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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 28.12.2001
Aktenzeichen: 10 U 529/01
Rechtsgebiete: ZPO, AUB 61, AUB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
AUB 61 § 8 II (1) Satz 1
AUB § 17
VVG § 6 Abs. 3
Die Mitteilung des Versicherers, dass trotz Versäumung der 15-Monats-Frist zwar kein Leistungsanspruch bestehe, der Fall aber noch bearbeitet werde, bedeutet keinen Verzicht auf Einhaltung der Formvorschrift oder gar ein Anerkenntnis dem Grunde nach. Die Bereitschaft, den Fall trotz Fristversäumung noch zu bearbeiten, kann auch bedeuten, dass der Versicherer im Vergleichswege oder kulanzhalber bereit ist, Leistungen aus der Unfallversicherung zu erbringen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 529/01

Verkündet am 28. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Unfallversicherungsvertrag auf Zahlung von 57.900,-- DM nebst Zinsen in Anspruch.

Zwischen dem Vater des Klägers, K, Z, und der Beklagten bestand unter der Vers. Nr. seit 1979 ein Unfallversicherungsvertrag, in dessen Rahmen auch der Kläger mitversichert war. Am 17.08.1997 verletzte sich der Kläger bei einem Fußballpokalspiel an der linken Schulter und dem linken Arm. Für den Fall der Invalidität aufgrund eines Berufs- oder Freizeitunfalls war hierbei eine Versicherungssumme von 534.000,00 DM vereinbart worden. Erstmals mit Schreiben des Versicherungsfachwirts Helmut J vom 17.11.1999 erfuhr die Beklagte von dem Unfall des Klägers. Am 07.12.1999 übersandte die Beklagte ein Schreiben, in dem sie darauf verwies, dass durch die verspätete Meldung kein Leistungsanspruch bestehe, dieser Fall noch bearbeitet werde. Am 09.12.1999 übersandte der Kläger an die Beklagte eine schriftliche Unfallanzeige hinsichtlich des Unfalls vom 17.08.1997. In der Folge fanden Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien statt.

Aus einer von dem Kläger selbst bei der A Allgemeine Versicherungs-AG abgeschlossenen Unfallversicherung wurde diesem zwischenzeitlich eine Entschädigungsleistung wegen unfallbedingter Invalidität (10 % Invaliditätsgrad) in Höhe von 9.700,00 DM ausgezahlt.

Die Parteien streiten über die Eintrittspflicht der Beklagten hinsichtlich des vorliegenden Unfallereignisses.

Der Kläger hat vorgetragen, hinsichtlich der Beeinträchtigungen an seinem linken Arm läge bei ihm ein unfallbedingter Invaliditätsgrad von 10 % vor. Eine Leistungsfreiheit der Beklagten wegen verspäteter Meldung des Unfalls sei auch nicht eingetreten. Die Beklagte macht geltend, dass der Anspruch verspätet geltend gemacht worden sei.

Das Landgericht hat die Klage wegen Verfristung abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers.

