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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 21.06.2002
Aktenzeichen: 10 U 1116/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 607
Eine Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages unter dem Aspekt "unwirksame Mithaftung vermögensloser Familienangehöriger" liegt nicht vor, wenn die mitarbeitende Ehefrau (Arzthelferin) nicht nur Mithaftende, sondern Mitdarlehensnehmerin war, das für die Neuerrichtung einer Arztpraxis des Ehemanns aufgenommene Darlehen u.a. der Tilgung eigener Schulden gedient hat, die Eheleute gegenüber der Bank als Lebens-, Wirtschafts- und Risikogemeinschaft aufgetreten sind (in Anknüpfung an BGH NJW 2001, 815).

Einer Bank obliegt es im Rahmen einer ihr obliegenden Aufklärungs- und Fürsorgepflicht nicht, einen gynäkologischen Facharzt über die Konkurrenzsituation an einem bestimmten Standort aufzuklären.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 1116/01

Verkündet am 21. Juni 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Dr. Koch auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichte Koblenz vom 23. Mai 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Betragsangabe auf Seite 2 des landgerichtlichen Urteils, 2. Zeile von unten, von "71.935,82 DM" berichtigt wird auf "71.937,82 DM", und den weiteren Maßgaben, dass im Tenor die Angaben der Europäischen Zentralbank" jeweils berichtigt werden auf "nach § 1 DÜG" und - klarstellend - für die Zeit ab dem 1.1.2002 insoweit an die Stelle des "Basiszinssatzes nach § 1 DÜG" der "Basiszinssatz nach § 247 BGB" tritt.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten im Wege der Teilklage Rückzahlung eines Kontokorrentkredits nebst Zinsen.

Am 06.07.1978 eröffnete die Klägerin in ihrer Filiale in P auf Antrag der Beklagten für diese ein privates Oder-Konto mit der Stamm-Nr.. Das laufende Konto erhielt die Konto-Nr.; ein Kreditsonderkonto erhielt die Konto-Nr.. Im Rahmen der Kontoeröffnung wurde die Geltung der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (GA 21) vereinbart.

Mit Kreditvertrag vom 26.07.1978 (GA 25) gewährte die Klägerin den Beklagten zur Einrichtung der gynäkologischen Praxis des Beklagten zu 1), in der die Beklagte zu 2) teilzeitschäfigt war, auf dem Kreditsonderkonto einen Barkredit in Höhe von 550.000,00 DM. Bei einer Kreditdauer von 12 Jahren sollte der Kredit in vierteljährlichen Raten in Höhe von 13.750,00 DM, beginnend ab dem 01.07.1980 bis zum 01.04.1990 zurückgezahlt werden. Die Beklagten lösten mit diesem Kredit ein Darlehen ab, das die Beklagten mit Vertrag vom 30.06.1977 (GA 27) bei der B bank aufgenommen hatten. Dieses Darlehen valutierte im Zeitpunkt der Ablösung in voller Höhe, da es vereinbarungsgemäß während der ersten zwei Jahre tilgungsfrei war; das im Jahr 1977 gewährte Darlehen diente zur Finanzierung der Existenzgründung (Einrichtung einer Arztpraxis). Ein weiteres Darlehen über 10.000,00 DM gewährte die Klägerin den Beklagten im November 1980.

In den folgenden Jahren waren die Beklagten nicht in der Lage, die für die Zahlung von Zins und Tilgung des Praxiskredits auf dem Sonderkonto erforderliche Deckung auf dem laufenden Konto zu erwirtschaften, da die Ertragslage der Praxis gering war. Per 15.07.1985 war auf dem Konto - bei gleichzeitiger Überziehung des Barkredits auf dem Unterkonto - ein Sollsaldo in Höhe von 271.000,00 DM aufgelaufen.

