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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 08.03.2002
Aktenzeichen: 10 U 692/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 847
BGB § 291
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
ZPO § 711 S. 2
ZPO § 709 S. 2
ZPO § 543 n.F.
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 692/01

Verkündet am 8. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und den Richter am Landgericht Dr. Koch auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 14. März 2001 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € nebst 4 % Zinsen jährlich hieraus für die Zeit ab dem 4. April 1996 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 10/11, der Beklagte 1/11 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils gegen sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz von dem Beklagten wegen rechtswidrigen, kunstfehlerhaften Eileingriffs.

Der Beklagte, Chefarzt der Neurochirurgischen Abteilung im Krankenhaus E............ S.... St. M..... in K....... operierte den Kläger am 13. April 1993 wegen eines Bandscheibenvorfalls. Die Operation sollte wegen eines im Segment LWK 4/5 lokalisierten Befunds vorgenommen werden. Der Beklagte operierte jedoch irrtümlich in dem Segment LWK 3/4. Er ging davon aus, in dem Segment LWK 4/5 zu operieren, weil der Beklagte bereits im Jahre 1987 in dem Segment LWK 4/5 an einem Bandscheibenvorfall operiert worden war und an dem nunmehr operierten Segment LWK 3/4 für eine Voroperation übliches Narbengewebe vorlag. Nach der Operation trat eine Infektion auf; der Kläger erlitt eine Spondylodiszitis sowie eine Meningoencephalitis. Die Behandlung der Infektion erforderte etwa sieben Monate stationären Krankenhausaufenthalts; sie brachte insgesamt 10 Monate Arbeitsunfähigkeit für den Kläger mit sich.

Der Kläger hat geltend gemacht:

Die Operation in dem Segment LWK 3/4 sei nicht indiziert und damit auch nicht von seiner Einwilligung gedeckt gewesen. Der Irrtum hätte bei der erforderlichen intraoperativen Lokalisationskontrolle vermieden werden können. Durch die falsch ausgeführte Operation sei es zur Ausbildung der Spondylodiszitis und der Meningoencephalitis gekommen. Die Meningoencephalitis sei darüber hinaus falsch behandelt worden. Infolge der fehlerhaft ausgeführten Operation und der unzureichend behandelten Meningoencephalitis sei es bei ihm zu Dauerschäden gekommen. Insbesondere handele es sich hierbei um folgende Beeinträchtigungen: Hirnleistungsschwäche, Depressionen, Schwindelgefühle, Tinnitus links, zeitweise Schmerzen im HWS-Bereich, ständige Schmerzen im LWS-Bereich, ständige Schmerzen im geschwollenen linken Fuß und Unterbein mit Taubheit und Gehbeschwerden, Karpaltunnelsyndrom beidseits mit durchgeführter OP links, chronische Polyarthritis mit Schmerzen in den Händen und starken Schmerzen in den Füßen.

Die Operation sei auch deshalb nicht von seiner Einwilligung gedeckt gewesen, weil er unzureichend aufgeklärt worden sei; insbesondere über das Risiko von Infektionen sei er nicht aufgeklärt worden.

Der Kläger hat beantragt:

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm allen künftigen materiellen Schaden an dem neurologischen Eingriff vom 13.04.1993 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht aus öffentlichrechtliche oder private Versicherungsträger übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Der Beklagte hat beantragt:

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht:

Der Lokalisationsirrtum sei unvermeidbar gewesen, da er im Segment LWK 3/4 Narbengewebe vorgefunden habe, was darauf hingedeutet habe, dass er sich im richtigen Segment befinde. Eine weitere intraoperative Kontrolle sei nicht erforderlich gewesen. Die aufgetretene Spondylodiszitis und die Meningoencephalitis seien letztlich nicht auszuschließende Komplikationen, für die er nicht einzutreten habe, die zudem auch richtig behandelt worden seien. Die von dem Kläger beklagten Beeinträchtigungen seien jedenfalls nicht auf den Lokalisationsirrtum zurückzuführen; bei der Operation im richtigen Segment wäre das Infektionsrisiko dasselbe gewesen. Nachteilige Folgen im nichtoperierten Bereich LWK 4/5 seien letztlich nicht eingetreten. Die durchgeführten Maßnahmen im Bereich LWK 3/4 seien ihrerseits medizinisch indiziert gewesen.

