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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 22.06.2001
Aktenzeichen: 10 U 686/99
Rechtsgebiete: AUB 88, AUB 61
Vorschriften:
AUB 88 § 2 IV | |
AUB 61 § 10 V |
2. Nach § 2 IV AUB 88 sind krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen - hier somatoforme Schmerzstörungen - vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Es sind weitergehend als nach § 10 V AUB 61 alle Gesundheitsschäden ausgeschlossen, die nach einer unfallbedingten Gesundheitsschädigung erst durch eine psychische Fehlverarbeitung, gleichgültig worauf diese beruht, entstehen oder verschlimmert werden.
0OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES Urteil - abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -
verkündet am: 22. Juni 2001
in dem Rechtsstreit
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11. März 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet.
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Unfallversicherung wegen eines nach seinem Vortrag erfolgten Unfalls am 12.1.1995 geltend.
Der Unfallversicherungsvertrag sah bei Invalidität eine Versicherungssumme von 180.000,-- DM vor. Gegenstand des Vertrages waren weiterhin die allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88). Der Kläger meldete den Unfall mit Unfallanzeige vom 26.1.1995 an. Unter der Rubrik Vorerkrankungen und frühere Unfälle wurden keine genannt.
Der Kläger macht einen Anspruch aus der Unfallversicherung wegen anhaltender lokalen Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenkes wie folgt geltend:
Versicherungssumme 180.000,-- DM x 70 % x 2/7 = 36.000,-- DM abzüglich Zahlung: 10.000,-- DM Rest: 26.000,-- DM.
Der Kläger wurde wegen der Verletzung mehrmals auch auf Veranlassung der Beklagten untersucht. Wegen Zweifel der Beklagten schlug diese dem Kläger mit Schreiben vom 22.1.1998 vor, zur Klärung des Unfallzusammenhangs eine Begutachtung in der BG-Unfallklinik in B..... durchzuführen. Der Kläger lehnte mit Schreiben vom 9.3.1998 weitere Begutachtungen ab.
Der Kläger hat vorgetragen,
am 12.1.1995 sei er beim Ausschalten des Lichtes vor seinem Büro auf die linke Seite gestürzt. Infolge des Unfalles sei es zu anhaltenden lokalen Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenkes gekommen. Das linke Bein sei im Seitenvergleich mit rechts dauernd um 2/7 beeinträchtigt. Alleinige Ursache hierfür sei das Unfallereignis vom 12.1.1995, so dass die Beklagte verpflichtet sei, aus der Unfallversicherung Insgesamt 36.000,-- DM zu zahlen. Die Vorerkrankungen, insbesondere im Hinblick auf die Bandscheibenoperationen, stünden nicht im Zusammenhang mit der hier vorliegenden Verletzung. Da er sich insbesondere auch auf Veranlassung der Beklagten bereits mehreren Untersuchungen habe unterziehen müssen, müsse er weitere Untersuchungen nicht mehr akzeptieren. Die Unfallanzeige vom 26.1.1995 sei auch ordnungsgemäß ausgefüllt worden. Vorangegangene Unfälle seien bedeutungslos gewesen. Auch die Frage nach Vorerkrankungen sei nicht falsch beantwortet worden. Zwar habe er, der Kläger, einige Male einen Arzt konsultiert. Es habe sich jedoch nicht um erhebliche Vorerkrankungen gehandelt, sondern um typische Beschwerden im fortgeschrittenen Alter. Im übrigen seien auch beim ersten Antrag auf Unfallversicherung, was unstreitig ist, bei der Frage nach Krankheiten und Gebrechen folgende Angaben gemacht worden:
Wirbelsäule 6/82, Beeinträchtigung der Wirbelsäule, Fehlsichtigkeit L 1,5, R 1,5. Im Nachtrag (dynamische Erhöhung) habe der Kläger unstreitig unter dem 10.09.1993 angegeben:
HWS Operation 6.82, Folgen keine, Fußbänderanriss 10.6.82, ohne Folgen.
Er habe im übrigen auch nicht über Schmerzen im Hüftgelenk geklagt. Vielmehr habe es sich um gesundheitliche Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Wirbelsäule gehandelt.
Die Beklagte bestreitet sowohl das Unfallereignis, als auch die Behauptung, dass die vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen Folge des Unfalles seien.
