Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 16.08.2002
Aktenzeichen: 10 U 1446/01
Rechtsgebiete: EstG, EigZulG


Vorschriften:

EstG § 10 e
EstG § 26
EigZulG § 11 Abs. 3
EigZulG § 2 Abs. 1 S. 1
Ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen Schlechterfüllung des anwaltlichen Beratungsvertrages besteht nicht, wenn der Rechtsanwalt auf konkrete Frage, welcher Auswirkungen eine Trennung oder Scheidung der Eheleute auf die steuerliche Förderung eines Eigenheims nach § 10 e EStG habe, darauf hinweist, dass diese nur maximal 8 Jahre erfolgen könne, er die Ehefrau aber nicht auf etwaige Umgehungstatbestände, wie Unterbrechung des Getrenntlebens durch einmal kalenderjährliche Versöhnungsversuche oder falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt hinweist und eine Gestaltungsberatung über höchstpersönliche Lebensentscheidungen (Bauzulage oder Trennung bzw. Scheidung) nicht verlangt war.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F.

Geschäftsnummer: 10 U 1446/01

Verkündet am 16. August 2002

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und Dr. Koch auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 16. Juli 2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten beider Rechtszüge hat die Klägerin zu tragen.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin begehrt von den in einer Sozietät verbundenen Beklagten Schadensersatz wegen einer fehlerhaften steuerlichen Auskunft. Die Klägerin war bis zu ihrer Scheidung im August 1998 mit dem Zeugen G verheiratet. Die Eheleute hatten im Jahre 1993/1994 ein Haus in O gekauft, das sie im Jahre 1996 verkauften. Für das Objekt nahmen sie vier Jahre lang die Steuervorteile des § 10 e EStG in Anspruch. Im Juni 1996 errichteten die Klägerin und ihr früherer Mann eine derzeit von ihr allein genutzte Eigentumswohnung in O. Im September 1996 hat die Klägerin vor dem Familiengericht A die Scheidungsklage eingereicht. Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen für die Eigentumswohnung in O in den Jahren 1997 und 1998 die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz in Anspruch. Im März 1998 teilte die Klägerin dem Beklagten zu 1) mit, dass sie seit Ende 1997 in die Eigentumswohnung eingezogen sei und hierfür mit der Bauzulage neu beginnen wollte, d.h. nicht als Folgeobjekt, sondern von Anfang an acht Jahre lang. Für das 1996 verkaufte erste Haus hätten sie und ihr Mann die Steuervorteile nach § 10 e EStG vier Jahre lang in Anspruch genommen. Der Beklagte zu 1) solle Auskunft geben, was mit der Bauzulage passiere, wenn die Klägerin sich von ihrem Mann trennen bzw. wenn die Ehe während des Bezugs der Bauzulage geschieden würde. Sie fragte wörtlich: "Bekomme ich dann die restlichen Jahre (1999 bis 2004) die Bauzulage weiterhin, wenn ich das Haus behalte ?". Der Beklagte zu 1) antwortete, dass die Klägerin für die streitgegenständliche Eigentumswohnung als Folgeobjekt für das 1993 angeschaffte Haus bis einschließlich 2000 Eigenheimzulage in Anspruch nehmen könne. Die Eigentumswohnung sei deshalb Folgeobjekt, weil die Klägerin bereits für das erste Objekt vier Jahre lang die Vergünstigung des § 10 e EStG in Anspruch genommen habe. Der gesamte Begünstigungszeitraum einer Person dürfe acht Jahre nicht überschreiten. Das bis dahin ruhende Scheidungsverfahren wurde von der Klägerin wieder aufgerufen und die Ehe im August 1998 geschieden. Das Finanzamt hat der Klägerin für die Jahre 1999 und 2000 die Eigenheimzulage von 6.500,-- DM jährlich gewährt und die Eigentumswohnung als Folgeobjekt des im Jahre 1993/1994 erworbenen Erstobjekts angesehen.

