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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 29.11.2002
Aktenzeichen: 10 U 211/02
Rechtsgebiete: Bes. Vereinb. d. Ergänz. Bed. betr. d. Zusatzvers. f. Berufsunfähigkeit, BB-BUZ
Vorschriften:
Bes. Vereinb. d. Ergänz. Bed. betr. d. Zusatzvers. f. Berufsunfähigkeit § 20 Nr. 1 | |
Bes. Vereinb. d. Ergänz. Bed. betr. d. Zusatzvers. f. Berufsunfähigkeit § 21 Nr. 1 a) i.V.m. Nr. 102 | |
BB-BUZ § 1 (1) |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 10 U 211/02
Verkündet am 29. November 2002
in dem Rechtsstreit
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und den Richter am Landgericht Dr. Janoschek auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Auf die im Wege der Anschlussberufung des Klägers erfolgte Klageerweiterung wird das Urteil zu Ziffer 1. teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger neben den monatlichen Renten Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem jeweiligen Fälligkeitstag, beginnend mit dem 1.7.1998 bis 1.4.2000, und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungsgesetzes vom 9.6.1998 p.a. für die ab 1.5.2000 fällig gewordenen und weiter fällig werdenden monatlichen Raten zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (EB-BUZ, Stand 1.6.1987) in Anspruch.
Für den Kläger besteht seit dem 1.10.1993 bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Ablaufdatum 30.09.2013 (Anlagen B 3 bis B 6, GA 60-70). Der Kläger ist selbständiger Bauingenieur und Architekt. Mit Schreiben vom 12.08.1998 (GA 71) meldete er Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung an und bezog sich dabei auf ein orthopädisches Attest des Arztes S vom 24.07.1998 (GA 72/85), in dem ihm eine 100 prozentige Berufsunfähigkeit attestiert wurde. In einem ihm daraufhin von der Beklagten übersandten Fragebogen gab der Kläger an, seit Anfang 1998 seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben zu können. Nach Erstellung eines von der Beklagten veranlassten Gutachtens von Prof. Dr. Sch Universitäts- und Poliklinik für Orthopädie in B vom 18.6.1999 (GA 11 ff., 93 ff.), lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.8.1999 Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit der Begründung, es liege lediglich ein Grad der Berufsunfähigkeit von 30 %, nicht aber von 50 % vor.
Der Kläger hat vorgetragen,
er sei auf Dauer außer Stande, mindestens zu 50 % seinen Beruf auszuüben. Er habe vor Eintritt der Berufsunfähigkeit als Bauingenieur und Architekt im Wesentlichen größere öffentliche Projekte bearbeitet, und zwar vorwiegend in Nordrhein-Westfalen, wobei es sich unter anderem um die Errichtung von Behindertenwerkstätten, Behindertenschulen, Renovierung von Klinikgebäuden, Behinderungsanstalten sowie auch um die Errichtung von drei Industriemuseen gehandelt habe. Diese Objekte seien von der Planung über die Statik bis zur Bauleitung komplett von ihm vorgenommen und abgewickelt worden. Die Tätigkeiten hätten sich von der Akquirierung des Auftrages über die Planung bis zur Durchführung und Beendigung der Baumaßnahmen erstreckt. Alle damit zusammenhängenden Arbeiten seien im Wesentlichen von ihm geleistet worden und nur teilweise sei eine Delegation auf Mitarbeiter, die im Übrigen zugearbeitet hätten, möglich gewesen. Die vorhandenen Aufträge seien vornehmlich in den Jahren 1998 und 1999 abgeschlossen worden. Neue Projekte hätten nicht mehr