Seit dem Jahr 1978 erstellte die Klägerin turnusmäßig zum Quartalsende Saldoabschlussrechnungen für die Oder-Konten der Beklagten. Per 31.12.1986 erstellte die Klägerin eine Saldoabschlussrechnung über insgesamt 383.971,58 DM (GA 105) für das Konto-Nr.. Per 30.03.1987 erstellte die Klägerin eine Saldoabschlussrechnung für das Kontokorrentkonto über 406.377,14 DM sowie für das Kreditsonderkonto mit den Endziffern über 247.093,00 DM.

In gleicher Weise verfuhr die Klägerin letztmals am Ende des zweiten Quartals 1987, indem sie eine Saldoabschlussrechnung für das Konto über 420.549,82 DM (GA 30) sowie für das Konto über 247.500,00 DM (GA 31) erstellte. Hinsichtlich der Abschlussrechnungen vom 30.06.1987 ist zwischen den Parteien streitig, ob die Beklagten diese Abschlussrechnungen erhalten haben.

Im Juli 1987 gab der Beklagte zu 1) seine Facharztpraxis in auf und eröffnete eine neue Arztpraxis in M. Die Beklagten zogen gemeinsam mit ihren vier Kindern nach M. Die Parteien kamen daher überein, das Kreditengagement zum 31.07.1987 zu beenden, mit der Folge, dass die Klägerin keine quartalsmäßigen Saldoabschlussrechnungen mehr erstellte. Die Klägerin stellte die Oder-Konten der Beklagten ab 01.08.1987 derart zinsfrei, dass sie die seit 0108.1987 auflaufenden Zinsen nicht mit der Hauptforderung saldierte, sondern auf einem eigenen hierfür eingerichteten Zinskonto auflaufen ließ. Per 30.07.1987 erstellte die Klägerin sogenannte "Proforma-Abschlussrechnungen" für das Konto-Nr. (GA 39) sowie für das Konto-Nr. (GA 40). Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese "Proforma-Abschlussrechnungen" den Beklagten zugegangen sind. Die beiden Abschlussrechnungen enthalten den Zusatz "Diese Abschlussrechnung wurde bislang nicht gebucht; wir behalten uns das Recht vor, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu buchen". Die Klägerin buchte diese Abschlussrechnungen nicht endgültig, macht aber nunmehr von dem Vorbehalt Gebrauch und beansprucht Anerkennung der in den Proforma-Abschlussrechnungen ausgewiesenen Schlusssalden per 31.07.1987 (Kto-Nr. 700: 413.027,13 DM; Kto-Nr. /30: 248.637,34 DM).

Im November 1989 vereinbarte die Klägerin mit den Beklagten, die Konten rückwirkend per 31.07.1987 zusammenzufassen und eine Forderungsabrechnung ab 01.08.1989 zu erstellen. Zugleich vereinbarten die Parteien, dass die Beklagten die Forderung der Klägerin in monatlichen Raten in Höhe von 2.000,00 DM zurückführen sollten. Mit Schreiben vom 10.11.1989 (Bl. 37 d.A.) übersandte die Klägerin den Beklagten sodann die für die Zeit vom 01.07. bis 30.07.1987 erstellten sogenannten "Proforma-Abschlussrechnungen" für die beiden Konten, die für das Konto einen Sollsaldo per 01.08.1987 in Höhe von 413.027,13 DM sowie für das Konto per 01.08.1987 einen Sollsaldo in Höhe von 248.637,34 DM auswiesen. Ausgehend von einem Gesamtsaldo in Höhe von. 661.664,47 DM per 31.07.1987 ermittelte die Klägerin per 30.10.1989 einen Sollsaldo in Höhe von 685.107,14 DM (GA 41).