Die Klägerin begehrt nunmehr Schadensersatz von den Beklagten, weil sie infolge der Auskunft des Beklagten zu 1) im Jahre 1998 ihre Scheidung vollzogen und damit die Möglichkeit verloren habe, für die Jahre 2001 bis 2004 die Eigenheimzulage in Höhe von 6.500,-- DM jährlich weiterhin zu erhalten. Sie habe das Schreiben des Beklagten zu 1) vom 13.5.1998 (GA 39) so verstanden, dass sie die Eigenheimzulage - unabhängig davon, ob sie sich scheiden lasse oder von ihrem Ehemann trenne - ohnehin nur bis zum Jahre 2000 beziehen könne. Wenn ihr der Beklagte zu 1) erklärt hätte, dass sie die Eigenheimzulage für ein Zweitobjekt bei Fortbestand ihrer Ehe bis zum Jahr 2004 hätte weiter erhalten können, hätte sie sich von ihrem Mann nicht scheiden lassen. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.500,-- DM nebst Zinsen zu zahlen. Es hat ferner festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen sind, der Klägerin den Schaden aus der entgangenen Eigenheimzulage für ihre Eigentumswohnung in O für die Jahre 2002 bis 2004 zu erstatten. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

II.

Die Berufung ist begründet.

Das Landgericht hat den Leistungsantrag auf Zahlung von Schadensersatz für das Jahr 2001 für begründet erachtet. Für die Folgejahre 2002 bis 2004 hat es die Auszahlungsreife mangels Fälligkeit als noch nicht gegeben angesehen und eine Schadensersatzpflicht festgestellt. Das Landgericht meint, die Auskunft des Beklagten zu 1) vom 13.5.1998 (GA 39) sei irreführend gewesen und deshalb bestehe ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung.

Der Beklagte zu 1) habe die Klägerin fehlerhaft beraten, indem er durch sein Schreiben vom 13.5.1998 den unrichtigen Eindruck erweckt habe, dass die Klägerin die Eigenheimzulage für die streitgegenständliche Eigentumswohnung nur für die Zeit von 1997 bis 2000 weiter erhalten werde, unabhängig davon, ob sich die Eheleute trennten oder ob die Ehe weiter bestehe oder nicht. Auf die ausdrückliche Frage der Klägerin, ob sie die Bauzulage für die Jahre 1999 bis 2004 weiter beziehen könne, wenn ihre Ehe geschieden werde, habe der Beklagte zu 1) mit einer falschen Begründung dargelegt, dass sie die Eigenheimzulage nur für die Zeit bis zum Jahre 2000 in Anspruch nehmen könne. Mit der schriftlichen Auskunft vom 13.5.1998 habe der Beklagte zu 1) die Klägerin unvollständig und fehlerhaft unterrichtet, was die Klägerin im Ergebnis im Jahre 1998 zur Scheidung bewogen habe, was zum Verlust der Steuervorteile für die Jahre 2001 bis 2004 geführt habe.

Diese Ausführungen werden von der Berufung zu Recht angegriffen. Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass sich die steuerrechtliche Lage nach dem Eigenheimzulagengesetz richtete. Da die Klägerin und ihr Ehemann für das im Jahre 1993/1994 erworbene und im Jahre 1996 verkaufte erste Haus bereits vier Jahre lang die Steuervorteile des § 10 e EStG genutzt hatten, bestanden für die steuerliche Förderung der Eigentumswohnung zwei Möglichkeiten: Bei fortbestehender Ehe und nicht dauernder Trennung der Eheleute (§ 26 EstG) hätten die Eheleute für die Eigentumswohnung als Folgeobjekt des früher verkauften Hauses (Erstobjekt nach § 10 e EStG) vier Jahre lang die Eigenheimzulage beanspruchen können (1997 bis zum Jahre 2000). Als weitere Möglichkeit stand den Eheleuten G das Wahlrecht zu, die Eigentumswohnung - Bei fortbestehender Ehe (§ 26 EStG)- als Zweitobjekt steuerlich fördern und acht Jahre lang die Eigenheimzulage zu beziehen. Unabhängig davon, ob die Eheleute sich für eine Förderung als Folgeobjekt oder als Zweitobjekt entschieden hätten, war im Falle der Scheidung oder der dauerhaften Trennung (§ 26 EStG) mit der Aufhebung des Bescheids über die Eigenheimzulage durch Wegfall der Fördervoraussetzungen (§ 11 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 EigZulG) mit der Maßgabe zu rechnen, dass die Eigenheimzulage nicht länger als bis zum Jahre 2000 gewährt werden würde. War die Eigentumswohnung Folgeobjekt, so konnten wegen der bis 1996 bereits verbrauchten vier Förderjahre nur noch weitere vier Jahre Eigenheimzulage in Anspruch genommen werden (§ 3 EigZulG). War die Eigentumswohnung Zweitobjekt, so musste die Förderung mit der Scheidung oder dauerhaften Trennung ebenfalls entfallen, weil die Klägerin und ihr Ehemann bereits für ein Objekt Steuervorteile in Anspruch genommen haben und somit mit der Scheidung Objektverbrauch eingetreten wäre (§ 6 Abs. 1 S. 1 und 2 EigZulG).

