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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 08.10.1999
Aktenzeichen: 10 U 59/99
Rechtsgebiete: VVG, ZPO
Vorschriften:
VVG § 67 | |
ZPO § 286 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES GRUNDURTEIL - abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -
am 8. Oktober 1999
in dem Rechtsstreit
Der 10 Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 1999
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 8. Dezember 1998 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung im Betragsverfahren an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten, auch des Berufungsrechtszugs, bleibt der Schlußentscheidung des Landgerichts vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat einen vorläufigen Erfolg.
1) Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Da es zur Höhe noch der weiteren Sachaufklärung durch das Landgericht bedarf und die Sache diesbezüglich nicht entscheidungsreif ist, hat der Senat durch Zwischenurteil nach § 304 ZPO dem Grunde nach der Klage entsprochen. Die Sache wird gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zur weiteren Verhandlung hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Forderung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin verfolgt als Öltankversicherer gemäß § 67 VVG aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin M K einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten.
a) Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin sei beweisfällig dafür geblieben, daß ein Verhalten der Beklagten kausal für den im Hausanwesen ihrer Versicherungsnehmerin aufgetretenen Ölschaden gewesen sei. Denn der Sachverständige N habe in seinem Gutachten vom 25. Februar 1997 andere Schadensursachen als eine Überfüllung des Öltanks anläßlich einer Betankung durch die Beklagte zu 1) nicht sicher ausschließen können. Danach sei zwar der Ölschaden möglicherweise durch eine Überfüllung des Öltanks anläßlich der Betankung erfolgt. Es sei denkbar, daß der Austritt von 01 über das Entlüftungsrohr erfolgt sei, und zwar dadurch, daß dieses aus dem Tank in die Rohrleitung gelangt, darin aufgestiegen und durch ein im Badezimmerestrich eingebettetes korrodiertes und porös gewordenes Rohr entwichen und an die umgebenden Baustoffe abgegeben worden sei. Die Frage nach möglichen anderen Schadensursachen habe der Sachverständige anhand der ihm bekanntgewordenen Umstände und am Ort festgestellten Zustände jedoch nicht eindeutig zu beantworten vermocht. Der Sachverständige habe aufgrund der inzwischen veränderten und nicht völlig rekonstruierbaren früheren Zustände lediglich eine erfahrungsgemäße Wahrscheinlichkeit der Ölherkunft aufzeigen können, nicht aber sicher festgestellt, daß andere Schadensursachen oder -mitursachen absolut ausschieden. Zwar gäbe es keine naheliegenden Anzeichen für eine andere Herkunft oder Mitherkunft der aufgetretenen Verölungen, es sei aber ohne nähere Überprüfung nicht auszuschließen, daß ehemalige ölführende Leitungen, von denen Reste neben der mutmaßlichen früheren Luftleitung anzutreffen gewesen seien, eventuell zur Baustoffverölung infolge Undichtigkeit geführt oder zumindest mit dazu beigetragen haben könnten. Außerdem sei nicht auszuschließen, daß bestimmungswidrig Hochwasser in den Tank eingedrungen und das Öl infolge Volumenüberschreitung im Entlüftungsrohr angestiegen sei und zu einer Baustoffverölung geführt habe.
b) Diese Ausführungen des Landgerichts halten den Angriffen der Berufung nicht stand. Denn aus dem angegriffenen Urteil ergibt sich nicht, von welchen Beweisanforderungen das Landgericht bei Beurteilung des Kausalitätsnachweises ausgegangen ist. Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr gehalten wird. Für die Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO ist maßgebend ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit, der letzten Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. BGHZ 53, 245, 255 f; BGH, Urt. v. 27. Mai 1982 - III ZR 201/80 - NJW 1982, 2874, 2875; BGH, Urt. v. 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweismaß 1 Grenzen der Beweisanforderungen). Daß andere Schadensursachen als eine durch Überfüllung des Öltanks hervorgerufene Schadensursache nicht sicher auszuschließen (Landgericht 8/9) und theoretisch möglich sind darf der Überzeugungsbildung des Gerichts nicht entgegenstehen. Es muß keine absolute Sicherheit bestehen, daß sich der Schaden so zugetragen hat, wie von der Klägerin behauptet. Restzweifel, die auch eine andere Schadensursache als theoretisch möglich erscheinen lassen, stehen einer Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO nicht entgegen. Ob bereits der Anscheinsbeweis für die Behauptung der Klägerin spricht, mag offen bleiben.
c) Unter Berücksichtigung dieser Beweisanforderungen ist der Senat zur Überzeugung gelangt, daß der Ölschaden durch Überfüllung des Öltanks und Austreten des Öls bzw. von Öldämpfen über das Entlüftungsrohr entstanden ist. Der Sachverständige geht selbst von einer erfahrungsgemäßen Wahrscheinlichkeit aus, daß der Schaden auf eine Überfüllung des Öltanks zurückzuführen ist. Daß ehemalige ölführende Leitungen, von denen Reste neben der mutmaßlichen früheren Luftleitung anzutreffen waren, eventuell zur Baustoffverölung infolge Undichtigkeit geführt oder zumindest mit dazu beigetragen haben könnten, erachtet der Sachverständige selbst als nicht wahrscheinlich. Es waren keine naheliegenden Anzeichen für eine andere Herkunft oder Mitherkunft von am Gebäude im Badbereich aufgetretenen noch vorhandenen Verölungen als aus der Lüftungsleitung des Tanks vorhanden. Der Sachverständige konnte im Kellerraum keine Ölreste finden. Die Berufung weist zudem daraufhin, daß die alten ölführenden Leitungen, die der Sachverständige N in seinem Gutachten erwähnte, dem Betrieb von Ölöfen in den 50er und 60er Jahren dienten. Diese seien 1983 stillgelegt und seitdem nicht mehr benutzt worden. Darüber hinaus befänden sich diese nicht in dem Teil des Hauses, in dem der Schaden eingetreten sei. Diesen Vortrag hat auch der Zeuge K in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht bestätigt. Damit kann gesichert davon ausgegangen werden, daß der Ölschaden nicht im Zusammenhang mit dem Ölübertritt aus einer alten Ölleitung stammt.
