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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 09.02.2001
Aktenzeichen: 10 U 604/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Geschäftsnummer: 10 U 604/99 1 O 191/99 LG Koblenz

Verkündet am 9. Febr. 2001

Gilles, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. März 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch darüber, ob der bei der Beklagten unfallversicherte Kläger wegen des am 12.3.1996 erlittenen häuslichen Unfalls - das im ersten Rechtszug aberkannte - Krankenhaustagegeld für die stationären Aufenthalte in der Neurologischen Klinik Braunfels (29.8.1996 - 2.10.1996) und in der Rehabilitationsklinik Godeshöhe in Bad Godesberg (26.3.1997 - 10.4.1997) im Gesamtbetrag von 22.400 DM nebst Zinsen, hilfsweise Kurkosten in Höhe von 2.000 DM beanspruchen kann.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen (ab Bl. 210 ff.) sowie auf die Sitzungsprotokolle des Senats (Bl. 255-256, 342-344) Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden Gutachtens des bereits im ersten Rechtszug bestellten Sachverständigen Dr. B. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten vom 6.6.2000 nebst Anlagen (Bl. 281-322) sowie auf die im Sitzungsprotokoll vom 19.1.2001 vermerkte mündliche Erläuterung des Sachverständigen (Bl. 342-343) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat den noch anhängigen Anspruch auf Krankenhaustagegeld für die beiden streitgegenständlichen stationären Aufenthalte (§ 7 IV AUB 88) mit Recht verneint, weil - bei unterstellten Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 12.3.1996 - die betreffenden stationären Behandlungen medizinisch nicht notwendig gewesen seien.

Das Berufungsvorbringen und die im zweiten Rechtszug ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme führen zu keinem günstigeren Ergebnis für den Kläger.

a) Selbst unter Zubilligung der Beweiserleichterung nach 287 ZPO ist auf Grund der ergänzenden Darlegung des Sachverständigen bereits zweifelhaft, ob überhaupt noch ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 12.3.1996 und den in beiden Kliniken behandelten gesundheitlichen Beschwerden des Klägers (Kopfschmerzen) besteht.

Der Sachverständige hat in seinem ergänzenden schriftlichen Gutachten nachvollziehbar die einzelnen Kriterien für die Bewertung "posttraumatischer Kopfschmerzen" in Abhängigkeit von dem Grad der (unfallbedingten) Hirnschädigung dargestellt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass auf Grund der verfügbaren medizinischen Anknüpfungstatsachen bei dem Kläger unfallbedingt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nur eine Gehirnerschütterung (commotio cerebri) vorgelegen habe, nicht aber eine Hirnkontusion. Eine Gehirnerschütterung heilt aber, wie der Sachverständige weiter darstellt, folgenlos aus; posttraumatische Kopfschmerzen sind hierbei nur noch in einem engen zeitlichen Rahmen anzunehmen. Die in einem Lehrbuch der Neurologie (Sch) angegebene Zweijahresgrenze werde von der herrschenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft nicht mehr geteilt. Für Kopfschmerzen nach einer Gehirnerschütterung werde heute eine Obergrenze von etwa 6 Monaten angenommen. Bei der mündlichen Erläuterung hat der Sachverständige diese zeitliche Obergrenze von etwa 6 Monaten noch als "sehr wohlwollend" eingestuft.

Unter Berücksichtigung dieser Ausgangspunkte und einer nur begrenzt dem Unfall zuzurechnenden Kopfschmerzdauer hat der Sachverständige angenommen, dass der erste streitgegenständliche Klinikaufenthalt (29.8.1996 - 2.10.1996) wegen der Folgen des Unfalls vom 12.3.1996 noch "möglich" wäre, nicht aber der zeitlich spätere zweite Klinikaufenthalt (26.3.1997 10.4.1997). Diese medizinische Bewertung führt im Rahmen der rechtlichen Würdigung indessen zu dem Ergebnis, dass der Kläger den ihm obliegenden Beweis für einen Ursachenzusammenhang nicht zweifelsfrei hat erbringen können. Die bloße "Möglichkeit" eines unfallbedingten Ursachenzusammenhangs genügt im Rahmen der Beweiserleichterung des § 287 ZPO noch nicht als Beweis. Es muss zumindest eine höhere Wahrscheinlichkeit oder eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (vgl. u.a. BGH NJW 1992, 3298; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 287 Rnr. 11) für die Unfallbedingtheit der Kopfschmerzen angenommen werden als andere Ursachen. Ein dahingehender höherer Wahrscheinlichkeitsgrad lässt sich aus den verfügbaren medizinischen Anknüpfungstatsachen jedoch nicht zweifelsfrei herleiten.

b) Selbst wenn für den hier zu beurteilenden zeitlichen Rahmen nach dem Unfall noch eine unfallbedingte Ursache der Kopfschmerzen des Klägers anzunehmen wäre, scheitert der Anspruch auf Krankentagegeld zumindest daran, dass ein stationärer Aufenthalt für die Diagnostik und Therapie der Kopfschmerzen medizinisch nicht notwendig gewesen ist.