Ausgehend von dieser Gesetzeslage war die vom Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 13.5.1998 (GA 39) erteilte Auskunft weder unvollständig noch irreführend, sondern vielmehr - bezogen auf die konkrete Frage der Klägerin - richtig. Die Kläger hatte mit Schreiben vom 6.3.1998 (GA 36/37) gefragt, was passieren würde, wenn die Eheleute sich trennen würden, und ob die "Bauzulage", welche den Eheleute zweimal zustehe, auch gewährt werde, wenn die Ehe während des zweiten Bezugs geschieden werde. Weiter wird konkret danach gefragt, ob sie die Bauzulage auch für die Zeit von 1999 bis 2004 in diesem Fall in Anspruch nehmen könne. Mit Schreiben vom 20.3.1998 wurde die Frage dahingehend ergänzt, wie Eheleute behandelt werden, wenn sie getrennt leben. Der Beklagte zu 1) hat mit Schreiben vom 13.5.1998 dahingehend geantwortet, dass die Klägerin für das "Haus" (richtigerweise Eigentumswohnung) als Folgeobjekt des 1993 gekauften Hauses bis einschließlich des Jahres 2000 eine Eigenheimzulage in Anspruch nehmen könne und der gesamte Begünstigungszeitraum einer Person acht Jahre nicht überschreiten dürfe. Diese Antwort war zutreffend. Denn im Falle einer Scheidung oder dauerhaften Trennung kam eine Förderung als Zweitobjekt für den Zeitraum 2001 bis 2004 nicht mehr in Betracht. Es blieb nur die Möglichkeit einer bis zum Jahre 2000 zeitlich begrenzten Förderung der Eigentumswohnung als Folgeobjekt. Die Überlegung des Landgerichts, der Beklagte zu 1) habe in seinem Schreiben vom 13.5.1998 den unrichtigen Eindruck erweckt, die Eigenheimzulage könne überhaupt nur bis zum Jahr 2000 in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob sich die Eheleute trennen oder nicht findet in dem Schreiben, wie die Berufung zu Recht geltend macht, keine Grundlage. Die Frage der Klägerin war konkret bezogen auf die rechtliche Situation im Falle einer dauerhaften Trennung oder Scheidung. Es ging nicht um eine Gestaltungsberatung, dergestalt, ob es zweckmäßig sei, sich im Hinblick auf einen etwaigen Wegfall der Förderung dauerhaft zu trennen oder sich scheiden zu lassen. Es handelt sich im Übrigen bei der Frage, ob sich Eheleute trennen oder scheiden lassen, um höchstpersönliche Lebensentscheidungen, die üblicherweise nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Eigenheimzulage noch für einen Zeitraum von weiteren 4 Jahren gewährt wird. Deshalb musste der Beklagte zu 1) die in dem Schreiben der Klägerin vom 6. und 20.3.1998 angesprochenen Fragen auch nicht dahingehend verstehen, ob es ratsam sei, eine dauerhafte Trennung oder Scheidung zeitlich zurückzustellen. Es war auch nicht Aufgabe des Beklagten zu 1), die Klägerin auf etwaige Umgehungstatbestände, wie Unterbrechung des Getrenntlebens durch einmal kalenderjährliche Versöhnungsversuche oder falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt, hinzuweisen. War mithin die rechtliche Auskunft des Beklagten zu 1) weder unvollständig noch irreführend, liegen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages nicht vor.

Auf die Berufung war das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.000,-- DM festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO n.F..

Ende der Entscheidung

Zurück