Zudem sei die Prellung vollständig ausgeheilt und habe keine Folgen hinterlassen. Wenn überhaupt Schmerzen vorliegen sollten, so seien diese schon vorhanden gewesen und nicht durch den Unfall verursacht worden. Im übrigen sei der Anspruch gegen die Beklagte deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger eine Untersuchung und damit Klärung des Unfallzusammenhangs verweigere. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die bislang vorliegenden ärztlichen Berichte zum Teil widersprüchlich und zum Teil nicht nachvollziehbar seien. Des weiteren entfalle eine Leistungspflicht der Beklagten deshalb, weil der Kläger die Unfallanzeige bewußt wahrheitswidrig ausgefüllt habe. So hätten bereits sei 1986 erhebliche Vorerkrankungen am linken Hüftgelenk vorgelegen, die jedoch in der Unfallanzeige nicht aufgeführt worden seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen weidet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
II.
1) Das Landgericht hat dahingestellt bleiben lassen, ob der Kläger am 12.1.1995 einen Unfall erlitten hat, der zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers geführt hat. Die Beklagte sei jedenfalls wegen Verletzung der dem Kläger obliegenden Aufklärungspflicht im Hinblick auf Vorschäden bzw. Erkrankungen, die dieser in der Schadensanzeige falsch beantwortet habe, von der Leistungspflicht befreit. Das Landgericht führte hierzu aus, der Kläger habe auf die Frage, an welchen Erkrankungen oder Gebrechen er zur Zeit des Unfalles leide, handschriftlich vermerkt "keine". Bei der Frage nach früheren Unfällen sei "bedeutungslos" angegeben worden. Die Fragestellung in der Unfallanzeige sei entgegen der Auffassung des Klägers eindeutig und bestimmt. Die Beklagte habe eine umfassende Mitteilung von Vorerkrankungen und früheren Unfällen begehrt, um feststellen zu können, ob die nach dem Unfall bestehenden Erkrankungen gerade auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Diese Fragen seien von dem Kläger vorsätzlich falsch beantwortet worden. Entgegen den Angaben in der Unfallanzeige habe der Kläger sich schon vor dem Unfall gerade wegen Beschwerden an der linken Hüfte in ärztliche Behandlung begeben.
Diese in der Unfallanzeige verschwiegen Beschwerden seien auch nicht unwesentlich gewesen. Denn der Kläger habe bereits ab 1985 erhebliche Beschwerden am Hüftgelenk links gehabt. So ergebe sich aus einer Stellungnahme von Dr. med. G.... vom 25.4.1985, dass der Kläger bereits über Schmerzen im Lenden Hüftbereich mit Ausstrahlung bis in Kniehöhe geklagt habe. Dies werde auch bestätigt durch eine Stellungnahme von Dr. med. G.... vom 20.5.1985. Auch dort sei ausgeführt, dass der Kläger über ständige Schmerzen im Bereich der Hüftgelenke links, stärker als rechts, sowohl Belastungs- als auch Ruheschmerzen, geklagt habe. Bei dem Orthopäden C...... habe sich der Kläger gerade wegen Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenkes vorgestellt. Die vorbezeichneten Ausführungen machten deutlich, dass der Kläger gerade wegen der Schmerzen am Hüftgelenk links mehrmals ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Dies seien nicht unerhebliche Beschwerden gewesen. Der Vortrag des Klägers sei insofern nicht ausreichend. Angesichts der gleichgelagerten Lokalisation der Unfallschmerzen und der vorangegangenen Beschwerden hätte sich die Erinnerung an die vorangegangenen ärztlichen Untersuchungen förmlich aufdrängen müssen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger die Beschwerden in der Unfallanzeige bewusst verschwiegen habe.