akquiriert werden können, da er aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden hierzu nicht in der Lage gewesen sei. Von den ursprünglich vier freien Mitarbeitern sei derzeit noch ein Mitarbeiter mit lediglich 30 % Auslastung beschäftigt. Die tägliche Tätigkeit vor Eintritt der Berufsunfähigkeit sei angesichts dessen völlig unterschiedlich gestaltet gewesen. Sie habe täglich von Arbeitsstunden im Büro, Mitarbeiterbesprechungen, Kontrolle der Mitarbeiterarbeiten, Schriftverkehr bis hin zur Mitwirkung bei statischen Berechnungen, Telefonaten, Besuchen bei Kunden, insbesondere in Nordrhein-Westfalen zur Akquisition, weiterhin zu Baustellenbesuchen und Baustellenkontrollen, Projektbesprechungen bei Auftraggebern im weiteren und näheren Bereich gereicht. Die Auftragsorte hätten beispielsweise in B K D, V B L E S gelegen. Außerdem habe er etwa 14-tägig mehrtägige Dienstreisen zu überregionalen Kunden oder zu Messen und Seminarbesuchen durchführen müssen. Er verfüge zudem über besondere Fachkenntnisse im IngenieurHolzbau und in der Denkmalpflege und habe durch eigene Patente und den Bau von Industriemuseen einen Bekanntheitsgrad als Spezialist für solche Aufgaben erworben, so dass Projekte in ganz Nordrhein-Westfalen hätten akquiriert und abgewickelt werden können. Für die Akquirierung, Inangriffnahme, Planung, Durchführung und Abwicklung der Projekte sei seine Anwesenheit beim Kunden und auf den Baustellen vor Ort unabdingbar gewesen. Zu weit mehr als 50 % seiner Tätigkeit habe er zur Erfüllung dieser Aufgaben mehrstündige Autofahrten durchführen müssen, die nahezu täglich stattgefunden hätten.
Das Tätigwerden in einem anderen Feld oder die Ausübung eines Vergleichsberufe sei ihm nicht möglich, da aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse in der Denkmalspflege und im Ingenieurbau und seines Rufs als Spezialist der gesamte Tätigkeitsumfang ganz wesentlich an seine Kompetenz und seine Person gebunden gewesen sei. Dies habe zur Folge, dass eine Betriebsumorganisation nicht möglich sei.
Nachdem der Kläger zunächst beantragt hatte, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm eine jährliche Rentenleistung entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen aus dem Lebensversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. tu gewähren und, zwar auf der Grundlage einer Berufsunfähigkeit des Klägers ab dem 01.01.1998 und, festzustellen, dass er hinsichtlich des bezeichneten Versicherungsvertrages aufgrund bestehender Berufsunfähigkeit seit dem 01.01.1998 beitragsfrei gestellt sei,
hat er zuletzt beantragt.
1. die Beklagte zu verurteilen, aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. ihn beginnend mit dem 01.07.1998 bis zum 30.09.2013 eine monatliche Rente in Höhe von 3.848,17 DM zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus dem Lebensversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. ab dem 01.07.1998 eine monatliche Beitragsfreistellung in Höhe von 1.021,00 DM bis zum 30.09.2013 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klage verspätet eingereicht worden sei. Im Übrigen sei dem Kläger zuzumuten, berufliche Fahrten zu unterbrechen und einen orthopädischen Spezialsitz zu benutzen.
Die Ablehnung der Leistungspflicht durch die Beklagte vom 16.08.1999 ist dem Kläger am 18.08.1999 zugegangen, die Klage ist am 18.02.2000 bei Gericht eingegangen und wurde der Beklagten am 06.03.2000 zugestellt.