Der Kläger sei auch im erforderlichen Umfang aufgeklärt worden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben (Zeugenaussage des aufklärenden Arztes O.., Bl. 119 d.A., Zeugenaussage des überweisenden Arztes Dr. S..........., Bl. 307 d.A., Gutachten/Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. S.... - Neurologe -, Bl. 156, 217, 249 d.A., und Prof. Dr. Sch.... - Neurochirurg -, Bl. 266, 308 d.A.).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Verwechslung im operierten Segment stelle einen Behandlungsfehler dar. Dieser sei jedoch für die von dem Kläger geltend gemachten Schadensfolgen nicht ursächlich. Die Infektion als solche sei korrekt behandelt worden. Ein Aufklärungsverstoß liege nicht vor.

Der Kläger greift dieses Urteil mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung in vollem Umfang an.

Er wiederholt, ergänzt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Er beantragt mit der Maßgabe, dass er für das Schmerzensgeld einen Mindestbetrag von 66.000,00 DM ansetzt:

Das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt:

Die Berufung zurückzuweisen.

Auch er wiederholt, ergänzt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes beider Rechtszüge und der Beweisergebnisse wird weiter auf das angefochtene Urteil (Bl. 315 ff d.A.) sowie die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist teilweise begründet, überwiegend dagegen nicht begründet.

Der Senat folgt dem Landgericht in Ergebnis und Begründung bis auf den Punkt einer immateriellen Schadensersatzpflicht für die Verwechslung von LWK 3/4 und 4/5. Entsprechend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 543 Abs. 1 ZPO a.F., die sich der Senat nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen zu Eigen macht. Die Berufungsangriffe geben insoweit zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Auch eine neuerliche oder ergänzende Beweiserhebung ist nicht veranlasst.

Uneingeschränkt festzuhalten ist an folgenden Überlegungen des Landgerichts:

- Der Beklagte hätte LWK 3/4 und 4/5 nicht verwechseln dürfen.

Dies ist übereinstimmendes Ergebnis der Gutachter S.... und Sch...., denen auch der Senat sich anschließt.

- Eine Einwilligung lag nur für einen Eingriff bei LKW 4/5, nicht für LWK 3/4 vor.

- Die Einwilligung ist im Übrigen aufgrund hinreichender Aufklärung und damit grundsätzlich wirksam erteilt worden (Zeugenaussage O..). Dies gilt auch für die Folgerisiken. Über das aufklärungspflichtige näherliegende Risiko einer Spondylodiszitis ist aufgeklärt worden. Der Senat ist mit dem Landgericht im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen S.... der Auffassung, dass über das seltene und untypische Risiko einer Meningoencephalitis nicht - über die allgemeine Aufklärung über operationsbedingte Infektionsrisiken überhaupt hinaus - gezielt aufgeklärt werden musste.

- Die aufgetretene Infektion, insbesondere die Meningoencephalitis, ist, für sich gesehen, korrekt behandelt worden. Die betreffenden, für den Kläger deutlich im Vordergrund stehenden Leiden und Schäden sind nicht Folge eines diesbezüglich fehlerhaften Therapieverhaltens - einschließlich insbesondere auch der beanstandeten Verzögerungen - (Sachverständiger S....).

- Im Bereich LWK 4/5, für den der Eingriff ursprünglich indiziert war, sind derzeit nachteilige Folgen des Unterbleibens des vorgesehenen Eingriffs nicht feststellbar. Im Gegenteil hat sich der Zustand dahingehend stabilisiert, dass derzeit ein Eingriffserfordernis nicht (mehr) besteht und auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Eingriff neuerlich erforderlich werden wird (Sachverständiger S....). Der Senat sieht damit auch keinen Grund für die von der Berufung geltend gemachte Annahme, ein Eingriff bei LWK 4/5 werde in Zukunft wegen des pflichtwidrigen Unterbleibens unausweichlich und mit einem höheren Risiko behaftet sein.