Andere Ursachen für den eingetretenen Schaden als die Überfüllung des Tanks mit Öl scheiden nach Überzeugung des Senats aus. Der Sachverständige schloß theorothisch zwar nicht aus daß bestimmungswidrig Wasser infolge des Hochwassers in den Tank hineingeraten sein könnte, wobei das Wasser sich unter das Öl gelegt und dadurch den Ölstand angehoben haben müßte. Dies könnte der Fall gewesen sein, wenn eine an der Anlage bestehende Undichtigkeit vom Hochwasserstand überstiegen worden sei. Als Undichtigkeit käme eine solche an der Lüftungsleitung in Betracht. Im Tank hätte sich allerdings anschließend eine Wassermenge befinden müssen, die mindestens der ausgetretenen Ölmenge zuzüglich dem zuvor ungefüllt gewesenen Tankteil entsprochen hätte. Diese entfernt liegende Möglichkeit kann aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und den örtlichen Gegebenheiten ausgeschlossen werden. Bei dem im Jahre 1989 installierten Tank handelt es sich um einen hochwassersicheren und behördlich abgenommenen Spezialtank. wäre dennoch Hochwasser in den Tank gelangt, wäre es zwangsläufig zu Betriebsstörungen gekommen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß ein Wasserstand im Tank von größerer Höhe als der Ölentnahmepunkt, d.h. in der Regel ca. 5 cm über Tankboden, sich auf die Heizung ausgewirkt hatte. Im übrigen ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen K, daß im Januar 1994 1.600 l Öl nachgetankt wurden und kein Platz für eingedrungenes Wasser vorhanden sein konnte, wäre Wasser im Tank gewesen, wäre die Heizung nicht angesprungen. Gegen die theoretische Möglichkeit Hochwasser könnt in den Keller und in den Tank eingedrungen sein, spricht auch, daß der Sachverständige innerhalb der Kellerräume keine öligen Spuren vorfinden konnte, selbst nicht an den zum Teil sehr alten Staubschichten. Hochwasserschwemmrückstände waren nicht vorhanden. Der Sachverständige schloß schließlich aus, daß anderwärts von außen Öl auf das Gebäude eingewirkt habe. Diesbezügliche Spuren seien nicht vorhanden. Letztlich bleibt nur die realistische und naheliegende, sich zur praktischen Gewißheit hin verdichtende Möglichkeit, daß der Ölschaden durch Unterfüllung des Öltanks erfolgt ist.
Dem Einwand der Berufungserwiderung, die Mieterin des Hauses der Versicherungsnehmerin, die Zeugin R D, hätte bereits früher als im April/Mai 1994 Ölgeruch wahrnehmen müssen, was ein Indiz dafür sei, daß der Ölschaden nicht auf eine Überfüllung des Öltanks im Januar 1994 zurückzuführen sei, verfängt nicht. Die Klägerin hat vorgetragen, daß die Zeugin D bereits im Januar 1994 unmittelbar nach der Betankung einen Ölgeruch wahrgenommen habe, dieser zunächst noch nicht so stark gewesen sei. Erst im Frühling, als es wärmer geworden sei, habe sie den Ölgeruch stärker empfunden. Dies erscheint dem Senat nachvollziehbar, zumal das im Badbereich austretende Öl zwischenzeitlich zunehmend in die umgebenden Baustoffe eingedrungen sein dürfte. Da der Badbereich im Parterre des Gebäudes liegt, war jetzt der Ölgeruch deutlich wahrnehmbarer.
Da die Versicherungsnehmerin der Klägerin ausschließlich von der Beklagten zu 1) mit Öl beliefert worden ist, steht der Klägerin aus übergangenem Recht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu. Gegenüber der Beklagten zu 1) besteht ein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung, für den die Beklagte zu 2) und 3) als persönlich haftende Gesellschafter der OHG einzustehen haben. Gegenüber dem Beklagten zu 4) besteht ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB, weil er fehlerhaft die Befüllung des Tanks vorgenommen und dadurch das Eigentum der Versicherungsnehmerin der Klägerin verletzt und den Schaden ursächlich verursacht hat.
Die Sache ist der Höhe nach noch nicht entscheidungsreif, da die Beklagte den Schadensumfang bestritten hat. Diesbezüglich bedarf es der weiteren Sachaufklärung durch das Landgericht. Das Urteil war aus den dargelegten Gründen aufzuheben, die Sache an das Landgericht zur weiteren Verhandlung im Betragsverfahren zurückzuverweisen. Das Landgericht wird auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.912,47 DM festgesetzt, welcher der Beschwer der Beklagten entspricht.
Ende der Entscheidung
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