Das Landgericht hat nach umfangreicher Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen E, Dr. K, R, B S und Prof. S sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. H und Anhörung des Sachverständigen die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei fristgerecht binnen der 6-Monatsfrist eingelegt worden. Aufgrund der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Kläger zumindest zu 50 % berufsunfähig sei. Bei dem Kläger handele es sich um einen renommierten und weithin anerkannten Spezialisten. Von Fachleuten dieser Qualität gebe es im deutschsprachigen Raum vielleicht 10 Personen. Aufgrund dieser weitgehenden Spezialisierung und des extremen Zuschnitts des Tätigkeitsbildes auf den Kläger komme auch kein Verweis auf Vergleichstätigkeiten in Betracht. Die Beeinträchtigungen seien auch nicht durch Spezialmöbel zu beseitigen. Denn die Tätigkeiten des Klägers seien in hohem Maße mit Autofahrten und einem erheblichen Maß an körperlicher Bewegung verbunden. Diese Tätigkeiten könne der Kläger kaum noch erbringen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichens Vorbringens vor: Das Landgericht habe die rechtlichen Voraussetzungen einer mindestens 50 prozentigen Berufsunfähigkeit verkannt. Die beruflichen und gesundheitlichen Feststellungen reichten nicht aus, um einen derartigen Grad der Berufsunfähigkeit anzunehmen. Dies gelte insbesondere für den Leistungsbeginn ab 1.7.1998. Der Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bestehe nach dem Bedingungswerk erst, wenn die Berufsunfähigkeit sechs Monate ununterbrochen gedauert habe. Es sei aber nicht festgestellt, dass bereits Ende 1997 eine Berufsunfähigkeit vorgelegen habe. Das Landgericht stützte sich auf ein Gutachten, dass vom 8. Mai 2001 datiere, Prof. Dr. Sch habe aber jedoch aufgrund einer Untersuchung vom Mai 1999 einen Grad der Berufsunfähigkeit von 50 % nicht annehmen können. Der Gutachter Prof. H r gehe fälschlicherweise davon aus, dass der Kläger bei gehender, sitzender und stehender Tätigkeit belastunfähig sei, während Prof. Dr. Sch abweichend eine tägliche Arbeitszeit von 6 Stunden noch für möglich halte, lediglich einen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen empfehle. Das Landgericht nehme an, dass die Tätigkeit des Klägers mit hohem Maße mit Autofahrten verbunden sei, ohne darzulegen, welchen Anteil dieser Teil der Tätigkeit an dem Gesamtanteil habe. Es sei nicht glaubhaft, wenn der Kläger behaupte, er habe häufiger die Bauleitung inne und müsse deshalb öfters mit dem PKW zu den Baustellen fahren. Von den genannten 23 Projekten seien mindestens 14 Projekte in einem Umkreis von maximal 150 Kilometern gelegen. Das Landgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Ingenieurleistungen als Schwerpunkt seiner Tätigkeiten völlig ausgeblendet. Diese Tätigkeit und die der Bauleitung und Bauüberwachung könne durchaus auf andere Mitarbeiter übertragen werden. Denn der Kläger sei nur auf dem Gebiet der Statik ein Spezialist in seinem Fachgebiet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen, im Wege der Anschlussberufung,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu Ziffer 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger neben den monatlichen Renten Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem jeweiligen Fälligkeitstag, beginnend mit dem 1.7.1998 bis 1.4.2000, und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungsgesetzes vom 9.6.1998 p.a. für die ab 1.5.2000 fällig gewordenen und weiter fällig werdenden monatlichen Raten zu zahlen.
Diesbezüglich beantragt die Beklagte,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor,
das Landgericht habe zu Recht der Klage entsprochen. Der Sachverständige Prof. H habe selbstverständlich bei seiner Begutachtung den gesamten Zeitraum ab Ende 1997 berücksichtigt. Die Berufung bemängele zu Unrecht die Feststellungen zum beruflichen Anforderungsprofil des Klägers. Bei den vier Projekten, anhand deren die Zeugen B und S die Tätigkeit des Klägers beschrieben haben, handele es sich um die Rheinischen Industriemuseen in dem Zeitraum von 1992 bis 1997. Diese Projekte seien durchaus umfangreicher als andere Objekte in der Referenzliste und Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Schwerpunkt sei die Baustatik, eine Tätigkeit, die höchste Konzentration verfange und die nicht erbracht werden könne. Wegen seiner gesundheitlichen Beschwerden habe er im Jahre 2000 einen großen Baustatik-Auftrag, Verwaltungsgebäude und Lagerhalle eines Industrieunternehmens in München, nicht mehr selbst bearbeiten können. In seinem Büro sei nie ein anderer Statiker beschäftigt gewesen. Die gesundheitlichen Einschränkungen hätten zu einem drastischen Gewinnrückgang von 317.132,11 DM im Jahre 1994 zu 35.562,42 DM im Jahre 2000 geführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet. Die Anschlussberufung ist begründet.
