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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 30.10.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 657/00
Rechtsgebiete: MRK, StGB
Vorschriften:
MRK § 6 II | |
StGB § 67 d II |
Die im Rahmen einer Prognose nach § 67 d II StGB vorgenommene Berücksichtigung der Handlung eines Untergebrachten, die einen objektiven Straftatbestand erfüllt, verstößt auch dann nicht gegen Art. 6 II MRK, wenn wegen dieser Handlung ein Strafverfahren anhängig ist, in dem es noch nicht zu einer Verurteilung gekommen ist.
Geschäftsnummer: 1 Ws 657/00 StVK 258/00 - LG Koblenz 110 VRs 11204/97 - StA Koblenz
In der Strafvollstreckungssache
gegen
B. J. L.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt S. -
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
hier: Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa
am 30. Oktober 2000 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz vom 7. Juli 2000 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe:
Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Untergebrachten richtet sich gegen den Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz vom 7. Juli 2000, durch den es das Gericht abgelehnt hat, die Vollstrekkung der durch Urteil des Landgerichts Koblenz vom 12. Dezember 1996 angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung auszusetzen.
Das Rechtsmittel ist mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.
Der angefochtene Beschluss entspricht der Sach- und Rechtslage. Nach wie vor steht außer Zweifel, dass der Beschwerdeführer wegen einer weiterhin behandlungsbedürftigen schweren Persönlichkeitsstörung für die Allgemeinheit gefährlich ist, so dass derzeit eine Aussetzung nach § 67 d Abs. 2 StGB nicht in Betracht kommt.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die Strafvollstreckungskammer nicht gegen die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 MRK) verstoßen. Diese soll verhindern, dass jemand im strafrechtlichen Sinne als schuldig behandelt wird, ohne dass ihm in einem gesetzlich geregelten Verfahren seine Schuld nachgewiesen worden ist. Maßnahmen, die den vollen Nachweis der Schuld erfordern, dürfen nicht getroffen werden, bevor er erbracht ist.
Vorliegend hat die Strafvollstreckungskammer dem Beschwerdeführer nicht angelastet, am 9. August 2000 in der Klinik eine Straftat begangen zu haben. Sie hat vielmehr ein objektives, in dem Prognosegutachten dargestelltes und von dem Untergebrachten weder in der mündlichen Anhörung noch in der Beschwerdebegründung in Abrede gestelltes Verhalten - im Einklang mit den behandelnden Ärzten - als krankheitsbedingten Aggressionsdurchbruch gewertet und folgerichtig im Rahmen der Gesamtwürdigung mitberücksichtigt. Ob dem psychisch kranken Beschwerdeführer insoweit ein strafrechtlicher Schuldvorwurf gemacht werden kann, ist in dem beim Amtsgericht Andernach anhängigen Verfahren zu klären, für das Vollstreckungsverfahren aber ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein, dass das objektive Geschehen - in Verbindung mit zahlreichen anderen verbalen und nonverbalen Entgleisungen, die nie Gegenstand eines Strafverfahrens geworden sind - zu dem Schluss zwingt, dass der Untergebrachte nicht nur behandlungsbedürftig, sondern wegen der fortbestehenden Gefahr krankheitsbedingter Aggressionsdurchbrüche weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Ende der Entscheidung
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