- Im Bereich LWK 3/4, für den ursprünglich eine Eingriffsindikation nicht gestellt war, war aufgrund des intraoperativen Befunds der dort durchgeführte Eingriff, wie im OP-Bericht wiedergegeben, als solcher kunstfehlerfrei und auch nicht mit nachteiligen Folgen für den Kläger verbunden (Sachverständiger Sch....).

- Das Auftreten der Infektion (Spondylodiszitis und Meningoencephalitis) war als solches zwar durch den Eingriff (Eröffnung des Durasacks) verursacht indes nicht Folge fehlerhaften Verhaltens, sondern schicksalhaft. Anhaltspunkte für mangelhafte Schutzvorkehrungen fehlen (Sachverständiger S....). Das diesbezügliche Berufungsvorbringen zu einer besonderen Gefährdungslage im Krankenhaus des Beklagten (Bl. 360 d.A.) ist unsubstantiiert und spekulativ.

Die vorstehenden Ergebnisse resultieren jeweils aus zur Überzeugung des Landgerichts (und des Senats) erfolgreicher Beweisführung im Sinn der als feststehend getroffenen (positiven wie negativen) Aussagen. Zur Frage der Beweislastverteilung führende "offene" Fragen verbleiben insoweit nicht.

Der insgesamt zu beurteilende Sachverhalt kann hiernach wie folgt zusammengefasst werden:

Wegen aufgetretener Beschwerden war ein neuerlicher Eingriff an der Stelle der früheren Operation LWK 4/5 veranlasst. Der Kläger stimmte dem aufgrund ordnungsgemäßer Aufklärung zu. Bei dem Eingriff verwechselte der Beklagte wegen unzureichender Kontrolle schuldhaft LWK 4/5 mit LWK 3/4. Die vorgesehenen Maßnahmen bei LWK 4/5 unterblieben. Bei LWK 3/4 wurde an Ort und Stelle ein chirurgischer "Behandlungsbedarf" festgestellt und eine entsprechende Behandlung vorgenommen. Nachteilige Folgen sind aus dem Unterlassen bei LWK 4/5 und der Behandlung bei 3/4 nicht erwachsen. Der Eingriff als solcher (Eröffnung des Durasacks) führte schicksalhaft zu einer, für sich korrekt behandelten, Spondylodiszitis und Meningoencephalitis mit - nur zum Teil streitiger - erheblicher Belastung des Klägers durch zeitaufwendige Therapie und Dauerfolgen.

Die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts ergibt mit dem Landgericht, dass der Beklagte für die Infektion samt Folgen nicht schadensersatzpflichtig ist.

Abweichend vom Landgericht meint der Senat aber, dass der Kläger immateriellen Schadensersatz für eine rechtswidrige Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität verlangen kann.

Der Beklagte hat nicht für die Infektion und ihre Folgen einzustehen. Die Infektion wäre ebenso schicksalhaft und gleichermaßen auch aufgetreten, wenn der Beklagte die Operationsstellen nicht verwechselt hätte. Dies steht auch aus der Sicht des Senats zweifelsfrei fest, ohne dass es auf Fragen der Beweislast ankäme.

Die Infektion entstand (Sachverständiger S....) dadurch, dass Erreger m den bei dem Eingriff eröffneten Durasack eindringen konnten. Die Eröffnung des Durasacks war zwangsläufig mit dem indizierten und auch durch Einwilligung gerechtfertigten Eingriff mit dem Ziel einer Operation bei LWK 4/5 verbunden. Der nach Beginn des Eingriffs

dem Beklagten unterlaufene Irrtum war hierfür nicht ursächlich, denn der vorgesehene Eingriff umfasste in jedem Fall die Eröffnung des Durasacks. Dass auch der Einschnitt in die Dura, wie der Senat den Sachverständigen S.... versteht, infolge des Lokalisationsirrtums an anderer als der in Aussicht genommenen Stelle erfolgt sein dürfte, erscheint als unter dem Gesichtspunkt des jeweiligen Infektionsrisikos offensichtlich unerheblich.

