. Juni 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Bad Kreuznach vom 17. April 2002 wird als unbegründet auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO) verworfen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten in der Anklageschrift einen räuberischen Angriff auf Kraftfahrer gemäß § 316 a Abs. 1 StGB zur Last gelegt. Gemäß Anklagesatz sollte er seinen Geschäftspartner, den er in seinem PKW mitgenommen hatte, zusammen mit einer unbekannt gebliebenen Person auf einer Landstraße in Mallorca überfallen und ihm gewaltsam einen zuvor erhaltenen bankgarantierten Scheck über 60.500 DM entwendet haben.

Das Landgericht hat ihn freigesprochen und seine notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.

Seinem Antrag auf Festsetzung seiner zu erstattenden Auslagen ist die Rechtspflegerin nur teilweise gefolgt. Die an Rechtsanwaltskosten jeweils geltend gemachte erhöhte Mittelgebühr, zum einen gemäß § 84 Abs. 1 für das vorbereitende Verfahren von 360 € (704,10 DM), zum anderen nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO für die Teilnahme an der Hauptverhandlung von 620 € (1.212,61 DM), hat sie als unbillig erachtet und auf 500 DM für das vorbereitende Verfahren und 900 DM für die Tätigkeit in der Hauptverhandlung herabgesetzt.

Die Reisekosten und das beanspruchte Abwesenheitsgeld des Verteidigers aus München hat sie nicht als erstattungsfähig anerkannt, da der Angeklagte einen Verteidiger am Ort des Prozessgerichts hätte beauftragen können. Ebenso hat sie die verlangten Fahrtkosten des Angeklagten für die Besprechungstermine mit seinem Münchener Verteidiger sowie den dadurch entstandenen Verdienstausfall abgesetzt. Sie hat insoweit nur die fiktiven Kosten in Ansatz gebracht, die bei der Beauftragung eines Verteidigers am Ort des Prozessgerichts entstanden wären.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Freigesprochene mit der sofortigen Beschwerde. Er hält die verauslagten Gebühren seines Rechtsanwalts für angemessen. Außerdem müssten ihm die durch den Kanzleisitz seines Verteidigers in München bedingten Kosten erstattet werden. Dessen Beauftragung sei gerechtfertigt gewesen, weil er einem schwerwiegendem Tatvorwurf ausgesetzt und deswegen die Einschaltung eines qualifizierten Strafverteidigers geboten gewesen sei. Zu dem gewählten Rechtsanwalt habe darüber hinaus ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden.

II.

Das gemäß §§ 464 b StPO, 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel (§ 569 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ZPO) hat keinen Erfolg.

1.

Die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren nach § 84 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO sind dem Grund und der Höhe nach richtig festgesetzt worden. Insoweit wird auf die zutreffende und erschöpfende Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Der Senat schließt sich ihr an.

Die vom Verteidiger vorgenommene Bestimmung der bezeichneten Rahmengebühren ist nicht verbindlich, da sie unbillig ist (§ 12 Abs. 1 S. 2 BRAGO). Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn die bestimmte Gebühr die vom Gericht für angemessen erachtete der Höhe nach um mehr als 20 % übersteigt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom 25. Januar 2000 - 1 Ws 17/00 -). Das ist hier der Fall.

2.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin auch die durch den Kanzleisitz des Verteidigers in München bedingten Kosten nicht anerkannt.

Nach Auffassung des Senats muss die Staatskasse die Bestellung eines auswärtigen Wahlverteidigers nur dann gegen sich gelten lassen, wenn es sich um eine Strafsache von erheblichem Gewicht gehandelt und der Angeklagte den Verteidiger für besonders geeignet gehalten hat, seine Interessen bestmöglich wahrzunehmen (ausführlich Senatsbeschluss vom 13. März 2000 - 1 Ws 835 - 837/99 -). Das Erfordernis eines gewachsenen Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Angeklagtem hat der Senat aufgegeben, da ein Festhalten daran gerade solche Angeklagten begünstigen würde, die schon vorher in den Verdacht strafbarer Handlungen gelangt sind und deswegen bereits häufiger einen Rechtsanwalt beauftragen mussten (Senat a.a.O.).

Auf dieser Grundlage hält der Senat (a.a.O.) die Beauftragung eines Rechtsanwalts, der im Landgerichtsbezirk entweder des Prozessgerichts oder des Wohnsitzes des Angeklagten ansässig ist, darüber hinaus aber auch die Wahl eines Verteidigers aus den jeweils angrenzenden Landgerichtsbezirken für kostenrechtlich beanstandungsfrei. Vorliegend hatte der Freigesprochene sich aber einen Rechtsanwalt als Verteidiger gewählt, dessen Kanzleisitz keinen räumlichen Bezug zu seinem Wohnsitz oder dem Prozessort aufweist. Eine Erstattung der dadurch bedingten Kosten liefe letztlich auf eine Aufgabe jeglicher kostenrechtlicher Schranken bei der Verteidigerwahl hinaus. Das wäre mit der aus § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ableitbaren allgemeinen Pflicht einer Partei, die Kosten so niedrig zu halten, wie es sich mit einer ordentlichen, die eigenen Rechte im Wesentlichen wahrenden Prozessführung verträgt (Senat a.a.O.), unvereinbar.

Mangels anderweitiger tatsächlicher Anhaltspunkte hat die Rechtspflegerin daher zu Recht Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld und Verdienstausfall fiktiv auf Grundlage eines am Ort des Prozessgerichts ansässigen Verteidigers festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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