Die Berufung rügt zu Recht, dass dem Kläger keine Obliegenheitsverletzung wegen Aufklärungspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Denn die Fragestellungen in dem Formular zur Unfall-Schadensanzeige "An welchen Erkrankungen oder Gebrechen leiden oder litten Sie zur Zelt des Unfalls ?" bzw. " Welche früheren Unfälle (Datum/Verletzungsart/Dauerfolgen) haben Sie erlitten ? " sind unklar gefasst. In dem Frageformular wird nicht ausdrücklich nach Beschwerden gefragt. Das Landgericht setzt aber die Begriffe Erkrankungen und Gebrechen mit dem der Beschwerden gleich. Es wird nicht konkret danach gefragt, wegen welcher Beschwerden oder Schmerzen sich der Kläger in den letzten Jahren vor dem Unfallereignis in ärztliche Behandlung begeben hat. Hinzu kommt, dass die vom Landgericht erwähnten Beschwerden 9 bis 10 Jahre vor dem Unfall zeitlich einzuordnen sind, danach der Kläger diesbezüglich nicht mehr in ärztlicher Behandlung war. Die Fragestellung in dem Antragsformular wird dieser zeitlichen Komponente nicht gerecht, weil zu allgemein gehalten. Soweit der Kläger die Frage nach früheren Unfällen mit bedeutungslos angegeben hat, ist diese Frage nicht falsch beantwortet, da eben nicht nach früheren oder derzeitigen Erkrankungen, Gebrechen oder Beschwerden gefragt wird. Schließlich spricht gegen eine Verletzung der Aufklärungspflicht, dass der Kläger bei seinem ersten Antrag auf Unfallversicherung und in dem Nachtragsantrag vom 10.9.1993 wahrheitsgemäß die Gesundheitsfragen hinsichtlich Krankheiten oder Gebrechen dahingehend beantwortet hat, dass er an einer Beeinträchtigung der Wirbelsäule und einer Fehlsichtigkeit leide. Ferner hat er eine HWS-Operation und einen Fussbänderanriss vom Juni 1982 angegeben.
Soweit die Beklagte ein Unfallereignis vom 12.1.1995 in Frage stellt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn der Kläger befand sich unmittelbar nach diesem Ereignis in der Zelt vom 12.1 bis 25.01.1995 in stationärem Aufenthalt im Krankenhaus in W.
2) Gleichwohl hat die Berufung an Ergebnis keinen Erfolg, weil aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sich eine unfallbedingte Invalidität nicht feststellen lässt. Der Senat ist aufgrund des von Sachkunde getragenen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. L......, ..-Unfallklinik F........, zur Überzeugung gelangt, dass durch das Unfallereignis vom 12.1.1995 bei dem Kläger keine Invalidität bezüglich des linken Beines eingetreten ist. Der Sachverständige führte unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten, Arztberichte und Befundergebnisse aus, dass keine objektivierbaren Veränderungen am linken Hüftgelenk und Folgeschäden am linken Bein vorliegen, die das Vorhandensein einer Unfallschädigung beweisen oder zumindest wahrscheinlich machen würden. Danach ist gesichert für den Senat davon auszugehen, dass weder eine Invalidität von 1/4 oder 1/5 Beinwert links vorliegt. Auch sind die Folgen der Hüftgelenksprellung abgeklungen, soweit es das unfallchirurgisch-orthopädische Fachgebiet betrifft. Der Schleimbeutel am Trochanter major (großer Rollhügel), der zu Schmerzen führte, ist entfernt. Die röntgenmorphologischen Befunde haben keine Auffälligkeiten bei dem Kläger ergeben. Der Sachverständige verwies darauf, dass bereits während der Behandlung des Klägers im Klinikum B............ in B..... festgestellt worden sei, dass eine Diskrepanz hinsichtlich der vom Patienten beklagten Minderbelastbarkeit und gleichzeitig fehlender Atrophiezeichen an der linken unteren Extremität bestanden habe. Für den Sachverständigen war aus unfallchirurgischer Sicht nicht nachvollziehbar, wie trotz mehrfacher operativer Revisionen am großen Rollhügel an der linken Hüfte keine Verbesserung des Beschwerdebildes bei dem Kläger eingetreten ist. Die neurophysiologischen und neurologischen klinischen Untersuchungen ergaben nie ein Korrelat bezogen auf die geäußerten Beschwerden.
3) Soweit der Sachverständige vom Vorliegen somatoformer Schmerzstörungen ausgeht, die psychischer Natur seien, ist die Einholung eines neurologischpsychiatrischen Gutachtens nicht angezeigt. Denn nach § 2 IV AUB 88 sind krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, gleichgültig, wodurch diese verursacht sind, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Es sind weitergehend als nach § 10 V AUB 61 alle Gesundheitsschäden ausgeschlossen, die nach einer unfallbedingten Gesundheitsschädigung erst durch eine psychische Fehlverarbeitung, gleichgültig worauf diese beruht, entstehen oder verschlimmert werden (Prölls/Martin/Knappmann, VVG Kommentar, 26. Aufl. 1998, § 3 AUB 88 Rn. 40). Dem Antrag der Berufung, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen, hilfsweise hierzu die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den bereits beauftragten Gutachter zu veranlassen, war nicht nachzugehen.
Die Berufung war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer des Klägers betragen 26.000 DM.
Ende der Entscheidung
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