Mit Schreiben vom 14.04.1990 erklärte der Beklagte zu 1), er gehe von einem Schuldsaldo in Höhe von 685:107,14 DM am 30.10.1989 aus, monierte jedoch die ab dem 30.10.1989 vorgenommene Berechnung der Zinsen durch die Klägerin (GA 50 ). Ausgehend von einer Hauptforderung in Höhe von 685.107,14 DM per 30.10.1987 verrechnete die Klägerin neben den Ratenzahlungen insgesamt 590.470,16 DM dem Oder-Konto der Beklagten aus der Verwertung von Sicherheiten (Bürgschaft: 60.000,00 DM; Rückkaufswerte von Lebensversicherungen: 318.651,85 DM sowie 185.124,73 DM), so dass sich gemäß Forderungsabrechnung der Klägerin vom 27.05.1998 (GA 52) per 28.08.1997 eine restliche Hauptforderung in Höhe von 94.636,98 DM ergab. Zudem sind nach der Abrechnung vom 27.05.1998 Zinsen in Höhe von 649.003,02 DM aufgelaufen.

Mit Mahnbescheid vom 23.07.1997, den Beklagten zugestellt am 29.07.1997, machte die Klägerin aus diesem Konto eine Teilforderung in Höhe von 160.000,00 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit 01.07.1987 aus 160.000,00 DM geltend.

Mit der Klage machte die Klägerin ursprünglich eine Hauptforderung in Höhe von 94.636,98 DM sowie Zinsen in Höhe von 65.363,02 DM geltend. Im Laufe des Rechtsstreits verzichtete die Klägerin auf Zinsen aus der Hauptforderung per 31.07.1987, mithin aus 661.664,47 DM (= Summe der Proforma-Abschlussrechnungen per 31.07.1987) für den Zeitraum vom 01.08.1987 bis zum 31.12.1992 und nahm unter dem 27.09.2000 eine neue Berechnung des Kontos vor (GA 147), wonach die offene Hauptforderung 71.937,82 DM beträgt und Zinsen seit dem 01.01.1993 in Höhe von 287.525,60 DM aufgelaufen sind. Nunmehr macht die Klägerin eine Hauptforderung in Höhe von 71.937,82 DM sowie ausgerechnete Zinsen in Höhe von 88.010,12 DM von dem Beklagten zu 1) bzw. 88.055,80 DM von der Beklagten zu 2) geltend. Wegen der Zinsberechnung im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 26.03.2001, GA 181 ff.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Saldo auf dem streitgegenständlichen Kontokorrentkonto betrage hinsichtlich der Hauptforderung nach Verrechnung der Sicherheiten 71.937,82 DM; dazu kämen Zinsen seit dem 01.01.1993 in der ausgerechneten Höhe. Die Saldoabschlussrechnungen seien den Beklagten jeweils zugegangen; Einwendungen dagegen seien nie erhoben worden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Der Beklagte zu 1) wird - in Höhe der unter Ziffer 2 von der Beklagten zu 2) beanspruchten Beträge als Gesamtschuldner mit dieser - verurteilt, an die Klägerin DM 71.937,82 nebst Zinsen wie aus Bl. 216/211 (zu 1) ersichtlich,

2. die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin 71.937,82 nebst Zinsen wie aus Bl. 216/211 f. (zu 2) ersichtlich, zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen,

die Beklagte zu 2) habe kein eigenständiges Darlehensverhältnis zu der Klägerin begründet. Diese habe seit Unterzeichnung des Darlehensvertrages bis heute lediglich geringfügig in der Praxis des Beklagten zu 1) mitgearbeitet, da sie die in den Jahren 1974, 1981, 1982 und 1984 geborenen Kinder versorgt habe. Der Darlehensvertrag sei daher in bezug auf die Beklagte zu 2) sittenwidrig. Die Klägerin hätte zudem die Beklagten darüber aufklären müssen, dass es in Anbetracht der Konkurrenzsituation, der Bevölkerungsstruktur und der vorhandenen wirtschaftlichen Belastung für den Beklagten zu 1) ausgeschlossen gewesen sei, mit wirtschaftlichem Erfolg eine gynäkologische Facharztpraxis in R zu führen. Dies sei der Klägerin bekannt gewesen. Die Abschlussrechnungen vom 30.06.1987 und vom 30.07.1987 seien ihnen nicht zugegangen.

Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1987 sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass das Oder-Konto zinsfrei gestellt werde, indem Zinsen zunächst gar nicht anfallen sollten. Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.

Die Beklagten haben mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 200.000,00 DM hilfsweise die Aufrechnung gegenüber der eingeklagten Forderung erklärt. Sie haben dazu vorgetragen, die Klägerin habe die als Sicherheit abgetretene Lebensversicherung gekündigt, ohne dies mit ihnen abzustimmen, um an den Rückkaufswert zu gelangen. Damit habe die Klägerin mehr als 500.000,00 DM realisiert. Die Klägerin hätte jedoch den regulären Ablauf der Lebensversicherung abwarten müssen; für diesen Fall hätte sie eine vollständige Befriedigung ihrer Forderung erzielt. Die Kündigung stelle daher eine bewusste Schädigung der Darlehensnehmer dar und habe zu einem Schaden in Höhe von mindestens 200.000,00 DM geführt.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Rückzahlung des Kontokorrentkredits nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt: Mit Vertrag vom 26.07.1978 habe die Klägerin beiden Beklagten ein Darlehen über 550.000,-- DM gewährt. Die mit der Beklagten zu 2) getroffene Darlehensvereinbarung sei nicht gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages durch die Beklagte zu 2) stelle allenfalls in Höhe eines Teilbetrages von 110.000,-- DM ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft dar. Denn auch im Fall einer krassen Oberforderung der Beklagten zu 2) habe bei ihr insoweit ein unmittelbares Interesse an der neuen Kreditaufnahme bestanden, als ein Teil des Darlehens zur Tilgung ihrer eigenen Schulden verwandt worden sei. Denn mit dem streitgegenständlichen Darlehen seien bereits bestehende Verbindlichkeiten sowohl des Beklagten zu 1) als auch der Beklagten zu 2) in Höhe von 440.000,-- DM abgelöst, worden. Eine eventuelle Nichtigkeit des Vorkredits der B bank habe sich nicht den Mitarbeitern der Klägerin aufdrängen müssen. Aus diesem Grunde sei es nicht gerechtfertigt, den Kreditvertrag in Bezug auf die Beklagte zu 2) in Höhe eines Darlehensbetrages von 440.000,-- DM als sittenwidrig zu beurteilen. Die Klägerin habe auch nicht gegen die ihr obliegenden Aufklärungs- und Fürsorgepflichten gegenüber den Beklagten verstoßen, weil sie diese nicht über die damals vorhandene Konkurrenzsituation hinsichtlich der Tätigkeit als gynäkologischer Facharzt aufgeklärt in R aufgeklärt habe. Denn die Bank sei nicht verpflichtet, Kreditwürdigkeit und Leistungsfähigkeit des Kunden zu überprüfen. Der Klägerin stehe eine restliche Hauptforderung von 71.937,82 DM zu. Die Beklagten hätten den Saldo der Abwicklungskontos nur pauschal bestritten, nicht aber den Zugang der quartalsmäßig erstellten Saldoabrechnungen (mit Ausnahme 30.6.1987 und 30.7.1987). Daneben stünden der Klägerin die ausgeurteilten Zinsen zu, die nicht verjährt seien. Der hilfsweise von den Beklagten zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch in Höhe von 200.000,-- DM bestehe nicht, da die Klägerin berechtigt gewesen sei, die als Sicherheit abgetretene Lebensversicherung zu kündigen. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, den regulären Ablauf der Lebensversicherung abzuwarten.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie tragen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor: Das Landgericht habe die Auswirkungen der Sittenwidrigkeit der zugrunde liegenden Kreditverträge verkannt. Die Beklagte zu 2) habe als Hausfrau und Mutter von 4 Kindern kein eigenes Interesse an einem Betriebsmittelkredit gehabt, da sie über die Verwendung des Kredits nicht habe entscheiden dürfen. Bei der Mitunterzeichnung des Vertrages durch die Beklagte zu 2) handele es sich wegen der finanziell krassen Überforderung um einen nichtigen Schuldbeitritt. Der Vorkredit bei der B bank sei sittenwidrig gewesen. Deshalb hätten für die Beklagte zu 2) keine Verbindlichkeiten bestanden, die umzuschulden gewesen wären. Die Beklagte zu 2) sei aus dem Vorkredit selbst nicht verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe gegen ihre Aufklärungs- und Fürsorgepflichten verstoßen, indem sie nicht die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Aufstockung des Kreditvolumens überprüft habe. Die Ausführungen zur Höhe des Anspruchs seien unverständlich. Die Beklagten hätten die Saldoabrechnungen auch nicht bis 30.3.1987 erhalten. Die Berechnungen der Klägerin seien nicht nachvollziehbar. Den Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 200.000,-- DM zu, weil die Klägerin die Lebensversicherungen gekündigt habe, ohne ihnen zuvor davon Mitteilung zu machen. Bei regulärer Vertragslaufzeit wäre eine Auszahlungssumme von mindestens 1,2 Mio. DM erlöst worden.