I.
Das Landgericht hat zu Recht dem Kläger Ansprüche auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente mit Beitragsbefreiung zugesprochen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochten Urteil Bezug. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.
1) Vollständige bzw. teilweise, mindestens 50 prozentige Berufsunfähigkeit im Sinne von § 20 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 21 Nr. 1 a) i.V.m Nr. 102 der Besonderen Vereinbarungen der zum Vertragsgegenstand gemachten "Ergänzenden Bedingungen betreffend die Zusatzversicherung für Berufsunfähigkeit (Stand 1.6.1997) liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Im Rahmen der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend ist, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h., solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 22.9.1993 - IV ZR 203/92 - VersR 1993, 1470, 1471; Senatsurteil vom 10. November 2000 - 10 U 278/00 - NVersZ 2001, 212). Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass der Verlust der Fähigkeit, den Beruf bzw. eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben, erst während der Vertragsdauer eingetreten sein darf (§ 1 (1) BB-BUZ). War der Versicherte bereits vor Vertragsabschluß nicht mehr fähig, in seinem konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein, kann die Feststellung nicht getroffen werden, dass der Versicherte die Fähigkeit zur Berufsausübung erst während der Vertragsdauer verloren hat (BGH Urteil vom 27.1.1993 - IV ZR 309/91 - VersR 1993, 469, 470 Senatsurteil vom 18. Juni 1999 - 10 U 125/98).
a) Das Landgericht hat nach umfangreicher Beweisaufnahme das Tätigkeitsbild des Klägers, ermittelt, so wie es sich in dem Zeitraum vor Beantragung der Versicherungsleistung zuletzt darstellte, als er noch nicht in seiner Leistungsfähigkeit in dem maßgeblichen Umfang beeinträchtigt war. Die Kammer ist nach Vernehmung der Zeugen E (GA 160), Dr. K (GA 163), R (GA 164), B (GA 190), S (GA 192) und Prof. Dr. S (GA 194) mit Beschlussvorgabe für den medizinischen Sachverständigen vom 8.3.2001 (GA 200) zu dem Ergebnis gelangt, dass zum einen tageweise zwischen einer Bürotätigkeit und den erforderlichen Baustellenterminen zu differenzieren ist, wobei die Baustellentermine etwas mehr als die Hälfte der Arbeitstage ausschöpften. Im Einzelnen hat das Landgericht hierzu festgestellt:
"Die für Baustellentermine vorgesehenen Arbeitstage waren gekennzeichnet durch längere Anfahrten mit dem PKW (mindestens 1 Stunde). Es folgten Besprechungen vor Ort, die teilweise im Sitzen stattfanden. Zum überwiegenden Teil erfolgten diese Besprechungen jedoch unmittelbar im Baubereich. Der Kläger musste über Zeiträume von über 1 Stunde auf der Baustelle herumgehen und dazwischen immer wieder stehen. Dabei musste der Kläger auch häufig über Gerüste gehen. Wenn ein dergestalt ablaufender Baustellentermin nur einen Teil des Tages in Anspruch nahm, suchte der Kläger noch eine weitere Baustelle auf. Hierzu musste er erneut eine längere Strecke mit dem PKW zurücklegen. Nach dem in seinem Ablauf bereits beschriebenen gegebenenfalls weiteren Baustellentermin fuhr der Kläger jeweils mit dem PKW (zumindest 1 Stunde Fahrzeit) zurück nach Hause. Bei der Bürotätigkeit, die etwas weniger als die Hälfte der Arbeitstage erfolgte, handelte es sich überwiegend um eine sitzende Tätigkeit. Diese Tätigkeit ist charakterisiert durch Arbeiten am Computer, das Führen von Telefonaten und Besprechungen mit Mitarbeitern, wobei - abhängig von der Einrichtung - ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Herumgehen in eingeschränktem Umfang möglich ist."
