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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 10.03.2000
Aktenzeichen: 10 U 1234/99
Rechtsgebiete: VHB 84, VVG


Vorschriften:

VHB 84 § 21 Nr. 1 a und d)
VHB 84 § 21 Nr. 2 a) und b)
VHB 84 § 21 Nr. 3 u. 4
VVG § 6 Abs. 3
1. Nach § 21 Nr. 4 VHB 84 kann in Konkretisierung der Relevanzrechtsprechung zu § 6 Abs. 3 VVG der Kausalitätsgegenbeweis auch für vorsätzliche Obliegenheitsverletzungen geführt werden, wenn diese weder Einfluß auf die Feststellungen des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Entschädigung hat.

2. Eine unverzügliche Anzeige des Schadensfalls liegt nicht vor, wenn der Schaden erst mehr als 3 Monate nach dem Schadensereignis gemeldet und außerdem nicht unverzüglich ein Verzeichnis der beschädigten oder zerstörten Sachen erstellt und dem Versicherer zur Kenntnis gebracht wurde.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Geschäftsnummer: 10 U 1234/99

Verkündet am 10. März 2000

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Weiss und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 5. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau (Versicherungsnehmerin) Leistungen aus einer Hausratsversicherung (VHB 84) mit der Behauptung geltend, am 29.06.1997 habe sich in dem von ihm und seiner Ehefrau angemieteten Haus ein Leitungswasserschaden ereignet, bei dem die in der mit Schriftsatz vom 30.04.1999 überreichten Schadensaufstellung benannten Gegenstände (Wert 63.304,10 DM) beschädigt worden seien. Die schriftliche Schadensmeldung des Klägers erfolgte am 09.10.1997. Am 14.10.1997 erklärte er, daß alle geschädigten Gegenstände entsorgt worden seien. Unter dem 17.10.1997 kündigte seine Ehefrau die Nachsendung der Liste mit den angeblich zu Schaden gekommenen Gegenständen an. Ein Auftrag zur Schadensfeststellung erteilte der Kläger dem Sachverständigen am 28.10.1997, der die meisten Gegenstände aber nur anhand von Fotografien begutachten konnte, die von dem Kläger mehrere Monate nach dem Schadenseintritt gefertigt worden sind. Mit Schreiben vom 04.05.1998 hat die Beklagte mit dem Hinweis auf die verspätete Schadensmeldung Leistungsfreiheit für sich in Anspruch genommen. Der Kläger hält dies für ungerechtfertigt und behauptet, der Beklagten den Schaden schon unmittelbar nach dem 29.06.1997 gemeldet zu haben.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers bzw. seiner Ehefrau abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der die Zahlung von 55.030,70 DM nebst Zinsen begehrt.

II.

1) Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Senat schließt sich den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug, § 543 Abs.1 ZPO. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

a) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, daß dem Kläger aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau ein Anspruch auf Leistungen aus der Hausratsversicherung nicht zusteht. Die Beklagte ist gemäß §§ 21 Nr. 3 und 4 VHB 84, 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden, weil der Kläger als Repräsentant der Versicherungsnehmerin bzw. seine Ehefrau als Versicherungsnehmerin, deren Rechte er geltend macht, die nachvertraglichen Obliegenheiten gemäß § 21 Nr. 1 a) und d) und Nr. 2 a) und b) VHB 84 vorsätzlich verletzt haben. Nach §§ 21 Nr. 3 VHB 84, 6 Abs. 3 VVG besteht Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt hat, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen war, es sei denn daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Nach § 21 Nr. 4 VHB 84 kann in Konkretisierung der Relevanzrechtsprechung (vgl. Prölss/Knappmann, VVG Komm., 26. Aufl. 1998, VHB 84, § 21 Rn. 7; BGH VersR 1993, 832) zu § 6 Abs. 3 VVG der Kausalitätsgegenbeweis auch für vorsätzliche Obliegenheitsverletzungen (anders Wortlaut § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. S. 2 VVG) geführt werden, wenn diese weder Einfluß auf die Feststellungen des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Entschädigung hat. Die Leistungsfreiheit gemäß § 21 Nr. 3 VHB 84 i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG entfällt, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen und wenn außerdem den Versicherungsnehmer kein erhebliches Verschulden trifft. Vorliegend hatte die nicht unverzügliche Anzeige des Schadens gegenüber dem Versicherer und die nicht unverzügliche Vorlage einer Schadensliste sowohl Einfluß auf die Feststellung als auch auf den Umfang der Entschädigung, wodurch die Interessen der Beklagten ernsthaft beeinträchtigt wurden. Die Versicherungsnehmerin und den Kläger trifft hierbei ein erhebliches Verschulden.