Die Beklagten beantragen nunmehr,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor,

das Landgericht habe zu Recht der Klage stattgegeben. Das Landgericht habe allerdings zu Unrecht Verspätung des Vortrags gerügt, dass sie, die Klägerin, bei der B bank nicht nur Verbindlichkeiten in Höhe von 440.000,-- DM, sondern in Höhe von 533.000,-- DM abgelöst habe. Die Beklagte zu 2) sei Mitkreditnehmerin gewesen, nicht lediglich nur Mithaftende. Sie habe ein eigenes Interesse an der Kreditgewährung gehabt. Die Beklagte zu 2) habe zum Zeitpunkt der Kreditgewährung keine 4 Kinder, sondern nur 1 Kind gehabt und sei nicht nur Hausfrau, sondern auch als Arzthelferin in der Praxis des Beklagten zu 1) tätig gewesen. Die Hälfte der Personalkosten der Praxis seien entfallen auf die Beklagte zu 2): Die Beklagte zu 2) sei deshalb als Mitdarlehensnehmerin aufgenommen, weil es sich dem Ehepaar B um eine Lebens-, Wirtschafts- und Risikogemeinschaft gehandelt habe, insbesondere auch die Ehefrau in der Praxis tätig gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt der Kreditgewährung sei die vom BVerfG geprägte Rechtsprechung zur Problematik der Sittenwidrigkeit bei mithaftenden Ehegatten noch nicht entwickelt gewesen. Die Berufung berücksichtige nicht hinreichend, dass die Darlehensverpflichtung gegenüber der Klägerin einer Ablösung bereits bestehender Schulden gegenüber der Bayerischen Vereinsbank gedient habe, die Beklagte zu 2) seinerzeit bereits persönliche Schuldnerin gewesen sei und deshalb ein Interesse an der Umschuldung gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Klage ist in Hauptforderung und Zinsen begründet.