War aber der für die Infektion ursächliche Einschnitt nicht in für die Frage des Infektionsrisikos erheblicher Weise durch kunstfehlerhaftes Verhalten des Beklagten beeinflusst, fehlt es für eine Zurechnung der Infektionsfolgen an der erforderlichen Ursächlichkeit des Pflichtverstoßes.

Der Senat hält es nicht für veranlasst, diese in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterte, inhaltlich für den Prozessausgang in der Tat zentrale Frage in spezifisch rechtsdogmatischer Hinsicht in abstrakter Weise erschöpfend zu thematisieren (wie es der Kläger im Schriftsatz vom 31. Januar 2002, Bl. 417 ff d.A., wohl vermisst). Die aus der Sicht des Senats sachlich zwingende Argumentation mag begrifflich als Frage eines erforderlichen Rechts- oder Pflichtwidrigkeitszusammenhangs, einer Normzweckbegrenzung, einer hypothetischen Kausalität oder eines rechtmäßigen Alternativverhaltens einzuordnen sein - inhaltlich entscheidend ist aus der Sicht des Senats, dass nach deliktischem wie vertraglichem Schadensersatzrecht die Einstandspflicht für die Folgen einer Pflichtverletzung, soll der Ersatzverpflichtete nicht seinerseits schicksalhafter Willkür ausgesetzt sein, auf die Folgen ebendieser Pflichtverletzung bezogen und beschränkt sein muss, nicht aber über die Einbindung in eine Kausalitätskette bloßen Zufalls auch zu einer Haftung für allgemeine, schicksalhafte Lebensrisiken des Verletzten werden darf. Dass die insoweit erforderliche Abgrenzung ihrerseits nicht in schematisch - naturwissenschaftlicher Subsumtion, sondern in wertender Beurteilung getroffen werden muss, ist dem Senat sehr wohl bewusst. Eben deshalb meint er aber auch dass der Sachverhalt übergreifend und umfassend gewürdigt werden muss und die wertende Verneinung des erforderlichen Zusammenhangs der Pflichtverletzung mit den insgesamt aufgetretenen Folgen den Lebenssachverhalt in seiner Gesamtheit erfassen muss. Vorliegend kommt der Senat in diesem Sinne zu dem klaren und eindeutigem Wertungsergebnis, das eine Einstandspflicht für die Infektion samt Folgen zu verneinen ist. Entsprechend kann schließlich auch nicht über den Gedanken einer Abschichtung zwischen "haftungsbegründender" und "haftungsausfüllender" Kausalität die Einbeziehung schicksalhafter Folgen in die Ersatzpflicht aufgrund einer lediglich als "Zufallsursache" zu wertenden Pflichtwidrigkeit gerechtfertigt werden.

Im Ergebnis entfällt mithin eine schadensersatzrechtliche Verantwortlichkeit des Beklagten für die operationsbedingte Infektion und ihre Folgen, sowohl hinsichtlich des begehrten Schmerzensgelds als auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens für materielle Zukunftsschäden.

Abweichend vom Landgericht meint der Senat indes, dass der Kläger immateriellen Schadensersatz wegen der beim Eingriff aufgetretenen "Verwechslung" verlangen kann; eine Grundlage für einen Feststellungsausspruch betreffend materielle Zukunftsschäden dieserhalb sieht der Senat allerdings nicht.

Der Kläger ist von dem Beklagten in seiner körperlichen Integrität rechtswidrig und schuldhaft verletzt worden.