b) Zutreffend führt das Landgericht aus, daß der Versicherungsnehmer für die Erfüllung der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Schadensfalles die Beweislast trägt (vgl. Prölss/Martin, aaO, § 6 VVG Rn. 124 m.w.N.). Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der vorgenommenen Beweiswürdigung ist das Landgericht mit überzeugenden Argumenten zu dem Ergebnis gelangt, daß der Schaden erst mit der schriftlichen Schadensanzeige vom 9.10.1997, mehr als 3 Monate nach dem Schadensereignis vom 29.6.1997 gemeldet wurde. Dafür spricht nicht nur die Aussage der von der Beklagten benannten Zeugen A und B, die mit der Aussage der Ehefrau des Klägers, daß der Schaden unverzüglich telefonisch gemeldet worden sei, nicht übereinstimmt. Vielmehr sind hier auch andere vom Landgericht aufgegriffene Indizien vorhanden, die gegen eine unverzügliche telefonische Mitteilung des Schadens an die Beklagte sprechen. Wäre eine unverzügliche Schadensmeldung an die Beklagte erfolgt, hätte dies dem Mitarbeiter der Stadtwerke T, der den Kläger und dessen Ehefrau nach dem Schadensfall aufgesucht hatte, sofort offenbart werden können. Hat aber nach dem eigenen Vortrag des Klägers gerade dieser Mitarbeiter ihn darauf hingewiesen, er könne den Schaden der Hausratsversicherung melden, da deren Leistungen für ihn günstiger seien als ein Schadensausgleich über die Stadtwerke, hätte es eines solchen Hinweises nicht bedurft, zumindest hätte der Kläger einem derartigen Hinweis mit dem Bemerken entgegnen können, daß dies bereits geschehen sei.

c) Weiteres Indiz gegen die Richtigkeit des Vertrags des Klägers ist, daß ausweislich des Schreibens der Stadtwerke vom 3.2.1998 (GA 38) erst im November 1997 durch den Kläger mitgeteilt wurde, daß er den Schaden der Hausratsversicherung schriftlich gemeldet habe, d.h. zeitnah zu seiner schriftlichen Schadensmeldung vom 9.10.1997. Wäre bereits früher eine Schadensmeldung erfolgt, etwa Ende Juni/ Anfang Juli 1997, hätte nahe gelegen, die Stadtwerke entsprechend frühzeitig darüber zu informieren. Der Kläger und seine Ehefrau haben der Beklagten darüber hinaus jede Möglichkeit genommen, Ursache und Höhe des Schadens zu untersuchen, weil die meisten Gegenstände zum Zeitpunkt der Schadensmeldung am 9.10.1997 bereits entsorgt waren. Gleichermaßen sind keine Schadensminderungsmaßnahmen, Trocknung der nassen Gegenstände etc. vorgenommen worden.

d) Außerdem ist nicht unverzüglich ein Verzeichnis der beschädigten oder zerstörten Sachen erstellt und der Beklagten zur Kenntnis gebracht worden. Für die Tatsache, daß ein derartiges Verzeichnis nicht unverzüglich erstellt und der Beklagten zur Kenntnis gebracht wurde, spricht, daß der Kläger in seiner Schadensmeldung vom 9.10.1997 lediglich die Vorlage eines solchen Verzeichnisses ankündigte, eine solche offenbar zu diesem Zeitpunkt noch nicht erstellt war. Der Auftrag zur Schadensfeststellung selbst erfolgte erst am 28.10.1998. Der Sachverständige konnte die angeblich beschädigten und entsorgten Sachen aus eigener Wahrnehmung nicht mehr begutachten.

2) Das Vorbringen in der Berufungsbegründung erlaubt keine andere Betrachtung der Gesamtumstände. Der Kläger hat zwar nun erstmals vorgetragen und unter Beweis gestellt, Rechtsanwalt Reh habe am 15.7.1997 der Beklagten schriftlich den Wasserschaden gemeldet. Dieser Vortrag wird jedoch wiederum dahingehend eingeschränkt, daß Rechtsanwalt R nicht bestätigen könne, ob das Schreiben auch tatsächlich abgesendet worden sei. Das Beweisangebot ist als Nachweis des Zugangs einer Schadensmeldung im Juli 1997 nicht geeignet. Hinzu kommt, daß das angebliche Schreiben vom 15.7.1997 an eine Adresse der adressiert war, die es für die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Eine nochmalige Vernehmung der Ehefrau des Klägers, zwecks eidlicher Vernehmung, erachtet der Senat für nicht geboten (§ 398 ZPO).

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 55.030,70 DM. Er entspricht der Beschwer des Klägers.

Ende der Entscheidung

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