1) Die Klägerin hat den Beklagten mit Vertrag vom 26.7.1978 ein Darlehen über 550.000,-- DM gewährt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts, das die Ausführungen der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 25.4.2001 (GA 205, 207) unberücksichtigt gelassen und gemäß § 296. Abs. 2 ZPO als verspätet betrachtet hat, ist im Tatsächlichen davon auszugehen, dass die Eingehung einer Verpflichtung gegenüber der Klägerin mit einen Kreditvolumen von 550.000,-- DM nicht nur der Ablösung von Verbindlichkeiten in Höhe von 440.000,-- DM gegenüber der B bank diente. Darüber hinaus ist noch eine Betriebsmittelfinanzierung in Höhe von 93.000.~DM abgelöst bzw. umgeschuldet worden, so dass sich der Differenzbetrag ein neuer Verpflichtung auf 17.000,-- DM erstreckte. Die Berufungserwiderung rügt zu Recht, dass sich aus der vor der mündlichen Verhandlung vom 28.3.2001 (GA 198) als Anlage, zum Schriftsatz vom 19.7.2000 (GA 80, 103) ergebenden Aktennotiz entnehmen lässt, dass der Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit der Praxisneugründung Investitionen in Höhe von 530.000,-- DM getätigt hat, worauf ursprünglich 70.000 DM auf Betriebsmittel entfielen. Ausweislich der Aktennotiz bestanden zum Zeltpunkt der Umschuldung gegenüber der B bank Verpflichtungen in einer Größenordnung von 533.000,-- DM. Der Vortrag war demnach nicht verspätet. Im Übrigen hätte die Verspätung angesichts der Komplexität des Sachverhalts (lange zurückliegender Sachverhalt) auch nicht auf grober Nachlässigkeit beruht. Schließlich weist die Berufungserwiderung zutreffend darauf hin, dass angesichts des neuen Vorbringens der Beklagten mit Schriftsatz vom 4.4.2001 zur angeblichen "positiven Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis" der Mitarbeiter der Klägerin von der behaupteten Sittenwidrigkeit des zuvor von "der B bank gewährten Darlehens" die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) angezeigt gewesen wäre, damit die Klägerin Gelegenheit gehabt hätte, diesem Vortrag entgegenzutreten. Schließlich macht die Berufungserwiderung deutlich, dass die Berufung (BB 8, GA 349) die Ablösung eines Betrages von 533.000,-- DM durch die Klägerin jedenfalls jetzt nicht bestreitet (trotz BB 5, GA 346 § 138 Abs. 3 ZPO). Damit stellt sich nicht mehr die vom Landgericht aufgeworfene Frage, ob die Einbeziehung der Beklagten zu 2) in den neuen Kreditvertrag mit der Klägerin hinsichtlich eines Teilbetrages von 110.000,-- DM (550.000,-- DM ./. 440.000,-- DM) sittenwidrig war und eine Teilnichtigkeit des Vertrages vom 26.7.1978 vorliegt.

2) Das Landgericht hat im Übrigen eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages vom 26.7.1978 unter dem Aspekt "unwirksame Mithaftung vermögensloser Familienangehöriger" wegen angeblich krasser Überforderung der Beklagten zu 2) zutreffend mit der Begründung verneint, dass die Beklagte unmittelbar ein eigenes Interesse an der neuen Kreditaufnahme hatte, da das Darlehen - zum Teil, so Landgericht - der Tilgung eigener Schulden gedient habe (BGH ZIP 2001, 189 = NJW 2001, 815, GA 193), Die Beklagte zu 2) war nicht nur Mithaftende, sondern Mitdarlehensnehmerin. Sie hatte einerseits ein eigenes Interesse an der Kreditgewährung, weil damit auch ihre eigenen Verbindlichkeiten gegenüber der B bank abgelöst werden konnten. Andererseits hatte sie aber auch deshalb ein eigenes Interesse an der neuen Kreditgewährung, weil sie in der Praxis des Beklagten zu 1) als Arzthelferin arbeitete (damals noch nicht Hausfrau mit 4 Kindern), nach Angaben des Beklagten zu 1) in einem Kreditantrag vom 27.11.1980 (Anlage K 12, GA 100) die Hälfte der Personalkosten auf die in der Praxis mitarbeitende Beklagte zu 2) entfiel. Die Beklagten traten als Lebens-, Wirtschafts- und Risikogemeinschaft auf. Dies haben auch die Beklagten selbst so gesehen, indem sie die Praxiseröffnung in F nachträglich als eklatante Fehleinschätzung hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedingungen einschätzten (Klageerwiderung 2/3, GA 66/67). Eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Mitarbeiter der Klägerin eine etwaige Sittenwidrigkeit des Vorkredits positiv gekannt hätten. Denn im Jahre 1978 war die Frage einer möglicherweise unwirksamen Mithaftung von Ehegatten im Rahmen einer Kreditgewährung in der Rechtsprechung noch nicht eindeutig, umfassend und endgültig geklärt (vgl. BGH WM 1990, 534). Die Rechtsprechung ist diesbezüglich jetzt noch in der Entwicklung (jüngst BGH Urteil vom 15.1.2002 - XI ZR 98/01). Im übrigen war die Gewährung des Kredits und Umschuldung für die Klägerin ein erhebliches Risiko, demgegenüber für die Beklagte zu 2) sehr unwahrscheinlich, dass sie den Vorvertrag mit der B bank wegen Sittenwidrigkeit hätte angreifen können. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter der Klägerin die Beklagte zu 2) nur versehentlich als Mitdarlehensnehmerin anstatt als Bürgin aufgenommen haben (BB 3 GA 344). Dies ergibt sich jedenfalls nicht aus der in Bezug genommenen Aktennotiz vom 20.6.1978 (GA 344, 103/4), auch wenn dort eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Ehefrau angesprochen wird. Denn bei dieser Aktennotiz vom 20.6.1978 (Vertrag 26.7.1978) ging es darum, ein positives Votum für die Kreditgewährung auszusprechen. Es geht dort auch darum, festzustellen, welche Sicherungsmittel insgesamt zur Verfügung stehen, u.a. Einbeziehung weiterer Familienmitglieder.

