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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 26.08.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 661/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 454
StPO § 462 a I 1
StGB § 57 I Nr. 3
Ein Zuständigkeitswechsel von einer Strafvollstreckungskammer zu einer anderen tritt solange nicht ein, wie jene noch nicht abschließend über eine Frage befunden hat, mit der sie befasst wurde, bevor der Verurteilte in eine zum Bezirk der anderen Strafvollstreckungskammer gehörenden Justizvollzugsanstalt aufgenommen worden ist (s. BGHSt 30, 189, 191; BGHR StPO § 462 a Zuständigkeitswechsel.)
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 1 Ws 659/02 1 Ws 660/02 1 Ws 661/02

In der Strafvollstreckungssache

wegen Betruges, Freiheitsberaubung, Raubes u.a. hier: Aussetzung von Strafresten zur Bewährung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt

am 26. August 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. in D. vom 16. Juli 2002 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Der Verurteilte, der am 29. November 1996 festgenommen wurde und sich anschließend in Untersuchungshaft befand, verbüßt seit dem 16. Mai 1997 drei (Gesamt)Freiheitsstrafen von drei Jahren und zwei Monaten, zwei Jahren sechs Monaten und zwei Jahren aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts O. vom 31. Juli 1998 sowie den Urteilen des Amtsgerichts G. vom 9. Juli 1998 und des Amtsgerichts N. vom 5. Januar 2000. Gemeinsamer Zweidrittelzeitpunkt war am 22. Januar 2002. Das Strafende ist auf den 13. August 2004 notiert.

Die Strafhaft wurde nach zahlreichen Verlegungen seit dem 16. März 2000 in der zum Zuständigkeitsbereich der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A. gehörenden Justizvollzugsanstalt W. vollzogen. Dort erklärte der Verurteilte am 14. September 2001, dass er in eine bedingte Entlassung gemäß § 57 Abs. 1 StGB "zur Zeit" nicht einwillige (Bl. 238 d.A. 83 VRs 960.7/98 StA Aachen).

Am 27. September 2001 wurde er zur Teilnahme an einem Facharbeiterlehrgang in die Justizvollzugsanstalt G. , die im Zuständigkeitsbereich der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. liegt, verlegt.

Mit Beschluss vom 24. Januar 2002 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. die Aussetzung der Strafreste aus den drei Verurteilungen wegen fehlender Zustimmung des Verurteilten ab. Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht D. durch Beschluss vom 18. März 2002 - 4 Ws 145 - 147/02 - wegen "eindeutiger Verweigerung der Einwilligung" als unbegründet verworfen.

Vier Tage zuvor, am 14. März 2002, war der Verurteilte in die Justizvollzugsanstalt W. zurückverlegt worden. Bereits am 11. März 2002 hatte sein Verteidiger in einem am folgenden Tag bei der Generalstaatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht D. eingegangenen Schriftsatz (Bl. 267 vg. Vollstreckungsakte) mitgeteilt, der Verurteilte habe der bedingten Entlassung nur deshalb nicht zugestimmt, um seine Verlegung zur Durchführung einer Ausbildung zu erreichen. Durch den Zusatz "zur Zeit" habe er klarstellen wollen, dass die Erklärung nicht als Verzicht auf die Reststrafaussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB zu verstehen sei. Für den Fall, dass die sofortige Beschwerde nicht durchdringe, stelle er hilfsweise Antrag auf Aussetzung, "obwohl eine solche Prüfung ... bereits ... von Amts wegen sofort einzuleiten" sei. Beim Oberlandesgericht D. ging der Schriftsatz am 25. März 2002 (s. Bl. 266 vg. Akte) und bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. mit einem Begleitschreiben und der Bitte um Bearbeitung des Aussetzungsantrags am 26. März 2002 (s. Bl. 266 vg. Akte) ein.

Am 2. April 2002 verließ der Verurteilte die Justizvollzugsanstalt W. zum Zwecke der Verlegung in die Justizvollzugsanstalt D. , wo er am 4. April 2002 eintraf (Bl. 262, 263 vg. Akte).

Nachdem die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt D. vom 29. Mai 2002 zu den Akten gelangt und die Anträge der die Freiheitsstrafen vollstreckenden Staatsanwaltschaften vorlagen, führte die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. in D. am 16. Juli 2002 die mündliche Anhörung des Verurteilten im Beisein seines Verteidigers durch.

Mit Beschluss vom selben Tag hat sie die Aussetzung der Strafreste aus den drei Verurteilungen abgelehnt. Gegen die dem Verurteilten am 16. und dem Verteidiger am 19. Juli 2002 zugestellte Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit seiner am 22. Juli 2002 bei der Strafvollstreckungskammer eingegangenen sofortigen Beschwerde.

II.

Das gemäß § 454 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel hat - zumindest vorläufig - Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. in D. war zur Entscheidung nicht zuständig.

Gemäß § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO ist, wenn gegen den Verurteilten Freiheitsstrafe vollstreckt wird, für die nach § 454 StPO zu treffende Entscheidung die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist.

Für das Befasstsein ist bei von Amts wegen zu treffenden Entscheidungen der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Gericht tätig werden muss (BGHSt 30, 189, 191), bei auf Antrag zu treffenden - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - der Zeitpunkt, zu dem der Antrag bei Gericht eingeht (BGHSt 26, 214). Es kann dahinstehen, ob nach unmissverständlicher Erteilung der nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB erforderlichen Zustimmung des Verurteilten durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 11. März 2002 von Amts wegen oder nur auf Antrag eine neue Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB zu treffen war. Der im selben Schriftsatz enthaltene Antrag lag spätestens am 26. März 2002 der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. vor. Dass diese zur Entscheidung möglicherweise nicht mehr zuständig war, weil der Verurteilte am 14. März 2002 von der Justizvollzugsanstalt G. in die Justizvollzugsanstalt W. verlegt worden war, ist unschädlich, da die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. , die die bedingte Entlassung lediglich aus formalen Gründen abgelehnt hatte, nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint (BGH a.a.O.). Damit war eine Strafvollstreckungskammer spätestens am 26. März 2002 mit der erneuten Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafen befasst. Ob die für die Justizvollzugsanstalt G. zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. oder die für die Justizvollzugsanstalt W. zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A. zuständig war, bedarf hier keiner Entscheidung. Als der Verurteilte am 2. April 2002 in die Justizvollzugsanstalt D. transportiert wurde (s. zur Maßgeblichkeit der Zielvollzugsanstalt bei Zwischenaufenthalten BGH MDR 79, 990) war jedenfalls bereits eine andere Strafvollstreckungskammer mit der Sache befasst. Ein Zuständigkeitswechsel von einer Strafvollstreckungskammer zu einer anderen tritt solange nicht ein, wie jene noch nicht abschließend über eine Frage befunden hat, mit der sie befasst wurde, bevor der Verurteilte in eine zum Bezirk der anderen Strafvollstreckungskammer gehörende Justizvollzugsanstalt aufgenommen worden ist (BGHSt 30, 189, 191; BGHR, StPO, § 262 Zuständigkeitswechsel 1).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.

Ende der Entscheidung

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