Aufgrund des Ergebnisses der umfangreich durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer - auch für den Senat überzeugend - zu dem Ergebnis gelangt, dass das Tätigkeitsbild des Klägers sich sehr von dem anderer Architekten und Bauingenieure unterscheidet, die als planender und/oder überwachender Architekt/Bauingenieur selbständig tätig sind. Die Projekte des Klägers betrafen die Errichtung von Behindertenwerkstätten, Behindertenschulen, Mehrzweckhallen, die Renovierung von Klinikgebäuden und von Industriemuseen. Die Planungsleistungen betrafen die u.a. die Werkplanung, Bauleitung und die Erstellung der Statik (vgl. Referenzliste 1987-1998, Anlage K 3, GA129; Veröffentlichungsliste (Anlage K 4, GA 131).
Die Vernehmung der Zeugen, vornehmlich der Zeugen E, Dr. K, R und Prof. S, halt bestätigt, dass es sich bei dem Kläger um einen renommierten und weithin anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet von Holzbauprojekten handelt. Nach Bekundung von Prof. S gibt es im gesamten deutschsprachigen Raum an Fachleuten von der Qualität des Klägers vielleicht 10 Personen. Aufgrund dieser Spezialisierung ist nachvollziehbar, dass der gesamte Betrieb des Klägers auf seine Person und sein Fachwissen ausgerichtet ist. Es ist nachvollziehbar, dass aufgrund der Aufgabenbeschreibung des Klägers und seiner Tätigkeitsorte Fahrten mit dem PKW unerlässlich sind, um die einzelnen Baustellen zu erreichen. Ferner ist, was die Zeugen B und S bestätigt haben, glaubhaft, dass der Kläger, um seine Arbeiten verrichten zu können, Gerüste besteigen und sich auf unebenem Boden bewegen muss, sogar teilweise in Wassergräben steigen muss. All diese Arbeiten sind mit einem erheblichen Maß an körperlicher Bewegung verbunden.
Die Berufung greift vergebens die Beweiswürdigung des Landgerichts an und meint, das Landgericht habe das berufliche Anforderungsprofil nicht richtig ermittelt (GA 313), der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers liege nicht bei der Bauleitung, sondern bei Ingenieurleistungen für Entwurf und Statik. Deshalb seien auch nicht vermehrt PKW-Fahrten notwendig. Das Tätigkeitsbild des Klägers ist insgesamt geprägt durch Baustellentermine einerseits, Büroarbeiten andererseits. Dass der Kläger, um zu den Baustellen zu gelangen, auf Fahrten mit dem PKW angewiesen ist, liegt auf der Hand.
b) Angesichts der Tatsache, dass der gesamte Betrieb des Klägers auf ihn als Spezialisten zugeschnitten ist, ist überzeugend, dass der Kläger die Beeinträchtigung an körperlicher Belastbarkeit nicht durch eine betriebliche Umverteilung anfallender Arbeiten ausgleichen kann. Es nützt nichts, dass der Kläger als mitarbeitender Betriebsinhaber das betriebliche Direktionsrecht in Form der Weisungsbefugnis gegenüber seinen Mitarbeitern hat. Zwar gilt grundsätzlich, dass das Direktionsrecht die Möglichkeit einer Umverteilung der Arbeit einschließt. Der Beruf des mitarbeitenden Betriebsinhabers ist dadurch gekennzeichnet, dass er die Leitung des Betriebs unter seiner Mitarbeit an einer von ihm bestimmten Stelle hat. Er übt diesen Beruf grundsätzlich auch dann noch aus, wenn er eine bisher ihm vorbehaltene betriebliche Tätigkeit gesundheitsbedingt nicht mehr ausführen kann, statt dessen aber eine andere betriebliche Tätigkeit ohne gesundhheitliche Einschränkung auszuüben und - sei es im Wege der Umorganisation der Arbeit - zu übernehmen in der Lage ist (BGH, Urt. 12.6.1996 - IV ZR 118/95 - VersR 1996, 1090, 1092 re. Sp.: Senatsurteile 10. November 2000 - 10 U 278/00 - NVersZ 2001, 212; vom 11.01.2002 - 10 U 786/01 - OLGR 2002, 168). Ein mitarbeitender Betriebsinhaber hat vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die Tätigkeitsfelder, in denen er mit seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung in seinem Betrieb noch arbeiten kann, ihm keine Betätigungsmöglichkeiten belassen, die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließen. Zu seiner Vertrags- und Beweislast gehört auch, dass ihm eine zumutbare Betriebsumorganisation keine von ihm gesundheitlich noch zu bewältigenden Betätigungsmöglichkeiten eröffnen könnte, die die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließen würden (BGH Urteil vom 3.11.1993 - IV ZR 185/92 - VersR 1994, 205, 20; OLG Karlsruhe Urteil vom 18.2.1994 - 12 U 249/92 - r+s 1995, 34).