II.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

1) Es mag offen bleiben, ob der Kläger als Mitversicherter aktivlegitimiert ist. Jedenfalls sind die Ansprüche aus der, Unfallversicherung nicht fristgerecht gewahrt. Gemäß § 8 II (1) Satz 1 AUB 61 - die AUB 88 sind entgegen den Ausführungen des Landgerichts nicht Vertragsbestandteil geworden - muss eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Unfalltote innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten sein. Sie muss darüber hinaus spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten nach dem Unfalljahr ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein. Bei dem Erfordernis des Eintritts der Invalidität binnen der Jahresfrist und der ärztlichen Feststellung innerhalb von 15 Monaten handelt es sich nicht um die Begründung einer Obliegenheit im Sinne von §§ 17 AUB bzw. § 6 Abs. 3 VVG, sondern lediglich um eine die Entschädigungspflicht des Versicherers begrenzende Anspruchsvoraussetzung (BGH Urteil vom 28.6.1978 - IV ZR 7/77 - VersR 1978,1036; BGH Urteil vom 19.11.1997 - IV ZR 348/96 - VersR1998, 175, 176; Senatsurteile vom 27.8.1999 - 10 U 1848/98 - r+s 2000, 129; vom 19.5.2000 - 10 U 1122/97 - ZfS 2000, 454; Senatsbeschluss vom 23.3.2001 - 10 W 88/01 - OLGR 2001, 421) Es kommt demnach nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer die Nichteinhaltung der Frist verschuldet hat Die Klausel bezweckt, dass der Versicherer unabhängig vom Verhalten des Versicherungsnehmers nicht für regelmäßig schwer aufklärbare und unübersehbare Spätschäden eintreten muss. An die ärztlichen Feststellungen der Invalidität sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere braucht zu einem bestimmten Grad der Invalidität noch nicht abschließend Stellung genommen zu sein (BGH Urteil vom 6 11.1996 - IV ZR 215/95 - VersR 1997, 442 = NJW-RR 1997, 277). Erst recht ist nicht erforderlich, daß die Feststellung einen an der Gliedertaxe ausgerichteten Invaliditätsgrad enthält (BGH Urteil vom 9.12.1990 - IV ZR 255/89 - NJW-RR 1991, 539). Die ärztliche Feststellung braucht nicht einmal richtig und auch dem Versicherer nicht innerhalb der Frist zugegangen zu sein (BGH Urteil vom 16.12.1987 - IV a ZR195/86 - VersR 1988, 286). Die 15-Monats-Frist zur Geltendmachung der Invalidität ist hingegen eine Ausschlussfrist, deren Versäumen entschuldigt werden kann (BGHZ 130, 171, 173 f. = VersR 95, 1179, 1180). Es genügt zur Wahrung der Frist, dass innerhalb der Frist dem Versicherer gegenüber behauptet wird, es sei eine Invalidität eingetreten (BGHZ 137,174,178 = VersR 1998, 175,176).

2) Zwar ergibt sich aus dem an die A-Versicherungsgesellschaft gerichteten ärztlichen Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. H und P vom 2.2.1998, dass bei dem Kläger eine Teilinvalidität von 1/7 Armwert eingetreten und ärztlich festgestellt worden ist. Der Kläger bzw. sein Vater haben diesen Anspruch jedoch nicht fristgerecht innerhalb der 15-Monats-Frist, sondern mehr als 2 Jahre nach dem Unfallereignis geltend gemacht. Damit haben sie der Beklagten die Möglichkeit genommen, in einem frühen Stadium an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Der Kläger führt als alleinigen Entschuldigungsgrund an, sein Vater, der Versicherungsnehmer, habe vergessen, dass der Kläger auch im Rahmen der bestehenden Unfallversicherung mitversichert sei. Dieses bloße Vergessen, ohne Hinzutreten weiterer Umstände, reicht als Entschuldigungsgrund jedoch nicht aus. Soweit der Kläger vorträgt, gegenüber der A-Versicherungsgesellschaft seien die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht worden und innerhalb der 15-Monats-Frist sei auch die ärztliche Feststellung einer Teilinvalidität erfolgt, bindet dies die Beklagte nicht, auch wenn diese Kenntnis von den dortigen Feststellungen hatte.

3) Der Kläger kann schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte mit Schreiben vom 7.12.1999 (GA 19) mitgeteilt hatte, dass wegen der verspäteten Meldung kein Leistungsanspruch bestehe, dieser Fall noch bearbeitet werde, schließen, die Beklagte habe damit rechtsverbindlich auf die Einhaltung der Geltendmachung der 15-Monats-Frist verzichten wollen oder dem Grunde nach ein Anerkenntnis abgeben wollen. Die Formulierung, der Fall werde noch bearbeitet, lässt durchaus eine Leistungsablehnung offen, insbesondere, wenn wie hier, der Beklagten die Möglichkeit genommen wird, zeitnah zum Unfallgeschehen an der Aufklärung mitzuwirken. Die Bereitschaft, trotz Versäumung der 15-Monats-Frist den Fall noch zu bearbeiten, kann auch bedeuten, dass die Beklagte im Vergleichswege oder kulanzhalber bereit ist, Leistungen aus der Unfallversicherung zu erbringen. So verhielt sich der Sachverhalt auch hier. Immerhin war die Beklagte bei Fortsetzung des Versicherungsvertrags bereit, bei, Abgabe einer Abfindungserklärung eine Kulanzzahlung von 20.000,-- DM zu erbringen. Dieses Angebot hatte der Kläger bzw. der Versicherungsnehmer nicht angenommen. Der Eintritt in Vergleichsverhandlungen beinhaltet jedenfalls keinen Verzicht der Beklagten, sich auf die Einhaltung der Formvorschriften zu beziehen.

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren, welcher der Beschwer des Klägers entspricht, beträgt 57.900,-- DM.

Ende der Entscheidung

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