Der Senat hat dem Sachverständigen im Beweisbeschluss vom 14.1.2000 die notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Vorgaben für die Beantwortung der Frage unterbreitet, ob die stationäre Heilbehandlung medizinisch notwendig gewesen ist.

Nach der Rechtsprechung muss dafür ein objektiver Maßstab angelegt werden (vgl. BGH VersR 1996, 1224/1225 zu § 1 Abs. 2 S. 1 MBKK 76; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 7 AUB 88 Rnr. 28 = S. 2267 und § 1 MBKK Rnr. 32 = 1620).

Die dargelegte objektive Anknüpfung bedeutet, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommt. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine "medizinisch notwendige" Heilbehandlung dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung wird im Allgemeinen dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (BGH a.a.O.).

Diese Vorgaben hat der Sachverständige in seinem ergänzenden schriftlichen Gutachten, das er zusätzlich mündlich verläutert hat, beanstandungsfrei beachtet.

Der Sachverständige hat die vollständigen Behandlungsunterlagen der beiden Kliniken aus den streitgegenständlichen Zeiträumen beigezogen und die von dem Kläger zusätzlich vorgelegten ärztlichen Unterlagen berücksichtigt. Ausgehend davon hat er die medizinische Notwendigkeit der stationären Aufenhalte, auch unter dem Gesichtspunkt der medizinischen Vertretbarkeit, sowohl für die Diagnostik der Schmerzen als auch für deren Therapie unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der dokumentierten Maßnahmen in beiden Kliniken mit der im Gutachten im Einzelnen wiedergegebenen Begründung verneint. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Gründe für die Einholung eines weiteren Gutachtens liegen nicht vor. Auf eine Vernehmung des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung benannten Zeugen Dr. B, der eine stationäre Behandlung des Klägers damals für erforderlich gehalten habe, kommt es nicht an. Die von dem Zeugen ausgestellten Urkunden haben dem Sachverständigen vorgelegen. Für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit kommt es im Streitfall im Übrigen nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes an, sondern auf eine Beurteilung der objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung (BGH VersR 1996, 1224/1225). Diese maßgebliche Beurteilung auf Grund der dokumentierten medizinischen Anknüpfungstatsachen lässt sich aber nur mit Hilfe eines unabhängigen gerichtlichen Sachverständigen treffen. Diesen gebotenen Sachverständigenbeweis hat der Senat ausgeschöpft.

Auf Grund der beanstandungsfreien Ausführung des gerichtlichen Sachverständigen kann zusammengefasst somit nicht festgestellt werden, dass - bei unterstellten unfallbedingten Ursachenzusammenhang mit den behandelten Kopfschmerzen - eine vollstationäre Heilbehandlung medizinisch notwendig gewesen wäre.

2. Der erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Kurkosten in Höhe von 2.000 DM ist ebenfalls unbegründet.

Der Kläger hat die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für diesen Anspruch nicht näher dargetan; er hat sich lediglich auf den vorgelegten Versicherungsschein mit den versicherten Leistungsansprüchen bezogen. Die Beklagte hat demgegenüber in dem vorbehaltenen Schriftsatz u.a. die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für eine unfallbedingt durchgeführte Kur bestritten, die Einrede der Verjährung erhoben (§ 12 Abs. 1 VVG) und der Zulassung des neuen Vorbringens widersprochen 296 ZPO).

Auf Grund des vom Senat zu berücksichtigenden beiderseitigen Vorbringens bis zur letzten mündlichen Verhandlung unter Einschluss des der Beklagten vorbehaltenen Schriftsatzes (§ 283 ZPO) lässt sich somit ein bedingungsgemäßer Anspruch auf Kurkosten nicht feststellen.

Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) wegen des verspäteten Vorbringens des Klägers liegen im Übrigen nicht vor (vgl. § 528 Abs. 2 ZPO).

Die Berufung ist folglich als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer des Klägers werden auf insgesamt 22.400 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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