Diesen Anforderungen an die Vertrags- und Beweislast ist der Kläger zur Überzeugung des Senats ausreichend nachgekommen. Er hat diesbezüglich vorgetragen, dass von den ursprünglich vier Mitarbeitern nur noch ein Mitarbeiter mit einer Auslastung von 30 % bei ihm beschäftigt sei. In der Berufungserwiderung hat der Kläger drastisch den Gewinnrückgang von 317.132,11 DM im Jahr 1994 auf 162.865,25 DM noch im Jahr 1998 und schließlich auf 35.478,04 DM und 35.562,42 DM in den Jahren 1999 und 2000 geschildert, auch wenn dies von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird. Angesichts des von den Zeugen geschilderten Tätigkeitsbildes des Klägers, die durch seine Referenzliste und Veröffentlichungsliste untermauert wird, ist einleuchtend, dass sich ein Ausfall des Klägers in erheblicher Maße auf den gesamten Betrieb auswirken muss, das durch Fachkenntnisse und Spezialwissen bestimmte Tätigkeit des Klägers nicht durch andere Mitarbeiter im Betrieb ausgeglichen werden kann.
2) Die Berufung wendet sich schließlich ohne Erfolg gegen die vom Sachverständigen Prof. Dr. H vorgenommene und vom Landgericht übernommene Einschätzung (GA 214 ff.), dass bei dem Kläger von einer 50 prozentigen Berufsunfähigkeit auszugehen ist. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass sich bei dem Kläger das Vollbild einer operationsbedürftigen Coxarthrose beidseits mit Ruhe- und Nachtschmerzen, Bewegungsschmerzen sowie einer deutlichen Bewegungseinschränkung finde. Des weiteren sei von einem degenerativen Lendenwirbelsyndrom bei Facettengelenkarthrose und Baastrup-Phänomen auszugehen. Aufgrund der klinischen und radiologischen Befunde sei die geschilderte Beschwerdesymptomatik einer Belastungsunfähigkeit sowohl in sitzender als auch stehender Tätigkeit und insbesondere beim Begehen unebener und schmaler Bauabschnitte wahrscheinlich und glaubhaft. Der Sachverständige hielt auch in der mündlichen Anhörung vom 5.12.2001 (GA 272) an seiner Auffassung fest. Für den Sachverständigen entscheidend war, dass die objektiven, durch Röntgenbilder belegten Befunde, mit den subjektiven von dem Kläger geäußerten Schmerzen übereinstimmen. Außerdem seien messbare Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und des Schultergürtels vorhanden. Darüber hinaus habe er ein hinkendes Gangbild festgestellt. Alle Beschwerden passten zusammen.