Zum einen war die Durchführung des Eingriffs aufgrund der erteilten Einwilligung zur Operation an LWK 4/5 unter fehlerhaftem Unterlassen dieser medizinisch indizierten Operation rechtswidrige Körperverletzung, denn die betreffende Einwilligung kann letztlich keine Rechtfertigung für den (begonnenen, damit bereits teilweise integritätsverletzenden, aber pflichtwidrig nicht weitergeführten) Eingriff bedeuten, wenn dieser objektiv ohne sachlich zwingenden (einwilligungskonformen) Grund den die Einwilligung tragenden Zweck verfehlt - sei es, dass man die Einwilligung als von vornherein entsprechend bedingt und begrenzt versteht, sei es, dass man das Unterlassen trotz einer wegen des begonnenen Eingriffs qualifiziert begründeten Handlungspflicht (Pflicht zur zweckgerichteten Fortsetzung des Eingriffs) seinerseits als gesonderte Pflichtverletzung begreift, die ihrerseits mangels Einwilligung rechtswidrige Körperverletzung bedeutet -.

Zum anderen bedeuten auch die vorgenommenen Maßnahmen an LWK 3/4 im Ergebnis rechtswidrige Körperverletzung. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass - für sich gesehen - der intraoperativ festgestellte Befund an LWK 3/4 die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen medizinisch als solche rechtfertigte und bei Abwägung das zutage getretene Behandlungsbedürfnis an diesem Segment die insoweit fehlende konkrete Einwilligung im Ergebnis im Sinne einer Güterabwägung ("mutmaßliche Einwilligung") zu kompensieren geeignet gewesen wäre. Hiervon ist zwar in der Tat mit dem Landgericht in Anschluss an den Sachverständigen Sch.... auszugehen.

Gesondert hiervon darf nämlich nach Auffassung des Senats nicht übersehen werden, dass der Beklagte unstreitig nicht etwa meinte (und nach verantwortlicher Prüfung und Abwägung in Kenntnis insoweit fehlender Einwilligung ein zwingendes Eingriffserfordernis bejahte), einen überraschend intraoperativ hervorgetretenen weiteren Befund, über den der Kläger vorher mangels Kenntnis nicht hatte aufgeklärt werden können, zu behandeln, sondern er irrtümlich meinte, es mit LWK 4/5 zu tun zu haben. Der Senat sieht hierdurch das körperliche Integritätsinteresse des Klägers als selbständig in rechtswidriger Weise beeinträchtigt an. Alltagsprachlich auf den Punkt gebracht, meint der Senat, dass der Kläger es im Sinne einer immateriellen Entschädigung nicht hinnehmen muss, dass der Beklagte, wenn auch kunstgerecht, versehentlich an falscher Stelle an ihm operiert hat.

Der Senat bewertet die dem Kläger insoweit zuzusprechende immaterielle Entschädigung nach § 847 BGB in Gesamtwürdigung aller Umstände auf 4.000.00 €.

Hierbei setzt er unter anderem zu Gunsten des Beklagten ein eher niedriges Verschulden und die objektive Nützlichkeit des Eingriffs, zu Gunsten des Klägers andererseits das zunächst hartnäckige Bestreiten ernsteren Fehlverhaltens, die lange Prozessdauer und, wenn auch nur nachrangig und im Sinne eines seinerseits schuldlos/schicksalhaft im Gesamtzusammenhang der unglücklichen Vorgänge gesteigerten subjektiven Genugtuungsbedürfnisses des Klägers, die insgesamt auch im unstreitigen Umfang erhebliche Belastung des Klägers im Gefolge des Eingriffs vom 13. April 1993 an.

Das zuzusprechende Schmerzensgeld ist antragsgemäß nach § 291 BGB ab Rechtshängigkeit in gesetzlicher Höhe zu verzinsen.

Im Gesamtergebnis ist folglich auf die Berufung das angefochtene Urteil teilweise abzuändern. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnungrn zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10, § 711 S. 1 und 2, § 709 S. 2 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für eine Zulassung nicht vorliegen, § 543 ZPO n.F..

Der Wert des Streitgegenstands für den Berufungsrechtszug wird auf 86.000,00 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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