3) Der Kreditvertrag vom 26.7.1978 ist auch nicht deshalb sittenwidrig oder unwirksam, weil die Klägerin einer ihr obliegenden Aufklärungs- und Fürsorgepflicht nicht nachgekommen wäre. Es war nicht Aufgabe der Klägerin, die Beklagten über die Konkurrenzsituation hinsichtlich der Tätigkeit als gynäkologischer Facharzt in R aufzuklären. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung, dass eine kreditgebende Bank grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Darlehensnehmer über die Risiken der von ihm beabsichtigten Darlehensverwendung aufzuklären. Im Einzelfall kann allerdings ein entsprechender Hinweis nach Treu und Glauben geboten sein, etwa wenn die Bank in bezug auf die speziellen Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber dem Darlehensnehmer einen konkreten Wissensvorsprung hat, sie zum Beispiel weiß, dass dieses zum Scheitern verurteilt ist (BGH WM 1988,1225 m.w.N.). Eine Bank ist nicht verpflichtet, vor Abschluss eines Darlehensvertrages die Kreditwürdigkeit und Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers zu prüfen (BGH WM 1998, 337).

4) Auch die Ausführungen des Landgerichts zur Höhe der verbleibenden Hauptforderung von 71.937,82 DM sind nicht zu beanstanden (GA 221, Anlage K 19 a und b, GA 151). Diese Feststellung wird von der Berufung ohne Erfolg angegriffen. Die Klägerin hat eine detaillierte Forderungsabrechnung vorgelegt (Anlagen K 19 a und b). Zu Recht weist das Landgericht daraufhin, dass die von der Klägerin vorgelegten Buchungsvorgänge von den Beklagten nur pauschal bestritten worden sind. Es ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass den Beklagten jedenfalls bis zum 30.03.1987 die quartalsmäßig erstellten Saldoschlussabrechnungen zugegangen sind, denen die Beklagten nicht widersprochen haben. Denn die Beklagten haben lediglich behauptet, ihnen seien die Saldoabschlussrechnungen per 30.06.1987 und per 30.07.1987 nicht zugegangen. Auch aus dem Schreiben des Beklagten zu 1) vom 14.4.1990 (GA 50 d.A.) ergibt sich, dass er Saldoabrechnungen erhalten hat. Der Beklagte gibt dort an, dass er selbst zum 30.10.1989 von einem Schuldsaldo von "DM 685.107,14" ausgehe.