Der Sachverständige Prof. H. hat sich auch eingehend mit dem Vorgutachten von Prof. S auseinandergesetzt, der nur von einer 30 prozentigen Einschränkung der beruflichen Tätigkeit des Klägers ausgegangen ist. Prof. Dr. P legte dar, dass sich seine Feststellungen deshalb von dem Vorgutachten unterscheiden, weil der Kläger auch zusätzlich über Ruheschmerzen klage. Dadurch sei er auch bei normaler Büroarbeit behindert. Diese Beschwerden seien sowohl beim Gehen, Sitzen und Stehen vorhanden. Deshalb mache es keinen Sinn, den Kläger auf die Benutzung von höherverstellbaren Büromöbeln zu verweisen. Der Sachverständige machte auch deutlich, dass für ihn fraglos sei, dass der Gesundheitszustand des Klägers das Begehen der Baustellen stark einschränke. Es fehle die nötige Sicherheit, um Gerüste zu begehen. Es gebe beim Autofahren auch keine Spezialsitze, welche die orthopädischen Probleme des Klägers lösen könnten. Denn der Fahrer müsse sich beim Autofahren ständig bewegen, dadurch werde die Lendenwirbelsäule bewegt.
3) Die Berufung beanstandet schließlich zu Unrecht den vom Landgericht angenommenen Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeitsrente und der Beitragsbefreiung. Das Landgericht meint, dass der Anspruch ab 1.7.1998 bis zum 30.9.2013 begründet sei. Gemäß § 21 Ziffer 2 der ergänzenden Bestimmungen betreffend die Zusatzversicherung für Berufunfähigkeit entsteht der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente mit Beginn des Monats, nachdem die Berufsunfähigkeit 6 Monate ununterbrochen gedauert hat. Dies wird vom Landgericht nicht verkannt (LU Tatbestand, S. 3, GA 278). Der Kläger hatte ursprünglich beantragt, ihm bereits ab 1.1.1998 einen Anspruch zu gewähren. Die Berufung mutmaßt, dass der Gutachter Prof. H« seine Einschätzung zur Berufsunfähigkeit erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung vom 8.5.2001 sehen will. Prof. Sch habe hingegen im Mai 1999 nur einen Grad der Beeinträchtigung von 30 % angenommen. Der Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. H zeigt indes, dass der Sachverständige den streitgegenständlichen Zeitraum durchaus im Blick hatte (Ausführungen zur Vorgeschichte, S. 4 des Gutachtens, GA 217). In zeitlicher Hinsicht sind keine Einschränkungen vorhanden. Nichts deutet darauf hin, dass sich der Zustand gegenüber den vorausgegangenen ärztlichen Feststellungen verschlechtert hätte. Der Sachverständige bezieht in seinem Gutachten und im Rahmen " seiner Anhörung vor der Kammer die vorangegangenen Untersuchungen und Bewertungen ein, aus denen er seine eigene Einschätzung des Grades der Berufsunfähigkeit ableitet.
II.
Die Anschlussberufung hat Erfolg.
Mit der Anschlussberufung erstrebt der Kläger zwar einen Zinsanspruch, den er in erster Instanz nicht beantragt hat und der deshalb vom Landgericht nicht tenoriert worden ist. Insoweit mangelt es an einer Beschwer des Klägers. Der Kläger kann sich jedoch zur Klageerweiterung der Berufung der Beklagten anschließen (Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl. 2001, Rn. 22 unter Bezugnahme auf BGHZ 4, 234, u.a. m.w.N.).
Der mit der Anschlussberufung im Rahmen einer Klageerweiterung verfolgte Zinsanspruch ist begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 301.888,54 DM (154.353,15 €) festgesetzt:
Rückstände Rente bis Klageeinreichung, 3.848,17 DM x 20 Monate = 76.963,40 DM,
Rückstände Beitragsfreistellung bis Klageeinreichung 1021,- DM x 20 = 20.420,- DM,
ab Klageeinreichung Rente 3.848,17 DM x 42 Monate (§ 9 ZPO) = 161.623,14 DM,
ab Klageeinreichung Beitragsfreistellung 1.021,- DM x 42 Monate (§ 9 ZPO) = 42.882,- DM;
Anschlussberufung Zinsen, als Nebenforderung, hierfür geschätzte 8.000,- DM, den Gesamtstreitwert nicht erhöhend (§ 4 ZPO).
Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind.
Ende der Entscheidung
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