Gemäß Ziffer 15 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gelten Rechnungsabschlüsse als genehmigt sofern der Kunde Einwendungen dagegen nicht unverzüglich erhebt. Diese Klausel ist auch wirksam und verstößt nicht gegen § 10 Nr. 5 AGBG. Zugleich bewertet der Senat das Verhalten der Beklagten als beweiskräftiges, unwiderlegbares und durch bloßes pauschales Bestreiten nicht entkräftetes Indiz für die Richtigkeit der Beträge. Vorliegend haben die Beklagten unstreitig gegen die Saldoabschlussrechnungen per 30.03.1987 keine Einwendungen erhoben. Der Handelsbuchauszug per 30.03.1987 weist für das Kontokorrentkonto einen Saldo in Höhe von 406.377,14 DM und für das Kreditsonderkonto einen Saldo von 247.093,00 DM aus (GA 105, 109 f d.A.).

Die Klägerin hat durch Vorlage von Belegen die Kontoentwicklungen im Einzelnen bis Juli 1987 dargelegt. Konkrete Einwendungen gegen die Verrechnungen haben die Beklagten nicht erhoben. Unter Zugrundelegung der verschiedenen Buchungen ergibt sich per 01.08.1987 ein Gesamtsaldo in Höhe von 661.664,47 DM (Proforma-Abschlussrechnung für das Konto-Nr. per 01.08.1987: 413.027,13 DM (GA. 39); Proformaabschlussrechnung für das Konto-Nr. per 01.08.1987: 248.637,34 DM (GA 40). Der Senat hat keine Veranlassung der pauschal erhobenen Behauptung, Unterlagen seien manipuliert worden, nachzugehen.

Die Beklagten sind danach gesamtschuldnerisch verpflichtet, an die Klägerin auf die Hauptforderung einen noch offenen Restbetrag von 71.937,82 DM zu zahlen.

5) Den Beklagten steht auch kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 200.000,-- DM zu, mit dem erfolgreich hilfsweise die Aufrechnung erklärt werden könnte. Die Klägerin war berechtigt, die ihr abgetretene Lebensversicherung zu kündigen und den Rückkaufswert auf die noch offene Forderung anzurechnen. Die Berufungserwiderung (GA 431 ff.) hat dargelegt, dass der Verwertung der beiden Kapitallebensversicherungen ein umfangreicher Schriftverkehr zwischen der Klägerin einerseits, dem Beklagten zu 1) und der Volksbank M vorausgegangen ist. Die Klägerin war nicht verpflichtet, das ordnungsgemäße Vertragsende angesichts der nicht erfolgten Rückführung des Kredits abzuwarten. Dass bei Beitragsfreistellung der Lebensversicherungen bis zum ordnungsgemäßen Ablauf der Versicherungen im Jahre 2007 924.900,-- DM zu erzielen gewesen wären, anstatt des Rückkaufswerts von 503.776,58 DM, war für die Klägerin kein rechtlicher Hinderungsgrund, die abgetretenen Verträge vorzeitig zu kündigen, da andernfalls mit Sicherheit ein Anwachsen des Saldos eingetreten wäre. Die Verwertung der Sicherheiten erfolgte angesichts der prekären finanziellen Situation der Beklagten nicht zur Unzeit.

Die begehrten Zinsen sind ebenfalls vertragskonform und nicht zu beanstanden. Gegen das Zinseszinsverbot liegt angesichts der Kontokorrentabrede kein Verstoß vor. Der Senat spricht den Obergang auf § 247 BGB ab 1.1.2002 ausdrücklich zur Klarstellung aus. Von einer Anpassung an Euro-Beträge wird abgesehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 143.875,64 DM (§ 19 Abs. 3 GKG) festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 543 n.F. ZPO.

Ende der Entscheidung

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